Baurecht

Störende Häufung von Werbeanlagen – Verunstaltung in einem Mischgebiet

Aktenzeichen  AN 9 K 15.02085

Datum:
25.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 2, Art. 8 S. 2, S. 3, Art. 57 Abs. 1 Nr. 12, Art. 59 S. 1 Nr. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, Art. 81 Abs. 1
BauGB BauGB § 34 Abs. 1

 

Leitsatz

1 Eine störende Häufung im Sinn des Art. 8 S. 3 BayBO liegt vor, wenn sich ein gestalterischer Widerspruch aus der beziehungslosen Anhäufung von Werbeanlagen selbst oder ihrer Wirkung auf die Umgebung ergibt; eine bloße Häufung von Werbeanlagen allein begründet keine Störung. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2 Eine störende Häufung von Werbeanlagen ist zwar auch in gewerblich geprägten Baugebieten nicht ausgeschlossen, an eine störende Häufung von Werbeanlagen sind dort aber höhere Anforderungen zu stellen als etwa in einem allgemeinen Wohn- oder Mischgebiet (Anschluss an BayVGH BeckRS 2012, 52864). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist in Ziffer 2) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der vollstreckbaren Kosten vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung, der angefochtene Ablehnungsbescheid vom 29. September 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Prüfmaßstab für die nach Art. 2 Abs. 1 Satz 2, Art. 57 Abs. 1 Nr. 12 BayBO genehmigungspflichtige Werbeanlage sind gemäß Art. 59 Satz 1 Nr. 1 BayBO im vorliegend durchzuführenden vereinfachten Genehmigungsverfahren die Vorschriften über die planungsrechtliche Zulässigkeit und die Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinn des Art. 81 Abs. 1 BayBO. Nachdem sich die Beklagte als Ablehnungsgrund auch auf das bauordnungsrechtliche Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO berufen hat, ist auch diese Vorschrift im gerichtlichen Verfahren Prüfgegenstand (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayBO).
Wie sich insbesondere beim Augenschein ergeben hat, wofür aber auch die von der Beklagten mit Schreiben vom 27. Juli 2017 vorgelegten Lichtbilder sprechen, liegt hier eine störende Häufung von Werbeanlagen und damit ein Verstoß gegen Art. 8 Satz 3 BayBO vor. Ob darüber hinaus die geplante Werbeanlage auch das Straßen- und Ortsbild verunstaltet, Art. 8 Satz 2 BayBO, wofür manches spricht, kann daher offenbleiben.
Eine störende Häufung im Sinn des Art. 8 Satz 3 BayBO liegt vor, wenn sich ein gestalterischer Widerspruch aus der beziehungslosen Anhäufung von Werbeanlagen selbst oder ihrer Wirkung auf die Umgebung ergibt, eine bloße Häufung von Werbeanlagen allein begründet keine Störung (BayVGH, B.v. 12.1.2012 – 15 ZB 10.445). Eine störende Häufung von Werbeanlagen ist zwar auch in gewerblich geprägten Baugebieten nicht ausgeschlossen, an eine störende Häufung von Werbeanlagen sind dort aber höhere Anforderungen zu stellen als etwa in einem allgemeinen Wohngebiet oder Mischgebiet (BayVGH a.a.O.).
Wie bereits die Beklagte vorgetragen und durch eigene Feststellungen in den Akten erläutert, was sich aber auch im Augenschein bestätigt hat, ist die Tatsache, dass sich in unmittelbarer Umgebung des Aufstellungsortes der Werbeanlage zahlreiche andere Werbeanlagen befinden. So sind z.B. auf dem Baugrundstück in dessen nördlichem Bereich vor der östlichen Grundstücksgrenze zwei ca. 6 m bis 7 m hohe Masten mit Werbefahnen vorhanden, die baurechtlich genehmigt wurden. Weiter sind am Dachvorsprung der nördlichen Außenwand der auf dem Baugrundstück vorhandenen Halle drei Werbetafeln mit Werbung für den dort betriebenen Autoverkauf bzw. Autoreparaturbetrieb angebracht, ebenso wie zwischen den beiden Toren eine weitere Werbetafel angebracht ist. An der westlichen Wand des nördlichen Gebäudeteils auf dem Baugrundstück sind zwei Werbetafeln für die auf dem Baugrundstück betriebene Umzugsfirma sowie eine weitere Werbetafel für einen in der Nähe befindlichen Frisörsalon angebracht, die für einen stadtauswärts fahrenden oder auf dem Gehweg laufenden Betrachter zugleich mit der geplanten Werbeanlage in den Blick fallen. Zugleich befinden sich an der jeweiligen östlichen Außenwand des Gebäudes auf dem westlich des Baugrundstücks gelegenen Grundstück … im Bereich des Obergeschosses wie des Erdgeschosses zahlreiche Werbeanlagen, u.a. beleuchtete Werbetafeln sowie Buchstabenwerbung für das dort betriebene Hotel „…“ wie Werbeanlagen für den Laden „…“. Auch ist auf dem Baugrundstück unmittelbar an der Nordgrenze ein weiterer dünner Mast mit einer Werbetafel für die Autowäsche durch das Unternehmen auf dem Baugrundstück vorhanden, die allerdings auf den am 27. Juli 2017 von der Beklagten gefertigten Lichtbildern noch nicht ersichtlich ist. Ungeachtet der Frage, ob diese Werbeanlage genehmigungsfrei ist und ob sie eventuell von der Beklagten aufgegriffen wird, reichen die vorhandenen vielgestaltigen und zum Teil beleuchteten vorhandenen Werbeanlagen auch bei Hinwegdenken dieser unbeleuchteten Werbetafel am Mast aus, um eine störende Häufung im Fall des Hinzukommens der streitgegenständlichen Werbeanlage herbeizuführen. Dies gilt auch in Anbetracht der Tatsache, dass es sich hier beim Baugrundstück um ein gewerblich genutztes Grundstück in einem Mischgebiet handelt, da im Hinblick auf die konkrete örtliche Situation hier neben einer Häufung von Werbeanlagen auch von einer Störung auszugehen ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die geplante Werbeanlage sowohl von der Größe als auch vom Anbringungsort quer zur Fahrbahn auf einem einzeln stehenden Monofuß den Rahmen der bisher vorhandenen, eher kleinräumigen und im Wesentlichen an Gebäuden angebrachten Werbeanlagen überschreitet, wobei sie durch die doppelseitige Bewerbung und die Beleuchtung auch nicht mit den vorhandenen Werbefahnen vergleichbar ist. Auch wenn die geplante Werbeanlage nicht über einen automatischen Plakatwechsel verfügt, würde durch ihr Hinzukommen die bisher noch erträgliche Situation im Hinblick auf die vorhandenen unterschiedlichen Werbeanlagen in einem Maße verändert, das einem unbefangenen Durchschnittsbetrachter als Unlust erregend vorkäme, da dessen Auge im Bereich um das Baugrundstück keinen Ruhepunkt mehr fände. Damit liegt nach Auffassung des Gerichts ein Verstoß gegen Art. 8 Satz 3 BayBO vor, so dass der Bauantrag zu Recht abgelehnt wurde. Hinzu kommt, dass vieles dafür spricht, dass hier auch das Straßen- und Ortsbild im Sinn des Art. 8 Satz 2 BayBO durch die Werbeanlage verunstaltet würde, auch wenn man die gewerbliche Prägung der Umgebung bei der Wertung berücksichtigt. Denn der Bereich unmittelbar am Baugrundstück, aber auch in dessen näherer Umgebung, ist wesentlich geprägt durch die beidseits der … vorhandenen Grünflächen, insbesondere die vorhandenen einzelnen größeren Bäume, die der Straße ein ansprechendes Erscheinungsbild verschaffen, was von der Beklagten im Hinblick darauf, dass es sich um die Hauptzufahrt von der Autobahn zur bekannten Altstadt von … handelt, wohl auch bewusst so gestaltet wurde. Gleichzeitig macht der Straßenraum auf Grund der breiten Gehwege, der Park- und Grünstreifen sowie der vom Fahrbahnrand einige Meter zurückspringenden Gebäude einen großzügigen und offenen Eindruck, der durch die quergestellte und erhöht angebrachte, beidseitig beleuchtete Werbeanlage empfindlich gestört würde. Im ganzen Bereich um das Baugrundstück herum entlang der … sowie soweit ersichtlich in den in der Nähe abgehenden Seitenstraßen sind vergleichbare Großflächenwerbeanlagen nicht vorhanden. Vielmehr befinden sich die Werbeanlagen größtenteils an den Gebäudewänden, so dass die jetzt geplante Werbeanlage, die gerade auch auf Höhe der nördlich gelegenen Grünfläche mit dem Baum errichtet würde, die ganze Umgebung dominieren und das vorhandene Orts- und Straßenbild erheblich beeinträchtigen würde. Auch aus diesem Grund war die Ablehnung des Bauantrags rechtmäßig, die Beklagte hat sich auch mit ihrer Berufung auf die Verunstaltung nach Art. 8 BayBO im Baugenehmigungsverfahren auf diesen Ablehnungsgrund gestützt.
Ob die Beklagte die Regelungen ihrer Werbeanlagensatzung, insbesondere § 4 Nr. 5 und § 4 Nr. 11 (nicht 12 wie fälschlich im Bescheid angeführt) WAS der geplanten Werbeanlage entgegenhalten kann, kann demgegenüber offenbleiben. Allerdings bestehen aus Sicht des Gerichts erhebliche Zweifel an der Wirksamkeit des umfassenden Ausschlusses von Fremdwerbeanlagen für das gesamte Stadtgebiet von …, da ja auch im Bereich der von der Werbeanlagensatzung ausgenommenen Altstadtwerbeanlagensatzung solche Werbeanlagen generell nicht zulässig sind. Im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit der Baugebiete im Stadtbereich von … mit Ausnahme der Altstadt, aber auch im Hinblick auf das hier konkret vorhandene faktische Mischgebiet fehlt es vorliegend an der für eine derart weitreichende Einschränkung des Grundstückseigentums erforderlichen besonderen städtebaulichen, geschichtlichen oder künstlerischen Prägung. Gerade wenn der Ausschluss von Fremdwerbung hier das gesamte Gemeindegebiet mit Ausnahme der besonders und weitergehend geschützten Altstadt betrifft, müssten ortsgestalterische Gründe für ein generelles Verbot, etwa auch entlang der gesamten Ortsdurchfahrten, feststellbar seien, davon kann vorliegend jedoch wohl nicht ausgegangen werden.
Weiter kann offenbleiben, ob der geplanten Werbeanlage bauplanerische Gründe entgegenstehen. Insofern geht das Gericht wie die Parteien davon aus, dass im hier vorliegenden faktischen Mischgebiet die Werbeanlage als nicht störender Gewerbebetrieb allgemein zulässig wäre, allerdings könnte es vorliegend am Einfügen nach § 34 Abs. 1 BauGB insoweit fehlen, als die überbaubare Grundstücksfläche auf dem Baugrundstück durch die Werbeanlage überschritten würde. Ob vorliegend eine faktische Baugrenze in einem Abstand von etwa 4 m bis 5 m jeweils von der nördlichen Grundstücksgrenze der bebauten Grundstücke im Bereich beidseits des Baugrundstücks südlich der …, wie die Beklagte meint, auszugehen ist, kann hier offenbleiben, wobei allerdings im Hinblick auf die unterschiedlichen Abstände der Gebäude, etwa auf dem Baugrundstück oder bei den Anwesen …, ebenso wie den verspringenden nördlichen Wänden der Gebäude auf den Anwesen Nr. … und …, von einer einheitlichen, die Umgebung prägenden und eine eindeutige Grenze der Bebauung nach Norden festlegenden Baugrenze wohl eher nicht ausgegangen werden kann, im Gegensatz etwa zu der nördlich der … vorhandenen Bebauung.
Ebenso kann offenbleiben, ob das Bauvorhaben auch deshalb von der Beklagten abgelehnt werden konnte, weil der konkrete Standort der Werbeanlage im Bereich der mit der Baugenehmigung vom 22. Januar 1986, die soweit ersichtlich insoweit weiterhin Geltung besitzt, nachzuweisen notwendigen Stellplätze liegt, wobei dieses Hindernis möglicherweise durch eine Umplanung der notwendigen Stellplätze ausräumbar wäre.
Da die Beklagte jedenfalls wegen eines Verstoßes gegen Art. 8 Satz 3, wohl auch Satz 2 BayBO den Bauantrag zu Recht abgelehnt hat, war die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO, § 709 ZPO, der Streitwert aus § 52 Abs. 1 GKG.

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