Baurecht

Sondernutzungsgebühren für Vordach

Aktenzeichen  M 10 K 16.2532

Datum:
15.12.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayStrWG BayStrWG Art. 2 Abs. 2, Art. 21

 

Leitsatz

Vordächer nutzen die öffentliche Straße im Wege der (gebührenpflichtigen) Sondernutzung. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, ist sie einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO).
2. Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten über Sondernutzungsgebühren vom 2. Mai 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
a. Ermächtigungsgrundlage sind die §§ 2 und 4 der Satzung über die Gebühren für Sondernutzungen auf öffentlichen Straßen in der … … vom 25. Juni 2014, zuletzt geändert am 13. Juli 2015 (SoNuGebS). An der Wirksamkeit der Sondernutzungsgebührensatzung bestehen keine Bedenken; die Klägerin hat auch keine Unwirksamkeitsgründe vorgetragen.
b. Die Beklagte hat die Satzung auch rechtmäßig angewendet. Die über die öffentliche Straße ragenden Vordächer stellen eine Sondernutzung dar (dazu unter aa.), ein Ausschluss der Gebührenpflicht liegt nicht vor (dazu unter bb.) und auch die Höhe der Gebühren wurde korrekt festgelegt (dazu unter cc.). Der vorhandenen Baugenehmigung kommt keine Konzentrationswirkung zu und eine solche wäre für die Gebührenpflicht auch unerheblich (dazu unter dd.)
aa. Die streitgegenständlichen Vordächer nutzen die öffentliche Straße im Wege der Sondernutzung. Denn gemäß Art. 2 Abs. 2 BayStrWG gehört auch der Luftraum über der Straße zu dieser und die Vordächer sind vom Widmungszweck der öffentlichen Straße zum Verkehr nicht erfasst. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus § 15 Abs. 4 der Richtlinien für Sondernutzungen an den öffentlichen Straßen der … … vom 9. April 2014, zuletzt geändert am 1. Juli 2015 (SoNuRL), in denen Vordächer nicht ausdrücklich als Sondernutzung aufgeführt sind. Denn zum einen handelt es sich nach dem Wortlaut um eine nicht abschließende Aufzählung, was „in der Regel“ eine erlaubnisfähige Sondernutzung darstellt. Zudem befasst sich § 15 SoNuRL auch inhaltlich nur mit ausgewählten Nutzungen durch Anlieger bzw. Gewerbetreibende, etwa Balkone werden ebenfalls nicht in der Norm genannt.
bb. Ein Ausschluss der Gebührenpflicht nach § 10 Abs. 1 letzte Alt. SoNuGebS liegt nicht vor. Danach werden Gebühren nicht erhoben, wenn die Sondernutzung ausschließlich oder überwiegend im öffentlichen Interesse erfolgt. Zwar stehen die Gebäude unter Denkmalschutz, so dass die Klägerin auch hinsichtlich der Vordächer bei Umbauten Restriktionen unterliegt. Jedoch überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an der Erhaltung denkmalgeschützter Gebäude im vorliegenden Fall nicht das Interesse der Klägerin an der Nutzung der öffentlichen Straße durch die Vordächer. Denn letztere dienen auch dem Schutz der Fassade, der Schaufenster, ausgelegter Ware sowie der Kundschaft der Läden, an die die Klägerin das Erdgeschoss vermietet hat. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt den Vordächern hierbei eine eigenen Funktion neben den zusätzlich angebrachten Markisen zu, da diese allenfalls vor Sonne, nicht aber vor stärkerem Regen, Sturm, Hagel, Schnee oder herabfallenden Ästen und Blättern schützen.
cc. Auch hinsichtlich der Höhe der Sondernutzungsgebühren ist der Bescheid der Beklagten vom 2. Mai 2016 rechtmäßig. Die Beklagte hat zu Recht für die Vordächer auf Nr. 20 des Gebührenverzeichnisses in Anlage I zur SoNuGebS zurückgegriffen. Nach dem Wortlaut betrifft die Vorschrift „Erker, Aufzugschächte, Vordächer und Balkone, jeweils ab dem 1. Obergeschoss“. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich hieraus nicht ableiten, dass die streitgegenständlichen Vordächer, weil sie in 4 m Höhe über dem Erdgeschoss angebracht sind, nicht mehr erfasst werden sollen. Denn aus der systematischen Zusammenschau der Nr. 20 mit der Nr. 21 der Anlage I zur SoNuGebS („…Erker, Balkone, Aufzugschächte jeweils im Erdgeschoss“) ergibt sich nicht etwa, dass Vordächer über dem Erdgeschoss nicht geregelt und damit gebührenfrei bleiben sollen. Vielmehr liegt der Regelung der Sinn und Zweck zu Grunde, die für den Gemeingebrauch stärker beeinträchtigenden Nutzungen im Erdgeschoss, beispielsweise ein Erker, der auf die öffentliche Straße ragt, teurer zu gestalten als Nutzungen über der Straße, etwa einen Erker im Obergeschoss, unter dem Fußgänger hinweglaufen können. Vordächer im Erdgeschoss sind unter diesem Aspekt nicht denkbar, sondern befinden sich immer über dem Straßenraum, so dass sie allein in der „kostengünstigeren“ Nr. 20 geregelt werden sollten. Die Interpretation der Klägerseite, Vordächer über dem Erdgeschoss seien gebührenfrei und erst Vordächer über dem ersten Obergeschoss unterfielen der Gebührenpflicht, kann auch dem telos der Vorschrift nicht entsprechen, da nahezu alle Vordächer über dem Erdgeschoss angebracht sind und damit aus dem Regelungsbereich fielen. Das kann aber in einer Zusammenschau mit der grundsätzlichen Erlaubnispflicht des § 4 SoNuRL nicht gemeint sein.
dd. Auf eine Konzentrationswirkung der Baugenehmigung kommt es nicht an. Denn Sondernutzungsgebühren fallen unabhängig davon an, ob die Sondernutzung erlaubt oder nicht erlaubt ist (§ 3 Abs. 1 SoNuGebS) und mithin auch unabhängig von einer etwaigen Legalisierung durch eine Genehmigung. Unabhängig davon, dass der 2008 eingeführte Art. 21 BayStrWG für die zu diesem Zeitpunkt bereits erteilte Baugenehmigung von 1929 keine Geltung beanspruchen kann (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2016 – 8 ZB 15.50 – juris Rn. 7; vgl. auch BayVGH, U.v. 11.11.2014 – 15 B 12.2765 – juris Rn. 21 ff.), ist der Gebührenbescheid vom 2. Mai 2015 mithin rechtmäßig.
c. Die Klage war daher abzuweisen.
3. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, trägt gemäß § 155 Abs. 2 VwGO die Klägerin die Kosten des Verfahrens. Auch die restlichen Kosten fallen ihr als unterliegender Partei gem. § 154 VwGO zur Last.
4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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