Baurecht

Rechtswidrige Anordnung eines Verkehrsverbots für Kraftfahrzeuge über 3,5 t

Aktenzeichen  11 B 15.2180

Datum:
12.4.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO StVO §§ 45 I 1, 2 Nr. 2 und Nr. 3, IX 1, 2
16. BImSchV 16. BImSchV § 2 I Nr. 2
BayVwVfG BayVwVfG Art. 35 S. 2

 

Leitsatz

Amtliche Verkehrszeichen sind anfechtbare Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung. Sie verkörpern die ihnen zugrunde liegenden Anordnungen und werden mit ihrem Aufstellen (vgl. §§ 39 I, 45 IV StVO) gegenüber den Verkehrsteilnehmern, die sich den von ihnen erfassten Streckenabschnitten nähern, bekannt gemacht und damit fortlaufend neu erlassen (so auch BVerwG NJW 1967, 1627; anders BVerwG NJW 1997, 1021: öffentliche Bekanntgabe). (red. LS Jan Luckey)
Bei der Prüfung, welcher Verkehrslärmschutz im Einzelfall rechtlich zulässig und geboten ist, um nach § 45 I 2 Nr. 3 StVO die Benutzung einer Straße zu beschränken, ist auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit sowie auf das Vorhandensein bzw. Fehlen einer bereits gegebenen Lärmvorbelastung abzustellen. Die Grenze der zumutbaren Lärmbelastung ist nicht durch auf Rechtsetzung beruhende Grenzwerte festgelegt, die Werte der 16. BImschV können aber als Orientierung dienen. Auch andere Besonderheiten des Einzelfalls können Relevanz haben. (red. LS Jan Luckey)
Eine Verbot für Durchgangsverkehr über 3,5 t setzt voraus, dass in dem betreffenden Gebiet eine Lärmbelastung besteht, die von den Anliegern reiner Wohnstraßen üblicherweise nicht hingenommen werden muss. Allein die Widmung einer Straße als Ortsstraße in einem allgemeinen Wohngebiet berechtigt nicht, diese für den Lkw-Verkehr zu sperren. Es sind daher Feststellungen darüber zu treffen, welcher Bereich in welcher Größenordnung und Intensität von Verkehrslärm belastet ist, etwa durch Verkehrszählung oder Lärmberechnung. Fehlen solche Feststellungen, ist die Anordnung bereits deshalb rechtswidrig. (red. LS Jan Luckey)

Verfahrensgang

AN 10 K 14.00439 2015-04-20 Urt VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 20. April 2015 und die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 5. März 2013 werden aufgehoben.
II.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 125 Abs. 1, § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, hat Erfolg.
1. Die Klage ist zulässig. Amtliche Verkehrszeichen i. S. d. §§ 41 und 42 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) sind anfechtbare Verwaltungsakte in Form der Allgemeinverfügung (Art. 35 Satz 2 BayVwVfG). Sie verkörpern die ihnen zugrunde liegenden Anordnungen und werden mit ihrem Aufstellen (vgl. § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 4 StVO) gegenüber den Verkehrsteilnehmern, die sich den von ihnen erfassten Streckenabschnitten nähern, bekannt gemacht und damit fortlaufend neu erlassen (vgl. BVerwG, U. v. 9.6.1967 – VII C 18.66 – BVerwGE 27, 181; U. v. 13.12.1974 – VII C 19.71 – VRS 49, 70). Verkehrszeichen werden gemäß Art. 43 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG gegenüber dem Verkehrsteilnehmer in dem Zeitpunkt wirksam, in dem sie ihm bekanntgegeben werden. Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon mit einem raschen und beiläufigen Blick erfassen kann, äußern sie ihre Rechtswirkungen gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer (BVerwG, U. v. 23.9.2010 – 3 C 37.09 – BVerwGE 138, 21).
Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben, wenn – wie hier nach Art. 15 Abs. 2 AGVwGO i. V. m. § 68 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 VwGO – die Durchführung eines Widerspruchsverfahrens nicht erforderlich ist. Die Berechnung der Klagefrist richtet sich nach § 57 VwGO; mangels Rechtsmittelbelehrung beträgt die Klagefrist bei Anfechtung amtlicher Verkehrszeichen ein Jahr, § 58 Abs. 2 VwGO. Die Frist ist hier gewahrt, da die Klage innerhalb eines Jahres seit Aufstellung der Verkehrsschilder erhoben wurde.
2. Die Klage ist auch begründet. Die verkehrsrechtliche Anordnung der Beklagten vom 5. März 2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das verwaltungsgerichtliche Urteil war daher abzuändern und die verkehrsrechtliche Anordnung vom 5. März 2013 aufzuheben.
2.1 Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken oder verbieten. Das gleiche Recht haben sie zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße (§ 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StVO). Für die in der streitgegenständlichen Anordnung genannten Gründe der Sicherheit und Ordnung fehlt es an jedwedem Tatsachenvortrag. Außerordentliche Schäden an der Straße werden in der Anordnung zwar genannt; auch wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgebracht, dass bereits Schäden an der Straße entstanden wären, jedoch wurde weder vorgetragen noch ist in den Akten dokumentiert, dass der Verkehr mit Lkw über 3,5 t aufgrund des baulichen Zustands der Straße zu Schäden führen würde. Der bauliche Zustand der Straße wurde auch nicht dargelegt. Aus dem der verkehrsrechtlichen Anordnung beigelegten Lageplan ist nichts ersichtlich, was insbesondere hinsichtlich der Breite der Straße einem Lkw-Verkehr darauf entgegenstehen könnte. Der Senat hat hierauf bereits im Berufungszulassungsbeschluss vom 30. September 2015 hingewiesen. Im Berufungsverfahren hat sich die Beklagte zu diesen Fragen nicht mehr geäußert, so dass eine weitere Aufklärung nicht veranlasst ist.
2.2 Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten und den Verkehr umleiten. Diese Befugnis wird durch § 45 Abs. 9 Satz 2 StVO (vgl. BVerwG, B. v. 23.4.2013 – 3 B 59.12 – juris; BayVGH, B. v. 25.3.2015 – 11 ZB 14.2366 – juris) dahin modifiziert, dass Voraussetzung für Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs eine besondere örtliche Gefahrenlage ist, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung durch Lärm und Abgase erheblich übersteigt. Hierzu müssen Lärm oder Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen werden muss und damit zugemutet werden kann.
Bei der Prüfung, welcher Verkehrslärmschutz im Einzelfall rechtlich zulässig und geboten ist, ist auf die gebietsbezogene Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit sowie auf das Vorhandensein bzw. Fehlen einer bereits gegebenen Lärmvorbelastung abzustellen. Die Grenze der zumutbaren Lärmbelastung, bei deren Überschreitung Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO in Betracht kommen, ist nicht durch auf Rechtsetzung beruhende Grenzwerte festgelegt. Auch durch die in den Vorläufigen Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) vom 23. November 2007 (VkBl 2007, 767) enthaltenen Schallpegel wird diese Grenze, wie der Senat im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, U. v. 4.6.1986 – 7 C 76.84 – BVerwGE 74, 234) entschieden hat (vgl. BayVGH, U. v. 26.11.1998 – 11 B 95.2934 – juris; U. v. 11.5.1999 – 11 B 97.695 – juris), nicht bestimmt. Ebenso wenig können die Vorschriften der Sechzehnten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV) vom 12. Juni 1990 (BGBl I S. 1036) bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbelastung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO unmittelbar angewendet werden. Diese Verordnung bestimmt durch Festlegung von Immissionsgrenzwerten die Schwelle der Zumutbarkeit von Verkehrslärm nämlich nur für den Bau und die wesentliche Änderung u. a. von öffentlichen Straßen (vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 16. BImSchV). Desgleichen gelten die Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes – VLärmSchR 97 – vom 2. Juni 1997 (VkBl 1997, 434) lediglich für planerische Maßnahmen bei der Linienführung und Trassierung (Lärmschutz durch Planung), für bauliche Maßnahmen an der Straße (aktiver Lärmschutz) und an lärmbetroffenen baulichen Anlagen (passiver Lärmschutz) beim Neubau und bei der wesentlichen Änderung von Straßen (Lärmvorsorge) und zur Verminderung der Lärmbelastung an bestehenden Straßen (Lärmsanierung) sowie für die Entschädigung wegen verbleibender Beeinträchtigungen (vgl. insbesondere Abschnitte A. I., II.; B. IV.; C. VI. 11 bis 13; D. XIV., 36 f.; E. XVII.). Demgegenüber geht es bei § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO um straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen des Lärmschutzes für bestehende Straßen (siehe zum Ganzen: BayVGH, U. v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 27).
Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) können aber im Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO als Orientierungspunkte für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze, deren Überschreitung die Behörde zu Maßnahmen ermächtigt, herangezogen werden (so ausdrücklich BVerwG, U. v. 22.12.1993 – 11 C 45.92 – NZV 1994, 244; vgl. ferner BayVGH, U. v. 26.11.1998 – 11 B 95.2934 – juris; U. v. 11.5.1999 – 11 B 97.695 – juris). Denn die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung bringen ganz allgemein die Wertung des Normgebers zum Ausdruck, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung der jeweiligen Gebietsfunktion, zumindest auch dem Wohnen zu dienen, anzunehmen ist. Eine Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung ist danach jedenfalls ein Indiz dafür, dass die Lärmbelastung auch die Zumutbarkeitsschwelle in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht erreicht (BayVGH, U. v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 28). § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV legt den Immissionsgrenzwert zum Schutz der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche beim Bau oder der wesentlichen Änderung öffentlicher Straßen in reinen und allgemeinen Wohngebieten und Kleinsiedlungsgebieten auf 59 dB(A) am Tag und 49 dB(A) in der Nacht fest.
Maßgeblich sind auch andere Besonderheiten des Einzelfalles; als eine solche Besonderheit ist höchstrichterlich (BVerwG, U. v. 4.6.1986 – 7 C 76.84 – BVerwGE 74, 234, 239) beurteilt worden, dass eine „Ortserschließungsstraße“ entgegen ihrer eigentlichen Funktion zunehmend vom überörtlichen Verkehr als sog. Schleichweg in Anspruch genommen wird und damit Lärmbelästigungen ausgelöst werden, die von den Anliegern reiner Wohnstraßen üblicherweise nicht hingenommen werden müssen. Denn Verkehrslärm, der von den Anliegern etwa einer Bundesfernstraße (einschließlich Ortsdurchfahrt) oder auch einer Staatsstraße bzw. einer Kreisstraße wegen ihrer der Widmung entsprechenden Verkehrsbedeutung ertragen werden muss, ist nicht ohne weiteres in gleicher Weise den Anliegern einer Ortserschließungsstraße zumutbar. Demgemäß haben die Straßenverkehrsbehörden u. a. darauf hinzuwirken, dass vom Durchgangsverkehr in erster Linie die dafür gewidmeten überörtlichen Straßen und nicht die örtlichen Erschließungsstraßen reiner Wohngebiete benutzt werden (siehe zum Ganzen: BVerwG, U. v. 15.2.2000 – 3 C 14.99 – NJW 2000, 2121 – juris Rn. 15; U. v. 4.6.1986 – 7 C 76.84 – BVerwGE 74, 234 – juris Rn. 26).
Hier handelt es sich bei den durch die verkehrsrechtliche Anordnung vom 5. März 2013 betroffenen Straßen nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien um – auch als solche gewidmete – Ortsstraßen nach Art. 46 Nr. 2 BayStrWG (Ortserschließungsstraßen) in einem durch Bebauungsplan festgesetzten allgemeinen Wohngebiet. Dass Beschränkungen aufgrund von anderen als straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften bestehen, wurde nicht vorgetragen. Es kann offen bleiben, ob – insbesondere nach der Einfügung von § 45 Abs. 9 Sätze 1 und 2 StVO zum 1. September 1997 (ÄndVO v. 7.8.1997, VkBl 97, 690) – bei Ortserschließungsstraßen Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs aus Gründen der Ortsunüblichkeit eines Durchgangsverkehrs auch dann möglich sind, wenn die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV für reine und allgemeine Wohngebiete von 59 dB(A) am Tag und 49 dB(A) in der Nacht nicht überschritten sind. Denn eine verkehrsrechtliche Anordnung zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm setzt auch in diesem Fall voraus, dass in dem betreffenden Gebiet eine Lärmbelastung besteht, die von den Anliegern reiner Wohnstraßen üblicherweise nicht hingenommen werden muss. Es sind daher Feststellungen darüber zu treffen, welcher Bereich in welcher Größenordnung und Intensität von Verkehrslärm belastet ist (vgl. HessVGH, U. v. 31.3.1999 – 2 UE 2346/96 – NJW 1999, 2057; VG Stuttgart, B. v. 14.1.2004 – 10 K 4372/03 – juris). Allein die Widmung einer Straße als Ortsstraße in einem allgemeinen Wohngebiet berechtigt nicht, diese für den Lkw-Verkehr zu sperren. Auch auf Ortsstraßen in Wohngebieten ist Lkw-Verkehr grundsätzlich zulässig, und zwar – soweit nicht andere Gründe als Lärmschutz entgegenstehen, z. B. die Sicherheit des Verkehrs oder der bauliche Zustand der Straße – grundsätzlich auch als Durchgangsverkehr. Dieser ist nicht rechtswidrig (vgl. BayVGH, U. v. 18.2.2002 – 11 B 00.1769 – BayVBl 2003, 80). Dabei handelt es sich, wenn er nicht unzumutbare Ausmaße annimmt, auch nicht um atypischen Verkehr (vgl. OVG NW, U. v. 29.10.2008 – 8 A 3743/06 – DVBl 2009, 458 zu Motorrädern). Nach den Bestimmungen des § 45 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 9 Sätze 1 und 2 StVO ist es nicht möglich, den Durchgangsverkehr – auch nicht den Durchgangsverkehr für Lkw über 3,5 t – aus Ortsstraßen wegen „Ortsunüblichkeit“ ohne nähere Prüfung auszuschließen.
Vor der Anordnung von Beschränkungen und Verboten des fließenden Verkehrs aus Lärmschutzgründen ist es daher grundsätzlich notwendig, die Lärmbelastung zu berechnen, was eine Erfassung der Verkehrsbelastung (Verkehrszählung) voraussetzt. Sodann ist zu berechnen, welche Lärmminderung durch die beabsichtigte verkehrsrechtliche Maßnahme erreicht wird (vgl. auch OVG Bremen, B. v. 21.6.2010 – 1 B 68/10 – juris Rn. 11).
Die Beklagte hat, wie sie gegenüber den Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 13. Februar 2014 ausdrücklich eingeräumt hat, vor Erlass der streitgegenständlichen Anordnung keine Verkehrszählung und auch keine Lärmberechnung durchgeführt. Es kann offen bleiben, ob in jedem Fall eine Lärmberechnung durchgeführt werden muss oder ob sich die Straßenverkehrsbehörde auf die Ermittlung der Verkehrsmenge beschränken darf, weil sich hieraus genügend Anhaltspunkte für die Bewertung der Zumutbarkeit der Lärmbelastung ergeben (vgl. VGH BW, U. v. 16.5.1997 – 5 S 1842/95 – NZV 1997, 532). Denn es wurde im gesamten gerichtlichen Verfahren nicht einmal annähernd der Umfang der Verkehrsbelastung der maßgeblichen Straßen insgesamt oder durch durchfahrende Lkw vorgetragen. Dass sich innerhalb von zwei Jahren 20 Anwohner über die Belästigung durch durchfahrende Lkw beschwert haben, reicht für das streitgegenständliche Lkw-Verbot nicht aus.
Im Übrigen ist die streitgegenständliche Anordnung allein schon deshalb rechtswidrig, weil auch der Verkehr von Lkw über 3,5 t für Anlieger verboten wurde. Dass es aus Lärmschutzgründen notwendig ist, insoweit auch den Lkw-Anliegerverkehr im allgemeinen Wohngebiet zu verbieten, dürfte auszuschließen sein.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
4. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine Gründe i. S. d. § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG i. V. m. der Empfehlung in Nr. 46.15 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (abgedr. in Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Anhang zu § 164 Rn. 14).

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