Aktenzeichen 2 N 16.356
EMRK Art. 6 Abs. 1
Leitsatz
1. Über die Wirksamkeit eines Bebauungsplans ist grundsätzlich aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. Denn wegen der Inhalt und Schranken des unmittelbar betroffenen Grundstückeigentums bestimmenden Wirkung eines Bebauungsplans handelt es sich um eine Entscheidung über das „Recht am Grundeigentum“ iSd Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan ist bereits unzulässig, wenn die beiden Antragsteller ihre Eigentümerposition nicht hinreichend, etwa durch eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag, hergeleitet haben und das betroffene Grundstück ausschließlich einer GbR gehört. (Rn. 3 – 5) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird mit der Maßgabe, dass bis zur Abtrennung des Verfahrens Az. 2 N 16.2104 ein Gesamtstreitwert in Höhe von 60.000,– Euro vorgelegen hat, auf 30.000,– Euro festgesetzt.
Gründe
Der Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO hat keinen Erfolg.
Die Entscheidung kann gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss ergehen. Zwar ist nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK über die Wirksamkeit eines Bebauungsplans grundsätzlich aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden; denn wegen der Inhalt und Schranken des unmittelbar betroffenen Grundstückeigentums bestimmenden Wirkung eines Bebauungsplans (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) handelt es sich um eine Entscheidung über das „Recht am Grundeigentum“. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte darf eine solche Entscheidung grundsätzlich nur aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen (vgl. EGMR, U.v. 25.11.1993 – 45/1992/390/468 – EuGRZ 1995, 535/536; vgl. auch BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203; B.v. 30.7.2001 – 4 BN 41.01 – NVwZ 2002, 87). Über einen unzulässigen Normenkontrollantrag kann jedoch ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil sich die Entscheidung in diesem Fall nicht unmittelbar auf das betroffene Grundeigentum bzw. die Zulässigkeit einer beabsichtigten Grundstücksnutzung auswirkt (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 a. a. O.).
Der Normenkontrollantrag ist unzulässig, weil die Antragsteller nicht im Sinn des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO geltend machen können, durch den angegriffenen Bebauungsplan oder dessen Anwendung in eigenen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Auf eine Verletzung des durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentumsrechts (vgl. hierzu etwa BVerwG, U.v. 10.3.1998 – 4 CN 6.97 – Buchholz 310, § 47 VwGO Nr. 123; U.v. 29.6.2015 – 4 CN 5.14 – BauR 2015, 1827) können sich die Antragsteller nicht berufen, weil sie nicht Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks sind.
Im Grundbuch von Kempten Bd. … Bl. … 1. Abt. sind unter lfd. Nrn. … und … „R … R …, geb. … …, P … K …, geb. … …, als Gesellschafter nach dem bürgerlichen Recht“ eingetragen. Damit ist ausschließlich die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Grundstückseigentümerin. Infolgedessen können die beiden Antragsteller ihre Antragsbefugnis mangels Eigentümerstellung nicht aus dem Grundeigentum herleiten. Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass sich eine die Antragsbefugnis vermittelnde Rechtsposition aus dem Inhalt eines Gesellschaftsvertrags ergeben würde. Die Antragsteller haben nicht geltend gemacht, dass ihnen Nutzungsrechte von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts übertragen worden seien. Eine mögliche Verletzung eines subjektiven Rechts im Sinn von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergibt sich auch nicht aus einem etwaigen Verstoß gegen das in § 1 Abs. 7 BauGB enthaltene Abwägungsgebot. Für den Senat ist nicht erkennbar, dass den Antragstellern durch einen Gesellschaftsvertrag Verfügungsbefugnisse eingeräumt worden wären. Im Übrigen fehlt es an jeglicher Darlegung einer hierfür erforderlichen städtebaulichen Relevanz (hierzu ausführlich BVerwG, U.v. 29.6.2015 a.a.O.).
Soweit die Antragsteller aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 4. Dezember 2008 – V ZB 74.08 – (juris) ableiten wollen, dass sie Eigentümer des Grundstücks sind, ist dies nicht zutreffend. Aus der genannten Entscheidung ergibt sich gerade das Gegenteil. Denn ein Grundstück, als dessen Eigentümer mehrere natürliche Personen mit dem Zusatz „als Gesellschafter bürgerlichen Rechts“ eingetragen sind, ist nicht (gesamthänderisch gebundenes) Eigentum dieser natürlichen Personen, sondern Eigentum der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. BGH, B.v. 4.12.2008 – V ZB 74.08 – juris Rn. 11; U.v. 25.9.2006 – II ZR 218.05 – NJW 2006, 3716).
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen sind (§ 154 Abs. 1 VwGO, § 159 Satz 2 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 1 und 8 GKG.