Aktenzeichen 13 A 18.987
RDGEG § 3, § 5
FlurbG § 1, § 4, § 37, §§ 61 ff.
ZPO §§ 708 ff.
Leitsatz
1. Hat sich der Kläger in einem zivilgerichtlichen Prozessvergleich mit der Beigeladenen zur Rücknahme seines Widerspruchs gegen den Flurbereinigungsplan verpflichtet, ist auf Einrede der Beklagten oder der Beigeladenen eine gleichwohl erhobene Klage als unzulässig abzuweisen. (Rn. 16 – 20)
2. Einwendungen gegen einen Prozessvergleich können nur vor dem Gericht geltend gemacht werden, vor dem der Vergleich geschlossen wurde. (Rn. 21)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von insgesamt 30,- Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
Die Klage gegen den Flurbereinigungsplan hinsichtlich der Grenze zwischen den Abfindungsflurstücken 4221 und 4222 bleibt ohne Erfolg. Sie ist bereits unzulässig, da sich sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene auf die Einrede des Verstoßes der Klage gegen den Grundsatz von Treu und Glauben hinsichtlich des Rechtsmittelrücknahmeversprechens in dem am 9. Mai 2014 in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Bamberg mit der Beigeladenen geschlossenen Prozessvergleich berufen haben. Dahingestellt bleiben kann dabei, ob der Kläger wie von der Beigeladenen vorgetragen seinen Widerspruch bereits am 9. Mai 2014 zur Niederschrift des Amtsgerichts Bamberg zurückgenommen hat.
Im Hinblick auf den vom Kläger im Verfahren 101 C 635/14 vor dem Amtsgericht Bamberg am 9. Mai 2014 geschlossenen Vergleich und dem darin in Nr. 2 enthaltenen Verzicht auf Rechtsmittel gegen den Bescheid des ALE vom 8. Mai 2014 zur Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung bezüglich des Abfindungsflurstücks Nr. 4221 im Flurbereinigungsverfahren B. sowie der in Nummer 3 erklärten Zurücknahme des Widerspruchs vom 20. März 2012 gegen den Flurbereinigungsplan B., soweit er die Zuteilung und Grenzen des Abfindungsflurstücks Nr. 4221 betrifft, ist die Klage unzulässig.
Insoweit ist in der Kommentarliteratur anerkannt, dass sich der Kläger auch im Verwaltungsprozess wirksam zur Klagerücknahme verpflichten kann (vgl. Clausing in Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand 34. EL Mai 2018, § 92 Rn. 9). Dies kann in einem außergerichtlichen Vergleich oder durch sonstige Vereinbarung geschehen, die nicht notwendig zwischen den Hauptbeteiligten des Verfahrens getroffen werden muss. Die Zulässigkeit eines solchen Klagerücknahmeversprechens ergibt sich ebenso wie das Recht zur Klagerücknahme aus der Verfügungsbefugnis des Klägers über seinen Rechtsschutzanspruch. Die vertraglich vereinbarte Verpflichtung zur Klagerücknahme ist ohne das Hinzutreten besonderer Umstände auch dann nicht etwa sittenwidrig und damit unwirksam, wenn der Kläger diese Verpflichtung gegen Zahlung eines Entgelts eingeht. Zur Umsetzung des Klagerücknahmeversprechens bedarf es der Erklärung der Klagerücknahme gegenüber dem Gericht; erst diese prozessuale Handlung beendet das Verfahren. Wird die Klagerücknahme abredewidrig verweigert, führt dies auf entsprechende Einrede des Beklagten zur Abweisung der Klage durch Prozessurteil, denn die Fortführung des Verfahrens verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und ist deshalb unzulässig. Für eine gesonderte, auf Abgabe der Rücknahmeerklärung gerichtete Klage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis; auch für eine entsprechende Widerklage ist regelmäßig kein Raum.
Entsprechend geht auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass ein rechtsgeschäftlich vereinbartes Klagerücknahmeversprechen, ebenso wie ein rechtsgeschäftlich vereinbarter Verzicht auf Rechtsschutz, statthaft ist (BayVGH, U.v. 22.4.2008 – 1 B 04.3320 – juris Rn. 31). Auch im Verwaltungsprozess ist – neben einem dem Gericht oder dem Gegner gegenüber durch Prozesshandlung erklärten Klage- bzw. Rechtsmittelverzicht – ein rechtsgeschäftlich vereinbarter Verzicht zulässig. Dieser ist – wie ein dem Gegner gegenüber durch Prozesshandlung erklärter Verzicht – auf dessen Einrede hin zu berücksichtigten (vgl. BayVGH, U.v. 22.4.2008 a.a.O. m.w.N.). Entsprechendes gilt nach dieser Rechtsprechung für ein Klagerücknahmeversprechen, das, wenn die Klage abredewidrig aufrechterhalten wird, auf Einrede des Gegners zur Abweisung der Klage als unzulässig führt (BayVGH, U.v. 22.4.2008 a.a.O. m.w.N.). Dass die Zulässigkeit der Klage oder eines Rechtsmittels in diesen Fällen von einer nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einrede hin zu berücksichtigenden Voraussetzung abhängt, steht dem nicht entgegen. Diese Konstellation ist im Verwaltungsprozess zwar nicht die Regel; sie ist ihm aber nicht völlig fremd (BayVGH, U.v. 22.4.2008 a.a.O. m.w.N.).
Entsprechendes gilt nach Ansicht des Senats für das im Prozessvergleich vom 9. April 2014 vor dem Amtsgericht Bamberg unter Nr. 3 abgegebene „Widerspruchsrücknahmeverspechen“. Insoweit macht es keinen Unterschied, in welchem Stadium des Rechtsbehelfsverfahrens – noch im Stadium des Widerspruchs oder bereits im Stadium des Klageverfahrens – eine entsprechende Zusage zur Rücknahme des Rechtsbehelfs erfolgt, zumal dem Rechtsbehelfsführer in beiden hinsichtlich der Aufrechterhaltung seines Rechtsbehelf eine weitgehende Dispositionsbefugnis zukommt.
Soweit der Kläger geltend macht, er habe sich beim Abschluss des Prozessvergleichs vor dem Amtsgericht Bamberg geirrt oder es sei erst nachträglich bekannt geworden, dass die festgesetzte Grenze nicht dem Beschluss des Vorstands der beklagten TG vom 7. September 2011 entspreche, vermag er die im vorliegenden Verfahren zu beachtende Wirksamkeit des vor dem Amtsgericht geschlossenen Prozessvergleichs nicht zu beseitigen. Hierfür müsste er vor dem Ausgangsgericht die Frage der Wirksamkeit des Prozessvergleichs klären lassen. Ob und inwieweit eine etwaige Anfechtung des Vergleichs oder die Geltendmachung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage dort Aussicht auf Erfolg hätte, hat der Senat nicht zu beurteilen, sondern ist allein Aufgabe des Amtgerichts Bamberg. Zum jetzigen Zeitpunkt hat der erkennende Senat die nach wie vor wirksame Vereinbarung im Prozessvergleich vom 9. Mai 2014 zu berücksichtigen. In der dortigen Ziffer 3 wurde ausdrücklich erklärt, dass der Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan B. zurückgenommen werde, soweit er die Zuteilung und Grenzen des Abfindungsflurstücks 4221 betreffe, so dass auf die erhobene Einrede der Beklagten und der Beigeladenen eine diesbezügliche Klage unzulässig ist.
Im Übrigen – ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme – weist der Senat darauf hin, dass im Rahmen des Anspruch auf wertgleiche Abfindung nach § 44 FlurbG niemand verlangen kann, mit bestimmten Grundstücken oder mit Grundstücken in bestimmter Lage – auch nicht in der Lage seiner alten Grundstücke – abgefunden zu werden (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 44 Rn. 40 m.w.N.). Dass vorliegend mit der Mitteilung der Beklagten an den Kläger vom 22. September 2011 vom Beschluss des Vorstands der Beklagten vom 7. September 2011 die Voraussetzungen des Ausnahmefalls des Vorliegens einer rechtswirksamen Zusicherung im Sinn von Art. 38 BayVwVfG (vgl. hierzu Mayr in Wingerter/Mayr a.a.O.; § 44 Rn. 45 ff.) vorlägen, hat weder der Kläger vorgetragen noch ist dies sonst ersichtlich, so dass die Klage auch ohne den im Vergleich vom 9. Mai 2014 vor dem Amtgericht Bamberg vom anwaltlich vertretenen Kläger erklärten Rechtsmittelverzicht voraussichtlich in sachlicher Hinsicht nicht erfolgreich gewesen wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.