Baurecht

Städtebauliche Erforderlichkeit für touristische Nutzung

Aktenzeichen  1 N 17.521

Datum:
2.5.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 13658
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB § 1 Abs. 3, Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 3 Abs. 2

 

Leitsatz

Eine Planung kann in nicht zu beanstandender Weise zur Sicherung eines Bereichs für touristische und gesundheitliche Nutzung ein Sondergebiet „Gesundheit/Hotel“ festsetzen. Soweit dabei aber eine Einschränkung eines Baurechts betroffen ist, muss dies ausreichend in der Abwägung berücksichtigt werden. Wird dabei nur die städtebauliche Erforderlichkeit der Festsetzung in die Erwägungen eingestellt, liegt eine Fehleinschätzung des Gewichts der betroffenen Eigentümerbelange vor.
Werden bei der Umsetzung eines Konzepts die Belange von Eigentümern im Hinblick auf die Festsetzung eines Sondergebiets – Gesundheit/Hotel unter Ausschluss aller Arten von Wohn- und Pflegeheimen sowie Ferienwohnungen und Pensionen durch textliche Festsetzungen – mit der damit verbundenen Einschränkung des Baurechts nicht ausreichend berücksichtigt und damit Art, Ausmaß und Gewicht der potentiellen Beeinträchtigung der Grundeigentümer durch die Planung verkannt, liegt ein Verstoß gegen die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG vor. (Rn. 23 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Bebauungsplan “…” ist unwirksam.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der im Hinblick auf die im Satzungsbereich des angegriffenen Bebauungsplans gelegenen Grundstücke der Antragstellerin gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg. Der im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB als Maßnahme der Innenentwicklung erlassene Bebauungsplan leidet zwar nicht unter einem beachtlichen Verfahrensfehler nach § 3 Abs. 2, § 214 Abs. 1 Nr. 2, § 215 BauGB (1.) und ist auch städtebaulich erforderlich (2.). Er ist aber hinsichtlich der Festsetzung eines Sondergebiets Gesundheit/Hotel abwägungsfehlerhaft. Der beachtliche Mangel führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans (3.).
1. Der Bebauungsplan leidet nicht an einem beachtlichen Verfahrensfehler nach § 3 Abs. 2, § 214 Abs. 1 Nr. 2 und § 215 BauGB. Die im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung in der Zeit vom 26. Januar bis 26. Februar 2016 erfolgte Auslegung der Unterlagen genügt den gesetzlichen Anforderungen. § 3 BauGB regelt die Beteiligung der Öffentlichkeit. Das Verfahren der Öffentlichkeitsbeteiligung dient in erster Linie der Beschaffung und Vervollständigung des notwendigen Abwägungsmaterials und soll den von der Planung Betroffenen die Möglichkeit geben, ihre Interessen und Rechte frühzeitig geltend zu machen und in den Entscheidungsprozess einzubringen. Ort und Dauer der Auslegung der Planentwürfe sind ortsüblich bekannt zu machen. Die ortsübliche Bekanntmachung hat nicht den darüber hinausgehenden Zweck, den am Planungsprozess Interessierten jedwede Anstrengung zu ersparen, den Planentwurf ausfindig zu machen. Eigenständige Bemühungen, die den Betroffenen nicht überfordern, dürfen ihm zugemutet werden (vgl. BVerwG, B.v. 29.6.2017 – 4 BN 37.16 – juris Rn. 3 unter Hinweis auf U.v. 29.1.2009 – 4 C 16.07 – BVerwGE 133, 98; B.v. 8.9.1992 – 4 NB 17.92 – BRS 54 Nr. 27).
Daran gemessen genügte die öffentliche Bekanntmachung den gesetzlichen Anforderungen. In ihr waren als Ort der Auslegung das Stadtbauamt der Antragsgegnerin mit Adresse und Zimmernummer angegeben. Außerdem wurde mitgeteilt, dass Termine außerhalb der allgemeinen Geschäftszeiten telefonisch vereinbart werden können. Die Antragstellerin musste damit rechnen, durch Nachfragen bei Bediensteten der Antragsgegnerin den genauen Standort der Planunterlagen ermitteln zu müssen. Dies ist nach Auffassung des Senats auch zumutbar. Zumutbar ist auch, dass bei Nachfrage – wie vorliegend – die Bediensteten der Antragsgegnerin noch nach Unterlagen suchen mussten. Denn das Baugesetzbuch setzt voraus, dass die zur Beteiligung aufgerufenen Bürger und sonstigen Interessierten „mündig“ und in der Lage sind, sich in einem Dienstgebäude durch Nachfragen zurechtzufinden.
2. Der Bebauungsplan ist auch städtebaulich gerechtfertigt und damit erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 25.7.2017 – 4 BN 12.17 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 -BVerwGE 153, 16; U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – BVerwGE 146, 137) sind Bebauungspläne nur dann nicht erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB, wenn sie einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan, der aus tatsächlichen oder Rechtsgründen auf Dauer oder unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt, die Aufgabe der verbindlichen Bauleitplanung nicht zu erfüllen vermag. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Dies gilt auch für eine sogenannte Vorrats- oder Angebotsplanung (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1993 – 8 C 46.91 – BVerwGE 92, 8). Der Gemeinde ist dabei gestattet, bei ihrer Städtebaupolitik nicht nur den Status quo festzuschreiben, sondern auch mit den Mitteln der Bauleitplanung auf Änderungen hinzuwirken (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 4 C 21.07 – BVerwGE 133, 310). In diesem Zusammenhang kann auch eine Bezugnahme auf ein städtebauliches Entwicklungskonzept nach § 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB eine der Bauleitplanung unterstützende Bedeutung zukommen (vgl. BVerwG, U.v. 27.3.2013 a.a.O.). Für die Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung hingegen ist das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB maßgeblich, das im Hinblick auf die gerichtliche Kontrolldichte, Fehlerbeachtlichkeit und heranzuziehende Erkenntnisquellen abweichenden Maßstäben unterliegt. Deswegen kann die Abgewogenheit einer Bauleitplanung und ihrer Festsetzungen nicht bereits zum Maßstab für die städtebauliche Erforderlichkeit gemacht werden. Etwas anderes gilt auch nicht für Bebauungspläne der Innenentwicklung (vgl. BVerwG, B.v. 31.7.2014 – 4 BN 12.14 – NVwZ 2015, 161; BayVGH, U.v. 7.3.2018 – 1 N 15.625 – BayVBl 2018, 853).
Unter Zugrundlegung dieser Maßstäbe kann im vorliegenden Fall nicht davon ausgegangen werden, dass die Planung der Antragsgegnerin nicht erforderlich und damit nicht gerechtfertigt wäre. Das von der Antragsgegnerin zur Begründung des Bebauungsplans in den Vordergrund gerückte städtebauliche Ziel, den Bereich für qualitativ hochwertige Einrichtungen im Bereich Tourismus und Gesundheit zu sichern und die seit Jahren erfolgten Bemühungen, das Bäderviertel attraktiv für neue touristische Einrichtungen im Bereich Gesundheit und Übernachtung zu gestalten (§ 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB), zu sichern (Begründung des Bebauungsplans vom 7. März 2016, S. 2, 8 und 9), ist als solches ein zulässiges und damit auch im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB erforderliches und gerechtfertigtes Planungsziel (vgl. BayVGH, U.v. 29.5.2009 – 1 N 07.3063 – juris Rn. 3). Der Hinweis der Antragstellerin auf eine mangelnde Umsetzbarkeit der Festsetzungen im Plangebiet aufgrund dessen Größe, der Zusammensetzung aus relativ kleinteiligen Grundstücken mit unterschiedlichen Eigentümern sowie ihre mangelnde Unterstützung zur Umsetzung des Konzepts, soweit es ihre Grundstücke betrifft, vermag die städtebauliche Erforderlichkeit der Gesamtplanung nicht in Frage zu stellen. Denn die Prüfung, ob die Planung auf eine Verwirklichung in angemessener Zeit angelegt und rechtlich möglich ist, verlangt als Prognose keine letzte Gewissheit, dass der Vollzug der Regelung unter allen Umständen ausgeschlossen sein wird. Vielmehr ist anhand der konkreten Einzelfallumstände zu prüfen, ob auf der Grundlage der Darlegungen des Planungsträgers in der Planbegründung die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Bebauungsplan bzw. einzelne seiner Festsetzungen realistischerweise umgesetzt werden können. Dabei ist nicht zuletzt die Art der in Rede stehenden Festsetzungen von Bedeutung. Flächenfestsetzungen tragen in aller Regel schon dadurch eine Vollzugswahrscheinlichkeit in sich, weil die Zulässigkeit neuer Vorhaben (§ 29 Abs. 1 BauGB) an ihnen zu messen ist (§ 30 BauGB) und sich so zumindest langfristig ein Gebietswandel einstellen wird. Deswegen können und müssen unter Umständen auch auf längere Dauer andere als die festgesetzten Nutzungen hingenommen werden (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2014 – 4 CN 4.13 – BVerwGE 150, 101). Dass eine Umsetzung auch im Falle der Verwirklichung von (einzelnen) Vorhaben auf den Grundstücken ohne Zusammenschluss nicht schlechthin unmöglich ist, steht angesichts der vorliegenden Grundstücksgrößen von mindestens rund 1.600 m² nicht in Frage. Allein der Wille eines Grundstückseigentümers, die Realisierung einer bestimmten Festsetzung zu verhindern, ist regelmäßig nicht geeignet, diese Festsetzung außer Kraft treten zu lassen (vgl. BVerwG, U.v. 23.11.2016 – 4 CN 2.16 – BVerwGE 156, 336; U.v. 2.3.1973 – 4 C 40.71 – BVerwGE 42, 30). Soweit eine derartige Bauleitplanung eine bislang vorhandene Bebaubarkeit eines Grundstücks einschränkt sowie die Frage aufwirft, ob mit der zugelassenen baulichen Nutzung ein wirtschaftlich tragfähiges Gesamtkonzept verwirklicht werden kann, ist dies keine Frage der Erforderlichkeit der Planung, sondern vielmehr eine Frage der Einzelheiten einer konkreten planerischen Lösung (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537; B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – NVwZ 1999, 1338).
Unerheblich ist auch, ob die Bauleitplanung ihren Ausgang in einem Antrag betroffener Grundstückseigentümer genommen hat, da Gemeinden solche Vorgänge zum Anlass nehmen können, um ihre städtebaulichen und gestalterischen Vorstellungen in Bebauungsplänen festzuschreiben (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 16.03 – BVerwGE 120, 138). Daher kann dahinstehen, ob der Vorbescheidsantrag „Neubau eines Kurhotels mit Kureinrichtungen, Wellness und Wohnungen zwischen L.straße und B.straße“ der Beigeladenen zu 1 vom 20. Dezember 2010 in Absprache mit der Antragstellerin erfolgte oder ob er letztlich den Anlass für die hier streitgegenständliche Planung gegeben hat.
3. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die angegriffene Planung nicht frei von Abwägungsfehlern nach § 2 Abs. 3, § 1 Abs. 7 BauGB. Maßgeblich für die Abwägung ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die angefochtene Satzung (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB), hier also der 15. März 2016. Zeitlich nachfolgende tatsächliche Entwicklungen bei der Umsetzung der Planung sind damit nicht zu berücksichtigen.
Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das setzt eine zutreffende Ermittlung und Bewertung der für die Abwägung erheblichen Belange voraus (§ 2 Abs. 3 BauGB). Von der Planung berührte schutzwürdige Eigentümerinteressen und die mit den Festsetzungen verfolgten Belange müssen im Rahmen der Abwägung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Gleichheitssatzes in ein ausgewogenes Verhältnis gebracht werden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Dabei muss das der Planung zugrundeliegende Konzept im Bebauungsplan möglichst widerspruchsfrei umgesetzt werden. Mängel bei der Ermittlung, der Bewertung oder der Gewichtung der abwägungserheblichen Belange sind beachtlich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind (§ 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 BauGB).
Während vormals die Abwägungsfehlerlehre ausschließlich aus dem materiellen Abwägungsgebot (heute § 1 Abs. 7 BauGB) abgeleitet wurde, sieht der Gesetzgeber mit dem durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau – EAG Bau – vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1359 ff.) neu eingeführten § 2 Abs. 3 BauGB Ermittlungs- und Bewertungsmängel nunmehr als Verfahrensmängel an (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 4 BN 38.13 – BauR 2014, 1745; Mitschang in Berliner Kommentar zum BauGB, Stand Juni 2018, § 2 Rn. 82a), für deren Beachtlichkeit § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB und nicht § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB als Maßstab heranzuziehen ist (vgl. OVG Saarl., U.v. 5.9.2013 – 2 C 190.12 – juris Rn. 51). Gemäß § 2 Abs. 3 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und zu bewerten. Die Vorschrift verlangt, dass allen abwägungsrelevanten Belangen mit der erforderlichen Ermittlungstiefe nachgegangen wird und die so ermittelten Belange zutreffend gewichtet werden.
Soweit die Antragstellerin beanstandet, dass die Belange der von der Planung betroffenen Eigentümer nicht ausreichend ermittelt worden seien, da der Normaufstellungsakte eine ausreichende Ermittlung der Nutzungseinschränkungen für die betroffenen Grundstücke nicht zu entnehmen sei, die Antragsgegnerin sich vielmehr kein ausreichendes Bild von dem im Plangebiet bis zum Erlass des Bebauungsplans nach § 34 BauGB vorhandenen Baurecht gemacht habe und die Ausführungen in Ziffer 7 der Niederschrift der Sitzung des Stadtrats vom 21. Mai 2016, wonach eine Nutzung für den Wohnungsbau auf den Grundstücken auch früher nicht zulässig gewesen sei, vielmehr nahelegen würden, dass sogar von einer falschen Rechtslage ausgegangen worden sei, liegt kein Ermittlungsdefizit vor. Denn die Antragsgegnerin konnte angesichts der Lage des Plangebiets und der angrenzenden touristischen Betriebe das von ihr verfolgte Ziel der Stärkung des Hotel- und Gesundheitsstandortes mit der Ausrichtung des Gebiets als Sondergebiet vornehmen und einer ortsplanerisch unerwünschten Änderung der Struktur mit Mitteln der Bauleitplanung begegnen. Der Antragsgegnerin, die von einer „sehr geringen“ Vorprägung durch Wohnnutzung ausgegangen ist (Niederschrift über die Sitzung des Stadtrats vom 15. März 2016), war bekannt, dass sich auf dem Grundstück FlNr. … ein Wohnhaus befindet, die Pensionsnutzung auf dem Grundstück FlNr. … der Antragstellerin im Jahr 1998 aufgegebenen worden war und – zumindest ein Teil der – Eigentümer eine Wohnbebauung wünschten. Dass die Antragstellerin die Ausweisung eines Wohngebiets begehrte, hat sie erst mit Schreiben vom 16. Februar 2016 kundgetan. Die Frage, ob die Antragsgegnerin durch den Ausschluss einer Wohnnutzung ein eventuelles Baurecht der Antragstellerin fehlerhaft bewertet hat, ist im Rahmen der Abwägung zu prüfen. Ein Fehler bei der (gebietsbezogenen) Ermittlung der Grundstücksnutzung ist daher nicht erkennbar.
Ob die im Bebauungsplanverfahren vorliegenden Unterlagen zur Ermittlung des „dringenden Bedarfs an Investitionen zur Umsetzung touristischer bzw. gesundheitlicher Projekte“ als ausreichend zu erachten sind, braucht im Hinblick auf den im Folgenden abzuhandelnden Abwägungsfehler nicht weiter vertieft werden.
Denn die Antragsgegnerin hat bei der Umsetzung ihres Konzepts die Belange der Antragstellerin im Hinblick auf die Festsetzung eines Sondergebiets – Gesundheit/Hotel durch Planzeichen (A.2) unter Ausschluss aller Arten von Wohn- und Pflegeheimen sowie Ferienwohnungen und Pensionen durch textliche Festsetzungen (B.1.1 und 1.2) mit der damit verbundenen Einschränkung des Baurechts nicht ausreichend berücksichtigt und damit Art, Ausmaß und Gewicht der potentiellen Beeinträchtigung des Grundeigentums der Antragstellerin durch die Planung verkannt und gegen die Bestandsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verstoßen (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Private Belange, die der Gemeinde bekannt sind, muss die Gemeinde mit dem erforderlichen Gewicht berücksichtigen, wenn sie in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben (vgl. BVerwG, B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – juris Rn. 17).
Die Antragsgegnerin hat in den Sitzungen des Bauausschusses vom 21. Mai 2015 und 1. März 2016 sowie in der Sitzung des Stadtrats vom 15. März 2016 in Bezug auf die Belange der betroffenen Eigentümer zwar darauf abgestellt, dass die Grundstücke seit jeher im Kursondergebiet – Bebauungsplan Sondergebiet Badeteil – sowie im Geltungsbereich des Flächennutzungsplans und des Regionalplans (besonderer Tourismusstandort) lagen. Sie hat sich aber in der Abwägung nicht ausreichend mit der Frage beschäftigt, welches Baurecht der Antragstellerin nach Aufhebung des Bebauungsplans „Sondergebiet Badeteil“ 2005 zustand. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragsgegnerin eine Wohnnutzung auf den Grundstücken auch früher schon als nicht zulässig erachtet hat (Niederschrift der Sitzung des Bauausschusses vom 21. Mai 2015) und dabei an eine mögliche bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens nach § 35 BauGB gedacht haben könnte. Daran, dass die Grundstücke der Antragstellerin vor der Aufstellung des angegriffenen Bebauungsplans als dem nicht beplanten Innenbereich im Sinn von § 34 BauGB zugehörig zu qualifizieren waren, bestehen keine Zweifel. Auch wenn eine Einschränkung bisher bestehender Baumöglichkeiten durch einen Bebauungsplan grundsätzlich zulässig ist, war somit eine zwischenzeitliche Wohnnutzung auf den Grundstücken im Plangebiet zulässig. Der Antragsgegnerin ist insoweit zwar zuzustimmen, dass ein Anspruch des Eigentümers auf eine optimale Ausnutzung seiner Grundstücke durch Schaffung eines Baurechts nicht besteht. Allerdings genügt es nicht den Anforderungen an eine ausreichende Berücksichtigung der privaten Eigentumsbelange der Antragstellerin, dabei nur darauf abzustellen, dass angesichts der Lage des Plangebiets eine Verpflichtung zur Zulassung von Wohnbebauung und die damit verbundene Schaffung von Baurecht nicht besteht. Denn die Antragsgegnerin hat damit im Wesentlichen nur auf das Plankonzept abgestellt, wonach sich das Plangebiet aufgrund der Situierung zur Stärkung des Hotel- und Gesundheitsstandorts anbiete, ohne die Belange der Antragstellerin, insbesondere zu den künftigen Nutzungen, in den Blick zu nehmen. Damit hat sie die Bedeutung der von der Festsetzung betroffenen privaten Eigentumsbelange der Antragstellerin nur unzureichend erfasst. Es kann daher entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht die Rede davon sein, dass die privaten Belange der Antragstellerin offenkundig waren. Im Übrigen kann bezweifelt werden, ob im Plangebiet angesichts des dargelegten Planungsziels eine Nutzung als Gastwirtschaft, die für jedermann zugänglich ist, zumindest nach § 31 Abs. 2 BauGB zulässig wäre. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an, weil diese Alternative im maßgeblichen Zeitpunkt der Abwägung jedenfalls keine Rolle gespielt hat.
Ein ausreichender Abgleich der zulässigen Baurechte nach § 34 BauGB mit den getroffenen Festsetzungen ist daher nicht erfolgt. Damit liegt eine mit den angeführten verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG nicht zu vereinbarende Fehleinschätzung des Gewichts der betroffenen Belange vor. Das städtebaulich nachvollziehbare Anliegen der Antragsgegnerin entband sie nicht von ihrer Pflicht, die besondere Bedeutung des Entzugs eines bestehenden (Wohn-)Baurechts abwägend zu berücksichtigen.
Damit erweist sich die Planung insgesamt als abwägungsfehlerhaft. Die mit der Planung und der Festsetzung des Sondergebiets – Gesundheit/Hotel verbundenen Nachteile für die Antragstellerin wiegen schwer. Eine Abwägung dahingehend, dass als milderes Mittel auch eine teilweise Wohnnutzung entsprechend der Rahmenkonzeption möglich sein könnte bzw. das mit dem Konzept verfolgte städtebauliche Anliegen die Einschränkung oder sogar den Ausschluss von Wohnnutzung rechtfertigt, ist nicht erfolgt. Damit sind die schutzwürdigen Interessen der Antragstellerin, insbesondere soweit sie sich aus dem Eigentum und seiner Nutzung herleiten lassen, nicht ausreichend beachtet worden, obwohl die bisherigen planungsrechtlichen Verhältnisse und damit die Baulandqualität der Grundstücke der Antragstellerin der Antragsgegnerin bekannt waren.
Der rechtzeitig gerügte Fehler bei der Gewichtung des Abwägungsmaterials (§ 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB) ist den Normaufstellungsakten zu entnehmen und damit offensichtlich sowie auf das Abwägungsergebnis von Einfluss, weil die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Antragsgegnerin sich für Festsetzungen entschieden hätte, die der Antragstellerin in gewissem Umfang weitergehende Nutzungsmöglichkeiten eröffnen. Der Abwägungsfehler führt auch zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.1989 – 4 N 3.87 – BVerwGE 82, 225).
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil sie unterlegen ist (§ 154 Abs. 1 VwGO). Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, da sie keinen Antrag gestellt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO hat die Antragsgegnerin die Entscheidung in Nummer I der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils in derselben Weise zu veröffentlichen wie den angegriffene Bebauungsplan (§ 10 Abs. 3 BauGB).

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