Baurecht

Rechtmäßigkeit eines Planergänzungsbeschlusses – Ausgleichsmaßnahmen für Eingriffe in Natur und Landschaft

Aktenzeichen  B 1 K 14.516

Datum:
13.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 148014
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG Art. 35 ff.
BayVwVfG Art. 72 ff.
BNatSchG § 44 Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Die in einem Planfeststellungsbeschluss vorgenommenen Quantifizierungen bei Eingriffswirkungen und Kompensationsmaßnahmen sind nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich; sie sind vom Gericht hinzunehmen, sofern sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und auch nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Gemeinde, die auf ein gemeindliches Grundstück nicht zwingend angewiesen ist, wird durch die Inanspruchnahme dieses Grundstücks für naturschutzfachliche Ausgleichsmaßnahmen in ihrer Planungshoheit nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Der Kläger begehrt die Aufhebung des Planergänzungsbeschlusses der … vom 02.07.2014 insoweit, als das in seinem Eigentum stehende Grundstück Fl.Nr. … für die Ausgleichsmaßnahme A 5 herangezogen werden soll.
Die Klage ist zulässig; insbesondere ist der in seinem Eigentum betroffene Kläger klagebefugt. Die Klage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Planergänzungsbeschluss ist auch im angegriffenen Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Planfeststellungsbeschluss vom 08.01.2008 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 02.07.2014 ist nach Auffassung der Kammer insgesamt rechtmäßig. Da zwischen den Beteiligten nur in Bezug auf die im Planergänzungsbeschluss vom 02.07.2014 festgesetzte Ausgleichsmaßnahme A 5 Streit herrscht, wird im Interesse der Verfahrensökonomie wegen der sonstigen, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses betreffenden Fragen auf den streitgegenständlichen Planfeststellungsbeschluss sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 13.01.2017 im Verfahren B 1 K 14.516 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Zu der hier im Streit stehenden Frage ist folgendes auszuführen:
Das im Rahmen des Planergänzungsverfahrens eingeholte naturschutzfachliche Gutachten des … vom Januar 2010 stellt fest, dass durch die Verlegung der St 2187 die Verbotstatbestände des § 44 Abs. 1 BNatSchG in Bezug auf die nach Anhang IVa der FFH-Richtlinie geschützten, örtlich vorkommenden Fledermausarten, der Zauneidechse und des Eremiten erfüllt werden. Als Voraussetzung für die – nach Auffassung des Gutachters mögliche – Erteilung einer Befreiung von diesen Verboten werden Ausgleichs- bzw. Vermeidungsmaßnahmen gefordert. In Ziffer A 4.1 des Planergänzungsbeschlusses vom 02.07.2014 werden dem Vorhabensträger deshalb im Interesse des Artenschutzes verschiedene Verpflichtungen auferlegt. Insbesondere wird im Landschaftspflegerischen Begleitplan (LBP) unter Ziffer 12.1.13.2 A 5 ausgeführt, dass zur Schaffung eines Vernetzungsstreifens mit Gehölzen im Wechsel mit Grünlandbrache die geplante Maßnahme als Vernetzungsstruktur zwischen Waldbereichen und dem Ackerbereich geplant ist und im Wesentlichen der Verstärkung der Vögel der Gehölzstrukturen dienen soll. Es werde eine lineare Struktur mit Gehölzen und offenen Flächen geschaffen. Die Maßnahme solle auch die Populationen der Fledermäuse als zusätzliches Jagdgebiet stärken und auf der Fl.Nr. … Gemarkung … angelegt werden.
Die Anordnung dieser Ausgleichsmaßnahme weist keine Rechtsmängel auf. Der Verursacher eines Eingriffs in Natur und Landschaft ist nach § 15 Abs. 2 BNatSchG verpflichtet, unvermeidbare Beeinträchtigungen durch Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (Ausgleichsmaßnahmen) oder zu ersetzen (Ersatzmaßnahmen). Der Beklagte durfte deshalb als Ausgleich für den Eingriff in Natur und Landschaft Ausgleichsmaßnahmen festsetzen; auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wird gewahrt. Die Planfeststellungsbehörde hat insbesondere die in der Rechtsprechung für die Inanspruchnahme von Flächen für Ausgleichsmaßnahmen entwickelten Anforderungen beachtet (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2009 – 9 A 40.07 – juris m.w.N.).
Der Planfeststellungsbeschluss geht ohne Rechtsverstoß davon aus, dass mit dem Vorhaben ein Eingriff in das Landschaftsbild verbunden ist. Eingriffe in Natur und Landschaft im Sinne der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung sind gemäß § 14 Abs. 1 BNatSchG Veränderungen der Gestalt oder Nutzung von Grundflächen oder des mit der belebten Bodenschicht in Verbindung stehenden Grundwasserspiegels, die die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen können. Eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist anzunehmen, wenn die Veränderung von einem gegenüber den Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege aufgeschlossenen Durchschnittsbetrachter als nachteilig und störend empfunden wird.
Bei der Bewertung der Eingriffswirkungen eines Vorhabens steht der Planfeststellungsbehörde ebenso wie bei der Bewertung der Kompensationswirkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen eine naturschutzfachliche Einschätzungsprärogative zu. Die im Planfeststellungsbeschluss vorgenommenen Quantifizierungen bei Eingriffswirkungen und Kompensationsmaßnahmen sind daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich; sie sind vom Gericht hinzunehmen, sofern sie im Einzelfall naturschutzfachlich vertretbar sind und auch nicht auf einem Bewertungsverfahren beruhen, das sich als unzulängliches oder gar ungeeignetes Mittel erweist, um den gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 21.1.2016 – 4 A 5.14 -BVerwGE 154, 73 Rn. 146 m.w.N.).
Das Klagevorbringen ergibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Planfeststellungsbehörde diesen Einschätzungsspielraum überschritten hätte. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich.
Es bedarf nach Auffassung des Gerichts keiner Erörterungen, dass die Verlegung der St 2187 Eingriffe in Natur und Landschaft i.S.d. § 14 BNatSchG zur Folge hat und dass diese Eingriffe auszugleichen sind; diese Frage ist auch zwischen den Beteiligten nicht strittig.
Die festgesetzte Ausgleichsmaßnahme ist nicht zu beanstanden und hält sich im Rahmen des Beurteilungsspielraums des Beklagten. In Ziffer 12.1.13 wird ein landschaftspflegerisches Zielkonzept entwickelt, wonach einen Schwerpunkt die Entwicklung von naturnahen Lebensräumen zur Verbesserung der Lebensbedingungen der im Gebiet der Maßnahme vorkommenden gefährdeten Tierarten, insbesondere der Insekten und Vögel darstellt. Mit der streitgegenständlichen Ausgleichsmaßnahme A 5 soll ein altes Feldgehölz mit einer Waldinsel und einem Waldstück ganz im Nordwesten verbunden werden, d.h. eine Vernetzung zwischen Wald- und Ackerbereichen durch eine lineare Struktur mit Gehölzen und offenen Flächen geschaffen werden. Dieses Konzept unterliegt der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative des Beklagten; dass es naturschutzfachlich nicht vertretbar wäre, ist nicht erkennbar. Ein Blick auf die Landkarte bzw. die vorliegenden Luftaufnahmen zeigt auch ohne weiteres, dass mit dem Grundstück Fl.Nr. … wegen seiner langestreckten Form und der Lage zwischen den Waldgrundstücken Fl.Nr. … und dem Waldstück … dieses Ziel erreicht werden kann. Fachliche Einwendungen gegen dieses Konzept hat auch der Kläger nicht erhoben. Seine Einwendungen betreffen lediglich Schwierigkeiten bei der Bewirtschaftung der Ausgleichsfläche, die letztlich nur auf Vermutungen basieren, das Konzept als solches aber nicht in Zweifel ziehen können.
Der Beklagte konnte den Tausch des Grundstücks Fl.Nr. … mit dem vom Kläger als Ersatzfläche angebotenen Grundstück Fl.Nr. … rechtsfehlerfrei ablehnen. Der Beklagte hebt insoweit hervor, dass die Fl.Nr. … bereits jetzt in weiten Teilen hochwertige Strukturen aufweist, die schon seit mehreren Jahrzehnten bestehen, viele Bäume aufweisen und deshalb naturschutzfachlich höherwertig einzustufen und somit nicht aufwertungsfähig sind. Damit kann nach Auffassung des Beklagten das mit dem LBP verfolgte Ziel, einer Verbesserung als Ausgleich für die durch die planfestgestellte Maßnahme eintretenden Verluste nicht erreicht werden. Auch diese Einschätzung wird vom Kläger nicht fundiert in Frage gestellt. Sie erscheint dem Gericht auch schlüssig, da der durch die Verlegung der St 2187 eintretende Verlust logischerweise nur kompensiert werden kann, wenn neue, bisher nicht vorhandene Strukturen geschaffen werden und dem Ökosystem als Ausgleich hinzugefügt werden. Dies ist bei der Fl.Nr. … gerade nicht möglich, da sie bereits jetzt ökologisch hochwertig ist und nach den fachlichen Feststellungen auch nicht aufgewertet werden kann, in der Bilanz deshalb neutral aufscheint.
Nach allem bleibt die Inanspruchnahme des Grundstücks Fl. Nr. … von der naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative des Beklagten gedeckt.
Auch soweit eine Abwägung der gegeneinander stehenden Interessen geboten ist, hat der Beklagte nicht dagegen verstoßen. Der Kläger möchte das Grundstück Fl.Nr. … nach Abstufung zur Gemeindeverbindungsstraße begradigen, um die Verkehrsführung zu verbessern. Mit der Verlegung der St 2187 wird das Verkehrsaufkommen auf der bisherigen Trasse erheblich reduziert (prognostiziert: 600 Kfz/24 h). Ob damit für eine Begradigung ein ausreichender Bedarf besteht, kann letztlich dahinstehen, weil eine Verbesserung der Verkehrsführung durch andere Maßnahmen, wie beispielsweise eine Entschärfung der „rechtwinkligen“ Kurve westlich der … ebenfalls erreicht werden kann. Der Kläger ist deshalb auch zur Wahrung seiner Interessen nicht zwingend auf die Fl.Nr. … angewiesen und wird deshalb in seiner Planungshoheit nicht unverhältnismäßig eingeschränkt. Damit kann auch im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung den Interessen des Klägers kein Vorrang eingeräumt werden.
Nach allem ist die Klage deshalb abzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus den § 154 Abs. 1 VwGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

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