Aktenzeichen 20 CS 17.346
AO AO § 130 Abs. 2
VwVfG VwVfG § 48 Abs. 2
Leitsatz
Eine Pauschalierung bei Eigenwassergewinnungsanlagen, wonach im ländlichen Bereich ein Abwasseranfall von 30 bis 60 m³ pro Person als sachgerecht angesehen werden kann, ist nicht zu beanstanden (vgl. BayVGH, Urt. v. 6.8.1987 – 23 BZ 85 A.3138). Gleiches gilt, wenn durch Satzungsregelungen der Abzug von auf dem Grundstück verbrauchten Wassermengen dadurch begrenzt wird, dass gleichzeitig ein bestimmter Wasserverbrauch pro Person und Jahr unterstellt wird (vgl. BayVGH, Beschl. v. 28.6.1984 – 23 N 83 A.1177). (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
RN 11 S 16.1977 2017-02-06 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 318,89 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung seines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche gegen die Heranziehung zu Benutzungsgebühren durch die Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin zog den Antragsteller mit unanfechtbar gewordenen Bescheiden vom 11. Februar 2013, 18. Februar 2014, 16. Februar 2015 und 22. Februar 2016 zu Benutzungsgebühren für ihre Entwässerungseinrichtung (Kanalgebühren) auf der Grundlage der bezogenen Frischwassermenge heran.
Am 18. Mai 2015 beantragte der Antragsteller die Einzelveranlagung für Niederschlagswasser, wobei er auf einem Formblatt für das auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindliche Wohnhaus eine tatsächlich bebaute und befestigte Fläche von 93 m² und für die Garage von 43 m² angab. Des Weiteren findet sich die Angabe, dass sich auf dem Grundstück eine Zisterne mit einem Fassungsvermögen von 6 m³ x 20 m² für Brauchwasser befinde. Die Summe der tatsächlich bebauten und befestigten Flächen, von denen aus Niederschlagswasser in die öffentliche Entwässerungsanlage eingeleitet werde oder abfließe, betrage somit nur 16 m². Der Formblattantrag datiert vom 18. Mai 2015 und trägt die Unterschrift des Antragstellers. Über der Unterschrift des Antragstellers befindet sich ein handschriftlicher Vermerk „geändert 18.5.2015“ mit einem nicht lesbaren Handzeichen.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2016 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller darauf hin, dass bisher keine Schmutzwassergebühren für der Entwässerungseinrichtung zugeführtes Wasser aus privaten Regenwassersammelanlagen erhoben worden seien.
Mit Bescheiden vom 2. August 2016 setzte die Antragsgegnerin deshalb Benutzungsgebühren für den Kanal für die Jahre 2012 – 2015 über insgesamt 1.275,57 € fest, wobei ein Mindestverbrauch von 35 m³ pro Person und Jahre angesetzt wurde, was bei fünf im Anwesen des Antragstellers gemeldeten Personen zum Ansatz eines Mindestverbrauchs von 175 m³ pro Jahr führte. Für die bereits entrichteten Gebühren wurde ein Abzug vorgenommen. Im Einzelnen entfielen an Benutzungsgebühren auf die Jahre:
2012: 337,02 €
2013: 324,72 €
2014: 319,80 € und
2015: 294,03 €.
Hiergegen erhob der Antragsteller am 9. August 2016 Widerspruch und beantragte unter dem 16. August 2016 die Aussetzung der Vollziehung, welche die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15. September 2016 ablehnte.
Mit Beschluss vom 6. Februar 2017 (Az.: RN 11 S. 16.1977), dem Antragsteller zugestellt am 9. Februar 2017, lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche ab. Der Antrag sei zulässig, aber nicht begründet. Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Bescheide sei Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG i.V.m. der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2010 (BGS/EWS 2010) bzw. 11. März 2015 (BGS/EWS 2015). Bei der hier streitigen Schmutzwassergebühr gelte nach § 10 Abs. 2 Satz 1 der BGS/EWS 2010 und 2015 grundsätzlich als Abwassermenge die dem Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung und aus der Eigengewinnungsanlage zugeführten Wassermengen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen. Ferner sei in § 10 Abs. 2 Satz 4 BGS/EWS 2010 und 2015 jeweils geregelt, dass Wassermengen, die nicht vollständig über Wasserzähler erfasst würden, als dem Grundstück aus der Eigengewinnungsanlage zugeführte Wassermenge mit pauschal 15 m³ pro Jahr und Einwohner neben der tatsächlich aus der öffentlichen Wasserversorgung abgenommenen Wassermenge angesetzt würden, insgesamt aber nicht weniger als 35 m³ pro Jahr und Einwohner. Diese Satzungsbestimmungen begegneten jedenfalls im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere greife der Einwand, die pauschale Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 4 BGS/EWS verstoße gegen das Äquivalenzprinzip, schon deshalb nicht, weil es nach § 10 Abs. 2 Satz 7 BGS/EWS dem Gebührenpflichtigen frei stehe, den Nachweis eines niedrigeren Wasserverbrauchs zu führen, was er gemäß § 10 Abs. 3 Satz 2 BGS/EWS durch den Einbau geeichter und verplombter Wasserzähler tun könne. Es handele sich insoweit um ein typisches abgabenrechtliches Gefüge, wonach zunächst zur Vereinfachung eine typisierende Regelung greife, gleichwohl aber eine konkrete Ermittlung im Einzelfall ermöglicht werde. Ein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip, wonach Leistung und Gegenleistung in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen müssten, liege nicht vor. Vor diesem Hintergrund könne es auch nicht auf die von der Antragstellerseite angesprochenen Wetteraufzeichnungen ankommen. Könne aufgrund der Lage des Grundstücks oder ungewöhnlicher Trockenperioden nicht ausreichend Wasser aus der Zisterne entnommen werden, so könne der Gebührenschuldner, wenn er den pauschalen Ansatz nicht hinzunehmen bereit sei, mit dem Einbau von Wasserzählern eine Behandlung nach den konkreten Mengen erreichen. Der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Gebührenbescheide stehe ebenso wenig entgegen, dass für die jeweiligen Verbrauchsjahre bereits zuvor bestandskräftige Gebührenbescheide ergangen seien. Nach der Rechtsprechung handele es sich bei Abgabenbescheiden grundsätzlich um nur belastende Verwaltungsakte. Daher liege in einer bestimmten Festsetzung grundsätzlich keine begünstigende Aussage dahingehend, dass die Abgabe nicht noch höher festgelegt werden könne. Folglich beanspruchten die einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b KG i.V.m. § 130 Abs. 2 AO für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte grundsätzlich keine Geltung für Abgabenbescheide. Nach Lage der Akten und dem Vorbringen der Beteiligten sei zwar nicht abschließend geklärt, ob der Antragsteller überhaupt eine Eigengewinnungsanlage i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS betreibe. Dies werde im Widerspruchs- und ggf. Klageverfahren näher aufzuklären sein. Die insoweit bestehenden tatsächlichen Unklarheiten ließen ein Obsiegen des Antragstellers aber gegenwärtig nicht wahrscheinlicher erscheinen als ein Unterliegen, vielmehr seien die Erfolgsaussichten insoweit offen. Unstreitig sei auf dem Grundstück eine Regenwasserzisterne vorhanden. Nicht eindeutig sei hingegen, ob davon dem Grundstück Wassermengen i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS zur Benutzung zugeführt werden (könnten). Dafür spreche zunächst, dass der Antragsteller am 18. Mai 2015 einen Antrag auf Einzelveranlagung unterschrieben habe, in welchem unterhalb der technischen Daten zur Zisterne das Wort „Brauchwasser“ notiert und unterstrichen sei. Dies deute auf eine entsprechende Nutzung der Zisterne als Eigengewinnungsanlage i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS hin. Nunmehr rücke der Antragsteller insoweit von dieser Erklärung ab, als er sie zwar unterschrieben habe, aber die Angabe „Brauchwasser“ nicht von ihm erklärt worden sei und es sich insoweit nicht um seine Handschrift gehandelt habe. Ob er die Angabe bzw. den Erklärungsgehalt dahingehend, dass er Brauchwasser aus der Zisterne nutze, folglich für falsch halte, werde nicht klargestellt. Lege jemand Wert darauf, eine von ihm unterzeichnete Erklärung nicht abgefasst zu haben, möge es zwar grundsätzlich naheliegend sein, anzunehmen, dass sich die Person damit auch von der inhaltlichen Richtigkeit der Erklärung distanziere. Diese Annahme dränge sich aber hier nicht auf, denn im Hinblick auf die Äußerung in der Antragsschrift, dass sich aus der Akte Feststellungen zur Zuführung von aus der Zisterne stammenden Wasser nicht entnehmen ließen, scheine der Antragsteller die Nutzung von Brauchwasser aus der Zisterne nicht konkret zu bestreiten. Vielmehr beschränke er sich darauf, dass die Antragsgegnerin einen Nachweis entsprechender (von ihm nicht eingeräumter) Nutzung führen müsse. Auch das Schreiben seines Bevollmächtigten vom 9. November 2016 enthalte keine klare Aussage, ob er Brauchwasser nutze oder nicht, da auch hier lediglich betont werde, dass er in seinem Antrag Entsprechendes nicht angegeben habe. Allerdings werde in diesem Schreiben eingeräumt, dass tatsächlich die technischen Einrichtungen vorhanden seien, um Brauchwasser zu „ziehen“. Offen bleibe zwar auch insoweit, ob damit tatsächlich ein vollständig funktionierendes Leitungsnetz für die Brauchwassernutzung aus der Zisterne gemeint sei. Sollte eine solche Verbindung zum Leitungsnetz in dem Anwesen vorhanden sein, dürfte § 10 Abs. 2 Satz 4 BGS/EWS auch dann anwendbar sein, wenn in bestimmten Zeitabschnitten kein Wasser zugeführt werde. Weitere Aufklärungen hierzu seien im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht vorzunehmen. Darauf, ob der unterdurchschnittliche Verbrauch aus der öffentlichen Einrichtung ohne Zisternennutzung als „unglaubwürdig“ angesehen werden könne, komme es hingegen nicht entscheidungserheblich an. Maßgeblich sei nur, ob eine Eigenversorgungsanlage i.S.d. § 10 Abs. 2 Satz 1 BGS/EWS vorhanden sei oder nicht. Die Voraussetzungen einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung wegen einer nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen unbilligen Härte lägen nicht vor.
Hiergegen ließ der Antragsteller am 15. Februar 2017 Beschwerde einlegen, die er mit am 9. März 2017 eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründete: Das Verwaltungsgericht verkenne, dass es für eine Beitragserhebung für die Jahre 2012 bis 2014 im Zeitpunkt des Bescheiderlasses am 2. August 2016 an einer Satzungsgrundlage fehle, weil die BGS-EWS vom 20. Dezember 2010 ausweislich des § 15 Abs. 2 der BGS-EWS vom 11. März 2015 mit Inkrafttreten der Satzung vom 11. März 2015 außer Kraft trete. Die Satzung vom 11. März 2015 sei nach § 15 Abs. 1 BGS-EWS rückwirkend zum 1. Januar 2015 in Kraft getreten. Des Weiteren sei jedenfalls die vom Verwaltungsgericht herangezogene Bestimmung des § 10 Abs. 2 BGS-EWS unwirksam. Wenn, was jedenfalls zu Gunsten des Antragstellers zu unterstellen sei und von der Antragsgegnerin nicht bestritten werde, im Raum Mainburg eine Niederschlagsmenge, die dazu führen würde, dass aus der Zisterne 175 m³ Wasser entnommen werden könnten, nicht erreicht werde, dann sei jedenfalls eine Regelung wie im § 10 Abs. 2 Satz 4 BGS-EWS unwirksam wegen Verstoßes gegen das Äquivalenzprinzip. Es möge zwar richtig sein, dass grundsätzlich eine typisierende Regelung möglich sei, allerdings nicht eine solche wie in der Satzung, die dazu führe, dass objektiv unmögliche Mengen abgerechnet werden könnten. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin insoweit auch nunmehr ab dem Jahr 2016 ihr Satzungsrecht geändert und in § 10 Abs. 2 Satz 4 BGS-EWS 25 m³ pro Person aufgenommen. Unzutreffend gehe das Verwaltungsgericht davon aus, dass die Voraussetzungen für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte nicht gelten würden. Insbesondere sei nicht ersichtlich, dass dann, wenn aus Billigkeitsgründen eine Abgabe niedriger festgesetzt worden wäre, lediglich ein begünstigender Verwaltungsakt vorliegen würde. Jedenfalls sei mit den ursprünglich ergangenen Bescheiden für die jeweiligen Veranlagungsjahre nach dem objektiven Empfängerhorizont ein Verzicht auf eine weitergehende Festsetzung verbunden (unter Verweis auf Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Auflage 2016, § 48 Rn. 69 m.w.N.). § 10 Abs. 2 Satz 1 BGS-EWS regele, dass als Abwassermenge die dem Grundstück aus der Wasserversorgungseinrichtung und aus der Eigengewinnungsanlage zugeführten Wassermengen gelten. Eine behauptete Erklärung des Antragstellers vom 18. Mai 2015 beziehe sich jedenfalls objektiv nicht auf Veranlagungsjahre in der Vergangenheit. Eine Nutzung sei in diesen Jahren weder erfolgt, noch durch den Antragsteller erklärt worden. Eine Erklärung für das Jahr 2015, dass Brauchwasser aus der Zisterne zugeführt worden wäre, sei durch den Antragsteller nicht erfolgt. § 10 Abs. 2 Satz 4 BGS-EWS stelle nach seinem Wortlaut auf eine „zugeführte Wassermenge“ ab, nicht darauf, ob ein funktionierendes Leitungsnetz für die Brauchwassernutzung aus der Zisterne vorhanden sei. Streitgegenständlich sei eine Schmutzwassergebühr, die Möglichkeit der Entstehung derselben reiche jedenfalls für die Gebührenerhebung nicht aus, vielmehr sei – auch nach dem Wortlaut der Satzung – auf die tatsächlich „zugeführte Wassermenge“ abzustellen. Eine tatsächliche Zuführung von Brauchwasser aus der Zisterne ergebe sich aus dem Akteninhalt nicht. Insoweit obliege es der Antragsgegnerin, da mit den gegenständlichen Bescheiden belastende Verwaltungsakte vorlägen, die notwendigen Feststellungen zur Berechtigung der angefallenen Gebühr nachzuweisen bzw. die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
Der Antragsteller beantragt,
unter Änderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 6. Februar 2017, Az. RN 11 S. 16.1977, die aufschiebende Wirkung der Widersprüche und nachfolgende Anfechtungsklagen gegen die Bescheide der Antragsgegnerin vom 2. August 2016 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie tritt dem Antrag entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Gerichts- und Behördenakten sowie auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers (§§ 146, 147 VwGO) führt in der Sache nicht zum Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gegen die Gebührenbescheide der Antragsgegnerin vom 2. August 2016 im Hinblick auf die vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Nachprüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), zu Recht abgelehnt. Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen, denen der Senat folgt (§§ 150, 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
1. Die streitgegenständlichen Gebührenbescheide vom 2. August 2016 stützen sich auch für die Nacherhebung von Gebühren für die Jahre 2012 bis 2014 auf eine wirksame Abgabesatzung i.S.d. Art. 2 Abs. 1 KAG. Das Außerkrafttreten der früheren Beitrags- und Gebührensatzung für die Entwässerungsanlage der Antragsgegnerin vom 20. Dezember 2010 (BGS-EWS 2010) mit dem Inkrafttreten der neueren BGS-EWS vom 11. März 2015 (rückwirkend) zum 1. Januar 2015 nach § 15 Abs. 2 BGS-EWS 2015 führt nicht dazu, dass es an einer wirksamen Rechtsgrundlage der (nachträglichen) Gebührenerhebung für die Jahre 2012-2014 fehlte. Denn das „Außerkrafttreten“ einer Rechtsnorm bezeichnet nach dem juristischen Sprachgebrauch das Entfallen der Rechtswirksamkeit für die Zukunft, nicht aber für die Vergangenheit. Soll einer Rechtsnorm ihre Wirksamkeit rückwirkend auf den Zeitpunkt ihres (intendierten) Inkrafttretens oder einen anderen Zeitpunkt genommen werden, so handelt es sich nach juristischem Begriffsverständnis um eine „Aufhebung“. Dass die Antragsgegnerin diesen Begriffen in den vorliegenden Satzungsregelungen eine andere, von dem allgemeinen Verständnis abweichende Bedeutung beilegen wollte, ergibt sich weder direkt aus § 15 Abs. 2 BGS-EWS 2015 noch indirekt aus dessen Zusammenhang. Die Nacherhebung der Gebühren für die Jahre 2012 bis 2014 findet daher ihre Rechtsgrundlage in der BGS-EWS 2010, für das Jahr 2015 hingegen in der BGS-EWS 2015.
2. Es sind keine Gründe für die inhaltliche Nichtigkeit der anzuwendenden Beitrags- und Gebührensatzungen, insbesondere deren jeweiligen § 10 Abs. 2 ersichtlich. Grundsätzlich ist in einem Eilverfahren, in dem nur eine kursorische Überprüfung der Sach- und Rechtslage stattfinden kann, von der Gültigkeit einer Norm auszugehen, wenn nicht ausnahmsweise Gründe, welche die Annahme der Nichtigkeit rechtfertigen, offen zu Tage treten (st.Rspr., vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2007 – 23 CS 07.2380 – juris; B.v. 16.2.2006 – 23 CS 06.135 – juris; B.v. 6.9.2005 – 23 CS 05.2024 – juris). Es ist nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin in dem insoweit übereinstimmenden § 10 Abs. 2 BGS-EWS 2010/2015 die Einleitungsgebühr der Höhe nach nicht ausschließlich am Frischwassermaßstab, d.h. an der Menge des entnommenen Frischwassers, sondern anhand der Frischwasserentnahmen abzüglich der nachweislich auf dem Grundstück verbrauchten oder zurückgehaltenen Wassermengen bemisst (sog. modifizierter Frischwassermaßstab, vgl. dazu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2014, Teil III § 6 Rn. 642a m.w.N.).
Die Pauschalierungsregelung in § 10 Abs. 2 Satz 4 BGS-EWS 2010/2015 ist nicht zu beanstanden. Danach werden als dem Grundstück aus der Eigengewinnungsanlage (hier der Zisterne) zugeführte Wassermenge, wenn die Wassermengen nicht vollständig durch Wasserzähler erfasst werden (§ 10 Abs. 2 Satz 2 BGS-EWS 2010/2015), pauschal 15 m³ pro Jahr und Einwohner, der zum Stichtag 31. Januar mit Wohnsitz auf dem heranzuziehenden Grundstück gemeldet ist, neben der tatsächlich aus der öffentlichen Wasserversorgung abgenommenen (Wassermenge) angesetzt, insgesamt aber nicht weniger als 35 m³ pro Jahr und Einwohner. Eine Pauschalierung bei Eigenwassergewinnungsanlagen, wonach im ländlichen Bereich ein Abwasseranfall von 30 bis 60 m³ pro Person als sachgerecht angesehen werden kann, hat die Rechtsprechung akzeptiert (Driehaus a.a.O. Rn. 642d unter Verweis auf BayVGH, U.v. 6.8.1987 – 23 BZ 85 A.3138). Es ist auch nicht zu beanstanden, wenn durch Satzungsregelungen der Abzug von auf dem Grundstück verbrauchten Wassermengen dadurch begrenzt wird, dass gleichzeitig ein bestimmter Wasserverbrauch pro Person und Jahr unterstellt wird (Driehaus a.a.O. unter Verweis auf BayVGH, B.v. 28.6.1984 – 23 N 83 A.1177). Dabei handelt es sich nicht um eine unzulässige Mindestgebühr, sondern um eine der Lebenserfahrung entsprechende und statistisch untermauerte (zulässige) Beschränkung nachgewiesener Abzugsmengen (z.B. 35 m³ pro Person und Jahr; vgl. Driehaus a.a.O.; Wuttig/Thimet, Gemeindliches Satzungsrecht und Unternehmensrecht, Stand November 2016, Teil IV Frage 35 Ziff. 4.5; Schieder/Happ, BayKAG, Art. 8 Rn. 59). Soweit der Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 17. Dezember 2001 (Az. 23 CS 01.2361 – juris Rn. 32) für die einzelnen Gebührenregelungen in der Satzung ein schlüssiges Gesamtkonzept zwischen Abzugsmengen, Mindesteinleitungsmengen und den aus Eigengewinnungsanlagen zugeführten Wassermengen fordert, muss diese Prüfung dem Widerspruchs- und ggf. Klageverfahren vorbehalten bleiben, weil sie den Rahmen der summarischen Prüfung eines Sofortverfahrens sprengen würde. Zu Recht führt das Verwaltungsgericht aus, dass der Nachweis der der öffentlichen Entwässerungsanlage zugeführten endgültigen Mengen dem Gebührenschuldner überbürdet werden darf (BayVGH, U.v. 18.2.1998 – 23 B 94.1973; Driehaus a.a.O. Rn. 642d m.w.N.). Insoweit genügt es, dass eine Nachweisführung durch den Antragsteller durch Einbau eines Zählers möglich ist. Auf die witterungsabhängige tatsächliche Niederschlagsmenge und den davon abhängigen tatsächlichen Umfang der Inanspruchnahme der Entwässerungsanlage durch (verschmutztes) Niederschlagswasser aus der Zisterne kommt es dem gegenüber für die Wirksamkeit der Satzungsregelung nicht an (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2008 – 20 ZB 08.1127 – beck-online, Rn. 11).
3. Zu Unrecht meint der Antragsteller des Weiteren, die Nacherhebung von Kanalgebühren für die Einleitung von Abwasser aus der Zisterne wäre nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Nr. 3b) KAG für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte zulässig gewesen. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats ist geklärt, dass Abgabenbescheide grundsätzlich nur belastende Verwaltungsakte sind, weshalb in einer bestimmten Festsetzung grundsätzlich keine begünstigende Aussage dahingehend liegt, dass die Abgabe nicht noch höher festgelegt werden kann (BVerwG, U.v. 15.4.1983 – 8 C 170.81 – NVwZ 1983, 613; BayVGH, B.v. 22.9.2003 – 23 ZB 03.1775 – juris Rn. m.w.N.). Die einschränkenden Tatbestandsvoraussetzungen, die § 130 Abs. 2 AO für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte vorsieht, gelten somit grundsätzlich nicht für Abgabenbescheide (BayVGH, B.v. 22.9.2003 – 23 ZB 03.1775 a.a.O.). Nur soweit aus „Billigkeitsgründen“ eine Abgabe niedriger festgesetzt wurde, handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt, etwa im Falle eines Erlasses oder eines Verzichtes (BayVGH, B.v. 22.9.2003 – 23 ZB 03.1775 a.a.O.). Ein solcher Verwaltungsakt kann dann in seinem „begünstigenden“ Teil nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b KAG i.V.m. § 130 Abs. 2 AO zurückgenommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.9.2003 – 23 ZB 03.1775 a.a.O.).
Aus der vom Bevollmächtigten des Antragstellers zitierten Kommentierung (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 17. Aufl. 2016, § 48 Rn. 69) ergibt sich nichts anderes. Denn auch dort wird unter Verweis auf Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Auffassung vertreten, dass der hier nicht anwendbare, aber dem § 130 Abs. 2 AO weitgehend entsprechende § 48 Abs. 2 VwVfG der Nacherhebung einer Abgabe nicht entgegenstehe, weil ein Verwaltungsakt nicht dadurch begünstigend sei, dass er den Betroffenen weniger als möglich oder erwartet belaste. Als Begünstigung sei eine zu niedrige Belastung nur dann anzusehen, wenn durch die entsprechende Festsetzung zugleich ausdrücklich oder konkludent verbindlich klargestellt oder sonst geregelt werde bzw. der Bürger den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben jedenfalls so verstehen durfte, dass die Behörde auf weitergehende oder andersartige zusätzliche Belastungen, z.B. höhere Gebühren, verzichtet (Kopp/Ramsauer a.a.O. m.w.N.). Insofern müssen besondere Umstände vorliegen, die einen solchen Schluss rechtfertigen (BVerwG, U.v. 15.4.1983 – 8 C 170.81 – NVwZ 1983, 613). Dafür gibt es hier jedoch weder in den angegriffenen Bescheiden noch in Anbetracht der sonstigen Umstände tragfähige Anhaltspunkte.
4. Ohne Erfolg wendet der Antragsteller schließlich ein, dass die behauptete Erklärung vom 18. Mai 2015 sich jedenfalls objektiv nicht auf in der Vergangenheit liegende Veranlagungsjahre beziehe und dass eine Erklärung für das Jahr 2015, dass Brauchwasser aus der Zisterne der Entwässerungsanlage der Antragsgegnerin zugeführt worden wäre, von ihm nicht abgegeben worden sei. Nicht bestritten wird vom Antragsteller das Vorhandensein der Zisterne. Unter diesen Umständen sprechen, wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, in welchem nur eine summarische Prüfung und keine weitergehenden Ermittlungen, insbesondere keine Beweisaufnahme möglich sind, die überwiegenden Anhaltspunkte dafür, dass die Behauptung des Antragstellers, es werde aus der Zisterne überhaupt kein (verschmutztes) Niederschlagswasser in die Kanalisation eingeleitet, nicht zutrifft. Der Antragsteller hat seine Behauptung weder belegt noch substantiiert vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt die Zisterne errichtet wurde. Ein bloßes Bestreiten durch den Antragsteller genügt nicht, um die Anwendung der Pauschalierungsregel des § 10 Abs. 2 Satz 4 BGS-EWS 2010/2015 im summarischen Verfahren in Frage zu stellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).