Aktenzeichen M 8 K 14.5723
Leitsatz
1. Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ist in erster Linie auf solche Maßfaktoren abzustellen, die nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung in Beziehung zueinander setzen lassen. Bei der Prüfung des Maßes der baulichen Nutzung ist daher auf die nach außen wirkenden Größen der baulichen Anlage, also der Kubatur, abzustellen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Wegen des Maßes der baulichen Nutzung können städtebauliche Spannungen nur auftreten, wenn das Vorhaben den vorhandenen Rahmen in unangemessener Weise überschreitet. Unterschreitet das Bauvorhaben den Rahmen der Umgebungsbebauung, entstehen daraus keine städtebaulichen Spannungen. (redaktioneller Leitsatz)
3. Gebäudeabstände sind kein Beurteilungskriterium im Rahmen des § 34 Abs. 1 S. 1 BauGB. Auf die Gebäudeabstände kommt es daher bei der Frage des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nicht an. (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Rahmen des § 34 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 BauGB ist nicht jedes Ortsbild schützenswert. Das Ortsbild muss vielmehr eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit aufweisen, die dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Dezember 2014, AZ.: … wird in Ziffer 1 aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, die Vorbescheidsfrage 1 (Plan-Nr. …) aus dem Vorbescheidsantrag vom … September 2014 positiv zu beantworten.
III.
Die Beklagte hat 4/5, die Kläger haben 1/5 der Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110% des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Soweit die Klage nicht aufrechterhalten wurde, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen; zwar sieht das Gesetz insoweit eine Einstellung durch Beschluss vor, bei einer nur teilweisen Rücknahme kann diese Entscheidung aber auch im Urteil getroffen werden (vgl. BVerwG v. 6.2.1963, NJW 1963, 923).
Im Übrigen ist die Klage zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Kläger haben einen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids, weil das Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1. Gemäß Art. 71 Satz 1 BayBO kann vor Einreichung des Bauantrags auf schriftlichen Antrag des Bauherrn zu einzelnen in der Baugenehmigung zu entscheidenden Fragen vorweg ein schriftlicher Bescheid (Vorbescheid) erteilt werden. Als feststellender Verwaltungsakt stellt der Vorbescheid im Rahmen der vom Bauherrn gestellten Fragen die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den öffentlichrechtlichen Vorschriften fest, die Gegenstand der Prüfung sind.
2. Gegenstand eines Vorbescheids können nach Art. 71 Satz 1 BayBO nur einzelne Fragen (auch eine Mehrzahl von Fragen) eines Bauvorhabens sein. Nach dem Sinn und Zweck des Vorbescheids, bindende Wirkung für ein nachfolgendes Baugenehmigungsverfahren zu erzeugen, sind einzelne Fragen solche, über die in der Baugenehmigung zu entscheiden ist. Die Fragen müssen danach zum einen einer gesonderten Beurteilung zugänglich sein und zum anderen ist zu fordern, dass diese sich auf ein konkretes (baugenehmigungspflichtiges) Vorhaben beziehen (vgl. BayVGH, U. v. 14.2.2008 – 15 B 06.3463 – NVwZ-RR 2008, 391 m. w. N.; Decker in: Simon/Busse, BayBO 2008, Art. 71 Rn. 71 ff.).
Nachdem in der mündlichen Verhandlung die Klage hinsichtlich der Vorbescheidsfrage 2 zurückgenommen wurde, ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nur noch die Vorbescheidsfrage 1.
3. Die Frage 1 des streitgegenständlichen Vorbescheids betrifft die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des beantragten Vorhabens, die sich hier nach § 34 Abs. 1 BauGB beurteilt.
Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist ein Vorhaben innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils nur zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist.
3.1 Ein Vorhaben fügt sich im Allgemeinen ein, wenn es sich innerhalb des Rahmens hält, der durch die in der Umgebung vorhandene Bebauung gezogen wird.
Als „nähere Umgebung“ im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der das Baugrundstück umgebende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des zur Bebauung vorgesehenen Grundstücks prägt oder doch beeinflusst (BVerwG, U. v. 26.5.1978 – IV C 9.77 – BVerwGE 55, 369 – juris Rn. 33; B. v. 20.8.1988 – 4 B 79/88 – NVwZ-RR 1999, 105 – juris Rn. 7; BayVGH, U. v. 28.7.2004 – 2 B 03.54 – juris Rn. 21; U. v. 2.5.2006 – 2 B 05.787 – juris Rn. 15; B. v. 30.1.2013 – 2 ZB 12.198 – juris Rn. 3). Welcher Bereich als „nähere Umgebung“ anzusehen ist, hängt davon ab, inwieweit sich einerseits das geplante Vorhaben auf die benachbarte Bebauung und andererseits sich diese Bebauung auf das Baugrundstück prägend auswirken (vgl. BayVGH, U. v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 19 m. w. N.). Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich allerdings nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B. v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 30.1.2013 – 2 ZB 12.198 – juris Rn. 3).
Dabei ist die nähere Umgebung für jedes der in § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB aufgeführten Zulässigkeitsmerkmale gesondert zu ermitteln, weil die prägende Wirkung der jeweils maßgeblichen Umstände unterschiedlich weit reichen kann (vgl. BayVGH, U. v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 9). Bei den Kriterien Nutzungsmaß und überbaubare Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart (vgl. BayVGH, B. v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 21).
3.2 Nach diesen Maßgaben ist vorliegend davon auszugehen, dass als nähere Umgebung das Geviert zwischen der …-straße im Westen, der …-straße im Norden und der …-straße im Osten sowie die dem Vorhaben gegenüberliegende Straßenseite der …-straße bis zur Straßenkurve heranzuziehen ist. Hier finden sich sowohl zweigeschossige Doppelhaushälften mit angebauten Garagen wie zweigeschossige Einzelhäuser. Die maßgebliche nähere Umgebung für das streitgegenständliche Vorhaben kann nicht wie von der Beklagten – wohl mit Blick auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 18. Februar 2008 (M 8 K 07.291) bis zur über 250 m Luftlinie entfernten …-straße gezogen werden, zumal wegen der Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im Bereich der Kurve der …-straße zur …-straße keinerlei Sichtbeziehung besteht und hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart (vgl. BayVGH, B. v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 21). Die seinerzeit streitgegenständliche Gebäudeerweiterung sollte zwar ebenfalls im Bereich der ehemaligen „Amerikanischen Siedlung“ jedoch auf einem anderen Grundstück erfolgen, das schon deshalb nicht mehr im Umgriff der maßgeblichen näheren Umgebung des nunmehr streitgegenständlichen Vorhabens befindet, da es in einem anderen Geviert liegt. Dementsprechend wird das streitgegenständliche Vorhabengrundstück nicht nur durch die der einheitlichen Baustruktur der „Amerikanischen Siedlung“ entsprechenden benachbarten Grundstücke …-str. …/… und …/… geprägt, sondern auch durch die übrigen Grundstücke im nordwestlichen Keil des Bereichs …-straße/…-straße/…-straße, die diese Einheitlichkeit nicht aufweisen.
Die Grundstücke in der vorliegenden maßgeblichen Umgebung sind dabei von unregelmäßigem Zuschnitt und weisen deutlich unterschiedliche Größen auf, da sie zum Teil im Bereich der Kurve der …-straße liegen, so dass eine homogene Situierung der Gebäude nicht möglich ist. Zudem wird die maßgebliche nähere Umgebung auch durch die Bebauung entlang der östlichen …-straße geprägt.
3.3 Im Rahmen des § 34 Abs. 1 BauGB ist in erster Linie auf solche Maßfaktoren abzustellen, die nach außen hin wahrnehmbar in Erscheinung treten und anhand derer sich die vorhandenen Gebäude in der näheren Umgebung in Beziehung zueinander setzen lassen (vgl. BVerwG, U. v. 23.03.1994 – 4 C 18/92 – NVwZ 1994, 1006 – juris; B. v. 14.03.2013 – 4 B 49/12 – juris; B. v. 03.04.2014 – 4 B 12/14 – juris). Der obergerichtlichen Rechtsprechung folgend ist bei der Prüfung des Maßes der baulichen Nutzung daher auf die nach außen wirkenden Größen der baulichen Anlage in ihrer Gesamterscheinung, also der Kubatur abzustellen und nicht auf die in §§ 16 ff. BauNVO enthaltenen Definitionen bzw. Kriterien, die allenfalls eine grobe Orientierungshilfe darstellen (vgl. BVerwG, U. v. 23.03.1994 – 4 C 18/92 – NVwZ 1994, 1006 ff. – juris). Vorrangig ist auf diejenigen Maßkriterien abzustellen, in denen die prägende Wirkung besonders zum Ausdruck kommt (vgl. BayVGH, U. v. 18.7.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 25). Dies sind die absoluten Größen nach Grundfläche, Geschosszahl und Höhe, bei offener Bauweise auch deren Verhältnis zur umgebenden Freifläche. Diese Faktoren prägen das Bild der maßgeblichen Umgebung und bieten sich deshalb vorrangig als Bezugsgrößen zur Ermittlung des zulässigen Maßes der baulichen Nutzung an (vgl. BVerwG, B. v. 3.4.2014 – 4 B 12.14 – juris Rn. 3 m. w. N.). Damit ist eine Berücksichtigung der anderen Maßfaktoren der Baunutzungsverordnung zwar nicht ausgeschlossen, sie werden allerdings vielfach nur eine untergeordnete bis gar keine Bedeutung für die Frage des Einfügens haben, weil sie in der Örtlichkeit häufig nur schwer ablesbar sind (vgl. BVerwG, B. v. 14.03.2013 – 4 B 49/12 – juris).
4. Gemessen an diesem Maßstab fügt sich das abgefragte Vorhaben des streitgegenständlichen Vorbescheids hinsichtlich der Art der Nutzung – Wohnen – offensichtlich und auch unstreitig in die nähere Umgebung ein.
5. Das streitgegenständliche Vorhaben fügt sich auch nach dem Maß der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung gem. § 34 Abs. 1 BauGB ein.
Beim Nutzungsmaß hält das Vorbescheidsvorhaben sowohl hinsichtlich der Gebäudehöhe (Trauf- und Firsthöhe), der Größe der Grundfläche als auch hinsichtlich der Zahl der Vollgeschosse den durch die Bebauung in der Umgebung gesetzten Rahmen unstrittig (wohl auch nach Ansicht der Beklagten) ein.
Dass das Gebäude das Maß der Umgebungsbebauung hinsichtlich der Breite sowie in geringem Umfang auch hinsichtlich der Trauf- und Firsthöhen unterschreitet, hindert ein Einfügen hinsichtlich des Maßes der Nutzung nicht. Maßgebend ist allein, dass das Bauvorhaben den Rahmen der Umgebungsbebauung nicht überschreitet (vgl. BayVGH, U. v.18.07.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 26). Der Baukörper des Vorhabens hat nach den Angaben im Eingabeplan eine Grundfläche von 73 m2 (10,00 m x 7,30 m). Er bleibt damit unter der Bebauung in der Umgebung. Diese besteht einmal aus Doppelhäusern, bei denen die jeweilige Doppelhaushälfte 11,25 m breit und 7,0 m tief ist und eine Grundfläche von 78,75 m2 aufweist. Es ist auch kleiner als die in der …-straße befindlichen Einzelhäuser, die abgegriffen etwa 13 m breit sind. Seine Trauf- und Firsthöhe liegen etwas unterhalb derjenigen der in der Umgebung vorhandenen Bebauung (Traufhöhe 5,46 m gegen 5,90 m und Firsthöhe 7,06 m gegen 7,50 m). Wegen des Maßes der baulichen Nutzung können städtebauliche Spannungen jedoch nur auftreten, wenn das Vorhaben den vorhandenen Rahmen in unangemessener Weise überschreitet. Unterschreitet das Bauvorhaben den Rahmen der Umgebungsbebauung, entstehen daraus keine städtebaulichen Spannungen (vgl. BayVGH, U. v. 18.07.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn.27).
In der Geschossigkeit entspricht das Vorhaben ebenfalls der vorhandenen Bebauung mit Erdgeschoss und 1. Obergeschoss.
6. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Vorhaben nicht deshalb unzulässig, weil es sich im Hinblick auf das Verhältnis von bebauter zu umgebender Freifläche und hinsichtlich seiner Gebäudeabstände in die Eigenart der näheren Umgebung nicht einfügt.
6.1 Die geringfügige Abweichung des Vorhabens in dem Verhältnis von überbauter Grundstücksfläche zu Freifläche ist nach dem Ergebnis des Augenscheins in der Natur nicht zu erkennen, unter anderem auch deshalb, weil gerade in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabens die Grundstücksgrößen sehr unterschiedlich sind. Damit kann von einer exakten Homogenität hinsichtlich der Größe der Grundstücke nicht die Rede sein. Im streitgegenständlichen Bereich der Siedlung findet sich also kein einheitliches oder auch nur annähernd einheitliches Verhältnis zwischen der Größe der Grundstücke und den darauf stehenden Gebäuden. Insbesondere im maßgeblichen Umgriff sind die Unterschiede besonders ausgeprägt, so dass auf den Einzelgrundstücken kein einheitliches Verhältnis zwischen überbauter Fläche und Freifläche nach Außen erkennbar ist und die Grundstücksgrenzen mangels Einfriedung aktuell in der Natur nach außen nicht wahrnehmbar sind. Daher kann das lediglich geringfügig größere Verhältnis von überbauter Fläche zu Freifläche, das wenn überhaupt nur mathematisch ablesbar ist, im vorliegenden Fall keinen Grund für eine Ablehnung des Bauantrags darstellen.
6.2 Auch die Begründung der Beklagten, dass die umgebende Bebauung völlig homogen durch Baukörper gleicher Dimension in regelmäßiger Anordnung mit großen regelmäßigen Abständen untereinander geprägt sei und das streitgegenständliche Vorhaben sich in diese Siedlungsstruktur nicht einfüge, kann die Ablehnung des Vorbescheidsantrags nicht tragen.
Hierzu ist festzustellen, dass Gebäudeabstände kein Beurteilungskriterium im Rahmen des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sind. Auf die Gebäudeabstände kommt es daher bei der Frage des Einfügens nicht an.
Hinzu kommt, dass sich die Gebäudeabstände in der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen näheren Umgebung bei weitem nicht so einheitlich darstellen, wie die Beklagte unter Heranziehung eines anderen Gevierts, das jedenfalls in seiner Gesamtheit nicht maßstabsbildend ist, behauptet. In der im vorliegenden Verfahren maßgeblichen näheren Umgebung sind zwar die Gebäudekubaturen homogen, da die Gebäude sowohl als Einzelhäuser wie auch als Doppelhäuser jeweils nach einem einheitlichen Muster errichtet wurden. Die Grundstücksgrößen und vor allem der Zuschnitt der Grundstücke sind jedoch sehr unterschiedlich. Ferner sind die Gebäude im Bereich der Kurve der …-straße ebenfalls nicht regelmäßig, sondern gegeneinander versetzt auf den Grundstücken angeordnet. Schon allein wegen der jeweils unterschiedlichen Situierung der Gebäude auf den unterschiedlich zugeschnittenen und unterschiedliche großen Grundstücken, kann ein einheitliches bzw. homogenes Verhältnis von überbauter Fläche zu Freifläche in der hier maßgeblichen näheren Umgebung nicht abgelesen werden. Infolgedessen stellen sich einem Betrachter daher die Gebäudeabstände nicht einheitlich dar, so dass sich das Vorhaben auch in dieser Hinsicht in die Umgebung einfügt.
7. Das Vorhabengrundstück stellt auch keine unüberbaubare Grünfläche dar. Das streitgegenständliche Grundstück liegt nicht im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans, der diese Fläche als Grünfläche festsetzt. Einfache Baulinien, die den überbaubaren Bereich festlegen bzw. eine sog. Negativfestsetzung, liegen für das streitgegenständliche Grundstück ebenfalls nicht vor. Für die bauplanungsrechtliche Beurteilung des Vorhabens folgt daraus, dass sich diese allein nach § 34 BauGB bestimmt.
8. Das Vorhaben fügt sich auch hinsichtlich der Bauweise in die nähere Umgebung ein. Die Bebauung in dem streitgegenständlichen Geviert ist von freistehenden Einzelhäusern entlang der …-straße sowie von Doppelhäusern auf benachbarten Grundstücken entlang der …-straße geprägt. Doppelhäuser stellen insofern eine Modifikation der „normalen“ offenen Bauweise dar, als sie aufgrund des nachbarlichen Austauschverhältnisses einen Verzicht auf Einhaltung der Grenzabstände bzgl. der gemeinsamen Grundstücksgrenze darstellen (vgl. dazu ausführlich BVerwG, Urteil vom 24.2.2000, Az. 4 C 12/98, NVwZ 2000, 1055 ff.). Die vorhandene Bebauung entspricht danach der offenen Bauweise, bei der Gebäude mit seitlichem Grenzabstand als Einzelhäuser sowie als Doppelhäuser auf benachbarten Grundstücken zulässig sind.
Im Rahmen der offenen Bauweise ist grundsätzlich die Errichtung von Einzelhäusern sowie unter wechselseitigen Verzicht auf einen Grenzabstand auch die Errichtung von Doppelhaushälften auf benachbarten Grundstücken zulässig. Daraus folgt, dass eine Bebauung des klägerischen Grundstücks mit einem freistehenden Einzelhaus möglich ist, weil beide Bauformen in der offenen Bauweise zulässig sind. Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 3 BauNVO können in einem Bebauungsplan Flächen festgesetzt werden, auf denen nur Einzelhäuser oder nur Doppelhäuser oder nur Hausgruppen zulässig sind. Für das streitgegenständliche Grundstück liegt jedoch kein Bebauungsplan vor, der Flächen festsetzt, auf denen nur die Errichtung von Doppelhäusern zulässig ist. Im vorliegenden Fall bestimmt sich die zulässige Bauweise daher allein nach § 34 Abs. 1 BauGB. Da in der maßgeblichen näheren Umgebung sowohl Einzelhäuser wie auch Doppelhäuser vorzufinden sind, fügt sich das streitgegenständliche Vorhaben auch hinsichtlich der Bauweise in seine nähere Umgebung ein.
9. In Bezug auf die von der Beklagten vorgetragenen Gefahr der gravierenden Erhöhung der Bebauungsdichte infolge des Vorbildcharakters des Vorhabens vermag die Kammer die Bedenken nicht zu teilen. Soweit sich die Beklagte darauf beruft, dass das streitgegenständliche Vorhaben Vorbildcharakter für das Grundstück mit der Fl.Nr. 2641/88 haben könnte, überzeugt dies nicht. Dieses Grundstück ist zwar noch unbebaut, hier wäre aber eine Bebauung unter Einhaltung der Abstandsflächen nur im rückwärtigen Grundstücksbereich möglich, da das Grundstück trapezförmig auf die Straße zuläuft und dort nur eine Breite von etwa 10 m hat. Für eine Bebauung im rückwärtigen Grundstücksbereich findet sich jedoch im maßgeblichen Geviert mangels entsprechender Bebauungstiefe kein Vorbild. Damit bleibt allein das Grundstück Fl.Nr. 2641/92, soweit dieses überhaupt noch bei der maßgeblichen näheren Umgebung zu berücksichtigen wäre, als möglicherweise für eine Bebauung geeignet. Die übrigen von der Beklagten aufgeführten Grundstücke mit den Flurnummern 2641/119, 121, 123, 125, 127, 107, 111, 113, 98 und 99 liegen außerhalb des Umgriffs der näheren Umgebung des streitgegenständlichen Vorhabens und weisen darüber hinaus vollkommen andere Voraussetzungen auf. Es ist nicht erkennbar, wo auf diesen Grundstücken unter Beachtung der Bestandsbebauung und der Abstandsflächen ein Gebäude von nennenswertem, für Wohnzwecke geeignetem Umfang errichtet werden könnte.
Damit verbleibt allenfalls ein weiteres Grundstück, auf dem möglicherweise ein Einzelhaus errichtet werden könnte. Das aber würde weder den Gesamtcharakter der Siedlung verändern noch zu einer massiven Nachverdichtung führen.
10. Das Ortsbild im Sinn von § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB wird durch das Bauvorhaben ebenfalls nicht beeinträchtigt.
Auch ein Vorhaben, das sich gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, kann gleichwohl bauplanungsrechtlich unzulässig sein, wenn es das Ortsbild beeinträchtigt. Dabei ist nicht jedes Ortsbild schützenswert, es muss vielmehr eine gewisse Wertigkeit für die Allgemeinheit und einen besonderen Charakter aufweisen, die dem Ortsteil eine aus dem Üblichen herausragende Prägung verleiht (vgl. BVerwG, U. v. 11.05.2000 – 4 C 14/98 – juris Rn. 17; BayVGH, U. v. 18.07.2013 – 14 B 11.1238 – juris Rn. 29). Gemessen an diesen Grundsätzen kann durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht von einer Beeinträchtigung des Ortsbildes im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BauGB ausgegangen werden. Eine Beeinträchtigung des Ortsbildes im Sinne des § 34 Abs. 1 Satz 2 BauGB erfordert schon in räumlicher Hinsicht negative Auswirkungen in einem größeren Bereich als der engeren Umgebung des Baugrundstücks (vgl. BVerwG, U. v. 11.05.2000 – 4 C 14/98 – juris Rn. 18).
11. Die vorliegende Entscheidung steht auch nicht in Widerspruch zu der Entscheidung der Kammer vom 18. Februar 2008 (M 8 K 07.291). Das im damaligen Verfahren streitgegenständliche Grundstück befindet sich zwar ebenfalls im Bereich der ehemaligen sog. „Amerikanischen Siedlung“, jedoch in einem anderen Geviert. Die Grenzen der näheren Umgebung lassen sich nicht schematisch festlegen, sondern sind nach der städtebaulichen Situation zu bestimmen, in die das für die Bebauung vorgesehene Grundstück eingebettet ist (vgl. BVerwG, B. v. 28.8.2003 – 4 B 74.03 – juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 30.1.2013 – 2 ZB 12.198 – juris Rn. 3), insbesondere bei den Kriterien Nutzungsmaß und überbaubare Grundstücksfläche ist der maßgebliche Bereich in der Regel enger zu begrenzen als bei der Nutzungsart (vgl. BayVGH, B. v. 16.12.2009 – 1 CS 09.1774 – juris Rn. 21). Die maßgebliche nähere Umgebung im streitgegenständlichen Verfahren stellt sich bei weitem nicht so homogen und einheitlich dar, wie im damaligen Verfahren, da das streitgegenständliche Grundstück durch die Einzelhäuser entlang der östlichen Straßenseite der …-straße geprägt wird und zum anderen auch die Grundstückszuschnitte und Gebäudeanordnungen entlang der Kurve der …-straße tatsächlich erheblich divergieren. Hinzu kommt, dass im damaligen Fall die planungsrechtliche Zulässigkeit der Erweiterung einer vorhandenen Doppelhaushälfte um 7 m, in voller Höhe von Erdgeschoss und 1.Obergeschoss streitgegenständlich gewesen ist. Im vorliegenden Fall fügt sich das das Vorhaben hinsichtlich des Maßes, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll in die nähere Umgebung ein. Damit liegt eine grundsätzlich andere Fallgestaltung vor.
13. Der Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
14. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird vor und nach der teilweisen Klagerücknahme auf EUR 5.000.- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.