Baurecht

Nutzung eines in der Teilungserklärung als Laden ausgewiesenes Teileigentum als “Eltern-Kind-Zentrum”

Aktenzeichen  18 U 1148/17

Datum:
17.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 50143
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1004
WEG § 14, § 15
BImSchG § 22 Abs. 1a

 

Leitsatz

1. Die Nutzung einer Teileigentumseinheit als “Eltern-Kind-Zentrum” beeinträchtigt bei typisierender Betrachtung mehr als die in der Teilungserklärung vorgesehene Nutzung als Laden mit Lager. (Rn. 12 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Einrichtung, die nur teilweise auf Kinder ausgerichtet ist, kann sich nicht auf die Ausstrahlungswirkung des § 22 Abs. 1a BImSchG berufen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

20 O 21847/10 2017-03-31 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.03.2017, Aktenzeichen 20 O 21847/10, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 85.000 € abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 55.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Frage, ob der beklagte Verein die an ihn vermieteten Räumlichkeiten im Erdgeschoss der N.straße …, … M., weiterhin als Eltern-Kind-Zentrum nutzen darf. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 31.03.2017 (Bl. 591/594 d.A.) Bezug genommen.
Mit Endurteil vom 31.03.2017 hat das Landgericht der Klage stattgegeben und den Beklagten verurteilt, die Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten zu unterlassen. Zu den Entscheidungsgründen wird auf Bl. 594/598 d.A. verwiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er beantragt,
Das am 31.03.2017 verkündete Endurteil des Landgerichts München I, Az. 20 O 21847/10 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Auf die Berufungsbegründung vom 29.06.2017 (Bl. 617/629 d.A.) wird Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf die Berufungserwiderung vom 11.08.2017 (Bl. 634/650 d.A.) wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 27.04.2018 (Bl. 660/671 d.A.) hat der Senat darauf hingewiesen, dass und aus welchen Gründen er beabsichtige, die Berufung des Beklagten durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Den Parteien wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Kläger haben sich mit Schriftsatz vom 07.06.2018 (Bl. 683/685 d.A.) den Hinweisen des Senats weitgehend angeschlossen. Der Beklagte ist mit Schriftsatz vom 15.06.2018 (Bl. 686/700 d.A.) der beabsichtigten Vorgehensweise entgegen getreten. Hierzu haben die Kläger mit Schriftsatz vom 06.07.2018 (Bl. 703/715 d.A.) ergänzend ausgeführt. Wegen der Einzelheiten wird auf die vorgenannten Schriftsätze nebst Anlagen und den Hinweisbeschluss des Senats verwiesen.
II.
Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 31.03.2017, Aktenzeichen 20 O 21847/10, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 27.04.2018 Bezug genommen.
Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung des Beklagten vom 15.06.2018 geben zu einer Änderung keinen Anlass:
1. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist insbesondere nicht im Hinblick auf die in der Gegenerklärung behauptete Tragweite des hiesigen Verfahrens für ca. 40 Familien in München geboten. Unabhängig von der Frage der Zulassungsfähigkeit dieses von den Klägern bestrittenen Vorbringens (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) ist dieses in keiner Weise substantiiert worden. So wird lediglich pauschal ohne jegliche Angabe von Einzelheiten behauptet, dass die ca. 40 Familien ihren Kinderbetreuungsplatz verlieren würden und angesichts fehlender Ersatzplätze die privaten und beruflichen Auswirkungen für diese Familien gravierend wären, indem viele der Eltern schlichtweg ihrem Beruf nicht mehr oder nur noch eingeschränkt nachgehen könnten und dies auch erhebliche finanzielle Engpässe innerhalb der betroffenen Familien zur Folge hätte. Welche Familien konkret in welchem Umfang hiervon betroffen sind, wird in keiner Weise ausgeführt. Dies wäre jedoch insbesondere auch im Hinblick darauf erforderlich, dass selbst die Teilnahme an dem jeden Vormittag stattfindenden Mini-Kindergarten pro Kind auf 2 Vormittage beschränkt ist, so dass allein auf dieser Grundlage eine Berufstätigkeit nur schwer vorstellbar erscheint. Hinzu kommt, dass sich aus den angeführten Umständen auch keine existentielle Bedeutung für den Beklagten selbst ableiten lässt.
Soweit sich der Beklagte auf die Förderung des „E. “ sowie dessen Unterstützung von vielerlei Seiten bezieht, ist anzumerken, dass auch der Senat die soziale Bedeutung des Projekts nicht verkennt. Im vorliegenden Verfahren ist jedoch die Frage zu beurteilen, ob eine Nutzung gerade der konkreten Räumlichkeiten durch den Beklagten zulässig ist.
2. Soweit der Beklagte darauf verweist, dass die Kläger für das tatsächliche Bestehen von Beeinträchtigungen ihres Eigentums im Rahmen des § 1004 BGB beweisbelastet seien, trifft dies zwar grundsätzlich zu, berücksichtigt jedoch nicht, dass in dem hier vorliegenden Fall einer zweckbestimmungswidrigen Nutzung die Beweislast für die Behauptung, dass diese Nutzung generell bei typisierender Betrachtung nicht mehr als die zweckbestimmungsgemäße Nutzung stört, auf Seiten des Beklagten liegt (vgl. Spielbauer in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl. 2017, § 14 Rn. 18). Ungeachtet dessen wurde vorliegend keine Beweislastentscheidung getroffen, sondern das Landgericht ist auf Grundlage der getroffenen Feststellungen ohne Rechtsfehler zu der Überzeugung gelangt, dass die streitgegenständliche Nutzung der Räume durch den Beklagten bei typisierender Betrachtungsweise stärker stört als die vorgesehene Nutzung als Laden mit Lager.
3. Der Senat hält nach nochmaliger Prüfung daran fest, dass die auch im Grundbuch eingetragene Zweckbestimmung „Laden mit Lager“ Vereinbarungscharakter hat. Auf die Ausführungen im Hinweisbeschluss unter Ziffer I. 2 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Dem steht auch nicht die von dem Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt (Beschluss vom 01.11.2012 – 20 W 12/08) entgegen, der ein abweichend gelagerter Sachverhalt zugrunde lag. Anders als dort liegt hier eine eindeutig ausgewiesene Nutzungsbeschränkung sowohl in der Teilungserklärung (durch Bezugnahme nicht nur auf den Aufteilungsplan, sondern auch auf die beigeheftete Aufteilungstabelle) sowie eine ausdrückliche Eintragung dieser Zweckbestimmung im Grundbuch vor (Anlage K 1). Vor diesem Hintergrund konnte und durfte sich vorliegend auch ein unbefangener Betrachter nicht im Hinblick auf die Regelung in § 2 Nr. 5 der Gemeinschaftsordnung, die in erster Linie die Frage der Genehmigung regelt und ausdrücklich auf den Aufteilungsplan Bezug nimmt, darauf verlassen, dass jegliche gewerbliche Nutzung zulässig sein sollte.
4. Entgegen der Auffassung des Beklagten sind hinreichende Feststellungen zur tatsächlichen Nutzung der Räumlichkeiten durch den Beklagten getroffen worden. Hierfür konnten die von dem Beklagten im Termin vom 16.02.2016 und 21.02.2017 übergebenen Wochenprogramme herangezogen werden, die in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht bereits ein hinreichend deutliches Bild der tatsächlichen Nutzung vermitteln. Diese wurde sowohl im erstinstanzlichen Urteil als auch im Hinweisbeschluss unter Ziffer I. 3. aa) im Einzelnen dargestellt. Ergänzend wurden die unstreitigen Angaben der Parteien, insbesondere die Angaben des Beklagten herangezogen. Dieser hat – entgegen seiner Behauptung in der Gegenerklärung – auf Seite 4 seines Schriftsatzes vom 20.06.2016 (Bl. 532 d.A.) für das Nachmittagsprogramm tatsächlich die Zahl von maximal 20 Kindern (nicht Personen insgesamt) bzw. maximal 10 Kindern im Sommer und bei gutem Wetter genannt, so dass hierzu noch Eltern, Großeltern o.ä. hinzukommen. Dem Beklagten kann auch nicht dahingehend zugestimmt werden, dass sich die tatsächliche Nutzung vormittags ausnahmslos an Kinder richte, nachdem an zwei Vormittagen neben dem Mini-Kindergarten auch „offene Spielgruppen“ sowie „Deutsch als Fremdsprache“ stattfinden.
Auch bezüglich der örtlichen Gegebenheiten konnte auf Grundlage der vorgelegten Bilder und Unterlagen eine hinreichende Konkretisierung erfolgen; auf die Ausführungen unter Ziffer I. 3. cc) des Hinweisbeschlusses wird Bezug genommen. Die innerstädtische Lage, die Nutzung des Innenhofs als Durchgang und das Vorhandensein weiterer Gewerbeeinheiten wurde berücksichtigt. Einen „ruhigen Hinterhof“ hat der Senat hingegen nicht angenommen bzw. die entsprechende Aussage des Landgerichts insoweit relativiert.
Auf Grundlage der tatsächlichen Nutzung unter Einbeziehung der Satzung des Beklagten sowie dessen Angaben auf den Wochenprogrammen und der Homepage ist der Senat in Übereinstimmung mit dem Landgericht zu der Überzeugung gelangt, dass sich das Angebot des beklagten Vereins nicht nur ausschließlich an Kinder, sondern auch an Familien insgesamt richtet, so dass durchaus von einer Begegnungsstätte für Familien oder einem Familienzentrum gesprochen werden kann.
Dass und warum die dargestellte konkrete Nutzung der Räumlichkeiten die Kläger bei typisierender Betrachtungsweise in stärkerem Maße beeinträchtigt als die vorgesehene Nutzung als Laden mit Lager haben sowohl das Landgericht als auch der Senat bereits im Einzelnen dargelegt. Auf die entsprechenden Ausführungen in Ziffer I. 3. dd) des Hinweisbeschlusses wird verwiesen. Die in zeitlicher Hinsicht gegenüber einem Laden geringere Inanspruchnahme der Räumlichkeiten vermag dabei die deutlich höhere Intensität der Nutzung nicht zu kompensieren. Der Beklagte setzt insoweit lediglich seine eigene Wertung anstelle der Wertung des Landgerichts bzw. des Senats.
Einer Beweisaufnahme zu tatsächlichen konkreten Beeinträchtigungen der Kläger, etwa durch Lärmmessungen im Rahmen eines Sachverständigengutachtens, bedurfte es – wie im Hinweisbeschluss dargelegt – im Rahmen der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht.
5. Dem Beklagten kann auch nicht dahingehend gefolgt werden, dass ihm die Ausstrahlungswirkung des § 22 Abs. 1a BImSchG deshalb zugute komme, weil es sich bei der Einrichtung des Beklagten um eine einem Kinderspielplatz ähnliche Einrichtung handele. Darunter sind kleinräumige Einrichtungen zu verstehen, die auf spielerische oder körperlich-spielerische Aktivitäten von Kindern zugeschnitten sind und die wegen ihrer sozialen Funktion regelmäßig wohngebietsnah gelegen sein müssen. Ballspielflächen für Kinder gehören hierzu, sie werden exemplarisch angeführt (vgl. BT-Drs. 17/4836, S. 6). Unabhängig davon, dass sich Kinderspielplätze ebenso wie die beispielhaft angeführten Ballspielflächen bereits nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Verkehrsauffassung regelmäßig im Freien befinden, hält der Senat auch insoweit daran fest, dass das Tätigwerden und die Zielsetzung des Beklagten einheitlich zu beurteilen sind und angesichts der nicht nur unwesentlichen Ausrichtung auch auf die Familie insgesamt eine einem Kinderspielplatz ähnliche Einrichtung nicht angenommen werden kann.
6. Einen Verstoß gegen die vom Landgericht entsprechend § 563 Abs. 2 ZPO zu beachtende Bindungswirkung an die Entscheidung des Senats vom 30.07.2014 sieht der Senat nach wie nicht als gegeben an. Das Landgericht hat nach Zurückverweisung die vom Senat für erforderlich gehaltenen Feststellungen zur streitgegenständlichen Nutzung insbesondere auf die von der Beklagtenpartei im Termin vom 16.02.2016 und 21.02.2017 zu Protokoll übergebenen Wochenprogramme, den (ergänzenden) unstreitigen Parteivortrag sowie die örtlichen Gegebenheiten gestützt, die aus den im Laufe des Verfahrens zur Akte gereichten Bildern und Unterlagen ersichtlich geworden sind. Eine weitergehende Beweisaufnahme hat das Landgericht rechtsfehlerfrei für entbehrlich erachtet, nachdem auf dieser Grundlage nunmehr eine typisierende Einordnung des von dem Beklagten betriebenen Eltern-Kind-Zentrums bzw. der Nutzung der streitgegenständlichen Räume für diesen Zweck erfolgen konnte. Konkreter Lärmmessungen bedurfte es im Rahmen der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise nicht. Auch der von beiden Parteien erörterten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 22.08.2017, Az. VIII ZR 226/16, lässt sich für den konkreten Fall nichts Näheres entnehmen, da diese eine mietrechtliche Streitigkeit mit einem nicht vergleichbaren Sachverhalt betraf.
7. Der Rechtssache kommt auch weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Entscheidung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Dem Rechtsstreit kommt über die Beziehungen zwischen den Parteien hinaus keine Bedeutung zu. Der Senat wendet geltendes Recht und obergerichtliche Rechtsprechung auf den vorliegenden Einzelfall an.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 Satz 2, § 711 Satz 1 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.
München, 17.07.2018
18 U 1148/17 Verfügung
1. Beschluss vom 17.07.2018 mit weiterem Beschluss vom 17.07.2018 (PKH) hinausgeben an: …
2. Schlussbehandlung

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