Aktenzeichen 25 U 4486/15
Leitsatz
1. Definieren die Bedingungen für die Firmen Immobilienversicherung (BFIMO) den Versicherungsfall „Leitungswasser“ als bestimmungswidrigen Austritt von Wasser aus Rohren oder Schläuchen der Wasserversorgung sowie aus sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen, liegt kein versichertes Ereignis vor, wenn Wasser von einer Dachterrasse aufgrund einer Verstopfung gar nicht erst in die sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen eintreten kann (Abgrenzung zu OLG Koblenz BeckRS 2011, 16401). (Rn. 4 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist es als Rückstauschaden versichert, wenn Wasser infolge von Witterungsniederschlägen aus Rohren der öffentlichen und/oder privaten Abwasserkanalisation oder den damit verbundenen Einrichtungen in das versicherte Gebäude hinein rückgestaut wird, liegt ein versicherter Rückstauschaden nicht vor, wenn sich durch starke Regenfälle auf einer Dachterrasse ansammelndes Wasser wegen eines verstopften Wasserkessels nicht mehr in ein Abflussrohr einfließen und über dieses und das weitere System abfließen kann (Abgrenzung zu OLG Koblenz BeckRS 2011, 16401). (Rn. 7 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
3. Vgl. auch den nachgehenden Zurückweisungsbeschluss OLG München BeckRS 2016, 124984. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
25 O 8999/14 2015-11-06 Endurteil LGMUENCHENI LG München I
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 06.11.2015, Az. 25 O 8999/14, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe
Das Landgericht hat die Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen, die Ausführungen in der Berufungsbegründung sind nicht geeignet, zu einer anderen Bewertung zu führen.
Der vom Landgericht festgestellte Schadensablauf für den Wasserschaden vom 01.06.2013 wird von der Berufung nicht angegriffen und ist auch nicht zu beanstanden.
Die auf dieser Grundlage vorgenommene rechtliche Bewertung des Landgerichts, dass dieser Schadensablauf in keiner der drei nach den Versicherungsbedingungen (BFIMO) grundsätzlich in Betracht kommenden Klauseln ein versichertes Ereignis darstellt, ist ebenfalls rechtsfehlerfrei. Die Auslegung der Bestimmungen durch das Landgericht entspricht den Auslegungsgrundsätzen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; der Senat kommt zum gleichen Ergebnis.
Das Landgericht hat zu Recht einen Leitungswasserschaden gemäß § 2 Nr. 1 BFIMO verneint.
Entgegen der Auffassung der Berufung ist nicht ausschlaggebend, was ein Versicherungsnehmer allgemein unter „Leitungswasser“ versteht. Denn in § 2 Nr. 1 b) BFIMO ist eindeutig und zulässig näher definiert, was unter Leitungswasser, für dessen bestimmungswidrigen Austritt, der zu Nässeschäden führt, Versicherungsschutz versprochen wird, zu verstehen ist: im Wesentlichen Wasser aus Rohren oder Schläuchen der Wasserversorgung (aa) sowie aus sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen (bb).
Da die Ableitung des Niederschlagswassers von der Dachterrasse mit den dafür vorgesehenen Rohren und dem Kessel nichts mit der Wasserversorgung zu tun hat, kommt die erste Alternative von vornherein nicht in Betracht. Die zweite Alternative mag man mit dem Landgericht – dem Urteil des OLG Koblenz vom 28.01.2011, Az. 10 U 238/10, VersR 2011,1160, folgend – bei weiter Auslegung der „sonstigen mit dem Rohrsystem verbundenen Einrichtungen“ noch grundsätzlich in Betracht ziehen, da das Abflussrohr von der Dachterrasse in einem außenliegenden Wasser kessel endete, der wiederum über ein weiteres Abflussrohr und ein Fallrohr mit der Kanalisation (Abwasserkanal, den man als Teil „des Rohrsystems“ ansehen könnte) verbunden war (vgl. Anlage K 2 und Aussage des Zeugen …). Das Landgericht hat aber zutreffend angenommen, dass ein versichertes Ereignis insoweit deshalb ausscheidet, weil das Wasser von der Dachterrasse selbst aus in das Gebäude eingedrungen ist, da es aufgrund der Verstopfung gar nicht erst in das Abflussrohr einfließen konnte. Es war also nicht bestimmungswidrig aus der sonstigen Einrichtung ausgetreten, sondern allenfalls bestimmungswidrig in diese gar nicht erst eingetreten -was nicht versichert ist und worin sich die hiesige Fallkonstellation von der des OLG Koblenz unterscheidet.
Ebenso berechtigt hat das Landgericht keinen Rückstauschaden gemäß § 4 Nr. 3 BFIMO angenommen.
Was ein witterungsbedingter Rückstau ist, ist wiederum konkret in den Versicherungsbedingungen beschrieben, wobei die hiesige Definition etwas enger gefasst ist als die, die der im Urteil zitierten Entscheidung des OLG Hamburg zugrunde lag. Es muss sich um Wasser handeln, das infolge von Witterungsniederschlägen aus Rohren der öffentlichen und/ oder privaten Abwasser-kanaiisation oder den damit verbundenen Einrichtungen in das versicherte Gebäude hinein rückgestaut wird, Das Abflussrohr von der Terrasse war zwar nach den oben beschriebenen örtlichen Gegebenheiten eine mit der Abwasserkanalisation verbundene Einrichtung. Wasser wurde aber nicht von dort aus in das versicherte Gebäude hinein zurückgestaut. Vielmehr konnte das sich durch die starken Regenfälle auf der Dachterrasse ansammelnde Wasser wegen des verstopften Wasserkessels nicht mehr in das Abflussrohr einfließen und über dieses und das weitere System abfließen. Man könnte allenfalls noch von einem „Rückstau“ auf das Gebäude hinauf sprechen, sicher nicht von einem in das Gebäude hinein.
Schließlich liegt auch kein Versicherungsfall gemäß dem Öko-Paket-Auf-Erstes-Risiko vor.
Dort wurde die Leitungswasserversicherung gemäß § 2 Nr. TBFIMO (vgl. oben) insofern erweitert, als auch der bestimmungswidrige Austritt von Wasser aus Regenableitungsrohren, die innerhalb versicherter Gebäude verlegt sind, dem Versicherungsschutz unterfällt. Hier hat das Landgericht zu Recht angenommen, dass es sich (schon nach allgemeinem Sprachgebrauch und dem Verständnis des durchschnittlichen Versicherungsnehmers) bei einem Abflussrohr, das durch die Brüstung einer Dachterrasse in einen außen liegenden Wasserkessel führt, nicht um ein innerhalb des Gebäudes verlegtes Rohr handelt. Zudem liegt auch deshalb – wie bei § 2 Nr. 1 BFIMO – kein versichertes Ereignis vor, weil das in das Gebäude eindringende Wasser kein bestimmungswidrig aus diesem Abflussrohr ausgetretenes Wasser war, sondern solches, das aufgrund der Verstopfung gar nicht erst in dieses hineinfließen konnte.
Der in der Berufungsbegründung an mehreren Stellen hervorgehobene Umstand, dass dem Kläger umfassender Versicherungsschutz wichtig gewesen sei, ändert nichts an dieser Bewertung. Es ist zulässig und allgemein bekannt, dass u.a. Gebäude- und Elementarschadensversicherungen nicht für jegliche Wasserschäden im Zusammenhang mit Leitungswasser bzw. mit Überschwemmungen oder starken Regenfällen haften, sondern Versicherungsschutz nur für bestimmte Fälle bzw. Fallgruppen übernehmen, die in den jeweiligen Versicherungsbedingungen näher definiert sind. Die hier vorliegenden Bestimmungen entsprechen auch dem insoweit durchaus Üblichen und führen zu keiner Entwertung des Versicherungsschutzes, auch wenn im Einzelfall – wie hier – aufgrund der konkreten Umstände des Schadensablaufs nicht gedeckte Risiken verbleiben.
Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).