Baurecht

Streitwert bei Nachbaranfechtungsklage

Aktenzeichen  15 C 19.2149

Datum:
5.12.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 32444
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GKG § 52 Abs. 1, § 68 Abs. 1
RVG § 32 Abs. 2 S. 1

 

Leitsatz

Bei einer Nachbaranfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung für einen Komplex aus drei Einzelhäusern in geschlossener Bauweise ist ein etwas höherer Streitwert als der untere Rahmenwert der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs – mithin 10.000 Euro – angemessen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 6 K 18.1484 2019-10-14 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

In Abänderung von Nr. III des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Oktober 2019 wird der Streitwert für das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf 10.000,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Klägerin wandte sich als Nachbarin mit ihrer beim Verwaltungsgericht Regensburg erhobenen Anfechtungsklage gegen einen Bescheid der Beklagten vom 9. August 2018 (zuletzt in der Fassung des Tekturbescheids vom 19. März 2019), mit dem der (erstinstanzlich anwaltlich vertretenen) Beigeladenen eine Baugenehmigung für ein Vorhaben „Errichtung von drei Reihenhäusern mit Carports“ erteilt wurde. Zur Begründung ihrer Klage führte die Klägerin schriftsätzlich aus, das streitgegenständliche Vorhaben widerspreche seinem Umfang nach der Eigenart des Baugebiets und verstoße zu ihren Lasten gegen das drittschützende bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Zudem komme es im Fall der Nutzung der geplanten Kfz-Stellplätze des Vorhabens zu Beeinträchtigungen ihres angrenzenden Grundstücks sowie eines zu ihren Gunsten bestehenden Geh- und Fahrtrechts.
Das Verwaltungsgericht setzte nach Eingang der Klage mit Beschluss vom 11. September 2018 den Streitwert vorläufig auf 10.000,- Euro fest und verwies zur Begründung auf „§ 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit“. Unter dem 11. April 2019 erließ das Verwaltungsgericht einen neuen vorläufigen Streitwertbeschluss. Der Streitwert wurde mit diesem vorläufig auf 2.500,- Euro festgesetzt, wobei die diesbezügliche Ermessensentscheidung nunmehr mit „§ 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit“ begründet wurde. Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2019 die Klage zurückgenommen hatte, stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 14. Oktober 2019 das Verfahren ein (I.), entschied, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen hat (II.), und setzte den Streitwert auf 2.500,- Euro fest (III.). In den Gründen des Einstellungsbeschlusses wird ausgeführt, die Streitwertfestsetzung beruhe „auf § 52 Gerichtskostengesetz (GKG), unter Berücksichtigung des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit“.
Mit ihrer im eigenen Namen erhobenen Beschwerde, der das Verwaltungsgericht nicht abgeholfen hat, beantragen die Bevollmächtigten der Beigeladenen,
den Streitwert auf 10.000,- Euro festzusetzen.
Es sei im Klageverfahren um die Errichtung eines Dreispänners mit drei Häusern und entsprechend umfangreichen Fahrbewegungen gegangen. Es sei hier – wie im Beschluss vom 11. September 2018 ursprünglich vorgesehen – ein Streitwert von mindestens 10.000,- Euro in Ansatz zu bringen.
Die Bevollmächtigten der Klägerin teilen diese Sicht. Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Bauakten des Beklagten verwiesen.
II.
Die von den Bevollmächtigten der Beigeladenen in eigenem Namen eingelegte Streitwertbeschwerde, über die der Senat durch den Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, weil auch die angefochtene Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts durch den Einzelrichter erlassen wurde (§ 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 6 Satz 1 GKG), ist gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 GKG statthaft. Der Beschwerdewert übersteigt 200 Euro. Die Beschwerde wurde auch fristgemäß erhoben (§ 68 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG).
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Streitwert für das Verfahren zu niedrig festgesetzt. Grundlage für die Festsetzung des Streitwerts ist § 52 Abs. 1 GKG, wonach der Streitwert nach der sich aus dem Antrag eines Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen ist. Es entspricht allgemeiner gerichtlicher Übung, bei der Ausübung des Ermessens auf die Empfehlungen des von der Streitwertkommission erarbeiteten Streitwertkatalogs – derzeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 (Streitwertkatalog 2013, abgedruckt als Anhang in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019) – zurückzugreifen. Dabei besteht (entgegen der Begründung des zweiten Beschlusses über die vorläufige Streitwertfestung des Verwaltungsgerichts vom 11. April 2019) kein Grund, die Streitwerthöhe an der für Klagen gegen eine bauordnungsrechtliche Beseitigungsanordnung geltenden Nr. 9.5 des Streitwertkatalogs 2013 auszurichten. In baurechtlichen Nachbarklagen gegen die Baugenehmigung von Einzelbauvorhaben, in denen es nicht um den Wert oder die Kosten eines Bauvorhabens, sondern um die Geltendmachung von Nachbarrechten geht, empfiehlt Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013 vielmehr einen Streitwertrahmen von 7.500 Euro bis 15.000 Euro, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Im Hinblick darauf, dass es vorliegend um eine Nachbaranfechtungsklage gegen eine Baugenehmigung für einen Komplex aus drei Einzelhäusern in geschlossener Bauweise (also nicht nur für ein einzelnes Wohnhaus) ging, ist ein etwas höherer Streitwert als der untere Rahmenwert der Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs – mithin 10.000 Euro – angemessen (im vergleichbaren Fall der Nachbaranfechtung einer Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus vgl. BayVGH, B.v. 27.4.2018 – 9 C 18.648 – juris Rn. 4; ThürOVG, B.v. 20.7.2016 – 1 VO 376/16 – BauR 2017, 1023 = juris Rn. 4; SächsOVG, B.v. 28.11.2016 – 1 B 257/16 – NVwZ-RR 2017, 391 = juris Rn. 7).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren über die Streitwertbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei (§ 68 Abs. 3 Satz 1 GKG). Kosten der Beteiligten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich auch die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG i.V. mit § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

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