Aktenzeichen VII ZR 196/18
§ 319 Abs 1 S 2 Halbs 2 BGB
§ 356 ZPO
§ 431 ZPO
Leitsatz
1. Haben die Parteien hinsichtlich eines Anspruchs oder einzelner Anspruchsvoraussetzungen eine Schiedsgutachtenvereinbarung getroffen, ist regelmäßig anzunehmen, dass die Einholung des Schiedsgutachtens in den im Vertrag bestimmten Fällen Anspruchsvoraussetzung ist. Eine vor Einholung des Schiedsgutachtens erhobene Klage, die auf den Anspruch gestützt wird, dessen Inhalt oder dessen Voraussetzungen durch ein Schiedsgutachten festgestellt werden sollen, ist daher nicht als endgültig, sondern allenfalls als verfrüht, also “als zur Zeit unbegründet” abzuweisen (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 24. November 2005 – VII ZB 76/05, BauR 2006, 555 = NZBau 2006, 173).
2. In einem solchen Fall liegt es im Ermessen des Tatrichters, von einer sofortigen Klageabweisung “als zur Zeit unbegründet” abzusehen und zunächst entsprechend §§ 356, 431 ZPO eine Frist zur Beibringung des Schiedsgutachtens zu setzen (im Anschluss an BGH, Urteil vom 8. Juni 1988 – VIII ZR 105/87, NJW-RR 1988, 1405).
Verfahrensgang
vorgehend OLG München, 28. August 2018, Az: 28 U 1250/18 Bauvorgehend LG München II, 14. März 2018, Az: 5 O 3577/13
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 28. August 2018 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Streitwert: 225.652,40 €
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, macht gegen die Beklagte aus einem Prozessvergleich Zahlungsansprüche zwecks Abgeltung von Mängeln in Höhe von 212.221,52 € sowie Erstattung von Sachverständigenkosten in Höhe von 10.574,88 € geltend. Ferner begehrt sie Ersatz eines im Zuge von Mängelbeseitigungsmaßnahmen verursachten Schadens an den Grünflächen der Wohnungseigentumsanlage in Höhe von 2.856 €.
2
In einem vor dem Landgericht M. geführten Rechtsstreit (5 ) schlossen die Parteien am 15. Februar 2012 folgenden, nicht widerrufenen
“widerruflichen Vergleich:
I. Die Beklagte verpflichtet sich am streitgegenständlichen Anwesen sämtliche Mängel, die der Sachverständige B. im selbstständigen Beweisverfahren 10 bzw. 4 in seinem Gutachten vom 30.03.2009 und 30.03.2010 festgestellt hat – mit Ausnahme … – gemäß dem Gutachten bis zum 31.10.2012 zu beseitigen.
II. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Mangelbeseitigung baubegleitend und überwachend durch den Sachverständigen W. auf Kosten des Beklagten erfolgt.
III. Die Abnahme der Mangelbeseitigungsarbeiten hat durch den Sachverständigen B. zu erfolgen.
Die Kosten (Bruttobetrag) für die Abnahme durch den Sachverständigen werden von der Beklagten getragen.
IV. Die Parteien sind sich darüber einig, dass etwaige Mängel an den Nachbesserungsarbeiten bzw. nicht nachgebesserte Mängel, die vom Sachverständigen B. bei der Abnahme festgestellt werden von diesem bewertet werden und der Betrag den der Sachverständige feststellt von der Beklagten an die Klägerin als Abgeltung bezahlt wird. Beide Parteien unterwerfen sich den Feststellungen des Sachverständigen B. .
…
VII. Mit diesem Vergleich sind sämtliche streitgegenständliche wechselseitige Ansprüche der Parteien untereinander abgegolten und erledigt. …
…”
3
Der gemäß Ziffer II des Prozessvergleichs vorgesehene Sachverständige W. wurde in der Folge einvernehmlich durch den Sachverständigen B. , den Streithelfer der Klägerin, ersetzt.
4
Die Mängelbeseitigungsmaßnahmen der Beklagten wurden sachverständigenseits begleitet und einer Abnahmebegehung unterzogen. Mit Gutachten vom 16. Mai 2013, unterzeichnet von dem Streithelfer und dessen Mitarbeiter S. , wurde unter anderem Folgendes festgestellt:
“Zusammenfassend ist festzuhalten, dass noch eine erhebliche Anzahl von Mängeln aus meinen Gutachten … vorhanden ist und dass die Mangelbeseitigungsarbeiten z.T. nicht fachgerecht ausgeführt wurden. … Aus technischer Sicht kann einer Abnahme der Mängelbeseitigungsarbeiten insgesamt nicht zugestimmt werden.
Die Kosten für die durchzuführenden Mängelbeseitigungsarbeiten einschl. der erforderlichen Rückbauarbeiten der mangelhaft ausgeführten Leistungen werden durch mich … grob überschlägig auf ca. 88.000 € zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer geschätzt. In der geschätzten Summe nicht enthalten sind Kosten für die Beseitigung von Mängeln, welche erst im Zuge von weiteren Bauteilöffnungen oder nach Zugänglichkeit von bisher nicht zugänglichen Bereichen erkannt werden, wie z.B. bei den Balkonen. …”
5
Nach der am 27. September 2013 durchgeführten Bauteilöffnung wurde unter dem 24. Oktober 2013 ein weiteres – wiederum von dem Streithelfer und dessen Mitarbeiter S. unterzeichnetes – Gutachten erstellt. Darin werden die Feststellungen zu den Mängeln und der nicht fachgerechten Ausführung der Mängelbeseitigungsmaßnahmen sowie zur fehlenden Abnahmefähigkeit der Mängelbeseitigungsmaßnahmen aus technischer Sicht wiederholt. Ferner werden die Kosten für die durchzuführenden Mängelbeseitigungsarbeiten einschließlich Rückbauarbeiten nunmehr “grob überschlägig auf ca. 170.000 € bis 200.000 € zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer” geschätzt. Schließlich wurde unter dem 11. Juli 2014 eine neuerliche Sachverständigenbewertung der festgestellten Mängel mit Kostenschätzung der Mängelbeseitigung in Höhe von 212.221,52 € brutto vorgenommen.
6
Eine Abnahme des Gemeinschaftseigentums erfolgte nicht.
7
Mit der Klage hat die Klägerin den vom Streithelfer angegebenen Betrag zur Abgeltung der Mängel, die Sachverständigenkosten und Schadensersatz wegen eines im Zuge der Mängelbeseitigungsmaßnahmen verursachten Schadens an den Grünanlagen verlangt. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Zahlungsansprüche weiter.
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