Aktenzeichen 1 ZB 18.2516
Leitsatz
1. Eine wasserrechtliche Genehmigung wird selbständig neben einer Baugenehmigung erteilt, auch wenn beide Genehmigungen in einem Bescheid zusammengefasst werden können. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit einer Klage gegen die Baugenehmigung kann nicht das Fehlen einer wasserrechtlichen Erlaubnis geltend gemacht werden(vgl. VGH München BeckRS 2014, 47188). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Prüfung der Auswirkungen eines Bauvorhabens auf die Grundwasserverhältnisse gehört nicht zu den in § 34 Abs. 1 BauGB genannten städtebaulichen Maßnahmen (vgl. VGH München BeckRS 2003, 27650). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
M 11 K 17.492 2018-10-04 VGMUENCHEN VG München
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,– Euro festgesetzt.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen die Baugenehmigung für den Neubau einer Wohnanlage (zwei Wohnhäuser mit insgesamt 20 Wohnungen) mit Tiefgarage. Sie ist Miteigentümerin des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … …, und Sondereigentümerin der westlichen Wohnhaushälfte. Ihre Klage gegen den Baugenehmigungsbescheid vom 12. Januar 2017 hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 4. Oktober 2018 abgewiesen. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin Nachbarrechte überhaupt allein geltend machen könne, da die Klage jedenfalls unbegründet sei. Das Wohnbauvorhaben verletze den Gebietserhaltungsanspruch nicht, es füge sich nach der Art der Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung ein. Eine Verletzung des baurechtlichen Gebots der Rücksichtnahme liege ebenfalls nicht vor. Das klägerische Grundstück grenze nicht direkt an das Baugrundstück an, eine erdrückende oder abriegelnde Wirkung der Gebäude liege offensichtlich nicht vor. Das Vorhaben sei auch nicht rücksichtslos, weil es im Rahmen des Bauvorhabens zu Grundwasserüberleitungen komme. Aus den zitierten Vorschriften des WHG ergebe sich keine Nachbarrechtsverletzung, das Vorhabengrundstück liege nicht in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Vorliegens eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegen nicht vor bzw. sind nicht dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33; B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, diese aber für die Richtigkeit des Ergebnisses unerheblich sind (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838). Das Verwaltungsgericht ist hier zutreffend davon ausgegangen, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen nachbarschützende Rechtsvorschriften verstößt, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass der nachbarliche Hochwasserschutz in der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung außer Acht gelassen werde, übersieht sie zunächst, dass es sich bei der Baugenehmigung und der für erforderlich gehaltenen Ausnahmegenehmigung nach § 78 Abs. 5 Satz 1 WHG um zwei eigenständige Genehmigungen handelt. Eine wasserrechtliche Genehmigung wird selbständig neben einer Baugenehmigung erteilt, auch wenn beide Genehmigungen in einem Bescheid zusammengefasst werden können. Mit einer Klage gegen die Baugenehmigung kann nicht das Fehlen einer wasserrechtlichen Erlaubnis geltend gemacht werden (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2014 – 8 CS 13.1848 – juris Rn. 16; Rossi in Sieder-Zeitler-Dahme, Wasserhaushaltsgesetz, Stand 1. August 2019, § 78 Rn. 58 und 71). Weiter gilt § 78 Abs. 4 und 5 WGH nur für festgesetzte Überschwemmungsgebiete, die Vorschriften sind gemäß § 78 Abs. 8 WHG für vorläufig gesicherte Gebiete entsprechend anwendbar. Die Klägerin räumt selbst ein, dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen. Das Überschwemmungsgebiet wird in § 76 Abs. 1 Satz 1 WHG legal definiert als Gebiet, das bei Hochwasser eines oberirdischen Gewässers überschwemmt oder durchflossen wird oder das für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht wird. Hochwasser ist gemäß § 72 Satz 1 WHG eine zeitlich beschränkte Überschwemmung von normalerweise nicht mit Wasser bedecktem Land. Die Klägerin trägt aber in Bezug auf ihr Grundstück keine Anhaltspunkte für eine Verschlechterung einer oberirdischen Überschwemmungssituation durch das Bauvorhaben vor, sondern sie macht den hohen Grundwasserstand geltend und befürchtet insbesondere durch den Bau der Tiefgarage negative Auswirkungen auf ihr Gebäude. Wenn in den Nebenbestimmungen der fachkundigen Stelle Wasserwirtschaft auf eine Hochwassergefahr Bezug genommen wird, betrifft dies die Lage des Bauvorhabens im 60 m Bereich des …bachs (vgl. die Stellungnahme vom 9.1.2017, Bl. 279 der Behördenakte).
Das Verwaltungsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass das baurechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht verletzt sei, soweit mit dem Bauvorhaben eine Grundwasserüberleitung stattfinden soll. Das Rücksichtnahmegebot ist keine allgemeine Härteklausel, die über den speziellen Vorschriften des Städtebaurechts oder gar des gesamten öffentlichen Baurechts steht, sondern Bestandteil einzelner gesetzlicher Vorschriften des Baurechts. Im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Abs. 1 BauGB kann das Rücksichtnahmegebot nur verletzt sein, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seiner Art oder seinem Maß der baulichen Nutzung, nach seiner Bauweise oder nach seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart seiner näheren Umgebung einfügt (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128.98 – NVwZ 1999, 879). Die Prüfung der Auswirkungen eines Bauvorhabens auf die Grundwasserverhältnisse gehört nicht zu diesen städtebaulichen Maßnahmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.4.2003 – 2 ZB 02.3115 – juris Rn. 1; B.v. 11.7.2002 – 2 ZB 02.489 – juris Rn. 4). Für die Bauwasserhaltung und die durch den Baukörper verursachte dauerhafte Umleitung von Grundwasser ist eine eigenständige wasserrechtliche Erlaubnis notwendig (vgl. § 9 Abs. 2 Nr. 1 WHG; Knopp in Sieder-Zeitler-Dahme, Wasserhaushaltsgesetz, Stand 1. August 2019, § 9 Rn. 79; BayVGH, B.v. 14.7.2015 – 15 CS 15.1141 – juris Rn. 20), die der Beigeladenen, wie sich aus der Stellungnahme der G** … GmbH vom 17. November 2016 ergibt, mit Bescheid vom 5. Oktober 2016 jedenfalls für die Bauwasserhaltung erteilt wurde.
Soweit die Stellungnahme vom 17. November 2016 auf diesen Bescheid Bezug nimmt und darin geforderte Nachweise und Pläne bringt, liegt auch keine ergänzende wasserrechtliche Genehmigung vor, die neben der erteilten Baugenehmigung mit der vorliegenden Klage angefochten werden könnte. Eine Genehmigung oder Erlaubnis muss klar erkennen lassen, was genehmigt wurde und welchen Umfang die gestattende Wirkung der Genehmigung hat (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2014 – 4 B 21.14 – juris Rn. 9). Bei dem Schreiben der G** … GmbH handelt es sich um eine Stellungnahme zu Anforderungen in dem wasserrechtlichen Bescheid, der in der Bauakte nicht enthalten ist. Unabhängig davon, ob sich aus diesem Schreiben und den Plänen ein hinreichend bestimmter genehmigungsfähiger Inhalt ergibt, liegt mit dem Abstempeln als Bestandteil der Baugenehmigung keine wasserrechtliche Genehmigung vor. Denn der Genehmigungsbescheid vom 12. Januar 2017 bezieht sich (nur) auf die mit Genehmigungs- bzw. Bestandteilsvermerk versehenen Bauvorlagen. Bauvorlagen sind die einzureichenden Unterlagen, die für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlich sind (Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO, § 1 Abs. 1 Satz 1 BauVorlV; zum Inhalt von Bauvorlagen §§ 7 ff. BauvorlV). Nur diese können mit dem Genehmigungsvermerk Bestandteil der Baugenehmigung werden (vgl. BVerwG, B.v. 7.1.1997 – 4 B 240.96 – juris Rn. 3). Auch mit dem Nachtragsbescheid vom 22. Januar 2019 wird keine ergänzende wasserrechtliche Genehmigung erteilt. Denn unabhängig davon, ob dieser als neue Tatsache im Zulassungsverfahren berücksichtigungsfähig ist, wird damit keine (notwendige) Regelung getroffen, sondern es soll klargestellt werden, dass die mit dem Genehmigungsstempel versehene Stellungnahme der G** … GmbH vom 17. November 2016 Bestandteil der Baugenehmigung ist. Die als Bauvorlage abgestempelte Stellungnahme erhält damit aber keinen zulässigen wasserrechtlichen Inhalt. Es kann mit der vorliegenden Klage nicht überprüft werden, ob die mit Bescheid vom 5. Oktober 2016 erteilte wasserrechtliche Erlaubnis und notwendige Ergänzungen dieses Bescheids rechtmäßig sind (zum Nachbarrechtsschutz bei einer wasserrechtlichen beschränkten Erlaubnis vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 22 ZB 07.224 – juris Rn. 16 m.w.N.).
Soweit die Klägerin ihre Rüge wiederholt, dass das geplante Gebäude in seiner Mächtigkeit gegen das Rücksichtnahmegebot verstoße, ist dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügt. Es ist eine substantiierte, auf den Zulassungsgrund bezogene Auseinandersetzung mit der tragenden Begründung der angegriffenen Entscheidung erforderlich, durch die der Streitstoff entsprechend durchdrungen und aufbereitet wird. Eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens oder eine Bezugnahme hierauf genügt nicht (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 12.7.2016 – 15 ZB 14.1108 – juris Rn. 20 m.w.N.). Mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts (UA S. 7 und 8) setzt sich die Klägerin jedoch nicht auseinander.
2. Verfahrensmängel, auf denen das Urteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), liegen nicht vor oder sind nicht dargelegt.
Soweit die Klägerin einen Verfahrensmangel darin sieht, dass die Stellungnahme der G** … GmbH vom 17. November 2016 dem Bescheid nicht (gesondert) beigefügt worden sei, ist – wie ausgeführt – mit der Baugenehmigung keine wasserrechtliche Genehmigung verbunden. Im Übrigen weist die Bevollmächtigte der Beigeladenen zu Recht darauf hin, dass mit § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nur ein Verfahrensmangel im gerichtlichen Verfahren gerügt werden kann.
Unabhängig davon, dass die erhobene Aufklärungsrüge bereits nicht hinreichend dargelegt ist (zu den Anforderungen vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2016 – 9 BN 3.16 – juris Rn. 4; B.v. 28.12.2011 – 9 B 53.11 – NVwZ 2012, 512), kann das Urteil auf einer fehlenden Aufklärung zu den Grundwasserfragen nicht beruhen.
Es liegt in Bezug auf die Stellungnahme der G** … vom 17. November 2017 auch kein Überraschungsurteil vor. Die Klägerin trägt selbst vor, dass die Stellungnahme Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sei. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist von vornherein nicht geeignet, eine – vermeintlich – fehlerhafte Feststellung und Bewertung des Sachverhalts einschließlich seiner rechtlichen Würdigung zu beanstanden (vgl. BVerfG, B.v. 4.2.2016 – 2 BvR 2223/15 – NVwZ 2016, 764; BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 14 ZB 11.30140 – juris Rn. 5).
3. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen, da ihr Rechtsmittel erfolglos geblieben ist (§ 154 Abs. 2 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass die Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt, da diese das Verfahren mit einer eigenen Stellungnahme gefördert hat (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit und entspricht dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Betrag.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).