Baurecht

Privilegierung von die Kulturlandschaft prägenden Gebäuden im Außenbereich

Aktenzeichen  M 1 K 17.4148

Datum:
29.5.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 20942
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 29 Abs. 1, § 35 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 S. 1 Nr. 4

 

Leitsatz

Ein die Kulturlandschaft prägendes Gebäude liegt vor, wenn es eine spezifische Beziehung zur Landschaft und der sich aus der Gesamtheit ergebenden Kulturlandschaft hat. Dies bedeutet, dass die Landschaft ihre Eigenart auch durch das Gebäude erhalten muss. Es reicht nicht aus, dass es nur an eine frühere Nutzungsart erinnert, vielmehr muss es für die Baugestaltung und Baukultur einer Epoche kennzeichnend sein und einen erkennbaren Wechselbezug zwischen Bauwerk und Umgebung ausdrücken wie etwa eine Almhütte zu einer Alm (vgl. BayVGH NVwZ-RR 1995, 320; OVG Münster BeckRS 1999, 21362). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat den beantragten Vorbescheid zu Recht abgelehnt, sodass der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des Vorbescheids, denn das Vorhaben ist eine genehmigungspflichtige Änderung, die im Außenbereich nicht zulässig ist; insbesondere liegt keine Teilprivilegierung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB vor.
1. Soweit der Klägerbevollmächtigte dazu ausführt, dass die Baugenehmigung vom 22. August 1958 vor Inkrafttreten des aktuellen Baugesetzbuches und der Bayerischen Bauordnung erteilt worden ist, wird auf die Grundsätze des intertemporalen Rechts verwiesen (vgl. z.B. BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90, 2 BvR 1728/90; BayVGH, U.v. 2.8.2005 – 14 N 04.2374 – juris Rn. 39; weitere Nachweise: Decker in Simon/Busse, BayBO, Art. 84 Rn. 3ff.). Danach ist grundsätzlich das neue Recht ab seinem Inkrafttreten auch auf alte Sachverhalte anzuwenden, soweit nicht das neue Recht die Geltung des alten Rechts anordnet. Die Übergangs- und Schlussvorschriften nach Art. 83, 84 BayBO und nach §§ 233 ff. BauGB sind Regelungen im Rahmen des intertemporalen Rechts. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Baugenehmigung vom 23. August 1958 nach wie vor grundsätzlich wirksam ist, zugleich aber die baurechtlichen Vorschriften in der aktuell geltenden Fassung anzuwenden sind.
2. Gegenstand des vorliegenden Vorbescheidsverfahrens gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO ist die Frage, ob der Einbau von fünf Wohneinheiten in das Gebäude auf FlNr. 732 – dem sog. Anbau – bauplanungsrechtlich zulässig ist.
Dabei ist davon auszugehen, dass die Nennung des „östlichen Gebäudeteils“ im Vorbescheidsantrag irrtümlich erfolgte, da unstreitig das Bauvorhaben im westlich gelegenen Anbau geplant ist.
Die mit dem Vorbescheidsantrag gestellte Frage ist zwar nicht im Sinne des Art. 71 Satz 1 BayBO auf einzelne Fragen des Bauvorhabens beschränkt, sondern generell formuliert und gerichtet auf die allgemeine Frage, ob das Bauvorhaben zulässig ist. Der Beklagte hat aber im Wege der Auslegung den Antrag zutreffend auf die Frage nach der Vereinbarkeit mit §§ 29 ff. BauGB beschränkt. Dass dies dem Willen der Klagepartei entspricht, ist insbesondere dem Schreiben des klägerischen Bevollmächtigten an den Bürgermeister der Gemeinde vom … November 2016, das dem Antrag beigefügt war, zu entnehmen, in dem sich der Bevollmächtigte auf Ausführungen zur Vereinbarkeit des Vorhabens mit § 35 Abs. 1 Satz 4 BauGB beschränkt.
3. Der Umbau des Bestandsgebäudes zum Zwecke der künftigen Wohnnutzung ist ein genehmigungspflichtiges Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Der Einbau von fünf selbständigen Wohneinheiten in das vorhandene Gebäude stellt eine Änderung im Sinne der Vorschrift dar; außerdem handelt es sich um eine Nutzungsänderung, weil die seinerzeit genehmigte Nutzung als Ferien-/Jugendheim die nun beabsichtigten Wohnnutzung nicht mit umfasst.
a) Der Umbau des Gebäudes, mit dem der Einbau von fünf Wohnungen erfolgen soll, ist eine Änderung einer baulichen Anlage im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB (und im Übrigen auch von Art. 55 Abs. 1 BayBO), wobei die planungsrechtliche Zulässigkeit im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen ist (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO). Der Begriff der Änderung bezieht sich auf die städtebaulich relevante Umgestaltung einer bestehenden baulichen Anlage, und zwar unabhängig davon, ob die Umgestaltung die äußere oder die innere bauliche Einrichtung der Anlage betrifft. Ein Eingriff ist jedenfalls dann als hinreichend intensiv und damit als städtebaulich relevant anzusehen, wenn er die Standfestigkeit des gesamten Bauwerks berührt und eine statische Nachberechnung erforderlich macht (vgl. z.B. BVerwG, Urt.v. 14. April 2000 – 4 C 5.99 – juris Rn. 26, Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 128. EL, § 29 Rnr. 46). So liegt der Fall hier. Die geplante Neuschaffung von fünf eigenständigen Nutzungseinheiten geht jedenfalls einher mit der Entfernung vorhandener Wände, dem Einziehen neuer Wände an anderer Stelle sowie der Errichtung von Treppen vom Erdgeschoss ins Obergeschoss. Damit ist vom Erfordernis einer statischen Neuberechnung auszugehen, und schon deswegen liegt eine Änderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB vor.
b) In der geplanten Aufnahme der Wohnnutzung liegt auch eine Nutzungsänderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Unter einer Nutzungsänderung ist eine Änderung der Nutzungsweise zu verstehen, durch die der Anlage eine von der bisherigen Nutzung abweichende Zweckbestimmung gegeben wird. Wie bereits vom Klägerbevollmächtigten in Bezug genommen, ist dies insbesondere erfüllt, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung bodenrechtliche Belange neu berührt werden können, sodass sich die Genehmigungsfrage unter bodenrechtlichen Aspekten neu stellt. Die Variationsbreite der bisherigen Nutzung wird auch dann überschritten, wenn das bisher charakteristische Nutzungsspektrum durch die Änderung erweitert wird (BVerwG, U.v. 18.11.2010 − 4 C 10/09 – juris Rn. 12). So liegen die Dinge hier. Die Ferienheimnutzung erfasst nicht die beabsichtigte Wohnnutzung.
aa) Zwar liegt dem Gericht die Baugenehmigung vom 22. August 1958 für die Errichtung des Westanbaus nicht vollständig vor. Es ist aber zusammen mit den Beteiligten von der genehmigten Nutzung als Ferienheim auszugehen. Darauf deuten die ergänzenden Hinweise der Baugenehmigung hin, die Einrichtungen wie Turn- und Gymnastikraum, Unterrichts- und Vortragsraum nennen und für dererlei Einrichtungen typisch sind.
bb) Die Ferienheimnutzung umfasst die beabsichtigte Wohnnutzung nicht.
Der Begriff des Wohnens ist nach allgemeiner Auffassung erfüllt, wenn erstens eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit, zweitens die Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises sowie drittens die Freiwilligkeit des Aufenthalts vorliegt (vgl. BVerwG, B.v. 25.3.1996 – NVwZ 1996, 893). Gemeint ist damit die Nutzungsform des selbstbestimmt geführten privaten Lebens „in den eigenen vier Wänden“, die auf eine gewisse Kontinuität angelegt ist und keinem anderen in der BauNVO vorgesehenen Nutzungszweck verschrieben ist, insbesondere keinem irgendwie gearteten Erwerbs-, Übernachtungs- oder temporären Erholungszweck (König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 3 Rnr. 16). Ein Ferienheim ist nicht dem dauerhaften häuslichen Wohnen gewidmet (vgl. BeckOK/Hornmann, BauNVO, 13. Ed. 15.3.2018, § 3 Rnr. 111; Koenig/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 3 Rnr 24). Typischerweise bleiben Ferienheimgäste ein paar Tage bis wenige Wochen zum Zwecke der temporären Erholung, nicht aber für eine dauerhafte Häuslichkeit. Ob ein Ferienheim etwa als Anlage für soziale Zwecke oder als Beherbergungsbetrieb im Sinne der BauNVO zu klassifizieren ist, kann hier offenbleiben. Der Begriff des „Wohnens“ ist durch die Ferienheimnutzung jedenfalls nicht erfüllt.
Soweit der Kläger auf etwaiges Hauspersonal abstellt, das – jedenfalls während der Ferienmonate – dauerhaft dort verweilte, um sich um die Feriengäste zu kümmern, könnte hier zwar ein „Wohnen“ zu bejahen sein. Dennoch führt dies nicht zur Annahme, dass in toto eine Wohnnutzung zu bejahen ist. Die Konstellation ist insoweit vergleichbar mit einer Betriebsleiterwohnung, die einem gewerblichen oder landwirtschaftlichen Betrieb dient und akzessorisch zu dessen Fortführung als Betrieb ist. Ohne entsprechende betriebliche Nutzung ist auch dem „betrieblichen Wohnen“ die Grundlage entzogen. Sie führt nicht per se zu einer allgemein zulässigen Wohnnutzung.
cc) Das Vorhaben ist von planungsrechtlicher Relevanz, weil es die in § 1 Abs. 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer ihre Zulässigkeit regelnden verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen (vgl. hierzu die Grundsatzentscheidung des BVerwG, U.v. 31.8.1973 – IV C 33.71 – BVerwGE 44, 59-64 – juris). Die avisierte Wohnnutzung im Außenbereich ist geeignet, jedenfalls die Belange des Umweltschutzes (vgl. § 1 Abs. 6 Nr. 6 BauGB) und der Landwirtschaft (§ 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. b BauGB) zu berühren.
c) Ohnehin dürfte – ohne dass es darauf streitentscheidend ankommt – der Bestandsschutz erloschen sein, weil die Ferienheimnutzung aufgegeben worden ist. Die Beurteilung, ob eine Nutzungsunterbrechung oder bereits die Nutzungsaufgabe vorliegt, richtet sich nach der Verkehrsanschauung (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.5.1995 – 4 C 20.94 – juris; OVG NRW, U.v. 14.03.1997 – 7 A 5179/95 – juris). Aus den tatsächlichen Gegebenheiten, insbesondere dem Zustand des Hauses im Innern, ist zu schließen, dass das Haus schon seit etlichen Jahren oder gar Jahrzehnten nicht mehr als Ferienheim genutzt wird und mit einer Weiternutzung als Ferienheim nicht zu rechnen ist. Dafür streitet der nicht mehr zeitgemäße Zustand der Inneneinrichtung und der sanitären Anlagen; für eine Wiedernutzbarmachung ist von einem Renovierungsbedarf auszugehen. Zudem beabsichtigt der Kläger ja gerade nicht die Wiederaufnahme des Ferienheimbetriebes. Daher dürfte nicht von einer bloßen Nutzungsunterbrechung, sondern von einer Nutzungsaufgabe auszugehen sein mit der Folge, dass der durch die Genehmigung verliehene Bestandschutz erloschen sein dürfte.
Das Vorhaben erfüllt also die Voraussetzungen einer Änderung im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB.
3. Das Vorhaben ist bauplanungsrechtlich nicht genehmigungsfähig, weil es im Außenbereich befindlich ist und keinen Privilegierungstatbestand, den § 35 Abs. 1 BauGB nennt, für sich beanspruchen kann. Als sonstiges Vorhaben (§ 35 Abs. 2 BauGB) ist es nicht zulässig, weil es nicht teilprivilegiert ist (s. unter a) und öffentliche Belange beeinträchtigt werden (b).
a) Eine Teilprivilegierung namentlich nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB liegt nicht vor. Teilprivilegiert sind nach dieser Vorschrift die Änderung oder Nutzungsänderung von erhaltenswerten, das Bild der Kulturlandschaft prägende Gebäude, auch wenn sie aufgegeben sind, wenn das Vorhaben einer zweckmäßigen Verwendung der Gebäude und der Erhaltung des Gestaltwerts dient. Als Rechtsfolge kann solchen Vorhaben nicht entgegengehalten werden, dass sie Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widersprechen, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lassen, soweit sie im übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB sind.
Zwar handelt es sich im Sinne der Vorschrift um ein Gebäude, dessen Bausubstanz noch in hinreichendem Maße vorhanden ist, das also keine verfallende Ruine darstellt. Unschädlich ist auch, dass das Gebäude aufgegeben ist in dem Sinne, dass es derzeit weder zum ursprünglichen noch zu einem anderen Zweck genutzt wird. Jedoch handelt es sich nicht um ein das Bild der Kulturlandschaft prägendes Gebäude.
aa) Voraussetzung hierfür ist, dass das Gebäude eine spezifische Beziehung zur Landschaft und der sich aus der Gesamtheit ergebenden Kulturlandschaft hat. Unter Kulturlandschaft ist dabei die durch menschliche Einwirkung umgewandelte Naturlandschaft zu verstehen (OVG Münster, U.v. 13.11.1998 – 11 A 2641/94 – juris Rn. 24). Im Falle des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 BauGB muss das Gebäude prägendes Element der Kulturlandschaft sein. Dies bedeutet, dass die Landschaft ihre Eigenart auch durch das Gebäude erhalten muss. Es reicht nicht aus, dass es nur an eine frühere Nutzungsart erinnert, vielmehr muss es für die Baugestaltung und Baukultur einer Epoche kennzeichnend sein und einen erkennbaren Wechselbezug zwischen Bauwerk und Umgebung ausdrücken wie etwa eine Almhütte zu einer Alm (BayVGH, U.v.25.1.1995 – 2 B 92.2869 – BayVBl 1996, 87; OVG Münster, U.v. 13.11.1998 – 11 A 2641/94 – juris Rn. 24 ff.). Die so verstandene Wirkung muss stets vom Gebäude selbst, d.h. von seinem äußeren optischen Erscheinungsbild ausgehen. Es müssen also nach außen erkennbare und in die Umgebung wirkende besondere bauliche Merkmale vorliegen. Dabei reicht eine Mitprägung im Zusammenwirken mit anderen Gebäuden aus (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 119. EL, § 35 Rn. 155). Zweck der Vorschrift ist es, dem drohenden Verfall von Baudenkmälern und anderen kulturell bedeutsamen Bauwerken mit einer entsprechenden Beziehung zum Außenbereich vorzubeugen. Die bloße wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des Vorhabens reicht nicht aus. Unbehelflich ist also ein Berufen darauf, dass das Gebäude in seiner baulichen Substanz so intakt ist, dass es schon deswegen erhaltenswert wäre. Die Denkmaleigenschaft ist hingegen nicht zwingende Voraussetzung für die Anwendung der Vorschrift (vgl. OVG Münster, U.v. 13.11.1998 – 11 A 2641/94 – juris Rn. 22; Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 119. EL, § 35 Rn. 155).
bb) Das Anwesen hat keine prägende Wirkung für die umgebende Landschaft. Dies ergaben die Erkenntnisse des Augenscheins und die von der Klagepartei vorgelegten Lichtbilder (S. 36-39 d.A.).
(1) Die Kulturlandschaft um das Anwesen stellt sich nach den Erkenntnissen des Augenscheins als landwirtschaftlich geprägt dar; das umgebende Grünland und den Auwald bewirtschaftet der Kläger nach eigenen Angaben im Rahmen seines landwirtschaftlichen Betriebs selbst.
(2) Zu dieser landwirtschaftlichen Umgebung weist das Anwesen keinen nennenswerten Bezug auf, und zwar weder der Anbau selbst noch das Gebäudeensemble:
Der Anbau ist ein schlichter, funktionaler Bau, dessen äußeres Erscheinungsbild auf die Bauzeit in den 1959/60er Jahren schließen lässt. Eine (auch ehemalige) landwirtschaftliche Nutzung ist nicht erkennbar; ohnehin ist er nicht für diesen Zweck gebaut worden. Aufgrund der Anzahl der Fenster und deren regelmäßiger Anordnung könnte ein Betrachter etwa eine Pensionsnutzung vermuten. In der landwirtschaftlich geprägten Umgebung ist er als Fremdkörper wahrzunehmen. Diesen Eindruck spiegelt im Übrigen auch die Rechtslage wider, die im Außenbereich grundsätzlich nur das privilegierte Bauen vorsieht. Der funktional anmutende Anbau zur Unterbringung einer größeren Anzahl an Menschen wirkt dort auch tatsächlich wesensfremd. Eine kulturlandschaftsprägende Wirkung kommt dem Anbau daher nicht zu.
Auch im Zusammenwirken mit dem Haupthaus ergibt sich kein anderes. Beim Haupthaus überwiegt der Eindruck einer Mischung unterschiedlicher Baustile: zum einen die Dimensionierung des Baukörpers als historische Bauernhaus, zum anderen der Stil der 1950/60er Jahre durch die Fassadengestaltung, die Fenster, die Anbauten der rückwärtigen Terrasse, des Verbindungstrakts zum Heim und des Heims selbst. Das Haupthaus ist lediglich in Ansätzen noch als ehemaliges landwirtschaftliches Gebäude wahrnehmbar. Eine Prägung der landwirtschaftlichen Umgebung ist daher nicht gegeben.
Das „Zuhäuserl“ ist zwar als Gebäude mit landwirtschaftlichem Bezug erkennbar. Jedoch muss es für die Frage der kulturlandschaftsprägenden Wirkung des Anwesens außer Betracht bleiben, weil es im Verhältnis zu dem Haupthaus und dem Anbau deutlich kleiner dimensioniert ist, in einiger Entfernung zum Haupthaus steht und damit von untergeordnetem Gewicht ist.
Nach alledem ist schon nicht mehr von einem landwirtschaftlich anmutenden Anwesen auszugehen, geschweige denn, dass das Anwesen selbst eine entsprechende prägende Wirkung auf die landwirtschaftliche Umgebung aufweist.
(3) Die von der Klagepartei angeführte Bundestagsdrucksache 7/4793 vom 23. Februar 1976 (S. 35 f.) ergibt keine abweichende Beurteilung. Der Ausschuss für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau führt in den angeführten Passagen zu dem Regierungsentwurf zur Änderung des Bundesbaugesetzes (BT-Drs. 7/2496) aus, welchen Umfang etwaige Änderungen haben dürfen und nach welchem Maßstab sich dies bemisst. Zu der hier entscheidenden Vorfrage, nämlich wann ein Gebäude als die Kulturlandschaft prägend angesehen werden kann, sind keine weiteren Erkenntnisse ableitbar. Auch der Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Februar 2004 (Az. 4 C 4.03), wonach es darauf ankomme, dass sich die Situation vor Ort auf die vorhandene Bebauung eingestellt habe, ist schon deswegen für den vorliegenden Fall nicht nutzbar zu machen, weil es dort um die nicht vergleichbaren Tatbestandsvoraussetzungen von § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauGB geht.
b) Als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt es öffentliche Belange:
aa) Namentlich widerspricht es den Darstellungen des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB), der hier eine Fläche für die Landwirtschaft darstellt. Dieser planerische Wille der Gemeinde gilt ungeachtet der Tatsache, dass bei Inkrafttreten des Flächennutzungsplans das Gebäude nicht landwirtschaftlich genutzt wurde. Denn Darstellungen können auch dann widersprechende öffentliche Belange sein, wenn sie mit der tatsächlichen Situation nicht übereinstimmen; die Gemeinde ist nicht gehindert ist, durch eine Bauleitplanung eine künftige Veränderung tatsächlicher Gegebenheiten anzustreben (BVerwG, B.v. 1.4.1997 – 4 B 11/97 – juris Rn. 18/19). Der Flächennutzungsplan hat gemäß § 5 Abs. 1 BauGB auch die Funktion, die beabsichtigte Art der Bodennutzung darzustellen; damit sind im Rahmen des § 35 Abs. 3 BauGB auch seine Entwicklungsvorstellungen relevant (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, 119. EL, § 35 Rn. 79). Dass der Flächennutzungsplan funktionslos geworden wäre, ist nicht ersichtlich; vielmehr ergibt sich aus den tatsächlichen Gegebenheiten, dass der Bereich durchaus landwirtschaftlich genutzt wird bzw. werden kann. In dem Zusammenhang ist ebenso unbeachtlich die Tatsache, dass die Gemeinde im Vorbescheidsverfahren ihr Einvernehmen erteilt hat. Wollte die Gemeinde an ihren planerischen Vorstellungen nicht festhalten, müsste sie in das förmliche Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans eintreten.
bb) Das Vorhaben führt auch zu einer von § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 BauGB missbilligten unorganische Siedlungsstruktur und Zersiedlung des Außenbereichs. Nach dieser Vorschrift liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn das Vorhaben die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Eine verstärkte Inanspruchnahme des Außenbereichs für Wohnzwecke gehört zu den typischen Formen der Zersiedelung der Landschaft, die zu verhindern ein wesentliches gesetzgeberisches Anliegen ist (BVerwG, U.v. 14.4.2000 – 4 C 5/99 – juris Rn. 32 m.w.N.). Zur Verfestigung einer Splittersiedlung im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB kann nicht nur die Errichtung eines zum Wohnen geeigneten Gebäudes beitragen, sondern auch eine erstmalige Wohnnutzung eines vorhandenen Gebäudes selbst bei unveränderter Bausubstanz (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1985 – 4 C 35.81 – Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 224 – juris Rn. 9). Selbst wenn man die Erinnerung des Klägers und seines Architekten als belastbar unterstellt und von einer Auslastung des Ferienheims zu 80% des Jahres ausgeht, ist von der Verfestigung einer Splittersiedlung auszugehen, weil das geplante Wohnen aufgrund seiner Dauerhaftigkeit zu einer Nutzungsintensivierung führt.
cc) Angesichts des Vorgenannten kann dahinstehen, ob angesichts der Landschaftsschutzgebietsverordnung dem Vorhaben zusätzlich auch Belange des Naturschutzes (vgl. § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB) entgegenstehen.
Da kein (Teil-)Privilegierungstatbestand infrage kommt, ist das Vorhaben mit § 35 BauGB nicht vereinbar. Daher kommt es auf die Gewichtung der öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 4 Satz 1 BauGB, diesbezüglich die Klagepartei die höchstrichterliche Rechtsprechung anführt (BVerwG, U.v. 17.2.2011 – 4 C 9/10 – juris), nicht an. Weder die Heranziehung des klägerischen Grundstücks zur Grundsteuer B noch die Zustimmung der Gemeinde zum Vorhaben vermögen an der planungsrechtlichen Beurteilung etwas zu ändern.
Da der Vorbescheidsantrag zu Recht abgelehnt wurde, ist die Klage unbegründet.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge gemäß § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 704 ff. ZPO.

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