Aktenzeichen 4 CE 20.278
BayGO Art. 18a, Art. 26 Abs. 1, Abs. 2, Art. 36, Art. 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, Art. 38
BV Art. 12 Abs. 3
BauGB § 9 Abs. 1 Nr. 11, § 10 Abs. 1, § 33 Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz
1. Muss innerhalb kurzer Frist über die Einlegung eines Rechtsmittels entschieden werden, liegt in der Regel ein unaufschiebbares Geschäft vor, so dass der Bürgermeister anstelle des Gemeinderats handeln darf. (Rn. 17)
2. Die Vertreter eines von der Gemeinde abgelehnten, nach vorläufiger gerichtlicher Prüfung aber als zulässig anzusehenden Bürgerbegehrens können grundsätzlich verlangen, dass die Gemeinde den künftigen Bürgerentscheid nicht durch die Schaffung vollendeter Tatsachen leerlaufen lässt oder anderweitig vereitelt. (Rn. 23)
3. Für die Erfüllung dieses Sicherungsanspruchs reicht es aus, wenn der Gemeinde mittels einstweiliger Anordnung untersagt wird, eine im Gemeinderat beschlossene Satzung bekanntzumachen bzw. die für einen beabsichtigten Vertragsschluss erforderlichen Erklärungen gegenüber Dritten abzugeben. (Rn. 27)
Verfahrensgang
Au 7 E 20.167 2020-01-28 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. Januar 2020 wird abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Sicherung ihres Anspruchs auf Zulassung eines Bürgerbegehrens, das sich gegen eine Bauleitplanung der Antragsgegnerin, einer Gemeinde mit knapp 5.000 Einwohnern, richtet.
Mit dem laut Aufstellungsbeschluss vom 17. Juli 2018 beabsichtigten Erlass des Bebauungsplans „M… Straße“ will die Antragsgegnerin Erweiterungsmöglichkeiten für einen bestehenden Betrieb schaffen; zu diesem Zweck soll auch die M… Straße verlegt werden.
Die Antragsteller reichten am 3. Oktober 2018 als gemeinschaftliche Vertreter des Bürgerbegehrens „Erhalt der M… Str. in der jetzigen Verkehrsführung“ bei der Antragsgegnerin ein Bürgerbegehren samt Unterschriften mit der Fragestellung ein:
“Sind Sie dafür, dass die Gemeinde A… alle rechtlich zulässigen Maßnahmen ergreift, um die Gemeindeverbindungs straße M… Str. mit ihrer jetzigen Verkehrsführung zu erhalten?“.
Nachdem der Gemeinderat der Antragsgegnerin das Bürgerbegehren zurückgewiesen hatte, erhoben die Antragsteller am 17. Dezember 2018 eine auf Zulassung gerichtete Klage, über die noch nicht entschieden worden ist.
Im Anschluss an einen nichtöffentlichen Erörterungstermin teilte das Verwaltungsgericht den Beteiligten in einem Hinweisschreiben vom 27. Dezember 2019 mit, dass das Bürgerbegehren nach vorläufiger Einschätzung als zulässig angesehen werde; hierzu wurde eine Äußerungsfrist bis zum 31. Januar 2020 gesetzt.
Am 24. Januar 2020 beantragten die Antragsteller gemäß § 123 VwGO:
1. Der Antragsgegnerin wird untersagt, bis zur Durchführung des Bürgerentscheids Beschlüsse zu fassen, die dem Bürgerbegehren „Erhalt der M… Str. in der jetzigen Verkehrsführung zuwiderlaufen, insbesondere Beschlüsse zum Abschluss städtebaulicher Verträge im Zusammenhang mit Bauleitplanungen sowie Satzungsbeschlüsse der Bauleitplanungen selbst, die die Verlegung der M… Straße beinhalten.
2. Der Antragsgegnerin wird insbesondere untersagt, die Beschlüsse der Tagesordnungspunkte 7 – 11 der Gemeinderatssitzung am 28. Januar 2020 zu fassen.
Zur Begründung wurde vorgetragen, trotz des eindeutigen rechtlichen Hinweises des Verwaltungsgerichts plane die Antragsgegnerin, in der Gemeinderatssitzung am 28. Januar 2020 Beschlüsse zu fassen über städtebauliche Verträge mit der Nachbargemeinde und dem Projektträger (TOP 7, 9), über eine Vereinbarung zu Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen (TOP 8) sowie über die Änderung des Flächennutzungsplans im Parallelverfahren (TOP 10) und über den Erlass des Bebauungsplans (TOP 11). Es bestehe daher die Gefahr, dass die Verwirklichung des Anspruchs auf Durchführung eines Bürgerentscheids zumindest wesentlich erschwert werden könnte. Der Inhalt der Verträge sei zwar bisher nicht bekannt; es sei aber nicht auszuschließen, dass sich die Antragsgegnerin durch die Vertragsabschlüsse im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheids und der daraus resultierenden Kündigungsverpflichtung gegenüber den Vertragspartnern schadenersatzpflichtig mache. Es sei zu erwarten, dass diese eventuellen Ersatzansprüche als Argumentation gegen das Bürgerbegehren verwendet würden. Selbst wenn dies rechtlich keinen Einfluss haben sollte, könne die Notwendigkeit der Vertragskündigung der Antragsgegnerin als Werbung für ihre Position bei der Durchführung des Bürgerentscheids dienen.
Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzulehnen, und erklärte, es werde ausdrücklich zugesichert, dass der Bebauungsplan bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht bekanntgemacht werde. Damit entfalle das Rechtsschutzbedürfnis für einen Sicherungsantrag.
Mit Beschluss vom 28. Januar 2020 erließ das Verwaltungsgericht eine dem Antrag vom 24. Januar 2020 nahezu wörtlich entsprechende einstweilige Anordnung. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragsteller hätten im Hinblick auf die für denselben Tag geplanten Gemeinderatsbeschlüsse einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Zwar sei der Beschluss über die Bebauungsplansatzung vorerst nur ein Internum, das erst mit der Bekanntmachung rechtsgültig und wirksam werde. Bei nachträglicher Zulassung des Bürgerbegehrens müsse aber die dann bereits beschlossene Satzung jedenfalls intern wieder aufgehoben bzw. geändert werden, da der erste Bürgermeister anderenfalls zum Vollzug des Beschlusses verpflichtet sei. Es liege ferner auf der Hand, dass ein späterer Bürgerentscheid jedenfalls unter erschwerten Bedingungen erfolgen würde, da die Bürger für eine Abstimmung zu einem im Gemeinderat bereits abschließend behandelten Thema mobilisiert werden müssten. Es könne offenbleiben, ob mögliche Schadenersatzansprüche der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens entgegengehalten werden könnten. Denn selbst wenn dies rechtlich keinen Einfluss haben sollte, dürfte der Verweis auf die gegebenenfalls notwendigen Vertragskündigungen der Antragsgegnerin als Werbung für ihre Position dienen. Es sei auch ein aus Art. 18a Abs. 9 GO folgender Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht worden. Die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens könne mit solcher Wahrscheinlichkeit bejaht werden, dass eine gegenteilige Entscheidung im Hauptsacheverfahren praktisch ausgeschlossen sei; hierzu werde auf das gerichtliche Hinweisschreiben vom 27. Dezember 2019 Bezug genommen. Die einstweilige Anordnung sei auch in dem erkannten Umfang erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs sei zwar bei Bürgerbegehren, die sich gegen den Erlass einer Rechtsnorm richteten, grundsätzlich eine auf Unterlassung der Bekanntmachung gerichtete Sicherungsanordnung ausreichend; dies sei aber als ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu verstehen. Hier sei zu beachten, dass es sich bei den in der Sitzung geplanten städtebaulichen Verträgen und der Vereinbarung zu Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nicht um Rechtsvorschriften handle, die erst mit Bekanntmachung gültig würden. Davon abgesehen gehe die Kammer davon aus, dass dem Sicherungsbedürfnis der Antragsteller mit der von der Antragsgegnerin abgegebenen Zusicherung, den Bebauungsplan nicht bekanntzumachen, nicht ausreichend Rechnung getragen werde. Die Bekanntmachung der Satzung und die Genehmigung des geänderten Flächennutzungsplans stellten nur formelle Angelegenheiten im Rahmen des Vollzugs dar, während die materielle Entscheidung, insbesondere die Abwägung, bereits in der Gemeinderatssitzung vorgenommen worden sei. In einer Zwischenentscheidung vom 14. Dezember 2018 (Az. 4 CE 18.2578) habe auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einer Gemeinde einen Satzungsbeschluss über einen Bebauungsplan vorläufig untersagt.
Gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wendet sich die Antragsgegnerin mit der vorliegenden Beschwerde.
Die Antragsteller treten der Beschwerde entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Januar 2020 ist zulässig. Sie wurde von den Bevollmächtigten der Antragsgegnerin in Ausübung der ihnen vom ersten Bürgermeister am 28. Januar 2020 erteilten Prozessvollmacht frist- und formgerecht eingelegt und begründet (§ 147 Abs. 1 Satz 1, § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO).
Diese Prozesshandlungen waren entgegen dem Einwand der Antragsteller nicht deshalb – bis zu einer etwaigen Genehmigung durch den Gemeinderat (vgl. Wernsmann/Neudenberger in BeckOK Kommunalrecht Bayern, GO, Art. 38 Rn. 17; Glaser in Widtmann u.a., GO, Art. 29 Rn. 25 m.w.N.) – vorläufig unwirksam, weil der Beschwerdeeinlegung kein Gemeinderatsbeschluss zugrunde lag. Zwar ist die Entscheidung über die Einlegung eines Rechtsmittels bei einer so kleinen Gemeinde wie der Antragsgegnerin nicht als laufende Angelegenheit anzusehen, für die der erste Bürgermeister nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO originär zuständig gewesen wäre (vgl. BayVGH, B.v. 20.10.2011 – 4 CS 11.2047 – BayVBl 2012, 341 Rn. 8). Wenn innerhalb einer kurzen Frist über die Einlegung eines Rechtsmittels in einem Eilrechtsschutzverfahren entschieden werden muss, liegt aber in der Regel ein „unaufschiebbares Geschäft“ im Sinne des Art. 37 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 GO vor, so dass der Bürgermeister anstelle des Gemeinderats handeln darf (BayVGH, U.v. 27.1.1958 – 314 III 56 – VGH n.F. 11, 29/30 = BayVBl 1958, 124; Bauer/Böhle/Ecker, Bayer. Kommunalgesetze, GO, Art. 37 Rn. 13; Wernsmann/Neudenberger, a.a.O., Art. 37 Rn. 35; vgl. auch Glaser, a.a.O., Art. 37 Rn. 14).
Eine solche Eilzuständigkeit war auch unter den hier vorliegenden Umständen anzunehmen. Der dem Antrag stattgebende Beschluss ging den Bevollmächtigten der Antragsgegnerin laut Empfangsbekenntnis am 28. Januar 2020 zu, so dass die zweiwöchige Beschwerdefrist am 11. Februar 2020 um 24 Uhr ablief. Bis dahin konnte der Gemeinderat nicht mehr rechtzeitig im Rahmen des turnusmäßigen Sitzungsbetriebs über die Rechtsmitteleinlegung entscheiden. Zwar fand noch am Tag des Fristablaufs um 19.00 Uhr eine Gemeinderatssitzung statt, die laut dem im Ratsinformationssystem abrufbaren Protokoll um 22.15 Uhr endete. Es konnte aber nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass die mit der Vertretung im Eilverfahren beauftragte Kanzlei sich an diesem Abend außerhalb der üblichen Bürozeiten für einen ungewissen Zeitraum bereithalten würde, um eine mögliche Entscheidung des Gemeinderats abzuwarten und ggf. noch kurz vor Fristablauf die Beschwerde einzulegen.
Die (zunächst fristwahrende) Einlegung des Rechtsbehelfs im Eilverfahren hatte für die Antragsgegnerin auch nicht eine so weitreichende Bedeutung, dass der erste Bürgermeister allein wegen dieser Angelegenheit eine Sondersitzung des Gemeinderats hätte einberufen oder die auf den 11. Februar 2020 geladene reguläre Sitzung hätte vorverlegen müssen. Sind nach einem festen Sitzungsplan in ausreichend engen Zeitabständen planmäßige Sitzungen vorgesehen, kann für die Inanspruchnahme der Eilkompetenz des ersten Bürgermeisters grundsätzlich nicht gefordert werden, dass auch eine Sondersitzung nicht mehr rechtzeitig einberufen werden könnte. Denn die Einrichtung eines festen Sitzungsplanes soll gerade Terminkollisionen ausschließen und den Gemeinderatsmitgliedern eine regelmäßige Teilnahme am Sitzungsbetrieb ermöglichen (vgl. zum Ganzen Glaser, a.a.O., Art. 37 Rn. 15 m.w.N.).
2. Die hiernach zulässige Beschwerde, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Erlass einer Sicherungsanordnung zu Unrecht stattgegeben.
a) Soweit der Antragsgegnerin mit der „bis zur Durchführung des Bürgerentscheids“ geltenden Eilentscheidung eine Beschlussfassung auch für den Zeitraum nach einer möglichen Zulassung des Bürgerbegehrens untersagt worden ist, liegt darin ein Verstoß gegen die in § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 938 Abs. 1 ZPO enthaltene Vorgabe, wonach einstweilige Anordnungen zur Zweckerreichung „erforderlich“ sein müssen. Da Zweck des Verfahrens nach § 123 VwGO die Verhinderung vollendeter Tatsachen vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens ist, kann eine einstweilige Anordnung in der Regel nur die Zwischenzeit bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache betreffen (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn.114). Im vorliegenden Fall kam daher einstweiliger Rechtsschutz von vornherein nur in Betracht für den Zeitraum bis zu einer abschließenden Entscheidung über die Verpflichtungsklage auf Zulassung des Bürgerbegehrens. Sollten die Antragsteller mit dieser Klage Erfolg haben, bedürfte es danach einer gerichtlichen Sicherungsanordnung auch deshalb nicht mehr, weil mit der verbindlichen Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens die Sperrwirkung des Art. 18a Abs. 9 GO eintritt (vgl. BayVGH, B.v. 29.4.1999 – 4 ZE 99.1279/4 CE 99.1279 – juris Rn. 21).
b) Eine einstweilige Anordnung konnte jedoch auch für den Zeitraum bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen Klageverfahrens nicht ergehen, da es insoweit, wie die Antragsgegnerin in ihrer Beschwerdebegründung zutreffend dargelegt hat, ebenfalls an dem erforderlichen Sicherungsbedürfnis fehlte.
aa) Die Vertreter eines (nach vorläufiger gerichtlicher Einschätzung) als zulässig anzusehenden Bürgerbegehrens haben nach der Einreichung der Unterschriftenlisten einen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbaren grundsätzlichen Anspruch auf Sicherung der Durchführung des erstrebten Bürgerentscheids, also darauf, dass die betreffende Gemeinde – nach Abwägung mit deren Interessen – den Bürgerentscheid nicht durch die Schaffung vollendeter Tatsachen leer laufen lässt oder anderweitig vereitelt (vgl. BayVGH, B.v. 7.5.1998 – 4 ZE 98.1360 – BayVBl 1998, 567, B.v. 25.6.2012 – 4 CE 12.1224 – BayVBl 2013, 19 m.w.N.). Anders als bei der aufgrund der Zulassung eintretenden Sperrwirkung gemäß Art. 18a Abs. 9 GO verhindert dieser aus Art. 12 Abs. 3 BV folgende Sicherungsanspruch (vgl. BayVGH, B.v. 12.9.1997 – 4 ZE 97.2758 – BayVBl 1998, 24) allerdings nicht jede dem Bürgerbegehren entgegenstehende Entscheidung und jeden entsprechenden Vollzugsakt, sondern nur solche gemeindlichen Maßnahmen, die irreparable Verhältnisse schaffen und damit die Ziele des Bürgerbegehrens unterlaufen (BayVGH, B.v. 7.5.1998, a.a.O.; Suerbaum/Retzmann in BeckOK Kommunalrecht Bayern, GO, Art. 18a Rn. 55; Bauer/Böhle/Ecker, a.a.O., Art. 18a Rn. 22). Die Gemeindeorgane dürfen nicht durch eine beschleunigte Durchsetzung ihrer Interessen und eine gleichzeitige Verfahrensverzögerung bei der Zulassung des Bürgerbegehrens Fakten schaffen, die eine objektive Zwangslage zu ihren Gunsten herbeiführen oder dem Bürgerbegehren die Grundlage entziehen (vgl. BayVGH, B.v. 7.10.1997 – 4 ZE 97.2965 – BayVBl 1998, 85).
bb) Daran gemessen steht den Antragstellern zumindest nach derzeitigem Stand kein Sicherungsanspruch zu, so dass die Erfolgsaussichten der anhängigen Klage auf Zulassung des Bürgerbegehrens nicht weiter zu prüfen sind. Weder die zu erwartenden Gemeinderatsbeschlüsse über die Änderung des Flächennutzungsplans und über die Aufstellung eines Bebauungsplans mit dem Ziel einer Verlegung der M… Straße (dazu nachfolgend (1)) noch die beabsichtigte Beschlussfassung über den Abschluss zweier städtebaulicher Verträge und einer Vereinbarung zu Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen (dazu nachfolgend (2)) sind geeignet, vollendete Tatsachen zu Lasten des Bürgerbegehrens zu schaffen. In der Fortführung des Planungsverfahrens liegt für sich genommen auch noch keine unzulässige Beeinträchtigung von Rechtspositionen der Unterstützer des Bürgerbegehrens bzw. eines möglichen Bürgerentscheids (nachfolgend (3)).
(1) Das Ziel des Bürgerbegehrens, alle dem Erhalt der jetzigen Verkehrsführung der M… Straße dienenden zulässigen Maßnahmen zu ergreifen, ließe sich erreichen, wenn die Antragsgegnerin entweder im Rahmen des Parallelverfahrens zur Aufstellung eines Bebauungsplans und zur Änderung des Flächennutzungsplans auf die Verlegung der genannten Straße verzichten, also entsprechende Planänderungen vornehmen, oder von einer Bauleitplanung für das betreffende Gebiet gänzlich absehen, d.h. das Planaufstellungs- und -änderungsverfahren abbrechen würde. Beide Möglichkeiten stünden auch dann noch offen, wenn der Gemeinderat den Bebauungsplan „M… Straße“ in der bislang vorgesehenen Fassung mit einer entsprechenden Änderung des Flächennutzungsplans beschließen würde. Aus einer solchen Beschlussfassung ergäben sich keine rechtlichen oder tatsächlichen Folgen, die im Falle eines späteren erfolgreichen Bürgerentscheids nicht mehr rückgängig gemacht werden könnten.
Die von der Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Straßenbaulast (Art. 9 Abs. 1 Satz 1, Art. 47 Abs. 1 BayStrWG) beabsichtigte Verlegung der Gemeindeverbindungs straße soll gemäß den Festsetzungen eines Bebauungsplans (§ 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB) und somit auf der Grundlage einer gemeindlichen Satzung (§ 10 Abs. 1 BauGB) erfolgen. Diese örtliche Rechtsvorschrift tritt aber erst in Kraft, wenn sie von dem für den Vollzug der Gemeinderatsbeschlüsse zuständigen ersten Bürgermeister (Art. 36 GO) oder einem seiner Vertreter (Art. 39 GO) ausgefertigt und amtlich bekanntgemacht worden ist (Art. 26 Abs. 1 und 2 GO). Der in einer Gemeinderatssitzung gefasste Satzungsbeschluss allein bildet daher noch keine ausreichende Rechtsgrundlage für die von der Antragsgegnerin als Bestandteil einer Ortsplanung vorgesehene Straßenverlegung, die durch das Bürgerbegehren verhindert werden soll.
Der auf die Vermeidung vollendeter Tatsachen gerichtete Sicherungsanspruch der Vertreter des Bürgerbegehrens kann unter diesen Umständen regelmäßig nur darauf gerichtet sein, die Bekanntmachung des Bebauungsplans bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu unterlassen (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2007 – 4 CE 07.647 – BayVBl 2007, 497 Rn. 22; B.v. 19.3.2007 – 4 CE 07.416 – juris Rn. 28; B.v. 25.6.2012 – 4 CE 12.1224 – BayVBl 2013, 19 Rn. 34; B.v. 18.1.2019 – 4 CE 18.2578 – juris Rn. 17). Ein diesbezügliches Sicherungsbedürfnis besteht aber im vorliegenden Fall nicht, da die Antragsgegnerin ausdrücklich zugesichert hat, den in Aufstellung befindlichen Bebauungsplan bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nicht bekanntzumachen. Angesichts dieser Erklärung, die das Inkrafttreten der Satzung auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschiebt, kann einstweilen auch nicht (mehr) von einer materiellen Planreife im Sinne des § 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB ausgegangen werden (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2007 – 4 CE 07.647 – a.a.O., Rn. 22 ff.), so dass offenbleiben kann, ob der spezielle Zulässigkeitstatbestand des § 33 BauGB außerhalb eines förmlichen Zulassungsverfahrens überhaupt anwendbar ist.
Von dem Grundsatz, dass bei Bürgerbegehren, die sich gegen den Erlass einer Rechtsnorm wenden, eine auf Unterlassung der Bekanntmachung gerichtete Sicherungsanordnung ausreicht, ist der Senat auch in der vom Verwaltungsgericht zitierten Zwischenverfügung vom 14. Dezember 2018 (Az. 4 CE 18.2578 – juris) nicht abgerückt. Der damaligen Antragsgegnerin wurde zwar für den kurzen Zeitraum bis zur Entscheidung im Beschwerdeverfahren schon die angekündigte Beschlussfassung über einen Bebauungsplan untersagt. Dies geschah aber ausdrücklich ohne eine auch nur summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage allein mit Blick auf die erhöhte Eilbedürftigkeit angesichts eines unmittelbar vor dem Abschluss stehenden Baugenehmigungsverfahrens (BayVGH, a.a.O., Rn. 2). Wie aus der Begründung der nachfolgenden Beschwerdeentscheidung vom 14. Januar 2019 (Az. 4 CE 18.2578 – juris Rn. 17) hervorgeht, war damit keine Änderung der Rechtsprechung intendiert.
Soweit das Verwaltungsgericht die Rechtfertigung für einen (ausnahmsweise) schon die Beschlussfassung im Gemeinderat umfassenden Sicherungsanspruch darin sieht, dass es sich bei der Bekanntmachung des Bebauungsplans bzw. der Genehmigung des Flächennutzungsplans nur um „formelle Angelegenheiten“ handle, während in der Gemeinderatssitzung die materielle (Abwägungs-)Entscheidung getroffen werde, vermag dies nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, dass diese Überlegung nicht einen Ausnahmefall, sondern den Normalfall betrifft, liegt darin auch kein hinreichender Grund für eine so frühzeitig eingreifende gerichtliche Sicherungsanordnung. Der bloße Umstand, dass im Verfahren der Bauleitplanung die Sachentscheidung stets in einer Sitzung des Gemeinderats (Art. 29 GO) oder eines beschließenden Ausschusses (Art. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GO) getroffen wird, sagt noch nichts darüber aus, ab wann einem Bürgerbegehren durch den Fortgang des Bauleitplanverfahrens die Grundlage entzogen werden kann, so dass ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis besteht. Solange ein von dem zuständigen Organ als Satzung beschlossener Bebauungsplan nicht bekanntgemacht worden ist und (wie hier) bis auf weiteres auch nicht bekannt gemacht werden soll, entfaltet er keinerlei Rechtswirkungen, die dem beantragten Bürgerentscheid entgegenstehen könnten. Der Beschluss über den Erlass des Bebauungsplans muss im Übrigen entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts auch im Falle der nachträglichen Zulassung des Bürgerbegehrens nicht etwa sogleich wieder aufgehoben bzw. geändert werden. Der erste Bürgermeister ist dann lediglich nach Art. 18a Abs. 9 GO bis zur Durchführung des Bürgerentscheids gehindert, das Rechtsetzungsverfahren durch öffentliche Bekanntmachung zum Abschluss zu bringen und dem Bebauungsplan damit zur Rechtswirksamkeit zu verhelfen.
(2) Aus der Absicht der Antragsgegnerin, im Zusammenhang mit der Bauleitplanung über den Abschluss von zwei städtebaulichen Verträgen und über eine Vereinbarung zu Ersatz- und Ausgleichsmaßnahmen im Gemeinderat abstimmen zu lassen, können die Antragsteller ebenfalls keinen Sicherungsanspruch ableiten.
Ein bloßer Gemeinderatsbeschluss stellt, auch wenn er nicht auf den Erlass einer Satzung, sondern auf den Abschluss eines zivil- oder öffentlich-rechtlichen Vertrags abzielt, nur ein jederzeit revidierbares Internum dar, mit dem einem Bürgerbegehren noch nicht die Grundlage entzogen werden kann (vgl. Thum, Bürgerbegehren und Bürgerentscheid in Bayern, Stand 1.1.2020, Art. 18a Abs. 9 Anm. 2.c.(1)). Zwar hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer früheren Eilentscheidung einer Gemeinde bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulassung eines Bürgerbegehrens untersagt, bestimmte Verträge abzuschließen, falls diese nicht eine freie Rücktrittsmöglichkeit, insbesondere ohne Schadensersatzverpflichtung, für den Fall eines erfolgreichen Bürgerentscheids enthielten (BayVGH, B.v. 29.4.1999 – 4 ZE 99.1279 / 4 CE 99.1279 – juris). Auch diese Anordnung, mit der eine rechtliche bzw. finanzielle Zwangslage abgewendet werden sollte, betraf aber nicht die Beschlussfassung im Gemeinderat, sondern sollte nur den ersten Bürgermeister hindern, in Ausübung seiner Zuständigkeit nach Art. 36 und Art. 38 GO außenrechtswirksame Vertragserklärungen bestimmten Inhalts gegenüber Dritten abzugeben. Erst wenn solche Vollzugsmaßnahmen anstehen, die eine dem Bürgerbegehren massiv zuwiderlaufende rechtliche Bindung der Gemeinde bewirken, kann sich daraus ein im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzbarer Sicherungsanspruch ergeben.
Diese Voraussetzungen sind hier zumindest derzeit nicht gegeben. Ob und inwieweit die Antragsgegnerin an die Verträge, über die der Gemeinderat in nächster Zeit abstimmen soll, auch nach einem erfolgreichen Bürgerentscheid gebunden bzw. bei einer Kündigung schadensersatzpflichtig wäre, lässt sich gegenwärtig aus Sicht des Gerichts nicht beurteilen, da der Inhalt der Verträge bisher weder den Antragstellern bekannt noch von der Antragsgegnerin erläutert worden ist. Diese Ungewissheit reicht aber allein nicht aus, um gegenüber der Antragsgegnerin ein vorsorgliches Verbot des Vertragsabschlusses zu erlassen. Da über die abzuschließenden Vereinbarungen in öffentlicher Sitzung beraten werden soll, also keine Geheimhaltungsgründe vorliegen, ist davon auszugehen, dass die Antragsteller von den Vertragsinhalten rechtzeitig Kenntnis erhalten und damit Gelegenheit haben werden, einen daraus möglicherweise abzuleitenden Sicherungsanspruch in einem künftigen Eilverfahren zu substantiieren und glaubhaft zu machen. Die Frage, ob die Antragsgegnerin nach einer Beschlussfassung im Gemeinderat von sich aus bereit wäre, auf den förmlichen Abschluss der Verträge ebenso wie schon auf die Bekanntmachung des Bebauungsplans bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit des Bürgerbegehrens zu verzichten, bedarf hiernach keiner weiteren Prüfung.
(3) Auch der vom Verwaltungsgericht ergänzend angeführten Erwägung, dass ein späterer Bürgerentscheid unter unzumutbar erschwerten Bedingungen stattfände, wenn der Gemeinderat zum selben Thema schon abschließend entschieden hätte oder wenn abgeschlossene Verträge eigens gekündigt werden müssten, kann nicht gefolgt werden. Im Unterschied zu der kraft Gesetzes eintretenden Sperrwirkung nach Art. 18a Abs. 9 GO, die im Regelfall höchstens drei Monate bis zur Durchführung des Bürgerentscheids fortdauert (Art. 18a Abs. 10 Satz 1 Halbs. 1 GO), gilt die – bei hinreichenden Erfolgsaussichten des Zulassungsbegehrens ergehende – gerichtliche Sicherungsanordnung für den meist deutlich längeren Zeitraum bis zur Rechtskraft der Hauptsacheentscheidung. Während dieser Zeit sind die gewählten Gemeindeorgane nicht wie im Vorfeld eines Bürgerentscheids an jeglicher dem Bürgerbegehren zuwiderlaufenden Entscheidung und deren Vollzug gehindert, sondern nur an der Schaffung vollendeter Tatsachen, durch die dem Bürgerbegehren rechtlich oder faktisch die Grundlage entzogen wird (s. oben, II.2.b.aa.). Dies ist noch nicht der Fall, wenn sich aus einem gemeindlichen Handeln lediglich politische Argumente ergeben, die gegen den plebiszitären Entscheidungsvorschlag eingewandt werden können. Dass eine Gemeinde ein laufendes Bebauungsplanverfahren trotz eines anhängigen Rechtsstreits um die Zulassung eines Bürgerbegehrens weiterbetreibt und daher im Falle eines späteren Bürgerentscheids auf den dann schon weit fortgeschrittenen Verfahrensstand verweisen kann, ist daher nicht zu beanstanden, solange sie den beschlossenen Bebauungsplan nicht bekanntmacht und zur Verwirklichung ihres Planungsziels keine irreversiblen vertraglichen Bindungen eingeht. Die Vertreter des gegen eine Bauleitplanung gerichteten Bürgerbegehrens können demnach nicht verlangen, dass das Planaufstellungsverfahren für die Dauer des Hauptsacheverfahrens völlig zum Erliegen kommt (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2012 – 4 CE 12.1224 – BayVBl 2013, 19 Rn. 34).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 i.V. mit § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V. mit Nrn. 1.5, 22.6 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).