Baurecht

Reduzierung der Verkehrslärmbelastung – Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen

Aktenzeichen  AN 10 K 18.01150

Datum:
19.2.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 51204
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StVO § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3
BImSchV § 2 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 412
BauNVO § 3
BauGB § 34 Abs. 2
VwGO § 82 Abs. 1, § 88, § 98, § 101 Abs. 2, § 113 Abs. 5 S. 1, § 154 Abs. 1

 

Leitsatz

Die Sperrung einer Straße nur für einen Teil des im Übrigen weiterhin zugelassenen Verkehrs ist kein Eingriff in die straßenrechtliche Widmung, wenn die Straße – wie hier – weiterhin Verkehrszwecken dient (BVerwG, B.v. 3.4.1996 – 11 C 3/96, 11 B 11/96; VG Düsseldorf, B.v. 2.10.2013 – 6 L 1424/13). (Rn. 105) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg.
A.
Die erhobene Klage ist jedenfalls hinsichtlich des Hilfsantrages zulässig.
I.
In Bezug auf den Hauptantrag bestehen Bedenken hinsichtlich der Zulässigkeit. Die Klage ist insoweit nicht hinreichend bestimmt. Das Ziel der Rechtsverfolgung des Klägers steht zwar insofern fest, als es ihm um die Verhinderung des Durchgangsverkehrs entlang der R. straße in … (zwischen der F. Straße und der B. straße/Ra. straße) durch die Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen geht. Hierzu führte der Kläger auf Frage in der mündlichen Verhandlung am 24. September 2019 aus, dass eigentlich ein Gesamtkonzept durch den Beklagten erwünscht ist, so dass die Verkehrsbelastung bereits bestehender Wohngebiete durch neu geschaffene Wohngebiete minimiert wird. Unklar bleibt jedoch im Rahmen des Hauptantrages bis zuletzt, um welche konkrete(n) verkehrsrechtliche(n) Maßnahme(n) es der Klägerseite geht. Das Begehren eines Gesamtkonzeptes zur Reduzierung des Verkehrslärmes lässt sich durch unterschiedliche verkehrsbeschränkende Maßnahmen erreichen, etwa auch durch ein Zusammenspiel verschiedener Anordnungen. Aus dem Vorhandensein einer Vielzahl möglicher Regelungen folgt für den Kläger die Notwendigkeit, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen präzisen Antrag im Sinne von § 82 Abs. 1 VwGO zu stellen, durch den das Klagebegehren konkret festgelegt wird und über den das Gericht gemäß § 88 VwGO nicht hinausgehen darf. Dem Hauptantrag lässt sich jedoch nicht eindeutig entnehmen, welche verkehrsrechtliche Anordnung durch den Kläger begehrt wird, um seinem Ziel der Verhinderung des Durchgangsverkehrs zu begegnen. Auf die Notwendigkeit einer Präzisierung seines Klagebegehrens ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 24. September 2019 hingewiesen worden. Nachdem trotz Erörterung in der mündlichen Verhandlung am 24. September 2019 der Hauptantrag dem Erfordernis eines bestimmten Antrages nicht genügt, ist die Klage insoweit unzulässig (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, § 82 Rn. 10; vgl. auch OVG Münster, U.v. 30.8.1990 – 1 A 2327/87 – NVwZ-RR 1991, 331).
Auch bei wohlwollender Auslegung (§ 88 VwGO) des Hauptantrages im Zusammenhang mit dem Hilfsantrag dahingehend, dass der Kläger die Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen in Form einer Einbahnstraßenregelung, einem Durchfahrtsverbot für Lkw und eines verkehrsberuhigten Bereiches in der R. straße in … begehrt, führt die Klage mangels Begründetheit nicht zum Erfolg (s. unten). Statthafte Klageart bezüglich des Hauptantrages wäre dann die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger begehrt den Erlass einer verkehrsrechtlichen Anordnung und damit einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung nach Art. 35 Satz 2 BayVWVfG (BVerwG, U.v. 27.1.1993 – 11 C 35/92 – BVerwGE 92, 32).
II.
Statthafte Klageart bezüglich des Hilfsantrages ist die Verpflichtungsklage in Form einer Bescheidungsklage (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Dabei konkretisierte der Kläger im Lauf des gerichtlichen Verfahrens seinen ursprünglichen Antrag mit einer Klarstellung der konkret begehrten verkehrsrechtlichen Maßnahmen (Einbahnstraßenregelung, Durchfahrtsverbot für Lkw, verkehrsberuhigter Bereich).
Soweit die Beklagtenbevollmächtigte in die konkret gestellten Anträge im Hilfsantrag nicht einwilligt, ist dies unerheblich. Denn es handelt sich entgegen der Auffassung der Beklagtenbevollmächtigten nicht um eine Klageänderung, sondern lediglich um eine Konkretisierung des Rechtsschutzbegehrens. Der Streitgegenstand der Verpflichtungsklage wird nicht ausgewechselt oder gar erweitert. Der Inhalt des Verpflichtungsbegehrens hat sich durch den neu gefassten Antrag nicht verändert. Dies zeigt bereits ein Blick in den streitgegenständlichen Bescheid, in dem die vom Kläger nunmehr konkret benannten verkehrsregelnden Maßnahmen von dem Beklagten als mögliche Maßnahmen genannt und ersichtlich in die Prüfung eingeflossen sind. Selbst wenn man davon ausgeht, dass es sich um eine Klageänderung handelt, wäre diese jedenfalls als sachdienlich i.S.d. § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO anzusehen, zumal das Gericht auf eine entsprechende Antragstellung hingewirkt hat.
III.
Der Kläger ist klagebefugt. Er kann geltend machen, durch die Ablehnung des begehrten Verwaltungsaktes in seinen Rechten verletzt zu sein. Hierfür genügt, dass eine Rechtsverletzung möglich erscheint. Vorliegend trägt der Kläger als (Mit-)Eigentümer eines Grundstücks in der R. straße und dortiger Anwohner vor, vom (Durchgangs-)Verkehr in der R. straße verbunden mit dessen Auswirkungen, insbesondere dem Verkehrslärm, betroffen zu sein. Es erscheint zumindest möglich, dass die Ablehnung der begehrten Verkehrsbeschränkung ein durch § 45 Abs. 1 StVO geschütztes subjektives Recht verletzt. Zwar ist § 45 Abs. 1 StVO grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit gerichtet, doch hat der Einzelne dann einen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde gerichteten Anspruch auf verkehrsregelndes Einschreiten, wenn eine Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Das Schutzgut der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung im Sinne des § 45 Abs. 1 StVO, insbesondere soweit Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 den Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen herausstellt, umfasst nicht nur die Grundrechte wie die körperliche Unversehrtheit, Art. 2 Abs. 2 GG, und das Eigentum, Art. 14 Abs. 1 GG. Dazu gehört auch im Vorfeld der Grundrechte der Schutz vor Einwirkungen des Straßenverkehrs, die das nach allgemeiner Anschauung zumutbare Maß übersteigen (vgl. BVerwG, U.v. 4.6.1986 – 7 C 76/94 – BVerwGE 74, 234 m.w.N.). Soweit § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO gegen derartige grundrechtsgefährdende oder billigerweise nicht mehr zuzumutende Verkehrseinwirkungen schützen will, kann ein öffentlichrechtlicher Individualanspruch eines Straßenanliegers gegeben sein (vgl. BVerwG, a.a.O.; BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657; U.v. 18.2.2002 – 11 B 00.1769; zum Vorstehenden vgl. auch VG Augsburg, U.v. 11.3.2014 – Au 3 K 13.582 – juris). Nach diesem Maßstab kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass durch die ablehnende Entscheidung des Beklagten öffentlichrechtlich geschützte Individualinteressen des Klägers verletzt werden.
IV.
Die Klage wurde fristgerecht erhoben. Gegen den mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehenen Bescheid vom 17. Mai 2018 wurde am 15. Juni 2018, mithin innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO, Klage erhoben.
B.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angegriffene Entscheidung des Beklagten vom 17. Mai 2018 ist rechtmäßig, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte als verkehrsbeschränkende Maßnahmen eine Einbahnstraßenregelung, ein Durchfahrtsverbot für Lkw oder die Ausweisung eines verkehrsberuhigten Bereiches in der R. straße erlässt (Hauptantrag), § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, noch einen Anspruch darauf, dass der Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den Antrag des Klägers entscheidet (Hilfsantrag), § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Rechtsgrundlage für die begehrte Anordnung der genannten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen kann nur § 45 Abs. 1 StVO sein. Danach kann die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken beschränkt oder verboten werden, wobei Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen gem. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO nur dort anzuordnen sind, wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist. Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO grundsätzlich nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
Konkret kommt aufgrund der vom Kläger geltend gemachten Verkehrslärmbelästigungen der Erlass der begehrten verkehrsrechtlichen Anordnung auf Grundlage des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift können die Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen beschränken oder verbieten oder den Verkehr umleiten. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO gibt dem Einzelnen einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ein straßenverkehrsrechtliches Einschreiten, wenn Lärm oder Abgase Beeinträchtigungen mit sich bringen, die jenseits dessen liegen, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen und damit zugemutet werden muss (vgl. BVerwG, U.v. 4.6.1986 – 7 C 76/84 – BVerwGE 74, 234; BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris).
Die Grenze der Zumutbarkeit für Anlieger ergibt sich nicht aus einem bestimmten Schallpegel oder Abgaswert. Die Grenze der zumutbaren Lärmbelastung, bei deren Überschreitung ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Maßnahmen nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO besteht, ist auch nicht durch auf Rechtsetzung beruhende Grenzwerte festgelegt.
Auch durch die in den Richtlinien für straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm (Lärmschutz-Richtlinien-StV) vom 23.11.2007 (VkBl. 2007, 767) enthaltenen Schallpegel wird diese Grenze nicht bestimmt (vgl. BayVGH, U.v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 27). Nach diesen Richtlinien kommen straßenverkehrsrechtliche Lärmschutzmaßnahmen insbesondere in Betracht, wenn der vom Straßenverkehr herrührende Beurteilungspegel am Immissionsort die unter der dortigen Nr. 2.1 im einzelnen genannten Richtwerte überschreitet. Dies besagt jedoch nur, dass sich in derartigen Fällen das Ermessen der Behörde zu einer Pflicht zum Einschreiten verdichten kann; es bedeutet nicht, dass geringere Lärmeinwirkungen straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen ausschlössen (für die vorherige, insoweit vergleichbare Fassung der Lärmschutz-Richtlinien-StV BVerwG, U.v. 4.6.1986 – 7 C 76/84 – BVerwGE 74,234/240; BayVGH, U.v. 26.11.1998 – 11 B 95.2934 – juris Rn. 56; U.v. 11.5.1999 – 11 B 97.695 – juris Rn. 32; U.v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 27). Auch bei Schallpegeln, welche die Richtwerte der Lärmschutz-Richtlinien-StV nicht erreichen, kann deshalb ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde gegeben sein.
Ebenso wenig können die Vorschriften der 16. Verordnung zur Durchführung des BundesImmissionsschutzgesetzes (Verkehrslärmschutzverordnung – 16. BImSchV) bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Lärmbelastung im Rahmen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO unmittelbar angewendet werden. Diese Verordnung bestimmt durch Festlegung von Immissionsgrenzwerten die Schwelle der Zumutbarkeit von Verkehrslärm nur für den Bau und die wesentliche Änderung u.a. von öffentlichen Straßen (vgl. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 16. BImSchV).
Die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV können aber im Anwendungsbereich des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO als Orientierungswerte für die Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze, deren Überschreitung die Behörde zur Ermessensausübung verpflichtet, herangezogen werden (vgl. BVerwG, U.v. 22.12.1993 – 11 C 45/92 – juris Rn. 30; BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 11 ZB 18.1840 – juris Rn. 25; vgl. auch VG München, U.v. 24.7.2018 – M 23 K 17.4023 – juris Rn. 22). Denn die Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung bringen ganz allgemein die Wertung des Normgebers zum Ausdruck, von welcher Schwelle an eine nicht mehr hinzunehmende Beeinträchtigung der jeweiligen Gebietsfunktion, zumindest auch dem Wohnen zu dienen, anzunehmen ist. Eine Unterschreitung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung ist danach jedenfalls ein Indiz dafür, dass die Lärmbelastung auch die Zumutbarkeitsschwelle in straßenverkehrsrechtlicher Hinsicht nicht erreicht. Umgekehrt kommt bei einer Überschreitung dieser Immissionsgrenzwerte eine zur fehlerfreien Ermessensausübung verpflichtende Überschreitung der straßenverkehrsrechtlichen Zumutbarkeitsschwelle in Betracht (st.Rspr.; vgl. BayVGH, U.v. 26.11.1998 – 11 B 95.2934 – juris Rn. 56; U.v. 11.5.1999 – 11 B 97.695 – juris Rn. 33; U.v. 18.2.2002 – 11 B 00.1769 – juris Rn. 53; U.v. 21.3.2012 – 11 B 10.1657 – juris Rn. 28; VG München U.v. 24.7.2018 – M 23 K 17.4023 – juris Rn. 23; U.v. 19.1.2016 – M 23 K 14.1931 – juris Rn. 49). Für reine und allgemeine Wohngebiete legt § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV Immissionsgrenzwerte von 59 db(A) und 49 db(A) nachts fest. Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung durch die Straßenverkehrsbehörde über die Anordnung von Maßnahmen gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO ist somit bereits dann gegeben, wenn die Grenzwerte der 16. BImSchV überschritten werden (BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 11 ZB 18.1840 – juris Rn. 25).
Gemessen hieran überschreitet die vom Kläger geltend gemachte Lärmbelastung seines Anwesens die nach den vorstehenden Kriterien bestimmte Grenzen der Zumutbarkeit nicht (vgl. unter I.). Selbst wenn man von einer geringfügigen Überschreitung der Immissionsgrenzwerte ausgeht, ist der Beklagte der daraus erwachsenen Pflicht zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen, insbesondere einer Einbahnstraßenregelung, einem Durchfahrtsverbot für Lkw und der Ausweisung eines verkehrsberuhigten Bereiches, gerecht geworden. Seine Ablehnungsentscheidung stellt sich nicht als ermessensfehlerhaft dar (vgl. unter II.).
I. Nach oben genanntem Maßstab sind bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO nicht erfüllt. Die vom Kläger geltend gemachte Lärmbelastung seines Anwesens in der R. straße überschreitet die nach den vorstehenden Kriterien bestimmte Grenze der Zumutbarkeit unter Berücksichtigung der von dem Beklagten vorgelegten Gutachten zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht. Diese Gutachten können entgegen der Auffassung des Klägers herangezogen werden. Der Kläger hat die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Ergebnisse nicht substantiiert erschüttert.
1. Die zunächst vorgelegten Gutachten, die Schallimmissionsschutztechnische Untersuchung 2017 und das diesem zugrundeliegende Verkehrsgutachten 2016, treffen lediglich Aussagen für die Jahre 2006 und 2016. Insofern können diesen Gutachten keine Werte die Verkehrslärmbelastung zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung betreffend entnommen werden. Lediglich als erster Anhaltspunkt wird darauf hingewiesen, dass sich aus der Schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung 2017 ergibt, dass die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV weder tags noch nachts am Immissionsort 6, dem klägerischen Anwesen, überschritten werden (Seite 8 und 9). Der Anlage 4 (Straßenverkehrsgeräusche, Pegelkarte Tag/Nacht, Stand 2016) lässt sich für das Jahr 2016 ein Beurteilungspegel am Tag von 59 db(A), in der Nacht von 48 db(A) entnehmen. Damit wurden jedenfalls zum Stand 2016 die Immissionsgrenzwerte des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV eingehalten.
2. Allerdings hat der Beklagte im gerichtlichen Verfahren aktuellere Verkehrs- und Lärmdaten eingeführt, die im Zuge des Bebauungsplanverfahrens entstanden sind. Aus der Schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung im Umfeld des Plangebietes 2019, das auf dem Verkehrsgutachten 2019 basiert, lassen sich Rückschlüsse auf die tatsächlichen Lärmbelastungen auf dem klägerischen Grundstück für den maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ziehen.
Aus der Schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung im Umfeld des Plangebietes 2019 lässt sich schlussfolgern, dass die Verkehrsgeräusche am klägerischen Grundstück zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Immissionsgrenzwerte der 16. BImSchV nicht überschreiten, sondern diese gerade noch einhalten.
Dies folgt aus den für den Prognose-Nullfall 2030, d.h. der Situation auf das Prognosejahr 2030, die sich voraussichtlich ohne Realisierung des Plangebietes einstellen wird, ermittelten Werten. Die Anlage 5 (Verkehrsgeräusche Prognose-Nullfall 2030, Beurteilungspegel Tag 6.00 – 22.00 Uhr) ergibt für den Immissionspunkt am Grundstück des Klägers einen Tag-Wert von 59 db(A), die Anlage 6 (Verkehrsgeräusche Prognose-Nullfall 2030, Beurteilungspegel Nacht 22.00 – 6.00 Uhr) einen Nacht-Wert von 49 db(A). Im Prognose-Nullfall 2030 berücksichtigt ist eine Zunahme der Verkehrsbelastung von 2019 bis 2030 von 11,6 Prozent. Der sachverständige Zeuge C. rechnet mit einer jährlichen Zunahme von 1 Prozent (S. 5 des Verkehrsgutachtens 2019, Blatt 286 der Gerichtsakte).
Auch wenn dieses Gutachten keine Berechnung der Verkehrslärmbelastung am klägerischen Grundstück zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung enthält, hat der Gutachter S. angegeben, dass die Lärmbelastung 2020 jedenfalls nicht höher sein kann als im Prognose-Nullfall für das Jahr 2030. Dies schließt der Gutachter daraus, dass ausgehend vom Verkehrsgutachten 2019 bis zum heutigen Zeitpunkt nur eine allgemeine Verkehrssteigerung von weniger als 2 Prozent stattgefunden hat und das Plangebiet bislang noch nicht voll bebaut ist. Der Gutachter führt daher nachvollziehbar aus, dass die Lärmbelastung am Immissionspunkt des klägerischen Grundstücks jedenfalls nicht höher als 59 db(A) tags bzw. 49 db(A) nachts sein kann.
Das Gericht legt deshalb auch für den maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die Beurteilungspegel für den Prognose-Nullfall 2030 zugrunde. Auch wenn sich die Aussage des Gutachters auf die Lärmbelastung 2020 bezieht, kann die Lärmbelastung zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung aus den gleichen überzeugenden Erwägungen nicht anders beurteilt werden. Dies liegt zum einen darin begründet, dass im Jahr 2021 nur eine allgemeine Verkehrssteigerung von weniger als 3 Prozent stattgefunden hat, mithin nur eine geringfügige Mehrbelastung vorliegt. Zum anderen führte der Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 11. März 2020 hinsichtlich der aktuellen Lage des Bebauungsgebietes aus, dass die Kindertagesstätte bereits im November 2018 betrieben wurde und man zwischenzeitlich lediglich ein neues Gebäude bezogen hat. Es sind seitdem nur ungefähr sechs bis zehn neue Baugenehmigungen erteilt worden. Auch das Betreute Wohnen wurde bereits im ersten Bauabschnitt berücksichtigt. Selbst wenn man davon ausgeht, dass weitere einzelne Baugenehmigungen erteilt wurden und zwischenzeitlich vereinzelt weitere Gebäude bewohnt werden, ergeben sich im Vergleich zu der vom Gutachter bereits berücksichtigten Lage keine wesentlichen Veränderungen. Eine evtl. geringfügige Auffüllung des Baugebietes steht eine geringere Verkehrszunahme gegenüber.
3. Die Ergebnisse der Untersuchung können auch herangezogen werden. Der Kläger ist den nachvollziehbaren Gutachten nicht substantiiert entgegengetreten. Die Kammer war deshalb nicht verpflichtet, dem Beweisantrag des Klägers nachzugehen und weitere Verkehrs- und Lärmgutachten unabhängiger Sachverständiger einzuholen. Der Beweisantrag (Bl. 271 und 516 f. der Gerichtsakte) auf Einholung eines unabhängigen Sachverständigengutachtens nach Auswahl des Gerichts war abzulehnen, da durch die früheren Gutachten bereits das Gegenteil der behaupteten Tatsachen bewiesen wird und die Voraussetzungen, unter denen die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachten nicht abgelehnt werden darf, nicht vorliegen.
Liegen bereits Gutachten zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vor, steht es nach § 98 VwGO in entsprechender Anwendung des § 412 Abs. 1 ZPO im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es zusätzliche Sachverständigengutachten einholt. Das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat (vgl. hier und im Folgenden BVerwG, B.v. 26.6.2020 – 7 BN 3/19 – juris Rn. 5 m.w.N.). Gutachterliche Stellungnahmen, die erst während eines gerichtlichen Verfahrens von einer beteiligten Behörde eingeholt und als Parteivortrag in das Verfahren eingeführt werden, sind insoweit nicht anders zu behandeln. Denn allein die Tatsache, dass eine Verwaltungsbehörde ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, begründet als solche nicht die Vermutung mangelnder Objektivität des von ihr eingesetzten Sachverständigen und erlaubt nicht den Schluss, seine Erkenntnisse könnten im Rahmen der gerichtlichen Sachverhaltsermittlung nicht verwertet werden. Eine rechtsstaatliche Verwaltung ist ebenso wie die Gerichtsbarkeit an Recht und Gesetz gebunden und hat den Sachverhalt nach objektiven Maßstäben aufzuklären. Die von einer Verwaltungsbehörde bestellten Gutachter sind demgemäß – nicht anders als die entsprechend sachkundigen eigenen Bediensteten einer mit besonderem Sachverstand ausgestatteten technischen Fachbehörde bzw. Fachabteilung – als objektiv urteilende Gehilfen der das öffentliche Interesse verfolgenden Verwaltungsbehörde und nicht als parteiische Sachverständige anzusehen. Dies gilt unabhängig vom Verfahrensstadium, denn die Verpflichtung der Behörde zur objektiven Amtsführung kennt insoweit keine Unterschiede.
Ein Verfahrensmangel liegt in dieser Situation nur dann vor, wenn dem Tatsachengericht sich die Einholung eines weiteren Gutachtens hätte aufdrängen müssen, weil die vorliegenden Gutachten objektiv ungeeignet sind, ihm die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Dies ist im allgemeinen der Fall, wenn das vorliegende Gutachten auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gibt, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird. Die Verpflichtung zur Ergänzung des Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter dieses als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (st.Rspr., vgl. BVerwG, B.v. 26.6.2020 – 7 BN 3/19 – juris Rn. 6 m.w.N.).
Nach diesem Maßstab ergibt sich nicht, dass die vorliegenden Gutachten, insbesondere die Schallimmissionsschutztechnische Untersuchung im Umfeld des Plangebietes 2019 und das diesem zugrundeliegende Verkehrsgutachten 2019 objektiv ungeeignet sind, die Verkehrslärmbelastung am klägerischen Grundstück zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu vermitteln.
Die Gutachten wurden weder durch die klägerischen Einwände (vgl. unter a.), die klägerische Lärmberechnung (vgl. unter b.) noch durch das Gutachten des Ingenieurbüro Gr. vom 16. April 2020 (vgl. unter c.) erschüttert.
a. Unabhängig davon, dass die älteren Gutachten für die Frage der Verkehrsgeräuschbelastung nicht entscheidungserheblich herangezogen werden, kann der Kläger mit seinen Einwendungen betreffend das Verkehrsgutachten 2016 und die Schallimmissionsschutztechnische Untersuchung 2017 nicht durchdringen.
aa. Das Verkehrsgutachten 2016, dessen Ergebnisse Eingang in die Schallimmissionsschutztechnische Untersuchung 2017 gefunden haben, ist nicht zu beanstanden. Grundlage des Gutachtens ist die im Jahr 2016 durchgeführte Verkehrszählung durch die G. Dabei ist weder das gewählte Verfahren der Verkehrszählung noch der für die Verkehrszählung gewählte Tag zu beanstanden. Der Gutachter C. hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 11. März 2020 hinsichtlich des Zeitpunkts der Verkehrszählung erläutert, dass die Verkehrszählung außerhalb der Ferienzeiten, an einem Dienstag oder Donnerstag stattfinden muss und keine extremen Wetterbedingungen vorherrschen dürfen. Der gewählte Dienstag, 15. November 2016, ist deshalb als repräsentativ anzusehen. Die Ergebnisse der Verkehrszählung werden dann entsprechend dem Prognoseverfahren der HBS („Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen“) hochgerechnet und in einen durchschnittlichen täglichen Verkehr umgerechnet.
Soweit der Kläger bemängelt, dass der Lkw-Anteil Tag/Nacht in Prozent nicht ermittelt worden sei, ist dies unzutreffend. Dies ergibt sich aus dem Verkehrsgutachten 2016 selbst (Anlage 10, Blatt 158 der Gerichtsakte) und aus den Berechnungseingangsdaten für die Schallimmissionsschutztechnische Untersuchung 2017 (Anlage 2, Blatt 170 der Gerichtsakte).
bb. Der Kläger hat seine Einwendung, die Schallimmissionsschutztechnische Untersuchung 2017 sei fehlerhaft, nicht plausibel dargelegt. Der Auffassung des Klägers, bei der Berechnung des Mittelungspegels/Beurteilungspegels zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzung bei der Lärmvorsorge und für die Dimensionierung von Lärmschutzeinrichtungen sei von prognostizierten Verkehrsstärken auszugehen, kann nicht gefolgt werden. Maßgeblich für das vorliegende Verfahren sind keine Prognosewerte. Vielmehr ist auf der Grundlage der vorhandenen IstSituation festzustellen, wie sich die Verkehrslärmbelastung am klägerischen Anwesen darstellt. Denn im vorliegenden Verfahren ist zu prüfen, ob ein Anspruch des Klägers auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt, etwa nach Fertigstellung des ausgewiesenen Baugebietes im benachbarten Ortsteil …, vorliegt. Der Einwand des Klägers, es würden zur Berechnung falsche Berechnungseingangsdaten herangezogen, greift deshalb nicht durch.
Soweit der Kläger darauf drängt, dass für die Berechnung der Immissionsbelastung die maßgebende stündliche Verkehrsstärke in Kfz/h als projektbezogener Prognosewert im Rahmen des Verkehrsgutachtens zu ermitteln und bei der Berechnung zu berücksichtigen gewesen sei, kann er nicht durchdringen. Insoweit führte der Gutachter S. in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 11. März 2020 überzeugend aus, dass bei der Lärmberechnung der Jahresmittelwert zugrunde zu legen ist. Es ist von einem durchschnittlichen Verkehr auszugehen, weil der am Ende errechnete Lärmwert ebenfalls ein Durchschnittswert ist. Vor diesem Hintergrund sind Spitzenbelastungswerte für die Berechnung der Verkehrsgeräuschimmissionen nicht maßgeblich. Die Frage der Spitzenbelastung ist eine Frage der Belastbarkeit der Straße.
Soweit der Kläger vorträgt, es sei Standard, dass die Immissionsbelastungen mittels Rasterlärmkarten mehrfarbig für die Beurteilungszeiträume Tag und Nacht flächendeckend grafisch dargestellt würden, ist dem nicht zuzustimmen. Zum einen bedarf es für die hier maßgebliche Frage der (unzumutbaren) Lärmbelastung am klägerischen Grundstück keiner darüberhinausgehenden flächendeckenden Ermittlung der Immissionsbelastungen. Zum anderen führt der Gutachter hierzu überzeugend aus, dass eine Rasterlärmkarte keine konkreten Immissionspunkte enthält und auch nur sehr grob ist. Die gewählte Vorgehensweise stellt die Werte gerade auch am klägerischen Grundstück viel genauer dar.
cc. Soweit der Kläger den Tag der Verkehrszählung als Tag vor dem schulfreien Buß- und Bettag in Zweifel zieht, kann er nicht durchdringen. Die Verkehrszählung für das Verkehrsgutachten 2019 wurde von der Firma G. am Dienstag, 20. November 2018 als Videozählung durchgeführt. Dabei wurden die vom Gutachter C. maßgebenden Kriterien für den Zeitpunkt der Verkehrszählung beachtet. Die Zählung fand an einem Dienstag außerhalb der Schulferien statt und es herrschten keine extremen Wetterbedingungen. Dagegen spielt entgegen der klägerischen Auffassung keine Rolle, dass der darauffolgende Tag ein schulfreier Tag war. Dies ist nachvollziehbar, als es sich bei dem 20. November 2018 um einen normalen Werktag mit üblichem werktäglichem Verkehr handelt. Dass der für die Verkehrszählung gewählte Dienstag als repräsentativ anzusehen ist, bestätigte auch die G. in ihrer Stellungnahme vom 14. August 2020.
dd. Die Forderung des Klägers, die Verkehrszählung mittels Radartechnik durchzuführen, ist vorliegend nicht umsetzbar. Die G. führte in ihrer Stellungnahme vom 14. August 2020 aus, dass bei Einsatz von Radargeräten im Hinblick auf die Fahrzeugklassifizierung und die Wahl des Erhebungsstandortes systembedingt Einschränkungen bestehen. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass eine Verkehrszählung mittels Radargeräten zu einem anderen Ergebnis als die durchgeführte Videozählung führen würde.
b. Auch die vom Kläger auf der Basis des Verkehrsgutachtens 2016 erstellte „Vereinfachte Ermittlung der Verkehrslärmgesamtbelastung nach RLS-90 zu Standort R. straße …, … …“ vom 25. Oktober 2017 (Blatt 175 der Gerichtsakte) kann für die Ermittlung der ausschlaggebenden Beurteilungspegel nicht herangezogen werden. Der Kläger ermittelte mit seiner anhand der Lärmfibel durchgeführten Berechnung zu berücksichtigende Beurteilungspegel von 66 db(A) tags bzw. 55,4 db(A) nachts.
Hierzu führte der sachverständige Zeuge S. nachvollziehbar aus, dass das von ihm gewählte Verfahren nach der RLS-90 genauer ist. Das vom sachverständigen Zeugen erstellte Gutachten verwendet die RLS-90 und errechnet nach dreidimensionaler Eingabe der tatsächlichen Situation unter Verwendung einer zertifizierten Spezialsoftware die entsprechenden Werte. Der unter https://www.staedtebaulichelaermfibel.de/?p=120 (zuletzt abgerufen am 25. Februar 2021) abrufbare dB-Rechner stellt dagegen lediglich ein Schätzverfahren dar.
Zudem kommt der Kläger nach den Ausführungen des Gutachters zu einem höheren Ergebnis, da er mehr Fahrzeuge zugrunde gelegt hat. Den klägerischen Berechnungen wurde eine DTVBelastung von 3.106 Kfz zugrunde gelegt. Dabei entspricht der Wert von 3.106 Kfz dem Wert, den der Verkehrsgutachter C. für die Zeit nach Fertigstellung und Vollbetrieb des neuen Baugebietes berechnet hat (vgl. Seite 12 des Verkehrsgutachtens 2016, Blatt 114 der Gerichtsakte). Insoweit errechnet der Kläger damit auf Grundlage des Verkehrsgutachtens 2016 die zu erwartende Verkehrslärmgesamtbelastung nach vollständiger Bebauung. Auf die prognostizierte Lärmbelastung ist im vorliegenden Fall jedoch nicht abzustellen. Maßgeblich ist nicht die künftige, sondern die aktuelle Lärmbelastung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
Im Übrigen führte der sachverständige Zeuge aus, dass die Methode zwar von einer langen und geraden Straße ausgeht, der Kläger aber einen Zuschlag für lichtzeichengeregelte Kreuzungen verrechnet hat und auch deshalb zu höheren Lärmwerten kommt. Die RLS-90 kennt aber nur Zuschläge für lichtzeichengeregelte Einmündungen, nicht aber für sonstige Einmündungen.
Auch soweit der Kläger Zuschläge wegen der Schallreflexionen aufgrund der doppelseitigen Bebauung und der topographischen Gegebenheiten vornehmen möchte, kann er nicht durchringen. Der Gutachter S. führte überzeugend aus, dass die RLS-90 solche Zuschläge nicht vorsehe und die doppelseitige Bebauung dadurch berücksichtigt wird, dass in das Rechenprogramm ein dreidimensionales Modell eingegeben wird. Es handelt sich vorliegend um eine lose Bebauung, so dass die Reflexionen im Programm korrekt berechnet wurden.
Nach alledem ist die vom Kläger erstellte Berechnung nicht geeignet, die Ergebnisse der vorgelegten Gutachten, insbesondere die Geräuschpegel, substantiiert in Zweifel zu ziehen.
c. Auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Gutachters Gr. ist nicht ersichtlich, dass die Gutachten nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruhen, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen oder unlösbare inhaltliche Widersprüche enthalten.
aa. Die Verkehrsgutachten sind weiterhin verwertbar.
Soweit der Gutachter Gr. hinsichtlich des Verkehrsgutachtens 2016 kritisiert, dass nicht beschrieben sei, wie die Aufteilung des Verkehrs nach Tages- und Nachtzeit erfolgt ist, entgegnet der Gutachter C. darauf, dass die Aufteilung entsprechend den Vorgaben der RLS-90 erfolgte und die Tabellenwerte der Richtlinie verwendet wurden. Für das Verkehrsgutachten 2019 erfolgte die Verteilung auf Tag- und Nachtwerte aufgrund der durchgeführten 24-StundenVideozählung nach den Zählergebnissen.
Soweit der Gutachter Gr. hinsichtlich des Verkehrsgutachtens 2019 in Bezug auf den Immissionsort R. straße … einen maßgeblichen Fehler darin sieht, dass der ursprüngliche LkwAnteil in der R. straße … Richtung Westen, der nachts noch 1,1 Prozent betrug in der Prognose für das Jahr 2030 auf 0,0 Prozent gesunken ist (vgl. Anlage 3 S. 2 des Verkehrsgutachtens 2019, Blatt 314 der Gerichtsakte), greift dies nicht durch. Insoweit führt der Gutachter C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24. August 2020 (Bl. 541 der Gerichtsakte) überzeugend aus, dass sich der Durchgang des Lkw-Anteils daraus ergibt, dass es sich bei dem zusätzlichen Verkehr aus dem Anbaugebiet … und der Kindertagesstätte im Wesentlichen um Pkw-Verkehr handelt. Damit nimmt bei der Hochrechnung der Lkw-Anteil der Gesamtverkehrsmenge durch den höheren Pkw-Anteil ab. Es handelt sich insofern um einen mathematischen Zusammenhang. Selbst wenn ggf. von einem geringfügigen Rechenfehler auszugehen ist, kann – unter Berücksichtigung des ursprünglichen Lkw-Anteils von 1,1 Prozent – davon ausgegangen werden, dass sich der Lkw-Anteil als minimal darstellt und – unter Berücksichtigung des vom Gutachter C. aufgezeigten mathematischen Zusammenhangs – deutlich weniger als 1 Prozent beträgt und eher gegen Null tendiert. Erhebliche Auswirkungen hat dies deshalb zur Überzeugung des Gerichts nicht.
Der Einwand, die Annahmen zur Verteilung der Neuverkehre auf die R. straße (15 Prozent im Jahr 2006 bzw. 39 Prozent im Jahr 2016) unterliege großen Schwankungen, führt nicht zu einem unverwertbaren Gutachten. Der Gutachter C. erklärte in seiner Stellungnahme vom 24. August 2020 überzeugend, dass mit der Veränderung des Umlagerungsanteils lediglich auf die veränderte Situation Rücksicht genommen wurde. Ursprünglich wurde zur Verteilung des zusätzlichen Verkehrs aus dem Baugebiet … entsprechend dem Zeit Wege-Vorteil das Verkehrsnetz im Umfeld vorgenommen und in dieser Prognose ein Anteil von 15 Prozent des zusätzlichen Verkehrs zugrunde gelegt. Bei der späteren Verkehrszählung wurde dann festgestellt, dass sich die Verkehrsmengen aus dem Baugebiet … geringer als erwartet eingestellt haben, aber die Verlagerung auf die R. straße nicht 15 Prozent wie prognostiziert betrug, sondern sich mit 39 Prozent ergeben hat. Dies kann laut dem Gutachter C. auf einen hohen Zuzug von Personen mit Bindung an den über die R. straße gut zu erreichenden Bereich der Stadt … zurückzuführen sein. Insofern hat der Gutachter plausibel dargelegt, dass mit der veränderten Verkehrsverteilung lediglich auf die tatsächlichen Verhältnisse reagiert wurde. Ein unlösbarer inhaltlicher Widerspruch, der Anlass gibt, an den Ergebnissen der Verkehrsgutachten zu zweifeln, ergibt sich daraus nicht.
Der Auffassung des Gutachters Gr., bedingt durch die örtliche Situation (Schleichweg für Pendler, Lkw-Verkehr durch Großwäscherei usw.) reiche es für die Verkehrsprognose auf der sicheren Seite nicht aus, lediglich an einigen wenigen Tagen Verkehrszählungen durchzuführen und diese dann als repräsentativ zu erachten, folgt das Gericht nicht. Die Forderung des Gutachters Gr. (und des Klägers), die Verkehrsmengen über mehrere repräsentative Wochen zu zählen und Befragungen zu den Ziel- und Quellverkehren durchführen zu müssen, ist für das vorliegende Verfahren nicht erforderlich. Allein maßgeblich ist die Verkehrslärmbelastung am klägerischen Anwesen. Befragungen zu Ziel- und Quellverkehren sind daher vorliegend nicht notwendig. Zuzugeben ist, dass eine Verkehrserhebung auch auf längere Dauer angelegt sein kann. Gleichwohl ist eine wochenlange Ermittlung der Verkehrsdaten vorliegend nicht angezeigt. Die auf 24 Stunden ausgelegte Verkehrszählung mit anschließender Hochrechnung der DTV-Werte entspricht der allgemein üblichen Vorgehensweise. Dies ergibt sich aus den nachvollziehbaren Angaben des Gutachters C. und der Stellungnahme der G. vom 14. August 2020. Der sachverständige Zeuge C. führte in der mündlichen Verhandlung am 11. März 2020 aus, dass als Grundlage der Untersuchung Verkehrsstromzählungen der Firma G. vom 20. November 2018 eingeflossen sind. Dies erfolgte durch eine im Zeitraum vom 0:00 bis 24:00 Uhr durchgeführte Videozählung unter Erfassung der Belastung mit Krafträdern, Pkws, Lkws, Lastzügen und Bussen. Das so ermittelte Ergebnis wurde nach dem Prognoseverfahren der HBS („Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen“) hochgerechnet und in einen durchschnittlichen täglichen Verkehr umgerechnet. Daraus wurde dann auch ein durchschnittlicher werktäglicher Verkehr errechnet. Diese Ergebnisse wurden dann nach einem Verfahren „Dr. B1.“ in eine Prognose erweitert und in eine Verkehrsbelastung zu Tag- und zu Nachtzeiten umgerechnet, wobei genau unterschieden wird, welche Art die dazu kommende Bebauung hat, beispielsweise Wohnbebauung, Gewerbeflächen u.ä. Dabei entspricht das Verfahren nach „Dr. B1.“ dem derzeitigen Stand der Technik.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung einer Verkehrserhebung über mehrere Wochen hinweg. Dies widerspricht einer wirtschaftlichen Vorgehensweise. Die Behörde ist grundsätzlich verpflichtet, die entscheidungserheblichen Tatsachen so weit aufzuklären, dass die Voraussetzungen für den Abschluss des Verfahrens zu ihrer Überzeugung vorliegen. Weitere Ermittlungsmaßnahmen müssen unter Berücksichtigung der Belastung für die Betroffenen, der Bedeutung des jeweiligen öffentlichen Interesses und des Gebotes, unnötige Kosten zu vermeiden, angemessen sein (vgl. BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 11 ZB 18.1850 – juris Rn. 27 zur Frage der Durchführung von Lärmberechnungen). Im Übrigen ist die Kammer davon überzeugt, dass eine wochenlange Verkehrszählung nicht erforderlich ist, weil die DTV-Werte nach Verfahren, die dem Stand der Technik entsprechen, u.a. unter Berücksichtigung von Monatsfaktoren, Jahreszeiten und dem Bereich (ländlich o.ä.) berechnet werden. Das Prognoseverfahren der HBS („Handbuch für die Bemessung von Straßenverkehrsanlagen“) führt dazu, dass Verkehrserhebungen den wirtschaftlichen Rahmen nicht sprengen. In Hinblick auf die vorhandenen Rechenmodelle stellt sich eine mehrwöchige Verkehrszählung als unverhältnismäßig dar.
Soweit der Gutachter Gr. bemängelt, dass die Verkehrsuntersuchungen nicht die für die schalltechnischen Untersuchungen notwendigen Eingabeparameter nennt und die Angabe der Parameter der durchschnittlichen täglichen Verkehrsmenge, der maßgeblichen stündlichen Verkehrsmenge während der Tages- und Nachtzeit und den Lkw-Anteil während der Tages- und Nachtzeit verlangt, kann ein Erhebungsmangel nicht recht nachvollzogen werden. Das Verkehrsgutachten weist den DTV unter Auflistung des Lkw-Anteils, getrennt nach Tages- und Nachtzeit auf. Die weiteren geforderten Eingangsdaten lassen sich der Schallimmissionsschutztechnischen Untersuchung 2019 entnehmen (vgl. Anlage 2: Berechnungseingangsdaten Verkehrsgeräuschimmissionen).
bb. Hinsichtlich der Schallimmissionsschutztechnischen Untersuchungen lassen sich ebenfalls keine für den vorliegenden Fall ausschlaggebenden Mängel erkennen.
Soweit der Gutachter Gr. die Untersuchung aus dem Jahr 2017 kritisiert, dass sie sich nur auf die Änderung der Verkehrsgeräuschsituation zwischen den Jahren 2006 und 2016 bezieht, entsprach dies dem gutachterlichen Auftrag. Weil dieses Gutachten deshalb nicht für die Beurteilung der Verkehrsgeräuschimmissionen am klägerischen Anwesen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung herangezogen wurde, können die weiteren Kritikpunkte dahinstehen.
Soweit der Gutachter Gr.r bemängelt, die Schallimmissionsschutztechnische Untersuchung 2019 leide in Bezug auf die Überprüfbarkeit und Nachvollziehbarkeit an den gleichen Mängeln wie die Untersuchung 2017, ist dem zu widersprechen. Die Berechnungseingangsdaten sind in Anlage 2 und 3 ausgewiesen und sind entsprechend nachzuvollziehen. Die Ergebnisse werden in Karten für den jeweiligen Immissionsort dargestellt.
Soweit der Gutachter Gr. ausführt, dass insbesondere durch die Lkw-Anteile von 0,0 Prozent (nachts) für die Prognosejahre wohl zu geringe Geräuschbelastungen prognostiziert werden, ist darauf zu verweisen, dass der Gutachter C. nachvollziehbar dargelegt hat, dass der Lkw-Anteil der Gesamtverkehrsmenge durch den höheren Pkw-Anteil abnimmt und es sich bei dem geringeren Lkw-Anteil insofern um einen rein mathematischen Zusammenhang handelt. Selbst wenn von einem Rechenfehler auszugehen ist, bewegt sich dieser in einem geringfügigen, gegen Null tendierendem Bereich, der nur zu einer geringfügigen Erhöhung des Immissionswertes führen würde. Dass deshalb der Immissionsgrenzwert der 16. BImSchV nachts zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung überschritten wird, ist jedoch nicht ersichtlich.
Denn die Berücksichtigung eines geringen Lkw-Anteils steht gegenüber, dass der PrognoseNullfall 2030 von einer Verkehrszunahme von 2019 bis 2030 von 11,6 Prozent, mithin von einer jährlichen Verkehrszunahme von 1 Prozent ausgeht, die für den maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zum großen Teil herauszurechnen wäre.
cc. Soweit der Gutachter Gr. für wesentlich erachtet, wie sich die Situation zwischen den Jahren 2006 und dem Prognosejahr 2030 ändert und hierzu die Ergebnisse aus den beiden Schalltechnischen Untersuchungen verknüpft, ist dem zu widersprechen. Für die Frage der unzumutbaren Lärmbelastung am klägerischen Anwesen zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ist eine etwaige Veränderung der Verkehrsgeräusche nicht relevant. Maßgeblich ist allein die tatsächliche, aktuelle Verkehrsgeräuschbelastung. Zudem führt der Gutachter S. in seiner Stellungnahme vom 11. August 2020 aus, dass die Schallimmissionsschutztechnischen Untersuchungen nicht einfach zusammengefügt werden können und jeweils für sich betrachtet werden müssen. Denn da die Untersuchungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten und Aufgabenstellungen ausgearbeitet wurden, ist ein direkter Vergleich nicht zulässig. Die zum jeweiligen Zeitpunkt erstellten Untersuchungen umfassen jeweils genau den zu diesem Zeitpunkt abgestimmten Umfang und basieren auf den zu diesem Zeitpunkt jeweils konkret vorliegenden Verkehrsdaten.
Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass selbst der Gutachter Gr. in seiner Stellungnahme durch – nicht zulässige – Verknüpfung der Untersuchungen des Ingenieurbüro S. nur zum Ergebnis kommt, dass zukünftig eine Geräuschbelastung vorliegt, die über den Immissionsgrenzwerten der 16. BImSchV liegt. Eine künftige Überschreitung der Immissionsgrenzwerte ist im vorliegenden Fall unerheblich.
Abschließend sei am Rande darauf hingewiesen, dass das vom Gutachter Gr. für die schallimmissionsschutztechnische Situation als maßgeblich benanntes Kriterium „Untersuchung der Änderung der Geräuschbelastung am Anwesen R. straße … zwischen den Jahren 2006 und im Prognosejahr 2030 (Prognose-Planfall)“ darauf abzielt, eine neue Tatsachengrundlage für eine neue Prognoseentscheidung des Beklagten im Zuge der Aufstellung des Bebauungsplanes zu schaffen. Dies ist jedoch nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Vor diesem Hintergrund ist auch das für das Verkehrsgutachten aufgeworfene Kriterium „Auswertung der Daten in der Form, dass alle schalltechnisch relevanten Eingabedaten sowohl für das Jahr 2006 (nachträglich) als auch für das Prognosejahr 2030 dargestellt wird“ für die Entscheidung aus den gleichen Erwägungen nicht erheblich.
dd. Soweit sich der Kläger ausdrücklich darauf bezieht, dass der von ihm beauftragte Gutachter im Vergleich zu den von der Behörde beauftragten Gutachtern öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der IHK für … und … für „Schallimmissionsschutz“ ist, folgen daraus keine Anhaltspunkte, dass es an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter C. und S. fehlt.
d. Der Kläger hat die verwertbaren Gutachten deshalb nicht substantiiert in Zweifel gezogen. Die Gutachten sind weiterhin geeignet, die für die Entscheidung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln.
4. Nach alledem ergibt sich, dass die Immissionsgrenzwerte für reine und allgemeine Wohngebiete aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV noch eingehalten werden. Die tatsächlichen Verkehrslärmbelastungen auf dem Anwesen des Klägers überschreiten für den maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die nach den vorstehenden Kriterien bestimmte Grenze der Zumutbarkeit nicht. Mangels Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen ist das Ermessen des Beklagten nicht eröffnet. Der Kläger kann deshalb keinen Anspruch auf Erlass der begehrten Anordnungen haben (Hauptantrag) noch darauf, dass der Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über den klägerischen Antrag entscheidet (Hilfsantrag).
II.
Selbst wenn man zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung davon ausgehen muss, dass – aufgrund mittlerweile ggf. weiterer erfolgter Bebauung und Bewohnung des ausgewiesenen Baugebietes – eine Zunahme des Verkehrslärms am klägerischen Anwesen erfolgt ist oder ein geringfügiger Rechenfehler im Rahmen der Berechnung des Lkw-Anteils in der Nachtzeit vorliegt, führt die Klage nicht zum Erfolg. Im Ergebnis bestehen keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides vom 17. Mai 2018, weil der Beklagte weitere lärmreduzierende Maßnahmen ermessensfehlerfrei abgelehnt hat.
Unter Zugrundelegung des Schallimmissionsschutztechnischen Gutachtens im Umfeld des Plangebietes 2019 ist davon auszugehen, dass die Lärmbelastung beim klägerischen Anwesen – im schlechtesten Fall – tagsüber bei maximal 60 db(A) und nachts bei 49 db(A) liegt. Dies entspricht aber bereits den vom Gutachter errechneten Werten für den Prognose-Planfall 2030, d.h. mit vollständiger Realisierung des Plangebietes. Während der Grenzwert des § 2 Abs. 1 Nr. 2 der 16. BImSchV in der Nacht zwar erreicht, aber nicht überschritten wird, liegt am Tag dann eine geringfügige Überschreitung um 1 db(A) vor. Unter zusätzlicher Berücksichtigung eines geringfügig höheren Lkw-Anteils in der Nachtzeit geht das Gericht bestenfalls von einer lediglich geringfügigen Überschreitung des Grenzwertes von weniger als 1 db(A) in der Nacht aus. Dies folgt aus der Aussage des Gutachters Gr., eine Lkw-Anteil-Erhöhung auf 1 Prozent bewirke nachts eine Pegelzunahme um bis zu 0,8 db(A). Wie ausgeführt, ist jedoch von einem deutlich unter 1 Prozent, eher gegen Null gehendem Lkw-Anteil auszugehen, so dass auch nachts nur von einer geringfügigen Überschreitung des Immissionsgrenzwertes auszugehen ist.
Für die behördliche Ermessensentscheidung sind die Besonderheiten des Einzelfalls maßgeblich. Die Straßenverkehrsbehörde hat bei der Bestimmung der Zumutbarkeitsgrenze auf die gebietsbezogene Schutzbedürftigkeit der Anlieger und eine eventuell gegebene Lärmvorbelastung abzustellen und die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer zu würdigen (BVerwG, U.v. 22.12.1993 – 11 C 45.92 – NZV 1994, 244 = juris Rn. 26). Ebenso hat sie die Interessen anderer Anlieger in Rechnung zu stellen, die ihrerseits infolge lärmreduzierender Maßnahmen von übermäßiger Lärmemission belastet wären. Solche Belastungen könnten sich zum Beispiel als Folge einer Verlagerung des Verkehrs einstellen. Dabei darf die Behörde in Wahrung allgemeiner Verkehrsrücksichten und sonstiger entgegenstehender Belange von verkehrsbeschränkenden Maßnahmen umso eher absehen, je geringer der Grad der Lärmbeeinträchtigung ist, der entgegengewirkt werden soll (BVerwG, U.v. 22.12.1993 – 11 C 45.92 – NZV 1994, 244 = juris Rn. 26). Umgekehrt müssen bei erheblichen Lärm- oder Abgasbeeinträchtigungen die verkehrsberuhigenden oder verkehrslenkenden Maßnahmen entgegenstehenden Verkehrsbedürfnisse und Anliegerinteressen schon von einigem Gewicht sein, wenn mit Rücksicht auf diese Belange ein Handeln der Behörde unterbleibt. Jedoch darf sie selbst bei erheblichen Lärmbeeinträchtigungen hiervon absehen, wenn ihr dies mit Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile gerechtfertigt erscheint (BVerwG, B.v. 18.10.1999 – 3 B 105.99 – NZV 2000, 386 = juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 27.2.2015 – 11 ZB 14.309 – juris Rn. 18). Schließlich sind auch sonstige Besonderheiten wie etwa die Nutzung einer Ortserschließungsstraße entgegen ihrer eigentlichen Funktion als sog. Schleichweg durch überörtlichen Verkehr zu berücksichtigen (BVerwG, U.v. 15.2.2000 – 3 C 14.99 – BayVBl. 2000, 666 = juris Rn. 15). Über die Voraussetzungen des § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StVO hinaus müssen die Anforderungen des § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO erfüllt sein, wonach Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs nur angeordnet werden dürfen, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt (BVerwG, B.v. 23.4.2013 – 3 B 59.12 – Buchholz 442.151 § 45 StVO Nr. 50 = juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 25.3.2015 – 11 ZB 14.2366 – juris Rn. 10; s. zum Ganzen BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 11 ZB 18.1840 – juris Rn. 26).
Die Prüfung der Ermessensausübung im gerichtlichen Verfahren ist darauf beschränkt, ob die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig ist, weil der Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, § 114 Satz 1 VwGO. Nachdem der Beklagte im Bescheid vom 17. Mai 2018 erkannt hat, dass ihm Ermessen zusteht, konnte er seine Ermessenserwägungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in zulässiger Weise ergänzen, § 114 Satz 2 VwGO. Der Beklagte hat insofern ausgeführt, dass die Ermessensausübung dann fehlerfrei ist, wenn sich die Behörde nur von sachgerechten Erwägungen leiten lässt und sie die allgemeinen Grenzen der Ermessensbetätigung, insbesondere den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, beachtet. Der Beklagte hat im Folgenden die Interessen des Klägers, insbesondere das Interesse an seiner Wohnruhe als schutzwürdiges Anliegen, berücksichtigt und führte weiter aus, dass noch keine ungesunden Wohnverhältnisse vorliegen und die Lärmbeeinträchtigung jenseits dessen liegt, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs im konkreten Fall als ortsüblich hingenommen werden muss. Insofern hat der Beklagte das Bedürfnis des Klägers nach Wohnruhe erkennbar in seine Ermessensüberlegungen einbezogen und mit den übrigen privaten und öffentlichen Interessen, insbesondere den Belangen des Straßenverkehrs, abgewogen.
Der Beklagte berücksichtigte im Rahmen der Ermessensausübung, dass bereits in der Vergangenheit eine Reihe von Maßnahmen zum Schutz der Anwohner vor Verkehrslärm getroffen wurden und lehnte weitere verkehrsrechtliche Maßnahmen aus nachvollziehbaren Erwägungen ab. So ist die R. straße seit dem Jahr 2004 Bestandteil einer 30 km/h-Zone, in der zur Verkehrsberuhigung die Vorfahrtsregelung „rechts vor links“ gilt. Außerdem tragen unterschiedliche Parkzonen zur Einschränkung des Verkehrsflusses bei. Dies führt auch dazu, dass die R. straße als Ausweichstrecke für den Durchgangsverkehr, insbesondere für größere Fahrzeuge, weniger attraktiv ist. Zudem wird der aus Richtung … kommende Schwerlastverkehr über 3,5 t mit Zeichen 422 der StVO an der Einmündung der R. straße über die F. Straße (Kreisstraße … **) nach … zum dortigen Gewerbegebiet gewiesen.
Darüber hinaus hat der Beklagte die vom Kläger begehrten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen im gerichtlichen Verfahren in seine Erwägungen eingestellt und ermessensfehlerfrei dargelegt, aus welchen Gründen die vom Kläger vorgeschlagenen weiteren Maßnahmen zur Lärmreduzierung nicht ergriffen werden.
Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte ausführt, dass gegen eine Einbahnstraßenregelung mit Veränderung des Verkehrsflusses die geringe Fahrbahnbreite/-querschnitte, die fehlenden Ausweichmöglichkeiten sowie die geringe Leistungsfähigkeit der von der R. straße abzweigenden Nebenstraßen spricht. Durch eine Einbahnstraßenregelung wird der Verkehr und der dadurch verursachte Lärm in andere Straßen verlagert und läuft den Mobilitätsinteressen anderer Verkehrsteilnehmer zuwider. Insoweit hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise eine Gesamtbilanz vorgenommen und in die Ermessenserwägungen die Frage, ob die Verhältnisse nur um den Preis gebessert werden können, dass an anderer Stelle neue Unzuträglichkeiten auftreten und durch Änderungen von Verkehrsströmen noch gravierendere Lärmbeeinträchtigungen von Anliegern anderer Straßen drohen, einbezogen. Zudem wurde berücksichtigt, ob durch die fehlenden Ausweichmöglichkeiten die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs an anderer Stelle beeinträchtigt wird.
Der Beklagte legte auch ermessensfehlerfrei dar, dass die Voraussetzungen für die Anordnung eines verkehrsberuhigten Bereiches nicht gegeben sind. Ein verkehrsberuhigter Bereich kommt nur für einzelne Straßen oder Bereiche mit überwiegender Aufenthaltsfunktion und sehr geringem Verkehr in Betracht. Zudem müssen diese Straßen oder Bereiche durch ihre besondere Gestaltung den Eindruck vermitteln, dass die Aufenthaltsfunktion überwiegt und der Fahrzeugverkehr eine untergeordnete Bedeutung hat. In der Regel wird der niveaugleiche Ausbau für die ganze Straßenbreite erforderlich sein (vgl. VwV-StVO zu den Zeichen 325.1 und 325.2). Vorliegend wird jedoch die R. straße ausweislich der vorgelegten Verkehrsgutachten 2016 und 2019 nicht nur von sehr geringem Verkehr frequentiert. Die Verkehrsstromzählung am 20. November 2018 ergab für die R. straße eine durchschnittliche tägliche Verkehrsmenge von 2.474 Kfz (vgl. Anlage 3 bis Verkehrsgutachten 2019, Blatt 314 der Gerichtsakte). Zutreffend eingestellt hat der Beklagte zudem, dass durch die Ausweisung eines verkehrsberuhigten Bereiches in der Straße – unabhängig von deren Höhe – Kosten entstehen würden.
Dem Durchfahrtsverbot für Lkw spricht der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise die Geeignetheit ab. Der Lkw-Anteil in der R. straße stellt sich als untergeordnet dar, so dass eine nennenswerte Reduzierung des Verkehrslärms nicht zu erwarten ist. Es ist zutreffend, dass eine spürbare Lärmminderung von 3 db(A) nicht erreichbar ist. Dazu bedürfe es eines höheren Schwerverkehrsanteils (von etwa 10 Prozent), der in der R. straße weder tags noch nachts vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 25.3.2015 – 11 ZB 14.2366 – juris Rn. 18).
Dass der Beklagte die Ablehnung eines Durchfahrtsverbotes für Lkw auf die zusätzliche, sachfremde Erwägung gestützt hat, die Wirkung der R. straße als Ortsstraße berechtige den Beklagten nicht dazu, diese für den Lkw-Verkehr zu sperren, ist unerheblich. Zwar handelt es sich dabei um einen Ermessensfehler in Form des Ermessensfehlgebrauchs. Denn das Straßenverkehrsrecht berechtigt zwar nicht zu verkehrsregelnden Maßnahmen, die über den Umfang der wegerechtlichen Widmung der Straße hinaus andere Benutzungsarten zulassen, also über den Inhalt und Umfang des Widmungszwecks hinausgehen; es lässt aber Maßnahmen zu, die den widmungsrechtlich zugelassenen Verkehr einschränken. Die Sperrung einer Straße nur für einen Teil des im Übrigen weiterhin zugelassenen Verkehrs ist kein Eingriff in die straßenrechtliche Widmung, wenn die Straße – wie hier – weiterhin Verkehrszwecken dient (BVerwG, B.v. 3.4.1996 – 11 C 3/96, 11 B 11/96 – juris Rn. 4; VG Düsseldorf, B.v. 2.10.2013 – 6 L 1424/13 – juris Rn. 31). Die zusätzliche, sachfremde Erwägung wirkt sich jedoch im Rahmen der Ermessensausübung ersichtlich nicht auf das Abwägungsergebnis aus. Der Beklagte lehnte ein Durchfahrtsverbot für Lkw bereits aufgrund fehlender Geeignetheit ab.
Zusammenfassend hat der Beklagte die für und gegen die Anordnung verkehrsbeschränkender Maßnahmen sprechenden öffentlichen und privaten Belange in nicht zu beanstandender Weise gewichtet. Der Pflicht zur ermessensfehlerfreien Entscheidung über den klägerischen Antrag auf verkehrsbeschränkende, lärmreduzierende Maßnahmen ist der Beklagte gerecht geworden.
III.
Vorliegend kommen auch keine anderen Alternativen des § 45 StVO als Rechtsgrundlage für die Anordnung der begehrten verkehrsbeschränkenden Maßnahmen in Betracht. Insbesondere scheidet § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO aus, da eine Gefährdung der Sicherheit und Ordnung des Verkehrs in der R. straße weder ersichtlich ist noch wurde hierzu substantiiert vorgetragen.
IV.
Nach alledem hat die Klage insgesamt keinen Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen