Baurecht

Straßenausbaubeitragsrechtliche Behandlung von Grundstücken an Privatwegen

Aktenzeichen  6 B 17.1436

Datum:
15.1.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 534
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayKAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, Abs. 1 S. 3, Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

Ein von einer öffentlichen Straße abzweigender Privatweg, der eine Länge von deutlich mehr als 100 m hat, ist ausbaubeitragsrechtlich als selbständig zu bewerten, so dass er die nur an ihm gelegenen Grundstücke abkoppelt und eine Beitragspflicht für die Straße, von der der Weg abzweigt, ausschließt. Dass es sich bei der Straße um die nächstgelegene öffentliche Verkehrsanlage handelt, ist unerheblich. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

B 4 K 15.124 2016-12-14 Urt VGBAYREUTH VG Bayreuth

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 14. Dezember 2016 – B 4 K 15.124 – abgeändert und erhält in Nr. 1 des Tenors folgende Fassung:
Die Bescheide der Beklagten vom 17. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Wunsiedel vom 28. Januar 2015 werden insoweit aufgehoben, als eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Erneuerung und Verbesserung der Orts Straße A… betreffend das Grundstück FlNr. 1289 von mehr als 661,56 € und betreffend das Grundstück FlNr. 1290/2 von mehr als 54,35 € festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 20,40 € festgesetzt.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger wendet sich gegen Bescheide der beklagten Stadt vom 17. August 2011, mit denen er für zwei in seinem Miteigentum stehenden Grundstücke jeweils zu einer Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Erneuerung und Verbesserung der Orts Straße A… in Höhe von 2.906,10 € (FlNr. 1289) und 238,74 € (FlNr. 1290/2) herangezogen worden ist.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage zum überwiegenden Teil stattgegeben. Es hat die Bescheide (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts Wunsiedel vom 28.1.2015) insoweit aufgehoben, als die Beklagte vom Kläger eine Vorauszahlung von mehr als 642,71 € für das Grundstück FlNr. 1289 und von mehr als 52,80 € für das Grundstück FlNr. 1290/2 verlangt, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte die Vorauszahlungen zu hoch festgesetzt habe, weil sie die maßgebliche Orts Straße rechtsfehlerhaft mit einer zu geringen Ausdehnung bestimmt und deshalb zu wenige Grundstücke bei der Aufwandsverteilung berücksichtigt habe.
Auf Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 27. Juli 2017 – 6 ZB 17.210 – die Berufung gegen den klageabweisenden Teil des erstinstanzlichen Urteils zu einem geringen Teil zugelassen, nämlich bezüglich eines Beitragsteils von insgesamt 20,40 €, der sich daraus ergibt, dass das Verwaltungsgericht die an dem Privatweg Zum kalten Brunnen gelegenen Grundstücke FlNrn. 1445 und 1518 bei der Aufwandsverteilung berücksichtigt hat.
Mit ihrer Berufung beantragt die Beklagte sinngemäß,
das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Bescheide vom 17. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2015 unter Klageabweisung im Übrigen nur insoweit aufzuheben, als eine Vorauszahlung auf den Straßenausbaubeitrag für die Erneuerung und Verbesserung der Orts Straße A… betreffend das Grundstück FlNr. 1289 von mehr als 661,56 € und betreffend das Grundstück FlNr. 1290/2 von mehr als 54,35 € festgesetzt wird.
Der Kläger hat sich im Berufungsverfahren nicht mehr geäußert.
Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 8. November 2017 gemäß § 130a VwGO darauf hingewiesen, dass eine Stattgabe der Berufung durch Beschluss in Betracht kommt, weil er die Berufung einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten, die vorgelegten Behördenakten und auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Beklagten, über die der Senat nach Anhörung der Beteiligten einstimmig nach § 130a VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig und begründet.
Die Vorauszahlungsbescheide sind in dem allein noch streitigen Umfang von insgesamt 20,40 € (18,85 € für Grundstück FlNr. 1289 und 1,55 € für Grundstück FlNr. 1290/2) rechtmäßig und können den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage ist insoweit unter Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuweisen.
Die Beklagte ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend entschieden hat, nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 3, Abs. 5 Satz 1 KAG sowie ihrer Ausbaubeitragssatzung berechtigt, Vorauszahlungen auf den Straßenausbaubeitrag für die Erneuerung oder Verbesserung der Orts Straße A… zu verlangen. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sind allerdings die Grundstücke FlNrn. 1445 und 1518 nicht an der Aufwandsverteilung zu beteiligen, weshalb der auf die klägerischen Grundstücke entfallende Anteil um insgesamt 20,40 € höher ausfällt als vom Verwaltungsgericht angenommen. Diese Grundstücke liegen nicht an der abzurechnenden Orts Straße, sondern an dem von dieser abzweigenden Privatweg Zum kalten Brunnen. In einem solchen Fall beantwortet sich die Frage, ob das betreffende Grundstück an der Verteilung des umlagefähigen Aufwands für den Ausbau der Ort Straße teilnimmt, danach, ob der Weg als ausbaubeitragsrechtlich selbstständig oder unselbstständig zu qualifizieren ist. Ist der Weg selbstständig, koppelt er die nur an ihm gelegenen Grundstücke ab und schließt eine Beitragspflicht für die Straße, von der der Weg abzweigt, aus (BayVGH, U.v. 14.4.2011 – 6 BV 08.3182 – juris Rn. 20; B.v. 4.12.2014 – 6 ZB 13.431 – juris Rn. 8; U.v. 30.6.2016 – 6 B 16.515 – juris Rn. 17). Der Privatweg Zum kalten Brunnen ist aufgrund seiner Länge von deutlich mehr als 100 m als selbstständig zu bewerten, weshalb die Grundstücke FlNrn. 1445 und 1518 nicht an der Aufwandsverteilung teilnehmen und der auf die klägerischen Grundstücke entfallende Anteil entsprechend höher ausfällt. Dass es sich bei der Straße A… um die nächstgelegene öffentliche Verkehrsanlage handelt, ist unerheblich.
Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Es besteht kein Anlass, die verwaltungsgerichtliche Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Klageverfahren zu ändern, weil sich das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen nicht maßgeblich verändert hat.
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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