Aktenzeichen 15 NE 17.2429
Leitsatz
1 Es bleibt offen, welche Folgen – wegen des Außerkrafttretens des § 47 Abs. 2a VwGO am 2. Juni 2017 – der Umstand hat, dass sich der Antragsteller im Bebauungsplanänderungsverfahren während der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht (nochmals) geäußert und Einwendungen erhoben hat. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Da der Mangel der verspäteten, weil nach Bekanntmachung erfolgten Ausfertigung jederzeit durch eine nachfolgende (erneute) Bekanntmachung der Bebauungsplanänderung geheilt werden kann, ist er nicht geeignet, dem Eilantrag zum Erfolg zu verhelfen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich in einem Normenkontrollverfahren (Az.: 15 N 17.2312) gegen die am 12. Juni 2017 von der Antragsgegnerin öffentlich bekannt gemachte 17. Änderung des Bebauungsplans „Oberpfälzer Seenplatte, St.-see“.
Er begehrt vorliegend mit einem Eilantrag (§ 47 Abs. 6 VwGO) vorläufigen Rechtsschutz und beantragt sinngemäß,
die streitgegenständliche Änderung des Bebauungsplans bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.
Er sei durch die Änderung des Bebauungsplans, welche im Anschluss an die bisherige Wohnbebauung ein Wohngebiet („WA“) neu festsetze, in seinen Rechten verletzt. Die „Sicherheit der bereits ansässigen Bevölkerung“ sei im Rahmen der Abwägung „defizitär behandelt“ worden. Die geplante Bebauung könne wegen der seit langem bekannten „problematischen Bodenverhältnisse“ im Baugebiet nachteilige Auswirkungen auch auf sein Wohngrundstück, das unmittelbar an das Plangebiet angrenze, haben und die Standsicherheit des eigenen Wohngebäudes beeinträchtigen. Die Antragsgegnerin habe dieses Problem erkannt, mit den Festsetzungen des Bebauungsplans jedoch nicht gelöst. Gleiches gelte wegen etwaiger Altlasten für den „Bodenschutz“. Die Antragsgegnerin habe im Bebauungsplanänderungsverfahren die grundsätzliche Bebaubarkeit des Plangebiets und den Schutz – auch den der angrenzenden Bewohner – vor schädlichen Bodenveränderungen nicht hinreichend geklärt und stattdessen die „Problematik in den Vollzug verschoben“. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 5. Dezember 2017, 23. Januar 2018 und 22. Februar 2018 Bezug genommen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene (Erschließungsträgerin) beantragen jeweils,
den Antrag abzulehnen.
Der Antrag sei bereits unzulässig. Das außerhalb des streitgegenständlichen Plangebiets liegende Grundstück des Antragstellers befinde sich auf natürlich gewachsenem Boden, so dass sich der Vollzug des geänderten Bebauungsplanes auf die Standfestigkeit des Untergrunds des Grundstücks des Antragstellers nicht auswirke. Zudem habe der Antragsteller im Bebauungsplanänderungsverfahren keine Einwendungen vorgetragen. Schließlich sei der Antrag auch unbegründet. Für das Plangebiet bestehe bereits seit 1997 verbindliches Baurecht (Sondergebiet Hotel). Die streitgegenständliche Änderung des Bebauungsplans erfolge – mangels Umsetzbarkeit der früheren Planung eines Hotelbetriebs – aus städtebaulichen Gründen. Die „Sicherheit der bereits ansässigen Bevölkerung“ sei nach Maßgabe der eingeholten Gutachten und Stellungnahmen zu den Bodenverhältnissen im Plangebiet gewährleistet. Im Übrigen erfolge die Bebauung im Plangebiet mit einem Mindestabstand von 5 m zur „ehemaligen Böschungskante der angrenzenden Tagebaugebiete“. Damit sei sichergestellt, dass die „bergbaulich beanspruchten Flächen“ nicht bebaut würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Der vom Antragsteller begehrte Erlass einer einstweiligen gerichtlichen Anordnung, mit der die streitgegenständliche Änderung des Bebauungsplans vorläufig außer Vollzug gesetzt werden soll, ist weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten (§ 47 Abs. 6 VwGO). Für die gerichtliche Entscheidung kann dabei offenbleiben, ob der Antragsteller überhaupt antragsbefugt ist, d.h. ob er hinreichend geltend gemacht hat, durch die streitgegenständliche Änderung des Bebauungsplans in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Ebenso kann offenbleiben, welche Folgen – wegen des Außerkrafttretens des § 47 Abs. 2a VwGO am 2. Juni 2017 – der Umstand hat, dass sich der Antragsgegner im aktuellen Bebauungsplanänderungsverfahren während der förmlichen Öffentlichkeitsbeteiligung nicht (nochmals) geäußert und Einwendungen erhoben hat. Denn die Befürchtung des Antragstellers, die im angrenzenden Plangebiet festgesetzte neue Bebauung wirke sich auf sein Wohngrundstück nachteilig aus, ist nach gegenwärtiger Aktenlage nicht hinreichend substantiiert begründet.
a) Dies gilt zunächst für die Behauptung des Antragstellers, die geplante Bebauung habe wegen der „problematischen Bodenverhältnisse“ im Plangebiet nachteilige Auswirkungen auch auf sein Wohngrundstück und beeinträchtige die Standsicherheit seines Wohngebäudes. Das Grundstück des Antragstellers ist (mindestens) etwa 80 m von der nächstgelegenen im Plangebiet festgesetzten neuen Bebauung entfernt. Eine in diesem Bereich liegende Grünfläche (mit darin befindlichem Regenklärteich) bleibt von der Planänderung weitgehend unberührt. Ein nachteiliger Einfluss der neuen Bebauung auf das Wohngrundstück des Klägers liegt deshalb schon nicht nahe.
Entgegen der Ansicht des Antragstellers besteht auch kein Anlass zur Annahme, die Antragsgegnerin habe die „Sicherheit der bereits ansässigen Bevölkerung“ im Rahmen der im Bebauungsplanänderungsverfahren geforderten Abwägung „defizitär behandelt“. Die Antragsgegnerin hat vielmehr für das – zwischen ehemaligen Tagebauen – liegende Plangebiet sowohl im aktuellen als auch anlässlich früherer Bauleitverfahren mehrere Gutachten über die Untergrundverhältnisse und zur Bebaubarkeit eingeholt, die einer generellen Bebaubarkeit des Plangebiets nicht entgegenstehen (Baugrundgutachten Prof. Floss, TU München, aus dem Jahr 1988, Seite 12 und 19: Ab Tiefen zwischen 0,5 m und 1,5 m sehr tragfähige Schichten; „Gründung von Gebäuden… ist unproblematisch.“). Entsprechend der gutachterlichen Empfehlungen hat die Antragsgegnerin mit ihren Festsetzungen im Bebauungsplan auch sichergestellt, dass (neu zu errichtende) „Gebäude von der ehemaligen Böschungskante der angrenzenden Tagebaugebiete einen Mindestabstand von 5 m aufweisen“ (Gutachten Prof. Floss, Seite 20). Die aktuell eingeholten fachlichen Äußerungen zum Baugrund (Gutachten der K. G. Ingenieur GmbH & Co. KG vom 20.5.2016) und die „Messung und Beurteilung der Erschütterungen bei Verdichtungsarbeiten im Hinblick auf die Beschädigung von baulichen Anlagen nach DIN 4150 Teil 3“ (Gutachten Dr. Ing. E. vom 16.11.2017) sowie weitere Standsicherheitsberechnungen (K. G. Ingenieur GmbH & Co. KG vom 14.7.2017) haben ebenfalls keine Erkenntnisse ergeben, die der im geänderten Bebauungsplan vorgesehenen neuen Bebauung generell entgegenstehen würden.
b) Die Antragsgegnerin darf im Rahmen des Bebauungsplanänderungsverfahrens auch grundsätzlich darauf vertrauen, dass im Vollzug des geänderten Bebauungsplans bei konkreten Bauvorhaben gleichwohl auftretende etwaige Schwierigkeiten bauaufsichtlich gelöst werden. Denn die baurechtliche Verantwortung der am Bau Beteiligten (vorrangig des Bauherrn und in der Folge des Entwurfsverfassers und des Bauunternehmers), die Standsicherheit des eigenen Bauvorhabens bei der Bauausführung zu gewährleisten und gleichzeitig auch die Standsicherheit anderer baulicher Anlagen und die Tragfähigkeit des Baugrunds angrenzender Grundstücke nicht zu gefährden, ist bauordnungsrechtlich bereits kraft Gesetzes gewährleistet (Art. 10 BayBO). Auf die Frage, ob die im Bebauungsplan unbeschadet dessen insoweit vorgesehenen textlichen Festsetzungen (etwa zu Standsicherheitsnachweisen und Baugrunduntersuchungen bei konkreten Bauvorhaben im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens oder die zum Schutz bereits vorhandener Gebäude vorgesehenen Festsetzungen) wirksam sind oder nicht, kommt es vorliegend daher nicht an.
c) Entgegen der Ansicht des Antragstellers hat die Antragsgegnerin auch das Problem etwaiger Altlasten im Plangebiet während des Bebauungsplanänderungsverfahrens hinreichend geklärt und nicht etwa zu Unrecht die „Problematik in den Vollzug verschoben“. Das für den Vollzug des Bodenschutzrechts zuständige Landratsamt hat – auf der Grundlage eines von der Antragsgegnerin in Auftrag gegebenen Untersuchungskonzepts eines Sachverständigen (Dr. Z.) – bereits am 4. Mai 2016 festgestellt, dass eine Untersuchung des Plangebiets im derzeitigen Zustand (Wald) noch nicht sinnvoll ist, sondern erst dann erfolgen sollte, wenn die Grundstücke zumindest ihren Zustand vor Bebauung erhalten haben. Alternativ wurde vorgeschlagen, einen Bodenaustausch (von 60 cm) mit unbelastetem Material vorzunehmen, weil damit eine Gefährdung der bodenschutzrechtlich relevanten Wirkungspfade Boden-Mensch und Boden-Pflanze ausgeschlossen wäre. Mit Schreiben vom 30. September 2016 hat das Landratsamt – vor dem Hintergrund, dass sich aus allen vorhandenen Gutachten zu vergleichbaren Flächen im angrenzenden ehemaligen Tagebau keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass dort als Wohngrundstücke genutzte Flächen nicht für Wohnnutzung geeignet seien, die Möglichkeit gesehen, den Bebauungsplan schon vor der Durchführung entsprechender Untersuchungen des Plangebiets in Kraft treten zu lassen. Im Hinblick darauf, dass „es sich im Plangebiet um gewachsenen Boden handelt, der lediglich zur Geländeanpassung mit Abraum ausgeglichen“ worden sei und sich der Altlastenverdacht (nur) auf Abraum (geringerer Mächtigkeit) erstreckt und die Beigeladene als Erschließungsträgerin in Abstimmung mit dem Landratsamt vor Baubeginn entsprechende Untersuchungen nach dem Bundesbodenschutzgesetz durchführen lassen wird, gibt es auch insoweit keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass sich die neue Bebauung im Plangebiet auf das Grundstück des Antragstellers nachteilig auswirken wird.
d) Auf die gerichtliche Entscheidung bleibt schließlich ohne Einfluss, dass die Ausfertigung der streitgegenständlichen Änderung des Bebauungsplans (erst) am 23. Juni 2017 und damit nach der ortsüblichen Bekanntmachung des Satzungsbeschlusses (12.6.2017) erfolgt ist. Dieser Mangel, der vorläufig zur Folge hat, dass die Bebauungsplanänderung noch nicht wirksam ist, kann jederzeit durch eine nachfolgende (erneute) Bekanntmachung der Bebauungsplanänderung geheilt werden. Er ist deshalb nicht geeignet, dem Eilantrag zum Erfolg zu verhelfen (vgl. z.B. OVG NRW, B.v. 14.7.2014 – 2 B 581/14.NE – juris Rn. 32 ff.).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Der Antragsteller trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, weil diese einen Antrag gestellt und sich damit auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.8.1 und Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).