Baurecht

Schutz “klassischer Gewerbenutzung” vs. Teilumnutzung einer Lagerhalle für das älteste Gewerbe der Welt

Aktenzeichen  15 B 16.1834

Datum:
27.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 101137
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3 S. 1, § 14 Abs. 1 Nr. 1, § 17 Abs. 1 S. 3
BauNVO § 1 Abs. 9, § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
BayBO Art. 60 S. 1 Nr. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1, Abs. 4

 

Leitsatz

1. Der Sicherungsfähigkeit einer Bauleitplanung i. S. von § 14 Abs. 1 BauGB steht mit Blick auf den bis zum Satzungsbeschluss offenen Abwägungsprozess nicht entgegen, dass sich die Kommune im Aufstellungsbeschluss die Möglichkeit vorbehält, aufgrund eines noch in der Ausarbeitung befindlichen informellen, plangebietsübergreifenden Konzepts von dem anfänglich verfolgten Planungsziel am Ende des Planungsprozesses ganz oder teilweise abzusehen. (amtlicher Leitsatz)

Verfahrensgang

5 K 14.637 2015-05-07 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

I.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Mai 2015 wird geändert. Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hätte die Beklagte nicht unter Aufhebung des Bescheids vom 28. März 2014 zur Neubescheidung verpflichten dürfen. Die Klage mit dem Antrag, den Ablehnungsbescheid vom 28. März 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Baugenehmigung gemäß Bauantrag vom 4. Dezember 2013 zu erteilen, ist zwar zulässig, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts aber unbegründet.
1. Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Zwar kann das Rechtsschutzinteresse für eine auf Genehmigungserteilung gerichtete Verpflichtungsklage im Einzelfall fehlen, wenn Ziel der Rechtsverfolgung der Erhalt einer öffentlich-rechtlichen Genehmigung ist, die sich mit Rücksicht auf rechtliche Verhältnisse – ggf. auch auf solche des Zivilrechts – nicht durchsetzen lässt (vgl. BVerwG, B. v. 20.7.1993 – 4 B 110.93 – NVwZ 1994, 482 f. = juris Rn. 3). Bloße Zweifel daran, ob der Kläger die beantragte Baugenehmigung verwirklichen kann, genügen hingegen nicht, um ein schutzwürdiges Interesse an der Rechtsverfolgung über eine Verpflichtungsklage zu verneinen.
Ein Anspruch auf Erhalt der Baugenehmigung besteht, wenn dem Vorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 HS 1 BayBO. Art. 68 Abs. 4 BayBO hebt zwar hervor, dass die Baugenehmigung unbeschadet privater Rechte Dritter erteilt wird. Dennoch kann ein Bauantrag zur Entlastung der Behörde von unnötiger und nutzloser Verwaltungstätigkeit wegen fehlenden Sachbescheidungsinteresses – als Pendant zum fehlenden Rechtsschutzinteresse im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – u. a. dann als unzulässig angelehnt werden, wenn von vornherein feststeht, dass der Bauherr aus privatrechtlichen Gründen definitiv nicht in der Lage sein wird, das Bauvorhaben auszuführen (vgl. VGH BW, U. v. 18.11.1994 – 8 S 1470/94 – NVwZ-RR 1995, 563 f. = juris Rn. 42; U. v. 11.8.1997 – 5 S 3509/95 – BauR 1998, 526 f. = juris Rn. 17; Molodovsky in Molodovsky/Famers, Bayerische Bauordnung, Stand: März 2016, Art. 68 Rn. 40j; Schwarzer/König, Bayerische Bauordnung, 4. Aufl. 2012, Art. 68 Rn. 52 – jeweils m. w. N.). Im Übrigen hat die Aufsichtsbehörde die zivilrechtliche Realisierbarkeit des Vorhabens nicht zu prüfen, diese fällt vielmehr nach Erhalt der Baugenehmigung in den Risikobereich des Bauherrn (Schwarzer/König a. a. O. unter Rekurs auf BGH, U. v. 6.7.2000 – III ZR 340/98 – BGHZ 144, 394 ff. = juris Rn. 13, 14). Die in Art. 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 BayBO zum Ausdruck kommende grundsätzliche Trennung des Baugenehmigungsverfahrens vom Privatrecht lässt ausnahmsweise eine Berücksichtigung entgegenstehender privater Rechte Dritter im Rahmen des Sachbescheidungsinteresses und damit auch des Rechtsschutzinteresses nur dann zu, wenn entgegenstehende private Rechte Dritter offensichtlich bestehen und deshalb die Baugenehmigung für den Bauantragsteller ersichtlich nutzlos wäre (vgl. VGH BW, U. v. 18.11.1994 a. a. O. m. w. N.; speziell im Fall einer rechtskräftigen zivilgerichtlichen Klärung: BVerwG, U. v. 17.12.1964 – I C 130.63 – BVerwGE 20, 124 ff. = juris Rn. 8 f.; vgl. auch Jäde in Jäde/Dirnberger/Bauer, Die neue Bayerische Bauordnung, Stand: Oktober 2016, Art. 68 Rn. 52; Lechner in Simon/Busse, Bayerische Bauordnung, Stand: August 2016, Art. 68 Rn. 167).
Im vorliegenden Fall ist die zivilrechtliche Rechtslage nicht offensichtlich geklärt. Die Beklagte beruft sich auf die vom Eigentümer des Baugrundstücks gegenüber dem Erbbauberechtigten mit Schreiben vom 23. Februar 2014 erklärte Versagung der Zustimmung hinsichtlich der Teilumnutzung des Gebäudes in ein Bordell. Die Beklagte steht auf dem Standpunkt, dass das streitgegenständliche Vorhaben im Verhältnis zwischen dem Eigentümer und dem Erbbauberechtigten (Vermieter des Klägers) gemäß § 7 des notariellen Erbbaurechtsvertrags vom 29. Dezember 1993 zustimmungspflichtig sei. In dieser Vertragsbestimmung heißt es, dass der Erbbauberechtigte „das Bauwerk nicht ohne schriftliche Einwilligung des Eigentümers ganz oder teilweise abbrechen oder wesentlich verändern“ darf. Im Zusammenlesen mit § 4 des Erbbaurechtsvertrags soll sich nach der Rechtsansicht der Beklagten ergeben, dass wesentliche Veränderungen i. S. von § 7 auch solche Änderungen seien, welche die konkrete Nutzung und Verwendung des Bauwerks beträfen. Da das Prostitutionsgesetz erst am 1. Februar 2002 in Kraft getreten sei, sei – so die Beklagte – davon auszugehen, dass das zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nach der allgemeinen Verkehrsanschauung sittenwidrige und damit moralisch verwerfliche Prostitutionsgewerbe nicht vom vertraglichen Verwendungszweck erfasst gewesen sei. Dem Erbbauberechtigten stehe nach Meinung der Beklagten auch kein Anspruch auf Zustimmung gegen den Eigentümer zu.
Es geht hier mithin nicht um die Frage, inwiefern der Mieter im Zweierverhältnis zum Eigentümer auf dessen Zustimmung angewiesen ist, sondern um ein Dreiecksverhältnis Grundstückseigentümer /Erbbauberechtigter /Kläger (Mieter). Daher kommt es in einem ersten Schritt auf die rechtlich nicht völlig eindeutige Würdigung und Auslegung der Vertragsbeziehungen zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Erbbauberechtigten (als Vermieter des Klägers) und erst in einem zweiten Schritt auf die Frage an, inwiefern der Eigentümer gegenüber dem Kläger die Unterlassung der Nutzung des Bauwerks als Bordell verlangen kann. Die Beantwortung dieser Rechtfragen liegt nicht klar und eindeutig auf der Hand. Unabhängig von der Frage, ob der Grundstückseigentümer ggf. seine ablehnende Haltung nochmals ändern könnte (vgl. VGH BW, U. v. 11.8.1997 – 5 S 3509/95 – BauR 1998, 526 f = juris Rn. 18), kann unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Rechtsschutzinteresses der Verpflichtungsklage jedenfalls nicht die Rede davon sein, dass die Baugenehmigung für den Kläger wegen offensichtlich entgegenstehender privater Rechte Dritter nutzlos wäre. Gerade wegen Art. 68 Abs. 4 BayBO kann es weder Aufgabe der Baugenehmigungsbehörde noch der im Rahmen einer Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung angegangenen Verwaltungsgerichte sein, inzident nicht völlig eindeutig zu beantwortende zivilrechtliche Vorfragen zu klären und – mit der Gefahr divergierender Entscheidungen – möglichen späteren zivilgerichtlichen Entscheidungen vorzugreifen.
2. Die Verpflichtungsklage ist aber unbegründet. Die Beklagte hat den Bauantrag für die Teilumnutzung des Büro- und Lagergebäudes auf dem Baugrundstück in ein Bordell (gewerbliche Vermietung von 47 Einzelräumen ohne Wohnnutzung an Prostituierte) zu Recht abgelehnt. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung (§ 113 Abs. 5 VwGO, Art. 68 Abs. 1 BayBO). Das Vorhaben ist aus bauplanungsrechtlichen Gründen nicht zulassungsfähig, so dass ihm gem. Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen.
a) Der Senat lässt die Frage dahinstehen, ob Bordellbetriebe in Industriegebieten bei typisierender Betrachtungsweise als grundsätzlich gebietsunverträglich und daher bauplanungsrechtlich unzulässig anzusehen sind (so jedenfalls grundsätzlich BayVGH, U. v. 19.10.2015 – 1 B 15.886 – NVwZ 2016, 706 ff. = juris Rn. 19 ff., unter Rekurs auf BVerwG, U. v. 25.11.1983 – 4 C 21.83 – BVerwGE 68, 213 ff. = juris Rn. 13; a.A. VG Freiburg/Breisgau, U. v. 24.10.2000 – 4 K 1178/99 – NVwZ 2001, 1442/1444; Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 9 Rn. 17; Decker in Jäde u. a., BauGB/BauNVO, 8. Aufl. 2017, § 9 BauNVO Rn. 4; Pützenbacher in Bönker/Bischopnik, BauNVO, 1. Aufl. 2014, § 9 Rn. 53). Die streitgegenständliche Nutzungsänderung ist jedenfalls aus andern Gründen bauplanungsrechtlich unzulässig [vgl. im Folgenden unter b)]. Es bedarf daher keiner Entscheidung, inwiefern das Vorhaben aufgrund seiner Größe (Laufhaus mit 47 an Prostituierte zu vermietenden Arbeitszimmer) und dem z. B. daher zu erwartenden Park- bzw. An- und Abfahrtslärm als erheblich belästigender und deswegen auch bei Abstellen auf die Rechtsansicht des 1. Senats des Verwaltungsgerichtshofs dennoch als gebietsverträglicher Betrieb im Industriegebiet anzusehen ist (vgl. den Vorbehalt bei BayVGH, U. v. 19.10.2015 – 1 B 15.886 – NVwZ 2016, 706 ff. = juris Rn. 24: „anders als möglicherweise im Einzelfall erheblich belästigende Bordellbetriebe“). Ebensowenig war der Anregung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung, die konkreten Verhältnisse vor Ort in Augenschein zu nehmen, nachzugehen: Weil es auf die zwischen den Parteien umstrittene Rechtsprechung des 1. Senats des Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Oktober 2015 (Az. 1 B 15.886) zur grundsätzlichen Gebietsunverträglichkeit von Bordellen in Industriegebieten nicht ankommt, bedarf es keiner weiteren Erwägungen, inwiefern das Vorhaben des Klägers in Bezug auf die konkret bestehende Umgebungsnutzung als erheblich störend und jedenfalls deshalb als gebietsverträglich anzusehen wäre.
b) Die vom Kläger begehrte Nutzungsänderung ist bauplanungsrechtlich unzulässig, weil ihr die von der Beklagten beschlossene Veränderungssperre (vgl. deren § 3 Abs. 1) in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB entgegensteht.
Die ursprüngliche Satzung über die Veränderungssperre weist in formeller Hinsicht (vgl. § 16 Abs. 1, Abs. 2 BauGB) keine ersichtlichen Fehler auf. Nachdem § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB insoweit keine besonderen Voraussetzungen aufstellt, durfte die Beklagte – wie durch den am 19. Februar 2016 im Amtsblatt bekannt gemachten Satzungsbeschluss vom 28. Januar 2016 geschehen – die Veränderungssperre um ein Jahr verlängern (BVerwG, B. v. 8.1.1993 – 4 B 258.92 – BRS 55 Nr. 96 = juris Rn. 4, 5; BayVGH, U. v. 13.12.2016 – 15 N 14.1019 – juris Rn. 20).
Auch in materieller Hinsicht sind keine Mängel der Veränderungssperre erkennbar. Die in § 14 Abs. 1 BauGB genannte Voraussetzung, wonach eine Veränderungssperre „zur Sicherung der Planung“ beschlossen werden kann, ist auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG nur gegeben, wenn die mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleitete Planung im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll, und wenn diese Planung nicht an schon zu diesem frühen Zeitpunkt des Verfahrens erkennbaren, nicht behebbaren Mängeln leidet (vgl. BVerwG, B. v. 21.12.1993 – 4 NB 40.93 – NVwZ 1994, 685 f. = juris Rn. 2, 3; U. v. 19.2.2004 – 4 CN 13.03 – NVwZ 2004, 984 ff. = juris Rn. 15; B. v. 21.10.2010 – 4 BN 26.10 – ZfBR 2011, 160 f. = juris Rn. 6; BayVGH, U. v. 26.5.2009 – 1 N 08.2636 – BayVBl. 2010, 562 ff. = juris Rn. 45; U. v. 9.10.2012 – 15 N 11.1857 – juris Rn. 19; B. v. 25.4.2013 – 15 ZB 13.274 – juris Rn. 4; B. v. 15.6.2016 – 15 N 15.1583 – juris Rn. 15; König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2015, Rn. 331 ff.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
aa) Es ist nicht ersichtlich, dass das mit der Planung anvisierte Ziel, bestimmte Nutzungen im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … „N. Straße“ zu unterbinden, generell nicht erreichbar wäre. Vielmehr ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass Bordelle als hinreichend bestimmte Anlagentypen grundsätzlich in einem Plangebiet gemäß § 1 Abs. 9 BauNVO ausgeschlossen werden können (BVerwG, B. v. 5.6.2014 – 4 BN 8.14 – ZfBR 2014, 574 = juris Rn. 10; BayVGH, B. v. 31.3.2009 – 14 ZB 08.2705 – juris Rn. 13; HessVGH, U. v. 5.2.2004 – 4 N 360/03 – BauR 2005, 1126 ff. = juris Rn. 27; VGH BW, B. v. 24.4.2013 – 3 S 2404/12 – BauR 2013, 1635 ff. = juris Rn. 14; U. v. 26.4.2016 – 8 S 205/14 – juris Rn. 37 ff.).
Die Gestaltungsfreiheit der Gemeinde für Nutzungsausschlüsse in einem festgesetzten Industriegebiet unterliegt – entgegen der Meinung des Verwaltungsgerichts – auch unter Berücksichtigung des Auffangcharakters dieser Gebietsart keinen grundsätzlich verschärften Rechtfertigungsanforderungen. In Industriegebieten kann, soweit die Zweckbestimmung dieses Gebietstyps gewahrt bleibt, die Kommune aus städtebaulichen Gründen das Gebiet den produzierenden und verarbeitenden Betrieben vorbehalten (vgl. BVerwG, B. v. 6.5.1993 – NB 32.92 – NVwZ 1994, 292 f. = juris Rn. 12; Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 9 Rn. 14). § 1 Abs. 9 BauNVO ist keine Ausnahmevorschrift, von der nur beim Vorliegen einer atypischen Situation Gebrauch gemacht werden darf. Mit der erforderlichen Rechtfertigung durch „besondere städtebauliche Gründe“ verlangt § 1 Abs. 9 BauNVO lediglich, dass es spezielle städtebauliche Gründe für eine gegenüber § 1 Abs. 5 BauNVO noch feinere Ausdifferenzierung der zulässigen Nutzungen gibt (BVerwG, U. v. 22.5.1987 – 4 C 77.84 – BVerwGE 77, 317 ff. = juris Rn. 21; B. v. 27.7.1998 – 4 BN 31.98 – NVwZ-RR 1999, 9 = juris Rn. 9; VGH BW, B. v. 24.4.2013 – 3 S 2404/12 – BauR 2013, 1635 ff. = juris Rn. 18). Eine absolute Grenze für Nutzungsausschlüsse besteht nur insoweit, als es der Gemeinde verwehrt ist, ein mit der Zweckbestimmung eines Industriegebiets nicht vereinbares „eingeschränktes Industriegebiet“ festzusetzen, in dem vorwiegend oder nur nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe im Sinne von § 8 Abs. 1 BauNVO zulässig sind (vgl. BVerwG, B. v. 6.5.1993 – 4 NB 32.92 – NVwZ 1994, 292 f. = juris Rn. 12; BayVGH, U. v. 11.7.2008 – 22 A 07.40058 – BayVBl. 2009, 304 ff. = juris Rn. 25 ff.; VGH BW, U. v. 10.12.1993 – 8 S 994/92 – UPR 1994, 455 f. = juris Rn. 30 ff.; Stock in König/Roeser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 9 Rn. 14; Stange, BauNVO, 3. Aufl. 2015, § 9 Rn. 10; Pützenbacher in Bönker/Bischopnik, BauNVO, 1. Aufl. 2014, § 9 Rn. 32). Um Letzteres geht es aber hinsichtlich der geplanten Ausschlussfestsetzungen für Bordellbetriebe etc. nicht. Die Frage, ob die für die Planungsziele sprechenden Gründe in der – späteren – Abwägung mit anderen Faktoren am Ende der Planung ausreichend Gewicht haben werden, um die Planung zu tragen, ist erst im Bebauungsplanverfahren abschließend zu entscheiden (vgl. z. B. BVerwG, B. v. 21.12.1993 – 4 NB 40.93 – NVwZ 1994, 685 f. = juris Rn. 2; U. v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120, 138 ff. = juris Rn. 31).
bb) Die Änderungsplanung verstößt auch nicht deswegen gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, weil der Ausschluss von Bordellbetrieben gem. § 1 Abs. 9 BauGB nicht notwendig wäre, sofern sich die Unzulässigkeit einer Bordellnutzung schon aus der Festsetzung des Industriegebiets ergeben würde (zum Streitstand oben 1.).
Unter Berücksichtigung des aus der Planungshoheit folgenden weiten Gestaltungsermessens der Kommune genügt es dem als Missbrauchsschranke gedachten Erforderlichkeitsmaßstab des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, wenn eine Planung vernünftigerweise geboten erscheint (BVerwG, U. v. 6.6.2002 – 4 CN 4.01 – BVerwGE 116, 296 ff. = juris Rn. 25; König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2015, Rn. 48). Auch wenn es gute dogmatische Gründe dafür geben mag, einen Bordellbetrieb in einem Industriegebiet als gebietsunverträglich anzusehen, handelt die Gemeinde nicht willkürlich, wenn sie den gewollten Ausschluss ausdrücklich regelt. Denn zum einen ist die Frage der Gebietsunverträglichkeit von Bordellen in Industriegebieten gem. § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO umstritten [s.o. unter 2. a)] und bislang nicht höchstrichterlich geklärt. Zum anderen ist auch bei Annahme einer grundsätzlichen Unzulässigkeit von Bordellen in Industriegebieten ungeklärt, ob es dann erheblich belästigende Bordellbetriebe (wie diese auch immer zu definieren wären) geben kann, die nach den konkreten Umständen des Einzelfalls aufgrund ihres Störungspotenzials dennoch als im Industriegebiet gebietsverträglich anzusehen sind (vgl. BayVGH, U. v. 19.10.2015 – 1 B 15.886 – NVwZ 2016, 706 ff. = juris Rn. 24: „anders als möglicherweise im Einzelfall erheblich belästigende Bordellbetriebe“). Über einen Ausschluss von Bordellbetrieben nach § 1 Abs. 9 BauNVO kann die Gemeinde demgegenüber Klarheit schaffen und sich von der – derzeit umstrittenen – Auslegung des § 9 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BauNVO unabhängig machen (vgl. auch BayVGH, B. v. 31.3.2009 – 14 ZB 08.2705 – juris Rn. 13). Vor diesem Hintergrund kann einer solchen Regelung eine fehlende Eignung zur Erreichung des verfolgten Zwecks (vgl. König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2015, Rn. 55) und eine deswegen fehlende Erforderlichkeit nicht vorgeworfen werden.
cc) Die von der Beklagten anvisierte Änderungsplanung verstößt nicht deshalb von vornherein gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB, weil es sich um eine (reine) Verhinderungs- bzw. Negativplanung handelte.
Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Eine Kommune darf sich in Wahrnehmung ihrer Planungshoheit (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB) bei der Steuerung der städtebaulichen Entwicklung grundsätzlich von „kommunalpolitischen“ Motiven leiten lassen, sie darf unter Beachtung der dafür geltenden gesetzlichen Regeln Bauleitplanung nach ihren Vorstellungen betreiben (vgl. BVerwG, U. v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120, 138 ff. = juris Rn. 23). Den Vorwurf einer am Maßstab von § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB unzulässigen Verhinderungs- bzw. Negativplanung (als Missbrauchsschranke) muss eine Kommune nur dann gegen sich gelten lassen, wenn sie keine städtebaulichen Ziele verfolgt, wenn m.a.W. die planerische Ausweisung in Wirklichkeit nicht gewollt ist, sondern die Regelung nur und ausschließlich getroffen wird, um eine andere Nutzung zu verhindern. Nicht erforderlich im Sinne dieser Bestimmung sind daher nur solche Bebauungspläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. Davon ist grundsätzlich erst auszugehen, wenn eine positive Zielsetzung nur vorgeschoben wird, um eine in Wahrheit auf bloße Verhinderung gerichtete Planung zu verdecken. Ein solcher Fall ist aber nicht schon dann gegeben, wenn der Hauptzweck der Festsetzungen in der Verhinderung bestimmter städtebaulich relevanter Nutzungen besteht. Eine Gemeinde darf mit der Bauleitplanung grundsätzlich auch städtebauliche Ziele verfolgen, die mehr auf Bewahrung als auf Veränderung der vorhandenen Situation zielen. Insbesondere gibt es kein generelles Verbot negativer Festsetzungen. Schon mit jeder positiven Ausweisung einer zulässigen Nutzung ist regelmäßig auch eine negative, andere Nutzungen ausschließende Wirkung verbunden. Wie § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO zeigt, geht der Normgeber selbst davon aus, dass „positive“, d. h. nicht von vornherein gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstoßende Planungsziele auch durch rein negative Festsetzungen erreicht werden können. Der Gemeinde ist es auch nicht verwehrt, auf Bauanträge mit einer Bauleitplanung zu reagieren, die diesen die materielle Rechtsgrundlage entziehen soll. Auch eine zunächst nur auf die Verhinderung einer – aus der Sicht der Kommune – Fehlentwicklung gerichtete Planung kann einen Inhalt haben, der rechtlich nicht zu beanstanden ist (zum Ganzen: BVerwG, B. v. 18.12.1990 – 4 NB 8.90 – BayVBl. 1991, 280 ff. = 13 ff.; B. v. 15.3.2012 – 4 BN 9.12 – BauR 2012, 1067 = juris Rn. 3; BayVGH, U. v. 12.12.2013 – 15 N 12.1020 – juris Rn. 19; VGH BW, B. v. 24.4.2013 – 3 S 2404/12 – BauR 2013, 1635 ff. = juris Rn. 14; König, Baurecht Bayern, 5. Aufl. 2015, Rn. 56).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 12. Dezember 2013 (Az. 15 N 12.1020 – juris Rn. 19 ff.) auf Basis der vorgenannten Grundsätze bereits klargestellt, dass eine Planung mit dem Hauptzweck des Ausschlusses von Bordellen und bordellartigen Betrieben (dort in einem Gewerbegebiet i. S. von § 8 BauNVO), um einem sog. „Trading-Down-Effekt“ entgegenzuwirken, nicht von vornherein eine sog. Negativplanung darstellt und deshalb gegen § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB verstößt. Die Gemeinden sind gesetzlich in Ausübung ihrer Planungshoheit ermächtigt, „Städtebaupolitik“ zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht. Was im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, bestimmt sich deshalb maßgeblich nach der jeweiligen planerischen Konzeption der Gemeinde: Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen (BVerwG, B. v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – NVwZ 1999, 1338 ff. = juris Rn. 4). Wünscht die Gemeinde in einem bestimmten, bisher gewerblich genutzten Bereich ihres Gebiets keine Bordelle und bordellartige Betriebe, so ist es ihr dementsprechend unter dem Blickwinkel des § 1 Abs. 3 BauGB nicht grundsätzlich verwehrt, ein Gewerbegebiet oder (hier) ein Industriegebiet unter Ausschluss dieser Nutzungstypen festzusetzen. Ein solcher Ausschluss ist auch nachträglich möglich (VGH BW, B. v. 24.4.2013 – 3 S 2404/12 – BauR 2013, 1635 ff. – juris Rn. 13).
dd) Im relevanten Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über die Veränderungssperre lag schließlich das gebotene Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung vor.
Nach dem ausdrücklichen Inhalt des Aufstellungsbeschlusses zur Änderung des Bebauungsplans (vgl. Nr. 3 des Beschlusstenors der Drucksache-Nr. 14/01502 der Beklagten) war es „Zielsetzung der Änderungssatzung (…) – vorbehaltlich der Ergebnisse des parallel in Ausarbeitung befindlichen Bordell-Strukturkonzeptes für die Stadt Augsburg – die textlichen Festsetzungen dahingehend zu ergänzen, dass bei der Art der baulichen Nutzung Bordelle, bordellartige Betriebe, Wohnungsprostitution und sonstige sexbezogene Vergnügungsstätten im (…) Plangebiet künftig nicht mehr zulässig sind.“ In den Begründungen zu den Beschlussvorlagen der Stadtverwaltung für den Stadtrat zur Änderung des Bebauungsplans (Drucksache-Nr. 14/01502) sowie zur Veränderungssperre (Drucksache-Nr. 14/01503) wird dargelegt, dass es der Beklagten mit dem Bebauungsplan aus dem Jahr 1999 primär um die Ansiedlung vorwiegend produzierender und verarbeitender Betriebe gegangen sei. Angesichts der nur begrenzt verfügbaren Gewerbe- und Industrieflächen und eingeschränkter Entwicklungsmöglichkeiten im Stadtgebiet seien diese Gebiete zu wertvoll, um dort Großbordelle mit zu erwartenden negativen Folgewirkungen zuzulassen. Wäre die Problematik des Großbordells und die aktuelle Häufigkeit solcher Anträge bereits 1999 bekannt gewesen, hätte dies mit Sicherheit schon damals zu einem Ausschluss solcher Nutzungen im Bebauungsplan geführt. Nutzungen wie Bordelle führten aufgrund der geringen Investitionen und der hohen Rendite regelmäßig zu deutlichen Preissteigerungen auf dem Grundstücksmarkt und damit zu einer Verdrängung /Nichtansiedlung der klassischen Gewerbe- und Industriebetriebe. Benachbarte Betriebe litten unter einer negativen Adressbildung. Auch wenn derzeit nur eine Teilumnutzung einer Lagerhalle beantragt worden sei, seien im Umgriff weitere Bordellansiedlungen zu erwarten, zumal Konfliktpotenzial mit der Nachbarschaft zu erwarten sei. Es sei deshalb erforderlich, über eine Bauleitplanung unter paralleler Entwicklung eines Bordell-Strukturkonzepts für den gesamten städtischen Bereich nachsteuernd einzugreifen. In einer auf die Empfehlung des Bauausschusses vom 13. Februar 2014 zurückgehenden Ergänzung beider Beschlussvorlagen für die Stadtratssitzung am 27. Februar 2014 („Maßgabe zu den Tagesordnungspunkten 17 und 18 der öffentlichen Stadtratssitzung am 27.02.2014“) heißt es ferner, dass die durch einen Bordellbetrieb wie den beantragten zu erwartenden negativen Auswirkungen der Eigenart des bestehenden Industriegebiets widerspreche. Es sei davon auszugehen, dass bereits die Zulassung dieses einen Bordells auch bei der relativen Größe des Gebiets einen „Trading-Down-Effekt“ herbeiführen werde und es zu einer Niveauabsenkung in dem Geltungsbereich des Bebauungsplanes kommen werde. Nachdem sich im Umfeld des Bebauungsplans bereits mehrere Bordellbetriebe befänden, sei auch im Plangebiet mit weiteren Ansiedlungen zu rechnen. In der Bekanntmachung des Beschlusses zur Änderung des Bebauungsplans vom 28. Februar 2014 werden als Ziele der Planung nochmals dargestellt, dass unter Berücksichtigung eines noch zu erarbeitenden Bordell-Strukturkonzeptes im Hinblick auf die Gebietsart nachgesteuert werden sowie die allgemeine und konkrete Zweckbestimmung der im Plangebiet festgesetzten Gewerbe- und Industriegebiete aufrechterhalten werden soll und dass Nutzungen wie produzierende und verarbeitende Gewerbebetriebe gestärkt und gesichert werden sollen. Hierfür sollen Bordelle und bordellartige Betriebe, Wohnungsprostitution und sexbezogene Vergnügungsstätten dezidiert ausgeschlossen werden, um eine Verdrängung klassischer Gewerbenutzungen zu unterbinden und einer negativen Adressbildung und Häufung solcher Einrichtungen frühzeitig entgegenzuwirken.
Aufgrund der dargestellten Umstände ließ die Veränderungssperre im Zeitpunkt ihres Erlasses hinreichend das Mindestmaß erkennen, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll. Eine Veränderungssperre soll der planenden Kommune einen Zeitgewinn verschaffen, um der Gefahr vorzubeugen, dass während des Planungsvorgangs – also während des Prozesses der Ermittlung, Bewertung und Abwägung der einzelnen Belange, der erst schrittweise einem Planungsergebnis zugeführt werden soll – das Planungsziel durch zwischenzeitlich genehmigte Bauprojekte vereitelt wird. Es ist typisch für jede Planung, dass das am Anfang stehende Konzept erst stufenweise einer Konkretisierung zugeführt wird. Ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept ist für das zur fordernde „Mindestmaß an Konkretisierung“ daher nicht notwendig. Für eine Veränderungssperre zur Sicherung einer Änderungsplanung fehlt ebenso wie für eine Veränderungssperre zur Sicherung der erstmaligen Aufstellung eines Bebauungsplans ein Sicherungsbedürfnis nur dann, wenn sich der Inhalt der jeweiligen Planung noch in keiner Weise absehen lässt. Da es Zweck der Veränderungssperre ist, eine bestimmte Bauleitplanung zu sichern, darf sie zwar nicht eingesetzt werden, wenn das Planungskonzept erst im Planungsverfahren entwickelt werden soll. Für das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses genügt es aber, wenn die Planung einen Stand erreicht hat, der wenigstens in groben Zügen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (VGH BW, U. v. 10.12.1993 – 8 S 994/92 – UPR 1994, 455 f. = juris Rn. 26). Es ist insbesondere regelmäßig ausreichend, wenn die Kommune im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre Vorstellungen über die Art der zukünftigen Nutzung besitzt (vgl. BVerwG, B. v. 21.10.2010 – 4 BN 26.10 – ZfBR 2011, 160 f. = juris Rn. 8; U. v. 30.8.2012 – 4 C 1.11 – BVerwGE 144, 82 ff. = juris Rn. 12; BayVGH, U. v. 13.12.2016 – 15 N 14.1019 – juris Rn. 19).
Das Planungsziel, speziell für den Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. … „N. Straße“ bestimmte Gewerbebetriebe bauplanungsrechtlich auszuschließen, um genau dort einem Trading-Down-Effekt und insbesondere einer Verdrängung städtebaulich primär gewollter klassischer produzierender und weiterverarbeitender Gewerbebetriebe entgegenzuwirken, stellt ein hinreichend konkretes und daher sicherungsfähiges Planungsziel dar. Denn hierüber werden für einen abgrenzbaren, definierten Bereich im Stadtgebiet gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 1 Abs. 9, § 9 BauNVO (einschränkende) Regelungen über die Art der baulichen Nutzung getroffen. Bereits im Zeitpunkt des Aufstellungsbeschlusses bzw. des Erlasses der Veränderungssperre war daher die Richtung der Planung hinreichend absehbar (speziell für die Sicherung einer Planung zum Ausschluss von Bordellbetrieben: BayVGH, B. v. 31.3.2009 – 14 ZB 08.2705 – juris Rn. 8 f.; HessVGH, U. v. 5.2.2004 – 4 N 360/03 – BauR 2005, 1126 ff. = juris Rn. 27; VGH BW, B. v. 24.4.2013 – 3 S 2404/12 – BauR 2013, 1635 ff. = juris Rn. 13; zum Ausschluss von Spielhallen, um einem „Trading-Down-Effekt“ entgegenzuwirken vgl. BVerwG, B. v. 4.9.2008 – 4 BN 9.08 – BauR 2009, 76 ff. = juris Rn. 9).
Aus der im Urteil des Verwaltungsgerichts sowie vom Kläger zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Oktober 2012 (Az. 15 N 11.1857) ergibt sich nichts anderes. Im dort entschiedenen Fall nahm die planende Gemeinde einen Bauantrag zur Nutzungsänderung eines Seniorenheims in eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber zum Anlass, um eine Veränderungssperre zu erlassen, die sie damit zu rechtfertigten versuchte, dass ein bestehendes Wohngebiet unter Ermöglichung einer Nachverdichtung erweitert werden sollte und dabei Anlagen für soziale, kirchliche, kulturelle, gesundheitliche und sportliche Zwecke ausgeschlossen werden sollten. Der Verwaltungsgerichtshof erklärte diese Veränderungssperre für (teilweise) unwirksam und warf der Gemeinde vor, dass das Planungskonzept jedenfalls für die Bereiche des Umnutzungsvorhabens nur vorgeschoben gewesen sei, weil es an den tatsächlichen Verhältnissen in der Gemeinde vorbeigegangen sei. Die deklarierten Planungsvorstellungen seien nicht für das gesamte Gebiet der Veränderungssperre auf eine Realisierung angelegt gewesen. Ihre Bedeutung habe sich im Bereich der geplanten Gemeinschaftsunterkunft in der Verhinderung dieses Vorhabens erschöpft, weil dort aufgrund bestehender Gebäude und Nutzungen (Landwirtschaft, Gartenbaubetrieb, Seniorenheim als bauliche Großanlage) mit einer Verwirklichung eines vermeintlich gewollten allgemeinen Wohngebiets mit „kleinteiliger“ oder „kleinstrukturierter“ Wohnbebauung auf absehbare Zeit nicht zu rechnen gewesen sei (BayVGH, U. v. 9.10.2012 – 15 N 11.1857 – juris Rn. 23 ff.; ähnliche Problematik bei BayVGH, B. v. 15.6.2016 – 15 N 15.1583 – juris Rn. 19 ff.). Ergänzend verwies das Gericht zwar darauf, dass ein gemeindebezogenes „Gesamtkonzept“ als Gegenstand einer informellen Planung für sich eine einen aufzustellenden Bebauungsplan sichernde Veränderungssperre nur rechtfertigen könne, wenn dieses (nicht notwendig bereits beschlossene) Grundkonzept hinreichend konkret sei. Im damals entschiedenen Fall vermochte der Senat eine hinreichend konkretisierte Ordnungsidee, welcher städtebauliche Belang gerade mit Hilfe des Gesamtkonzepts aufgegriffen und einer Lösung zugeführt werden sollte, nicht zu erkennen (BayVGH, U. v. 9.10.2012 a. a. O. Rn. 26 f.).
Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich aber von derjenigen, die der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. Oktober 2012 zugrunde lag. Auf den Konkretisierungsgrad des – für das gesamte Stadtgebiet anvisierte – Bordell-Strukturkonzepts im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre kommt es im hier zu entscheidenden Fall gerade nicht an. Der Heranziehung des in der Ausarbeitung befindlichen stadtübergreifenden Bordell-Strukturkonzepts bedarf es nicht, um hinreichend konkrete Planungsabsichten im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre zu bejahen. Für die positive Planungskonzeption genügt es bereits, dass über die Bauleitplanung für den Geltungsbereich des bereits bestehenden Bebauungsplans nach den Zielvorstellungen des Stadtrats zu diesem Zeitpunkt Ausschlusswirkungen gem. § 1 Abs. 5, Abs. 9 BauNVO getroffen werden sollten und diese Planungskonzeption (anders als im Fall BayVGH, U. v. 9.10.2012 – 15 N 11.1857) nicht lediglich vorgeschoben war [vgl. auch oben cc)]. Dass sich die planende Kommune im Aufstellungsbeschluss die Möglichkeit vorbehält, aufgrund eines noch in der Ausarbeitung befindlichen informellen, plangebietsübergreifenden Konzepts (hier eines stadtgebietsbezogenen Bordell-Strukturkonzepts) von dem zunächst verfolgten Planungsziel am Ende des Planungsprozesses doch noch ganz oder teilweise abzusehen, ist mit Blick auf den Charakter des Bebauungsplans als Produkt eines – bis zum Satzungsbeschluss grundsätzlich offenen (vgl. Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 13. Aufl. 2016, § 1 Rn: 113) – Abwägungsprozesses (§ 1 Abs. 7, Abs. 8, § 2 Abs. 3 BauGB) nicht ungewöhnlich. Dies kann folglich die Sicherungsfähigkeit einer Bauleitplanung i. S. von § 14 Abs. 1 BauGB nicht in Frage stellen. Soweit das Verwaltungsgericht für die Rechtfertigung der geplanten nutzungseinschränkenden Regelung i. S. von § 1 Abs. 9 BauNVO eine Analyse der im streitgegenständlichen Plangebiet vorhandenen Nutzungen und deren Störungsanfälligkeit verlangt, mag dies für die Abwägung (§ 1 Abs. 7, Abs. 8 BauGB) relevant sein, nicht aber bereits für den frühen Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre am Planungsbeginn.
c) Der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des streitgegenständlichen Änderungsvorhabens steht damit zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Sperrwirkung der (rechtzeitig verlängerten) Veränderungssperre (vgl. § 14 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, § 3 Abs. 1 der Satzung über die Veränderungssperre) entgegen. Für die Möglichkeit der Zulassung einer Ausnahme gem. § 14 Abs. 2 BauGB, § 3 Abs. 2 der Satzung über Veränderungssperre bestehen keine Anhaltspunkte. Da mithin wegen planungsrechtlicher Unzulässigkeit ein Anspruch des Klägers auf Erteilung der Baugenehmigung gem. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO ausscheidet, ist die Verpflichtungsklage im Ganzen unbegründet, § 113 Abs. 5 VwGO. Dementsprechend war das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 7. Mai 2015 abzuändern und die Klage abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 470.000 € festgesetzt.
Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung von Nr. 9 des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ-Beilage 2013, 57) und folgt der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben worden sind.

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