Aktenzeichen M 1 K 18.5902
BauGB § 1 Abs. 3, § 34
BGB § 421
VwGO § 92 Abs. 3, § 113 Abs. 1 S.1, § 124, § 124a Abs. 4
RDGEG § 3, § 5
VwVfG § 74 Abs. 4
GKG § 52 Abs. 2
Leitsatz
1. Eine Bebauungsplanung mit negativen Wirkungen ist nicht schon wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB unwirksam, wenn ihr Hauptzweck in der Verwirklichung bestimmter Nutzungen besteht, sondern nur, wenn sie nicht einem planerischen Willen der Gemeinde entspricht, sondern allein vorgeschoben ist, um eine andere Nutzung zu verhindern, ohne dass der Ausschluss der Nutzung städtebaulich begründet ist (Unter Hinweis auf Söfker/Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 138. EL Mai 2020, § 1 Rn. 35 m.w.N.). (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Weder der Umstand, dass die zentralen Bereiche des Planumgriffs, für die gewerbliche Nutzung vorgesehen ist, bisher nicht realisiert wurden, sondern weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden, noch, dass kein Veräußerungswille der Grundeigentümer bestand und nach Vortrag des Klägers auch weiterhin nicht besteht, macht den Plan nicht vollzugsunfähig. Auch wenn der Beklagte in der mündlichen Verhandlung keine Angaben dazu machen konnte, ob in der letzten Zeit auf der Grundlage des Bebauungsplans Baugenehmigungen erteilt worden sind, vermag der Bebauungsplan nach wie vor seine ihm ursprünglich zugedachte städtebauliche Ordnungsfunktion erfüllen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klage bezüglich Ziffer 4 des Bescheids vom 28. September 2018 für erledigt erklärt worden ist. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat zu 4/5, der Beklagte hat zu 1/5 die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Im Hinblick auf Nr. 4 des Bescheids vom 28. September 2018 wird das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt. Die Parteien haben in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend die Teilerledigung erklärt.
II.
Die Klage gegen die im Bescheid vom 28. September 2018 verfügte Nutzungsuntersagung und die Kostenentscheidung (Nrn. 2 und 5 des Bescheids vom 28. September 2018) ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Anordnungen sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
1. Die Nutzungsuntersagung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 76 Satz 2 BayBO. Nach dieser Regelung kann die Benutzung von Anlagen auch vorbeugend (vgl. unter a.) untersagt werden, wenn die Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widerspricht. Ein solcher Verstoß läge bei einer erneuten Vermietung oder Eigennutzung zu Wohnzwecken ohne Baugenehmigung schon deswegen vor, weil diese Nutzung einer Baugenehmigung bedarf, die nicht vorliegt (b.). Die Anordnung ist weder unverhältnismäßig noch ermessensfehlerhaft (c.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Dauerverwaltungsakts ist der der Entscheidung des Gerichts (vgl.
Decker in Simon/Busse, BayBO, 138. EL September 2020, BayBO Art. 76 Rn. 452).
a. Die Rechtsgrundlage des Art. 76 Satz 2 BayBO ist für den hier gegebenen Fall einer präventiven Nutzungsuntersagung einschlägig (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.2005 – 1 B.03.2567 – juris Rn. 18 ff. zur Vorgängervorschrift Art. 82 BayBO; B.v. 3.4.2014 – 1 ZB 13.2536 – juris Rn. 15; Decker in Simon/Busse, BayBO,137. EL Juli 2020, Art. 76 Rn. 276).
Hier handelt es sich um eine vorbeugende Anordnung. Mit der Anordnung wurde dem Kläger als Eigentümer nicht eine solche Nutzung zu Wohnzwecken untersagt, die bei Erlass der Anordnung bereits stattgefunden hat und die noch andauert. Vielmehr wird dem Kläger präventiv eine künftige Nutzung aller Wohnungen außer zu Betriebsleiterwohnzwecken verboten. Für dieses Verständnis sprechen die in Klammern gesetzten Begriffe im Bescheidstenor („Eigennutzung, Abschluss neuer Mietverträge und sonstiger Überlassungsverträge“), mit denen der Gegenstand der Anordnung näher bestimmt wird. Bei allen hiermit angesprochenen Nutzungen handelt es sich um zukünftige Vorhaben. Bei der Untersagung des Abschlusses neuer Verträge versteht sich dies von selbst. Die Untersagung der Eigennutzung ist ebenfalls eine vorbeugende Regelung, weil er auch bei Erlass des Bescheides die Wohnung nicht selbst genutzt hat.
Voraussetzung einer Nutzungsuntersagung ist nicht, dass die rechtswidrige Nutzung bereits aufgenommen wurde. Wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine rechtswidrige Nutzung bevorsteht, kann diese auch vorbeugend untersagt werden (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.2005 – 1 B.03.2567 – juris Rn. 18 ff zur Vorgängervorschrift Art. 82 BayBO; B.v. 3.4.2014 – 1 ZB 13.2536 – juris Rn. 15; Decker in Simon/Busse, BayBO,137. EL Juli 2020, Art. 76 Rn. 276 m.w.N.). Dies war hier der Fall. Da der Kläger die Räume im Obergeschoss und im Dachgeschoss geteilt in zwei Einheiten als Wohnraum vermietet hat, durfte das Landratsamt annehmen, dass der Kläger die Räume nach einer Beendigung dieser Mietverhältnisse wieder zu Wohnzwecken vermieten oder selbst als Wohnung nutzen würde. Diese Annahme bestätigt sich im Übrigen durch den Abschluss eines neuen Mietvertrags zum 1. September 2019.
b. Die Voraussetzung des Art. 76 Satz 2 BayBO, dass die zu untersagende Nutzung öffentlich-rechtlichen Vorschriften widersprechen muss, ist hier erfüllt, weil die Nutzung des Obergeschosses sowie des Dachgeschosses zu Wohnzwecken formell illegal ist.
Die Wohnnutzung ist formell illegal. Die Nutzung der Räume im Obergeschoss und im Dachgeschoss für allgemeine Wohnzwecke ist genehmigungspflichtig im Sinne des Art. 55 Abs. 1 BayBO. Für die Zulässigkeit der Wohnnutzung gelten andere bauordnungsrechtliche und bauplanungsrechtliche Anforderungen als für die gewerbliche Nutzung, etwa hinsichtlich der Zulässigkeit der Art der baulichen Nutzung. Eine Wohnnutzung ist von der Genehmigung vom 28. April 2014 nicht gedeckt. Zulässig ist hiernach nur eine Betriebsleiterwohnung im Obergeschoss (vgl. C des Genehmigungsbescheids vom 28. April 2014) sowie Büro- und Abstellflächen im Dachgeschoss.
bb. Ein Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften im Sinne von Art. 76 Satz 2 BayBO, der den Erlass einer Nutzungsuntersagung rechtfertigt, liegt bei einem genehmigungspflichtigen Vorhaben grundsätzlich schon dann vor, wenn das Vorhaben ohne Baugenehmigung ausgeführt wird. Da die Nutzungsuntersagung – insofern der Baueinstellung (Art. 75 Abs. 1 BayBO) entsprechend – in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt und somit nicht genehmigungsfähig ist (h.M., vgl. z.B. BayVGH, B.v. 30.8.2007 – 1 CS 07.1253 – juris Rn. 18; König in Schwarzer/König, 4. Aufl. 2012, BayBO, Art. 76 Rn. 28; Decker in Simon/Busse, BayBO, 137. EL Juli 2020, Art. 76 Rn. 282 ff. m.w.N.). Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit darf eine wegen Verstoßes gegen die Genehmigungspflicht formell rechtswidrige Nutzung aber im Allgemeinen nicht untersagt werden, wenn sie offensichtlich genehmigungsfähig ist. Auch wenn die Folgen einer Nutzungsuntersagung für den Betroffenen in der Regel weniger gravierend sind als die einer Beseitigungsanordnung, ist es im Allgemeinen unverhältnismäßig, eine offensichtlich materiell legale Nutzung zu untersagen, ohne den Bauherrn vorher – vergeblich – aufgefordert zu haben, einen Bauantrag zu stellen. Bei einer vorbeugenden Nutzungsuntersagung hat dieser Gesichtspunkt aber weniger Gewicht. Da nicht in eine schon ausgeübte Nutzung eingegriffen wird, sondern der Bauherr nur präventiv auf das Genehmigungsverfahren verwiesen wird, darf eine vorbeugende Anordnung in der Regel allein schon wegen des drohenden Verstoßes gegen formelles Recht ergehen (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.2005 – 1 B 03.2567 – juris Rn. 23).
Ein solcher Regelfall liegt vor. Ein die vorbeugende Nutzungsuntersagung rechtfertigender Verstoß gegen formelles Recht durch weitere Wohnnutzung war zu befürchten, sodass die Voraussetzungen für eine präventive Nutzungsuntersagung vorliegen.
c. Die Nutzungsuntersagung ist auch nicht ermessensfehlerhaft, weil die Behörde die Untersagung der Wohnnutzung auch auf deren materielle Rechtswidrigkeit gestützt hat. Das Vorhaben ist nicht – und schon gar nicht offensichtlich – genehmigungsfähig. Maßgeblich ist hier im vereinfachten Genehmigungsverfahren das Prüfprogramm nach Art. 59 BayBO, wozu auch die planungsrechtliche Zulässigkeit gehört (Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO). Entgegen der Ansicht der Klagepartei richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nicht nach § 34 BauGB, sondern nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 22 „Gewerbegebiet H* …“ vom 25. März 2002. Der Vortrag, dass der Bebauungsplan eine unzulässige Verhinderungsplanung (vgl. unter aa.) und funktionslos geworden sei (bb.), greift nicht durch.
aa. Der Einwand, der Markt habe den Bebauungsplan ausschließlich deshalb aufgestellt, um ein Heranrücken der Wohnbebauung zu der seinerzeit maßgeblichen gewerblichen Nutzung durch ein …unternehmen südlich der Bahnlinie zu verhindern, begründet nicht die Annahme, dass es sich dabei um eine gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoßende und daher unzulässige Verhinderungs- oder Negativplanung handelt. Hierunter wird eine Planung verstanden, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, ohne dass die nach den Darstellungen bzw. Festsetzungen zulässigen Nutzungen in Wirklichkeit gewollt sind, sondern nur vorgeschoben werden, um andere Nutzungen zu verhindern (vgl. BayVGH, U.v. 19.11.2007 – 1 N 05.2521 – juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass mit jeder Regelung in einem Bauleitplan neben der zulassenden (positiven) Wirkung grundsätzlich auch eine ausschließende (negative) Wirkung verbunden ist. Eine Regelung kann selbst dann unbedenklich sein, wenn ihr Hauptzweck in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht; dabei können positive Planungsziele auch durch negative Festsetzungen erreicht werden (vgl. BayVGH, U.v. 3.11.2015 – 2 N 14.2790 – juris Rn. 26 m.w.N.). Entscheidend ist, ob und inwieweit mit der Planung positive Planungsziele verfolgt werden, dass also die Planung von einer planerischen Konzeption getragen wird. Auch eine auf die Verhinderung einer Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der den Anforderungen des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB entspricht. Danach ist eine Bebauungsplanung mit negativen Wirkungen nicht schon wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB unwirksam, wenn ihr Hauptzweck in der Verwirklichung bestimmter Nutzungen besteht, sondern nur, wenn sie nicht einem planerischen Willen der Gemeinde entspricht, sondern allein vorgeschoben ist, um eine andere Nutzung zu verhindern, ohne dass der Ausschluss der Nutzung städtebaulich begründet ist (vgl. Söfker/Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 138. EL Mai 2020, § 1 Rn. 35 m.w.N.).
Sowohl der ursprünglichen Planung aus dem Jahr 1985 als auch dem Bebauungsplan von 2002 liegt ein positives städtebauliches Konzept für die Festsetzung des Gewerbegebiets zugrunde, das dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit der Planung Genüge tut. Als sog. Grundgedanke für die Aufstellung des ursprünglichen Bebauungsplans 1985 wird in seiner Begründung genannt, man wolle die bereits vorhandene und in verschiedenen Bebauungsanfragen beabsichtigte Bebauung in geordnete Bahnen lenken (vgl. S. 38 der Behördenakte). Das Gewerbegebiet solle vorwiegend der Unterbringung von mittleren und kleineren Gewerbebetrieben dienen. Eine Grünordnung sollte gerade das Nebeneinander von Gewerbebetrieben und Wohnbauten gewährleisten. Der Bebauungsplan aus dem Jahr 2002 begründet seine städtebaulichen Festsetzungen u.a. damit, dass die vorhandene Gemengelage zwischen der bestehenden und geplanten gewerblichen Nutzung sowie den schutzwürdigen Wohnnutzungen in den Mischgebieten mit dem Ziel der planerischen Konfliktbewältigung berücksichtigt werde. Es würden hinreichende Entwicklungsmöglichkeiten für die gewerbliche Nutzung ermöglicht (vgl. S. 13 der Begründung des Bebauungsplans 2002). Angesichts dieser positiven Planvorstellung trifft es nicht zu, dass es sich bei der Planung des Gewerbegebiets um einen bloßen Vorwand für den Ausschluss von Wohnnutzung gehandelt hat. Dass der Markt bei seiner Planung möglicherweise auch das Industrieunternehmen südlich der Bahnlinie berücksichtigte, läge im Interesse einer geordneten städtebaulichen Entwicklung. Der Trennungsgrundsatz sieht dies als Abwägungsdirektive in der Planung gerade vor.
bb. Auch der Ansicht, der Bebauungsplan sei nachträglich funktionslos geworden, kann nicht gefolgt werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 29.4.1977 – IV C 39.75 – BVerwGE 54, 5/11, juris Rn. 35) tritt eine bauplanerische Festsetzung wegen Funktionslosigkeit außer Kraft, wenn und soweit – erstens – die Verhältnisse, auf die sie sich bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt. Hinzutreten muss als zweite Voraussetzung eine bestimmte Offenkundigkeit des Mangels. Die zur Funktionslosigkeit führende Abweichung zwischen der planerischen Festsetzung und der tatsächlichen Situation muss in ihrer Erkennbarkeit einen Grad erreicht haben, der einem dennoch in die Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Dabei wird eine Planungskonzeption, die einer Festsetzung zugrunde liegt, nicht schon dann sinnlos, wenn sie nicht mehr überall im Plangebiet umgesetzt werden kann. Erst wenn die tatsächlichen Verhältnisse vom Planinhalt so massiv und so offenkundig abweichen, dass der Bebauungsplan insoweit seine städtebauliche Gestaltungsfunktion unmöglich zu erfüllen vermag, kann von einer Funktionslosigkeit gesprochen werden (vgl. BVerwG, B.v. 17.2.1997 – 4 B 16.97 – NVwZ-RR 1997, 512, juris Rn. 4). Es handelt sich um strenge Anforderungen, die nur äußerst selten vorliegen werden (vgl. Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 138. EL Mai 2020, § 10 Rn. 408 m.w.N.).
Weder der Umstand, dass die zentralen Bereiche des Planumgriffs, für die gewerbliche Nutzung vorgesehen ist, bisher nicht realisiert wurden, sondern weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden, noch, dass kein Veräußerungswille der Grundeigentümer bestand und nach Vortrag des Klägers auch weiterhin nicht besteht, macht den Plan nicht vollzugsunfähig. Auch wenn der Beklagte in der mündlichen Verhandlung keine Angaben dazu machen konnte, ob in der letzten Zeit auf der Grundlage des Bebauungsplans Baugenehmigungen erteilt worden sind, vermag der Bebauungsplan nach wie vor seine ihm ursprünglich zugedachte städtebauliche Ordnungsfunktion erfüllen. Dies gilt ohnehin schon im Hinblick auf die bei Aufstellung bereits bebauten und auch aktuell gewerblich genutzten Grundstücke. Abgesehen davon ist nicht erkennbar, dass eine gewerbliche Bebauung der bisher unbebauten Flächen objektiv vor unüberwindbaren tatsächlichen oder rechtlichen Hindernissen stünde. Das Interesse an einer gewerblichen Nutzung der unbebauten Flächen könnte etwa im Falle von Eigentümerwechseln, die auch durch Erbfall denkbar sind, oder bei entsprechenden finanziellen Anreizen ohne weiteres entstehen. Entsprechend äußerte sich der Markt, dass es durchaus Erwerbsinteressenten gegeben habe, doch die Konditionen zu unattraktiv gewesen seien. Eine Realisierung auf unabsehbare Zeit ist damit nicht ausgeschlossen.
Soweit die Klagepartei vorträgt, es sei bereits ein Zeitraum von zehn Jahren als hinreichend erachtet worden, um eine Funktionslosigkeit anzunehmen, ist dies hier nicht einschlägig. Allein durch Zeitablauf wird eine Festsetzung nicht funktionslos (vgl. Külpmann in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 138. EL Mai 2020, § 10 Rn. 416 m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht vertrat eine Zehnjahresfrist bei Bebauungsplänen, die nach dem Bundesfernstraßengesetz oder landesrechtlichen straßenrechtlichen Regelungen die Planfeststellung ersetzen (vgl. etwa BVerwG, U.v. 18.3.2004 – 4 CN 4/03 – BVerwGE 120, 239-245, juris Leitsatz und Rn. 10). Begründet wurde dies damit, dass nach den einschlägigen Vorschriften (vgl. etwa § 74 Abs. 4 VwVfG, § 17 Abs. 7 FStrG a.F.) ein Plan außer Kraft tritt, wenn mit seiner Durchführung nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen worden ist, wobei diese Frist um fünf Jahre verlängerbar ist. Für Bebauungspläne, die nach den straßenrechtlichen Regelungen die Planfeststellung ersetzen, konnte nicht entscheidend anderes gelten. Eine hiermit vergleichbare Lage, die einen Fristengleichlauf nahelegt, ist im Fall der hier interessierenden Gewerbegebietsfestsetzungen jedoch nicht gegeben.
Auch die Tatsache, dass der Markt an anderer Stelle Gewerbegebiete ausweist sowie der Vortrag, ein Mitarbeiter des Marktes habe das hier in Rede stehende Gewerbegebiet als „bisheriges“ bezeichnet, begründet – auch in Zusammenschau mit den anderen vorgetragenen Argumenten – keine Funktionslosigkeit des Bebauungsplans. Eine Gemeinde in der Größe des Markts … (2018: ca. 16.500 Einwohner) und dessen Standortfaktoren einschließlich der erheblichen Anzahl dort ansässiger Firmen (vgl. https://standortportal.bayern/de/BayStandorte/Oberbayern/ …html) vermag über mehrere ausgelastete Gewerbegebiete verfügen. Ein Schluss darauf, dass wegen der Planung eines anderen Gewerbegebietes das Gewerbegebiet „H* …“ überflüssig geworden sei, lässt dies nicht zu. Der Argumentation des Marktes, man wollte der stetigen Nachfrage nach Gewerbeflächen auch künftig nachkommen können, ist nicht entgegenzutreten.
Damit ist die Nutzungsuntersagung auch verhältnismäßig, weil die Stellung eines Bauantrags – als grundsätzlich denkbares milderes Mittel – ersichtlich erfolglos wäre. Da die Nutzungsuntersagung auch keine anderen Rechtsfehler aufweist, kann der Kläger ihre Aufhebung nicht verlangen.
2. Auch die im Bescheid getroffene Kostenentscheidung zulasten des Klägers ist rechtmäßig.
Nach Nr. 5 des Bescheids tragen die Kosten des Verfahrens alle Betroffenen, d.h. neben dem Kläger auch die zwei Mieter, als Gesamtschuldner. Als Zahlungspflichtiger wird der Kläger bestimmt. Die Behörde vermag gegenüber allen Verantwortlichen eine Anordnung nach Art. 76 BayBO zu erlassen; diese haften dann als Gesamtschuldner (vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, 137. EL Juli 2020, Art. 76 Rn. 408). Damit darf die Behörde jeden Gesamtschuldner auf die Zahlung der gesamten Kosten mit der Folge in Anspruch nehmen, dass es diesem überlassen bleibt, bei den übrigen Gesamtschuldnern einen Ausgleich zu suchen (vgl. § 421 BGB). Die Heranziehung des Klägers als Eigentümer (und damit auch Vermieter) ist eine sachliche, zweckmäßige und billige Auswahlentscheidung.
III.
Die Kostenentscheidung beruht im Hinblick auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Teil des Rechtsstreits auf § 161 Abs. 2 VwGO. Hierbei entsprach es billigem Ermessen, die Kosten dem Beklagten gemäß seiner Kostenübernahmeerklärung aufzuerlegen. Im Hinblick auf den übrigen Teil des Rechtsstreites, den das Gericht mit 4/5 bemisst, ergeht die Kostenentscheidung auf der Grundlage von § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.