Aktenzeichen 2 N 16.717
Leitsatz
1. Der Eingang eines Schriftsatzes bei Gericht erfüllt nicht die Anforderung nach § 215 Abs. 1 S. 1 BauGB, eine Rüge gegenüber der Gemeinde schriftlich geltend zu machen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine vor Bekanntmachung des Bebauungsplans erhobene Rüge entbindet nicht von einer Geltendmachung der Verletzung von Vorschriften nach dessen Inkraftsetzung. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Antrag wird abgelehnt.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller zu 1. und 2. als Gesamtschuldner sowie die Antragstellerin zu 3. je die Hälfte.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. … der Antragsgegnerin, der am 10. April 2015 bekannt gemacht wurde.
Der Antragsteller zu 2. ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … Gemarkung P. (N.-straße 53), die Antragstellerin zu 1. ist Inhaberin eines Nießbrauchrechts hieran und die Antragstellerin zu 3. ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. …/9 Gemarkung P. (N.-straße 44). Beide Grundstücke liegen außerhalb des Plangebiets.
Zur Begründung ihres Normenkontrollantrags lassen die Antragsteller ausführen, dass sie durch das zusätzliche Verkehrsaufkommen infolge des Bebauungsplans, der einen wesentlichen Anteil des Verkehrsflusses über die N.-straße vorsehe, in ihren Gesundheits- und Eigentumsrechten unzumutbar verletzt werden würden. Es fehle an einer ermessenfehlerfreien Abwägung ihrer Belange im Sinn von § 1 Abs. 7 BauGB. Die Antragsgegnerin habe die Verkehrslärmsituation für die Grundstücke der Antragsteller falsch ermittelt und bewertet, insbesondere seien die dem Bebauungsplan zugrunde liegende Verkehrsuntersuchung sowie das schallschutztechnische Gutachten mit diversen Fehlern behaftet. Insoweit sei auch die von der Antragsgegnerin vorgenommene Alternativprüfung und -auswahl zum gewählten Verkehrskonzept fehlerhaft. Zudem liege ein Verfahrensfehler vor, da die Antragsgegnerin die schalltechnische Untersuchung zum Bebauungsplan nach ihrer öffentlichen Auslegung in wesentlichen Punkten geändert habe. Dieser Mangel sei von der Bürgerinitiative, der die Antragsteller angehörten, mit E-Mail vom 3. November 2014 gegenüber der Antragsgegnerin gerügt worden.
Die Antragsteller beantragen,
den Bebauungsplan Nr. … „P.-G.-Allee“, in Kraft getreten seit April 2015, für unwirksam zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Anträge seien bereits wegen fehlender Antragsbefugnis unzulässig, da keine planbedingte Verkehrslärmzunahme im Bereich des Eigentums der Antragsteller vorliege. Im Übrigen handle es sich selbst bei unterstellter Richtigkeit der von den Antragstellern behaupteten Mängel um Fehler im Abwägungsvorgang, die mangels fristgerechter Geltendmachung unbeachtlich seien. Dies gelte ebenso in Hinsicht auf den gerügten Verfahrensmangel. Insbesondere sei die von den Antragstellern genannte Mail vom 3. November 2014 nicht innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist eingegangen.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 hörte das Gericht die Beteiligten zur Absicht an, ohne mündliche Verhandlung entscheiden zu wollen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
Der Normenkontrollantrag bleibt ohne Erfolg.
Der Senat kann durch Beschluss entscheiden, da er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden insofern gehört. Eines Einverständnisses der Beteiligten bedarf es nicht (vgl. BVerwG, B.v. 2.1.2001 – 4 BN 13.00 – BauR 2001, 1888).
Es kann hier dahinstehen, ob der Normenkontrollantrag bereits wegen fehlender Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) unzulässig ist, weil der Antrag jedenfalls unbegründet ist. Die von den Antragstellern erhobenen Einwendungen zum Abwägungsvorgang sowie die erhobene Verfahrensrüge sind bereits unbeachtlich, weil ihre Rügen nicht rechtzeitig erfolgten.
Die Antragsteller berufen sich zum einen auf einen Verfahrensmangel, der die öffentliche Auslegung des schallschutztechnischen Gutachtens zum Bebauungsplan zum Inhalt hat (§ 3 Abs. 2, § 214 Abs. 1 Nr. 2 BauGB). Zum anderen tragen sie ausschließlich Mängel der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB vor, die nur dann erheblich sind, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss sind (§ 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB).
Nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 3 BauGB werden Verfahrens- sowie im Sinn von § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB erhebliche Abwägungsfehler unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht worden sind. Ausweislich der Verfahrensvermerke wurde der Bebauungsplan am 10. April 2015 ortsüblich bekannt gemacht. Die Bekanntmachung enthielt den nach § 215 Abs. 2 BauGB erforderlichen Hinweis auf die Voraussetzungen für die Geltendmachung von Rechtsverletzungen und ihre Rechtsfolgen. Die Jahresfrist endete somit am Montag, den 11. April 2016 (Art. 31 Abs. 1 BayVwVfG, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2, § 193 BGB). Der Normenkontrollantrag vom 11. April 2016 ging am selben Tag beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof per Telefax ein. Dieser wurde der Antragsgegnerin ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 22. April 2016 zugestellt. Damit hat die schriftliche Geltendmachung der Rügen die Antragsgegnerin nicht mehr rechtzeitig, d.h. innerhalb der gesetzlich vorgeschrieben Jahresfrist erreicht, worauf die Antragsgegnerin zutreffend hingewiesen hat. Der Eingang des Schriftsatzes bei Gericht erfüllt diese Anforderung aufgrund des eindeutigen Wortlauts des Gesetzes, der eine Geltendmachung gegenüber der Gemeinde fordert, nicht (vgl. BVerwG, U.v. 14.6.2012 – 4 CN 5.10 – BVerwGE 143, 192 Rn. 27; BayVGH, U.v. 19.7.2018 – 2 N 16.1882 – n.v.; VGH BW U.v. 11.12.2014 – 8 S 1400/12 – BauR 2015, 1089; Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Mai 2018, § 215 Rn. 37). Zudem enthielt der Normenkontrollantrag lediglich die Verfahrensrüge.
Ebenso wenig liegt hinsichtlich der Verfahrensrüge mit der E-Mail vom 3. November 2014 ein fristgerechtes Rügeschreiben vor. Denn diese ist der Antragsgegnerin vor der Bekanntmachung des Bebauungsplans zugegangen. Eine vor Bekanntmachung des Bebauungsplans erhobene Rüge entbindet nicht von einer Geltendmachung nach § 215 Abs. 2 BauGB (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Mai 2018, § 215 Rn. 38; Spannowsky/Uechtritz, BauGB, 3. Aufl. 2018, § 215 Rn. 26).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 1 und 2 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.