Baurecht

Öffentliche Widmung einer Abwasserleitung

Aktenzeichen  Au 6 K 17.1250

Datum:
6.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11704
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayGO Art. 23, Art. 24

 

Leitsatz

Fehlt es für eine Abwasserleitung an der erforderlichen ausdrücklichen oder konkludenten Widmung des Einrichtungsträgers zum Bestandteil einer öffentlichen Einrichtung, hat die gleichzeitige Nutzung einer Abwasserleitung durch mehrere Grundstücke nicht zur Konsequenz, dass aus einem ursprünglich privaten Anschluss ein zur öffentlichen Entwässerungsanlage gehörender Sammelkanal geworden wäre.   (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässig erhobene Klage ist nicht begründet, da das Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … nicht über eine auf den Grundstücken Fl.Nr., Fl.Nr. … und Fl.Nr. … der Gemarkung … verlaufende Leitung an die öffentliche Entwässerungsanlage des Marktes … angeschlossen ist.
I.
Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig.
Klagegegenstand ist die vom Kläger begehrte Feststellung, dass sein Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … über eine auf den o.g. benachbarten Grundstücken verlaufende Leitung an die öffentliche Entwässerungsanlage des Beklagten Marktes … angeschlossen ist. Ob ein – unterstellt – tatsächlich vorhandener Anschluss auch ein Angeschlossensein des Grundstücks im Rechtssinne bedeutet, ist eine Rechtsfrage, die zwischen den Beteiligten streitig ist und Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein kann.
Das erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO liegt hier vor. Als solches Feststellungsinteresse ist jedes anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art anzusehen. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Feststellung geeignet erscheint, die Rechtsposition des Klägers in den genannten Bereichen zu verbessern. Dazu zählen typischerweise die anerkannten aber nicht abschließenden Fallgruppen der Wiederholungsgefahr, des Rehabilitationsinteresses sowie der Absicht zum Führen eines Schadensersatzprozesses, auch die Schwere des mit der Klage gerügten Eingriffs insbesondere im grundrechtlich geschützten Bereich. Hinzu tritt ein berechtigtes Feststellungsinteresse, wenn sonst der mit einer Verneinung eines berechtigten Feststellungsinteresses verbundene Ausschluss verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes dem verfassungsrechtlichen Gebot effektiven und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG widerspräche (vgl. BVerwG, B.v. 20.12.2017 – 6 B 14.17 – juris Rn. 13 f.).
Das erforderliche Feststellungsinteresse ergibt sich daraus, dass die Rechtsfrage für weitere rechtliche Folgerungen wie die Frage des Erschlossenseins des Grundstücks z.B. im baurechtlichen Sinn oder etwaige Mitbenutzungsrechte Vorwirkung hat und nicht auf einfacherem Weg insbesondere durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage geklärt werden kann. Der Kläger hat zwar gegen die Gebührenfestsetzung auf null durch den Beklagten (Bescheid vom 27.1.2016 für das Jahr 2015 über 189,63 Euro, VG-Akte Bl. 31) Widerspruch eingelegt, doch dürfte der Widerspruch unzulässig sein, da der Kläger durch eine Gebührenfestsetzung auf null nicht belastet ist (arg. ex § 42 Abs. 2, § 68 Abs. 1 VwGO) und ein Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für eine Verpflichtung des Beklagten zur Gebührenerhebung mindestens zweifelhaft ist. Seinem an den Beklagten gerichteten Feststellungsbegehren hat dieser im Übrigen auch nicht entsprochen.
Nicht Gegenstand des Feststellungsbegehrens ist, ob und wie weit der Kläger möglicherweise eine Kanalleitung zivilrechtlich gegen die Eigentümer der Zwischenlieger-Grundstücke durchsetzen könnte, da hierfür der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist.
II.
Die Klage ist jedoch unbegründet, da das vom Kläger zur Feststellung gestellte Rechtsverhältnis nicht besteht.
Der Kläger macht ein Anschlussrecht nach § 4 Abs. 2 EWS geltend. Dieses Anschluss- und Benutzungsrecht erstreckt sich auf solche Grundstücke, die durch einen Kanal erschlossen sind. Das wiederum setzt voraus, dass sein Grundstück im Rechtssinne erschlossen ist, also durch eine bestehende und rechtlich gesicherte Leitung tatsächlich an das öffentliche Kanalnetz des Beklagten angeschlossen ist.
1. Der tatsächliche Anschluss des klägerischen Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung … über eine auf den Grundstücken Fl.Nr., Fl.Nr. … und Fl.Nr. … der Gemarkung … verlaufende Leitung an die öffentliche Entwässerungsanlage des Beklagten ist unter den Beteiligten strittig. Der Kläger behauptet die Durchgängigkeit der Leitung und die tatsächliche Ableitung des Überwassers aus seiner als Absetzgrube fungierenden Abwassergrube. Der Beklagte bestreitet die Durchgängigkeit und Eignung der Leitung für die ordnungsgemäße Abwasserentsorgung. Die Existenz einer Leitung aber ist zur Überzeugung des Gerichts auch durch die Leitungsbefahrung bestätigt; maßgeblich ist hier nicht ihr tatsächlicher Zustand, sondern ihre rechtliche Widmung. Nicht streiterheblich ist daher, ob der Kläger angesichts des technischen Zustands der Leitung die auf seinem Grundstück anfallenden Abwässer in den in der …straße liegenden öffentlichen Kanal tatsächlich ableiten konnte und kann. Dafür spricht die Konstruktion als Freispiegelleitung, dagegen sprechen der durch einen Stutzen teilweise gesperrte Leitungsquerschnitt und die bei der Leitungsbefahrung gefüllt vorgefundene Abwassersammelgrube auf dem Grundstück des Klägers, welche dieser in den Jahren 2009, 2010 und 2011 jeweils durch eine Entsorgungsfirma leeren ließ.
2. Ein rechtliches Erschlossensein setzt voraus, dass die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit der Inanspruchnahme der öffentlichen (Entwässerungs-)Einrichtung besteht (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EWS). Daran fehlt es hier.
a) Ein rechtliches Erschlossensein liegt vor, wenn der in der öffentlichen Straße verlegte Versorgungsstrang bis zur Höhe der Grundstücksgrenze an dieses heranreicht (vgl. BayVGH, B.v. 19.12.2005 – 23 CS 05.3210; BayVGH, U.v. 19.1.2017 – 20 BV 15.817 – juris Rn. 23). Dies ist hier nicht der Fall, da das klägerische Grundstück Fl.Nr. … der Gemarkung … ein sogenanntes Hinterliegergrundstück ist, das nicht an die öffentliche Straße heranreicht. Die streitgegenständliche Leitung gehört auch nicht zur öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung des Beklagten.
Zur öffentlichen Einrichtung gehört alles, was die Gemeinde in Erfüllung ihrer Aufgaben bereit hält und durch einen gemeindlichen Widmungsakt der Öffentlichkeit zur Verfügung stellt (vgl. BayVGH, U.v. 29.4.2010 – 20 BV 09.2010 – juris Rn. 79). Mit seiner Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage hat der Beklagte seine Abwasserbeseitigungsanlage gewidmet und insbesondere im Einzelnen bestimmt, dass und in welchem Umfang die Einrichtung in Erfüllung einer gemeindlichen Aufgabe der öffentlichen Benutzung durch Gemeindeangehörige zugänglich gemacht wird und sich dabei in der Satzung die Bestimmung der Art und des Umfangs der Entwässerungsanlage im Einzelnen vorbehalten (vgl. § 1 Abs. 2 EWS). Damit macht er deutlich, dass er außerhalb der Satzung festlegen will, was Bestandteil seiner Entwässerungsanlage sein soll und was nicht. Weil das Gesetz für Entwässerungsanlagen einer Gemeinde keine besonderen Anforderungen an die Form des Widmungsaktes stellt, muss sich der Umfang einer Widmung aus den gesamten Umständen ergeben. Als Indizien für eine – auch konkludente – Widmung kommen insbesondere in Betracht der erkennbare Zweck der Einrichtung, die bisherige Benutzerpraxis, die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses, die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung oder ähnliches (vgl. BayVGH, U.v. 29.4.2010 – 20 BV 09.2010 – juris Rn. 79).
Bei der konkreten Bestimmung des Umfangs einer Entwässerungsanlage, einschließlich des Kanalnetzes, kommt den im Zuge ihrer Selbstüberwachungspflichten nach § 61 Abs. 2 WHG (Wasserhaushaltsgesetz) erstellten Kanalbestandsplänen der Gemeinde eine besondere Bedeutung zu, weil der Investitionsaufwand für die dort erfasste Anlage in die Kalkulation der Beiträge und Gebühren einbezogen und als Sonderbelastung den Grundstückseigentümern und Benutzern der Einrichtung auferlegt werden kann. Diese Pläne sind auch deswegen von besonderem Gewicht, weil sich danach bestimmt, welche Grundstücke durch die öffentliche Entwässerungsanlage erschlossen sind, so dass die Eigentümer nicht nur berechtigt, sondern im Falle der Bebauung in der Regel auch verpflichtet sind, an die öffentliche Entwässerungsanlage anzuschließen. Danach bestimmt sich außerdem, welche Eigentümer von Grundstücken zu Beiträgen herangezogen werden können (vgl. BayVGH, U.v. 29.4.2010 – 20 BV 09.2010 – juris Rn. 79).
aa) Die streitgegenständliche Leitung ist vom Beklagten nicht ausdrücklich als Teil des öffentlichen Kanalnetzes und damit seiner Entwässerungseinrichtung gewidmet worden, insbesondere ist sie unstrittig nicht in seinem Kanalleitungsplan als Anlage zur Entwässerungssatzung (vgl. Behördenakte Bl. 36) verzeichnet. Weder im Kanalleitungsplan des Jahres 1952 – also vor der Errichtung der aktuellen Bebauung auf dem Grundstück des Klägers – noch im aktuellen Kanalleitungsplan (ebenda Bl. 35 f.) ist diese Leitung vom Grundstück des Klägers bis zur Straße eingetragen. Vielmehr war und ist dem Beklagten der genaue Verlauf der Leitung unbekannt, wie die wegen eines Hindernisses nur unvollständig durchgeführte Leitungsuntersuchung durch den Beklagten zeigt. Eine ausdrückliche Widmung durch Aufnahme in das Anlagenbestandsverzeichnis (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2013 – 4 B 13.1166 – Rn. 30) des Beklagten liegt hier daher nicht vor. Der Beklagte hat an der streitgegenständlichen Leitung unstrittig auch über die Jahrzehnte hinweg keine Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen. Dieses Indiz spricht daher mit erhöhtem Gewicht gegen eine öffentliche Widmung der streitgegenständlichen Leitung.
bb) Die streitgegenständliche Leitung ist vom Beklagten aber auch nicht konkludent unter Berücksichtigung aller übrigen Umstände als Teil seines öffentlichen Kanalnetzes und damit seiner Entwässerungseinrichtung gewidmet worden.
Als Indizien für eine konkludente Widmung kommen insbesondere der erkennbare Zweck der Einrichtung, die bisherige Benutzerpraxis, die Ausgestaltung des Benutzungsverhältnisses, die Art und Weise der haushaltsrechtlichen Behandlung oder ähnliches (vgl. BayVGH, U.v. 29.4.2010 – 20 BV 09.2010 – juris Rn. 79) sowie eine nicht unerhebliche Subventionierung der Errichtung (vgl. BayVGH, U.v. 21.12.2000 – 23 B 00.2132 – juris Rn. 39) in Betracht.
(1) Der Zweck der Einrichtung der streitgegenständlichen Leitung ist die Abwasserbeseitigung u.a. vom Grundstück des Klägers und – wie er vorträgt – auch von Nachbargrundstücken (jedenfalls in der Vergangenheit). Dieser Zweck entspricht jenem der öffentlichen Einrichtung des Beklagten nach § 1 Abs. 1 EWS. Allerdings ist für den Zweck der streitgegenständlichen Leitung zu differenzieren nach einer Leitung als Teil eines im öffentlichen Straßengrund liegenden Kanals einerseits und einem bloßen auf Privatgrund liegenden Hausanschluss. Nach § 1 Abs. 3 EWS gehören auch die im öffentlichen Straßengrund liegenden Teile der Grundstücksanschlüsse zur öffentlichen Entwässerungseinrichtung; im Umkehrschluss gehören hierzu nicht die auf Privatgrund liegenden Hausbzw. Grundstücksanschlüsse.
Nach § 3 EWS sind Grundstücksanschlüsse bei der Freispiegelkanalisation die Leitungen vom Kanal bis einschließlich des Kontrollschachtes und bei der technischen Entwässerung (Druckentwässerung) die Leitungen vom Kanal bis zum Abwassersammelschacht. Grundstücksentwässerungsanlagen hingegen sind bei der Freispiegelkanalisation die Einrichtungen eines Grundstücks, die dem Ableiten des Abwassers dienen, bis zum Kontrollschacht. Hierzu zählt auch die im Bedarfsfall erforderliche Hebeanlage zur ordnungsgemäßen Entwässerung des Grundstückes und bei der technischen Entwässerung (Druckentwässerung) die Einrichtungen eines Grundstücks, die dem Ableiten des Abwassers dienen bis einschließlich des Abwassersammelschachtes mit Schachtbauwerk, Pumpe, Steuerungsanlage und Elektroverteilung.
Vorliegend handelt es sich nach Vortrag des Klägers zwar um eine Freispiegelleitung, ausweislich des Ergebnisses der Leitungsuntersuchung war jedoch eine Abwassersammelgrube auf dem Grundstück des Klägers nicht nur vorhanden, sondern auch gefüllt, woraus sich ergibt, dass diese durch die Leitung nur begrenzt entwässert werden kann. Nach klägerischem Vortrag soll das in der auf seinem Grundstück befindlichen Abwassersammelgrube oben anstehende Wasser ohne technische Einrichtungen wie eine Hebeanlage in die Leitung geleitet werden; die festeren Bestandteile des Abwassers würden sich in der Abwassersammelgrube absetzen und durch eine Fachfirma entsorgt. Handelte es sich nach klägerischem Vortrag um eine Freispiegelleitung, auch wenn diese nicht das gesamte Abwasser, insbesondere die Fäkalien, aufnimmt, sondern nur das Überwasser, stellte die Leitung vom Kanal bis einschließlich eines Kontrollschachtes einen im Privatgrund verlaufenden Grundstücksanschluss dar. Dieser wäre insoweit nach § 1 Abs. 3 EWS nicht Teil der öffentlichen Entwässerungseinrichtung des Beklagten. Eine Druckentwässerung liegt nach klägerischem Vortrag in der mündlichen Verhandlung nicht vor, insbesondere fehlt es an einer für eine Druckentwässerung erforderlichen Abwasserhebeanlage. All dies spricht indiziell gegen eine öffentliche Leitung und für die Einstufung als private Leitung.
Der Kläger trägt vor, die Benutzung durch mehrere Anlieger spreche gegen eine bloße Hausanschlussleitung. Das Fehlen eines Kontrollschachtes stehe der Annahme einer Widmung nicht entgegen. Demgegenüber entgegnet der Beklagte, der Leitung fehle ein Revisionsschacht an der Einmündung in den Sammelkanal, wie er sonst Standard sei; sie sei vielmehr über ein Anschlussstück angeschlossen, wie es für private Hausanschlüsse typisch sei. Unter Berücksichtigung der Behauptung des Klägers, die Leitung existiere wohl seit dem Jahr 1914, ist seit der Errichtung mutmaßlich ein Jahrhundert vergangen, in dem sich die technischen Standards der Abwasserbeseitigung und wohl auch des Kanalbaus geändert haben, so dass allein aus dem Fehlen eines Kontrollschachtes noch nicht zwingend auf einen Grundstücksanschluss geschlossen werden kann. Das Fehlen bestätigt aber, dass die Leitung, wäre sie ein Teil des öffentlichen Kanals, jedenfalls bis heute baulich nicht an die gebotenen Standards (vgl. § 3 EWS) angepasst worden ist, was indiziell gegen eine gedankliche und technische Aufnahme der Leitung in die öffentliche Einrichtung des Beklagten spricht, der sonst im Rahmen seiner Instandhaltungspflichten nach § 60 Abs. 1 WHG mutmaßlich eine Anpassung u.a. durch Einbau eines Kontrollschachtes im öffentlichen Straßengrund vorgenommen hätte (wie hier BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 24). Das Fehlen des straßenseitigen Revisionsschachtes und das Vorhandensein eines für einen Grundstücksanschluss typischen Anschlussstücks spricht in der Gesamtbetrachtung daher indiziell ebenfalls gegen eine Widmung der Leitung als Teil des öffentlichen Kanalnetzes.
Allerdings könnte der klägerseitig behauptete Anschluss mehrerer Nachbargrundstücke auf eine gemeinsame Abwasserentsorgung hindeuten, wobei der Beklagte auf eigene Kanalanschlüsse der Umlieger verweist. Freilich kann es sich auch um einen – hier wohl privat errichteten – gemeinsamen Grundstücksanschluss mehrerer Grundstücke handeln, deren Eigentümer zur Kostenersparnis keine getrennten Grundstücksanschlüsse haben legen lassen. Die gleichzeitige Nutzung einer Abwasserleitung durch mehrere Grundstücke hat nicht zur Konsequenz, dass aus einem ursprünglich privaten Einzelanschluss ein zur öffentlichen Entwässerungsanlage gehörender Sammelkanal geworden wäre, denn dafür fehlt es an der erforderlichen ausdrücklichen oder konkludenten Widmung des Einrichtungsträgers zum Bestandteil einer öffentlichen Einrichtung (wie hier BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 25). Es handelte sich dann um einen heute nicht mehr zulässigen faktischen gemeinsamen Grundstücksanschluss ohne dingliche Sicherung (vgl. BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 4 B 11.2358 – juris Rn. 26). Gerade in alten Siedlungsbereichen, in denen das Grundstück des Klägers liegt, wäre ein solcher Befund nicht ungewöhnlich.
(2) Die Erteilung der Baugenehmigung für das Grundstück des Klägers (VG-Akte Bl. 21 ff.) spricht indiziell nur für eine Erschließung des klägerischen Grundstücks, nicht zwingend aber für eine Erschließung durch die streitgegenständliche Leitung oder deren Charakter als öffentlicher Kanal.
Aus der Baugenehmigung vom 25. August 1959 (Kopien der im Staatsarchiv archivierten Restakte in der VG-Akte Bl. 130 ff.) lässt sich nichts entnehmen, was für oder gegen eine öffentliche Widmung der streitgegenständlichen Leitung spricht: Zwar hat der Beklagte seinerzeit sein gemeindliches Einvernehmen zum Bauantrag erteilt und dabei sowohl die Frischwasserversorgung durch eine allgemeine Leitung bestätigt, als auch gegen die vorgesehene Abwasserbeseitigung keine Einwendungen erhoben (ebenda Bl. 130). Wie diese Abwasserbeseitigung allerdings aussehen sollte, ließ sich im Verfahren nicht mehr näher aufklären, da die Baubehörde in Auflage Nr. 20 der Baugenehmigung den damaligen Bauherrn zur Einreichung eines Tekturplans für die Abwasserbeseitigung verpflichtete, dieser Plan aber weder von den Beteiligten vorgelegt wurde, noch im Staatsarchiv archiviert ist.
(3) Dass der Beklagte den Kläger jahrelang durch Bescheide zu Kanalgebühren (zuletzt: Bescheid vom 27.1.2016 für das Jahr 2015 über 189,63 Euro, VG-Akte Bl. 31) herangezogen hat, worauf er seither verzichtete (Bescheid vom 27.1.2017 für das Jahr 2016 über 0,00 Euro, VG-Akte Bl. 32), spricht indiziell für eine Entsorgungsleistung des Beklagten, aber nicht zwingend für eine (von ihm gewollte) Entsorgung durch die streitgegenständliche Leitung.
In einer Gebührenerhebung könnte ein Indiz dafür vorliegen, dass die Abwasserentsorgung durch diese Leitung mit Willen des Beklagten geschah. Denn ein Widmungswille kann darin liegen, dass eine Gemeinde für das Einleiten von Abwasser in eine bestimmte Anlage Entwässerungsgebühren verlangt (vgl. OVG NW, B.v. 31.8.2010 – 15 A 89/10 – juris Rn. 18; OVG NW, B.v. 13.5.2011 – 15 A 2825/10 – juris Rn. 17). Dies ist hier aber nicht der Fall. Wie der Kläger selbst vorgetragen hat (Behördenakte des Beklagten, Bl. 27 ff.), hat er in den Jahren 2009, 2010, 2011 und wohl auch 2014 jeweils die Abwassersammelgrube auf seinem Grundstück leeren lassen – dass er daneben noch nach seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren Abwässer in den öffentlichen Kanal eingeleitet hätte, hat der Beklagte zunächst nicht mehr angenommen, wie er in der mündlichen Verhandlung deutlich machte. Es kann daher dahinstehen, ob eine tatsächliche Einleitung durch den Kläger erfolgt ist, wofür nach seinem Vorbringen die erhebliche Differenz zwischen der bezogenen Frischwasser- und der von einer Fachfirma aus der Abwassersammelgrube entsorgten Abwassermenge spricht. Da der Beklagte aber ausweislich der Behördenakten im Zeitpunkt seiner Gebührenerhebung keine zutreffende Vorstellung von der Art und Weise der Abwasserentsorgung auf dem Grundstück des Klägers hatte – der Beklagte berechnete zunächst die Abwassermenge nach der Frischwassermenge, stellte die Gebührenerhebung nach Vorlage der Rechnungen der Entsorgungsfirmen aber völlig ein –, fehlt ein auf die konkrete Leitung bezogener Widmungswille des Beklagten. Erst durch den klägerischen Vortrag im späteren Klageverfahren (vgl. Leitungsskizze VG-Akte Bl. 20) und seine Kanaluntersuchung gewann der Beklagte nähere Informationen über die Existenz der Leitung. Die zeitweilige Gebührenerhebung ist im vorliegenden Fall daher kein schwerwiegendes Indiz für eine öffentliche Widmung der streitgegenständlichen Leitung.
Im Gegenteil spricht die Gebührenohne Beitragserhebung gegen einen öffentlichen Widmungswillen: Der Kläger konnte in der mündlichen Verhandlung keine Angaben machen und die Beklagte bestritt, jemals gegenüber dem Kläger oder dessen Rechtsvorgängern Beiträge für den Anschluss an die öffentliche Entwässerungsanlage erhoben zu haben, wie es letztlich indiziell für einen Anschluss des klägerischen Grundstücks an die öffentliche Entwässerungseinrichtung spräche.
b) Ein rechtliches Erschlossensein liegt auch deswegen nicht vor, weil die streitgegenständliche Leitung in ihrem Verbleib rechtlich nicht gesichert ist.
Ein Grundstück ist erschlossen, wenn die Möglichkeit besteht, nach Durchquerung eines Zwischengrundstücks einen Anschluss herzustellen und dieser rechtlich und auf Dauer gesichert ist (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2017 – 20 BV 15.817 – juris Rn. 24 m.w.N.). Die Anschlussmöglichkeit eines Hinterliegergrundstücks ist jedenfalls als auf Dauer gesichert zu betrachten, wenn das Leitungsführungsrecht durch die Einräumung einer grundbuchrechtlich abgesicherten Dienstbarkeit zu Gunsten des herrschenden Hinterliegergrundstücks gewährleistet ist (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2017 – 20 BV 15.817 – juris Rn. 24; BayVGH, U.v. 30.5.2001 – 23 B 01.470 – juris Rn. 27 m.w.N.). Daran fehlt es hier, da auch nach gerichtlicher Einsichtnahme in das Grundbuch der von der Leitung betroffenen Grundstücke keine dingliche Sicherung der Leitung zu Gunsten des klägerischen Grundstücks ersichtlich ist.
Ebenso wenig liegt eine die Eigentümer der Zwischenliegergrundstücke nach § 19 Abs. 1 Satz 1 EWS zur Duldung der Durchleitung der Abwässer aus dem klägerischen Grundstück verpflichtende Grundstücksbenutzung vor. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 EWS hat ein Grundstückseigentümer das Anbringen und Verlegen von Leitungen einschließlich Zubehör zur Ableitung von Abwasser über sein im Einrichtungsgebiet liegendes Grundstück sowie sonstige Schutzmaßnahmen unentgeltlich zuzulassen, wenn und soweit diese Maßnahmen für die örtliche Abwasserbeseitigung erforderlich sind. Diese Regelung setzt allerdings voraus, dass die zur Abwasserentsorgung genutzte Leitung vom Träger der öffentlichen Einrichtung verlegt wurde und daher nur ein Scheinbestandteil des betroffenen Grundstücks nach § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB ist, nicht aber Zubehör des Grundstücks selbst, da der Grundstückseigentümer lediglich die Errichtung (und anschließende Benutzung) fremder Leitungen auf seinem Grundstück hinnehmen muss, nicht dagegen eine (Mit-) Benutzung seiner eigenen Leitungen durch Dritte (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2013 – 4 B 13.1166 – Rn. 27). Die auf den Zwischenliegergrundstücken bestehende und vom Kläger in Anspruch genommene Leitung steht aber ersichtlich nicht im Eigentum des Beklagten, der die Leitung offenbar weder errichtet noch nachträglich Eigentum daran nach § 929 Satz 2 BGB erworben (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2013 – 4 B 13.1166 – Rn. 28) hat, sondern gehört dem jeweiligen Grundstückseigentümer nach § 94 Abs. 1 BGB. Dieser ist daher zur Benutzung durch den Kläger nicht verpflichtet; sein etwaiger Unterlassungsanspruch gegen die andauernde Benutzung in Form einer Durchleitung wäre wohl auch nicht verjährt (vgl. BayVGH, U.v. 29.11.2013 – 4 B 13.1166 – Rn. 33).
Auch eine Sicherung durch ein Notleitungsrecht ist nicht anzunehmen. Haben ein Vorder- und ein Hinterliegergrundstück – anders als hier – den gleichen Eigentümer, so wird differenziert zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken, wobei bei – wie hier – bebauten Hinterliegergrundstücken zur Sicherung der Erschließung auch das Notwegerecht nach § 918 Abs. 2 BGB ausreicht (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2017 – 20 BV 15.817 – juris Rn. 24), da anders eine bereits vorhandene bauliche Nutzung nicht verwirklicht werden kann. Ein Notwegerecht reicht allerdings nur aus, wenn die Eigentümer des herrschenden Hinterliegergrundstücks und des Vorderliegergrundstücks vollständig identisch sind – eine nur teilweise Identität reicht nicht aus (vgl. BayVGH, U.v. 19.1.2017 – 20 BV 15.817 – juris Rn. 24). An dieser Eigentümeridentität fehlt es aber hier.
Zudem ist nicht ersichtlich, dass der Kläger (nur) über die streitgegenständliche Leitung eine Verbindung zum öffentlichen Kanalnetz herstellen könnte, denn der Verlauf dieser Leitung im Bogen von seinem Grundstück über drei andere Grundstücke bis hin zur Straße ist nicht der kürzeste Weg; vielmehr liegen zwischen dem klägerischen Grundstück und dem öffentlichen Kanalnetz in der …straße bzw. … Straße mehrere einzelne Grundstücke (z.B. Fl.Nr. … i.V.m. Fl.Nr. … oder Fl.Nr. … oder Fl.Nr. …), so dass der Kläger nicht zwingend auf die bisherige und deutlich längere Leitungsführung durch drei Grundstücke angewiesen ist (arg. ex § 918 Abs. 1 Satz 1 BGB: „erforderliche Verbindung“).
c) Insgesamt ist daher der Feststellungsanspruch des Klägers, zu dessen Lasten nach dem Günstigkeitsprinzip die Unerweislichkeit der für die begehrte Feststellung erforderlichen Tatsachen geht, unbegründet. Er hat nicht zur Überzeugung des Verwaltungsgerichts (§ 108 VwGO) aufzeigen können, dass die vorhandene Leitung die Voraussetzungen ihrer ausdrücklichen oder konkludenten öffentlichen Widmung erfüllt. Die Leitung ist weder im Kanalbestandsverzeichnis des Beklagten enthalten, noch sonst von diesem ausdrücklich oder eindeutig konkludent öffentlich gewidmet und damit entgegen seiner Klagebegründung nicht Teil der öffentlichen Einrichtung des Beklagten geworden.
4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen