Baurecht

Teilweise Verurteilung zur Zahlung eines Kostenvorschusses zur Mängelbeseitigung

Aktenzeichen  24 O 8648/16

Datum:
13.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 47335
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 280 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Bei der Verpflichtung zum Austausch einer Wärmedämmung aufgrund der Pflichtverletzung aus einer Nachbarvereinbarung ist ein Abzug “neu für alt” vorzunehmen (abgeändert durch OLG München BeckRS 2019, 21278). (Rn. 55 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nachbesserungskosten können als Bruttobetrag (inkl. Umsatzsteuer) geltend gemacht werden (abgeändert durch OLG München BeckRS 2019, 21278). (Rn. 62) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 68.351,69 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.04.2015 zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von EUR 3.456,28 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.05.2016 zu bezahlen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei 63 %, die beklagte Partei 37 %, die Klagepartei einschließlich der auf Seiten der Beklagten entstanden Kosten der Nebenintervenientin ebenfalls in Höhe von 63 %.
IV. Das Urteil ist für beide Parteien jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A
Die zulässige Klage ist zum Teil begründet.
I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus der Nachbarvereinbarung vom 15.03.2010 einen Anpruch auf Erstattung bereits entstandener Schäden im Zusammenhang mit der Beseitigung von Nässeschäden an der Wohnung des Vormieters … gemäß § 280 Abs. 1 BGB in Höhe des ausgeurteilten Betrags.
1. Die Parteien haben am 15.03.2010 eine Nachbarvereinbarung abgeschlossen, wodurch die Beklagte verpflichtet wurde, bei Durchführung der Baumaßnahme auf dem freigewordenen Nachbargrundstück der Klägerin die Maßnahme wie unter Ziffer II. 2. sowie Ziffer II. 7. der Nachbarvereinbarung so abzusichern, dass die Baumaßnahme keine schädlichen Auswirkungen auf das Eigentum der Klägerin hat.
2. Nach Ziffer 2. 3. der Nachbarvereinbarung war die Beklagte verpflichtet, erdberührte Bauteile abzudichten und mit einer Perimeterdämmung mit 8 cm zu versehen.
3. Die Beklagte ist ihrer diesbezüglichen Verpflichtung nur unzureichend nachgekommen, weswegen es zu einem Nässeeintrag in den angrenzenden Kellerraum des Gebäudes der Klägerin gekommen ist.
a) Soweit der Bautenstand vor Durchführung der Sanierungsmaßnahmen im Hinblick auf die Nässeschäden am Anwesen der Klägerin betroffen war, hat das Gericht am 17.03.2017 die Zeugen Z. und T. vernommen.
Die Zeugen bestätigten in ihrer Einvernahme den Inhalt der zuvor erstellten Privatgutachten und erläuterten, was sie vor Ort bei Besichtigung der Baumaßnahmen im Einzelnen feststellen konnten.
Der Zeuge … erkärte, die vorliegend zum Bautenstand klägerseits vorgelegten Gutachten Anlage K 7 und K 10 nach einer eingehenden Ortsbegehung selbst erstellt zu haben. Der Zeuge konnte sich noch an Feuchtigkeitsschäder in der Wohnung S. im ersten Obergeschoss des Anwesens erinnern weswegen er von der Klägerin als Privatgutachter beauftragt worden ist. Diese Schäden konnte der Zeuge selbst beobachten. Gleiches gilt für die Sockelabdichtung und für die Risse.
Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge … ein Gefälligkeitsaussage zu Gunsten der Klägerin tätigen wollte, sind weder ersichtlich noch werden diese behauptet. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass der Zeuge neutral aufgrund des ihm erteilten Gutachterauftrages diejenigen Beobachtungen schiderte, die er auch tatsächlich getätigt hatte.
Ebenso hatte das Gericht die Angabe des gegnerischen Zeugen … gewertet, der von der beklagten Partei zum Bautenstand benannt worden ist. Auch die Angaben dieses Zeugen waren überzeugend, der Zeuge machte einen glaubwürdigen Eindruck und schilderte den Bautenstand ohne Benachteiligungsabsicht zu Lasten der Klagepartei.
b) Nach erfolgter Einvernahme der Zeugen zu dem Bautenstand hat das Gericht die Akte an den Gerichtssachverständigen … geleitet mit der Bitte um Auswertung der behaupteten mangelhaften Bauausführung.
c) Der Sachverständige … hatte basierend auf den Erkenntnissen der Zeugeneinvernahme sowie vor dem Hintergrund der vertraglichen Regelung und der vorgenannten Verpflichtung der Beklagten zum Schutz des Gebäudes der Klägerin festgestellt, dass Feuchtigkeitsschäden vorhanden gewesen sind, welche auf die Verletzung der nachbarschaftlichen Verpflichtung durch die Beklagte zurückzuführen waren.
d) Das Gericht bezieht sich hier zunächst einmal auf die sorgfältig begründeten schriftlichen Ausführungen im Gutachten vom 23.11.2017, die der Gerichts sachverständige in einer nachfolgenden Stellungnahme vom 15.03.2018 im Wesentlichen bestätigt hatte (Bl. 271 d.A.) Lediglich betragsmäßig hatte der Gerichtssachverständige … zuletzt die Nachbesserungskosten noch etwas höher eingestuft. Jedoch blieb der Sachverständige dabei, dass im Hinblick auf die Streitpunkte „Abdichtung der Dachterrasse“, „Terrassengeländer“, „Sockelabdichtung“ sowie „Risse im gesamten Haus“ eine Verantwortlichkeit der Beklagten in technischer Hinsicht bestätigt werden kann. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Gutachten und auf das Ergebnis der Anhörung vom 27.04.2018 Bezug genommen. Hier schließt sich das Gericht in rechtlicher Hinsicht vollumfänglich den äußerst überzeugenden, detailreichen und fachlich fundierten Ausführungen des als äußerst fachkundig bekannten Gerichtssachverständigen … an.
e) Lediglich ergänzend wird folgendes ausgeführt:
aa) Terrassenabdichtung
In seinem Gutachten vom 23.11.2017 erläuterte der Gerichtssachverständige, dass die Wärmedämmung auszutauschen ist.
Basierend auf den Erkenntnissen der Zeugen zu dem Bautenstand in Bezug auf die Feuchtigkeitsschäden hatte der Gerichtssachverständige Dr. E. in seinem Gutachten vom 23.11.2017 Auswertungen getätigt, wonach die Wärmedämmung neu auszutauschen ist. Außerdem muss der Belag, der Estrich sowie die Bestandsabdichtung erneuert werden. Diese Umstände sind darauf zurückzuführen, dass im Bereich der westlichen Brüstungsmauer Undichtigkeiten vorlagen, die zu Wassereintritten in den Terrassenaufbau geführt haben (Blatt 30 des Gutachtens).
Der Sachverständige … berücksichtigte insofern auch die Nachbarvereinbarung vom 15.03.2010, wonach die Abdichtung unterhalb des Estrichs an die hier vorhandene Bestandsabdichtung angeschlossen werden sollte, was technisch gesehen erforderlich gewesen wäre. Da es auf Grund des Besprechungsprotokolls vom 02.11.2011 eine schadlose Freilegung der Petunienabdichtung nicht möglich gewesen, was in der Praxis häufig der Fall sei und zu erwarten gewesen wäre, da bei einem freilegen der alten Bestandsabdichtung erst der darüber liegende Estrich abgebrochen werden muss, was insbesondere bei älteren, spröden Abdichtungen zu entsprechenden Beschädigungen führt. Wenn nun ein funktionsfähiger Abdichtungsanschluss nicht möglich ist, so ist regelmäßig die vollflächige Abdichtung der gesamten, betroffenen Fläche einschließlich der Neuausbildung der Anschlüsse erforderlich, um eine funktionsfähige Abdichtung zu erhalten. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Aus diesem Grunde haftet die Beklagte für Nachbesserungskosten in Höhe von EUR 19.677,78 brutto (Seite 35 des Gutachtens). Der Sachverständige hat diesen Betrag in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.03.2018 unter Berücksichtigung neuer Erkenntnisse auf insgesamt 31.229,64 € nach oben hin korrigiert.
Dabei hat der Sachverständige einen Abzug „neu-für-alt“ vorgenommen. Das Gericht hatte eingangs der mündlichen Anhörung erklärt, dass ein Abzug „neu-für-alt“ grundsätzlich nicht stattfinden würde. An dieser Rechtsauffassung hält das Gericht nunmehr nicht fest, nachdem der Gerichtssachverständige zeitlich nach dem richterlichen Hinweis erklärt hatte, dass er bei dem Abzug „neu-für-alt“ den Zeitpunkt der Schadensverursachung zu Grunde gelegt hatte, bzw. konkret das Datum der Schlussbegehung der letzten Beweissicherung. Von diesem Zeitpunkt ausgehend war ein Abzug „neu-für-alt“ geboten. Ausgehend hiervon waren für die Sanierung der Dachterrasse und die angrenzenden Feuchteschäden 31.229,64 € in Ansatz zu bringen. Soweit eine Mietminderung geltend gemacht wurde, war diese außer Betracht zu lassen, da sie von der Klageseite nicht hinreichend schlüssig dargelegt worden ist.
bb) Sockelausbildung
In der Nachbarvereinbarung vom 15.03.2010 wird hinsichtlich der Sockelausbildung an der Westwand folgendes ausgeführt:
„Nach Abbruch des Bestandsgebäudes der … wird die östliche Außenwand des Kellergeschosses …, Flurstück … erdberührt und somit der Erdfeuchtigkeit ausgesetzt sein. Die WHS verpflichtet sich, erdberührte Bauteile abzudichten und mit einer Perimeterdämmung d gleich 8 cm zu versehen. Abdichtung und Dämmung werden bis 30 cm über Gelände geführt und mit einem Alublech abgedeckt. Es wird ein Sockelputz nach Maßgabe der Sockel-Richtlinie aufgebracht (siehe auch Detailpläne …)“.
Basierend hierauf sowie auf den Feststellungen des Zeugen … in dessen Gutachten Anlage K 20 erfolgte die Sockelausbildung nach Erstellung des Gerichtssachverständigen abweichend vom Detailplan … der Nachbarvereinbarung. Denn der Sockel selbst ist in zwei Stufen ausgebildet worden und nicht wie im Detail einstufig. Die Verblechung wurde nicht an der Westfassade angeschlossen, sondern endet entweder nach der ersten Stufe des Sockels oder aber stumpf vor der Westwand. Hier wurde die Nachbarvereinbarung nicht eingehalten (Blatt 46 des Gutachtens). Der Gerichtssachverständige bestätigte die vom Zeugen … behauptete Blasenbildung in der Abdichtung, die typischerweise auf Feuchtigkeit unterhalb der Abdichtung zurückzuführen ist. Zur Sanierung der Abdichtung wäre diese nach Abtrocknen der Außenwand lokal auszubessern. Außerdem muss in dem Bereich, in dem das Mauerwerk der Westwand des streitgegenständlichen Gebäudes freiliegt, mit Durchfechtungen der Wand bei Regen gerechnet werden, was zu Feuchtigkeitsschäden im Keller führen kann. Die Kosten für die Nachbesserung der Verblechung unter Verwendung einer Klappleiste als Anschluss an die Westwand schätzt der Sachverständige insgesamt auf EUR 10.329,20 brutto. Auch hier ergeben sich geringfügige Änderungen in der letzten Stellungnahme vom 15.03.2018, in welcher Sanierungskosten in Höhe von 10.942,05 € für die Sanierung/Ergänzung der Sockelverblechung und lokale Nachbesserung der kunststoffmodifizierten Bitumendickbeschichtung im Bereich des Sockels an der Westwand des Gebäudes anfallen.
cc) Rissbildungen im Gebäude und Fassade
Der Sachverständige … bestätigte, dass er vor Ort Rissbildungen, so wie sie bereits von dem Büro Ingenieure GmbH dokumentiert worden sind, tatsächlich feststellen konnte. Lediglich an der Decke sowie an der Nordwand des Wohnzimmers einer Wohnung im zweiten Obergeschoss wurden Risse bereits gestrichen. Die Risse im Bereich der Fassade konnte der Sachverständige mit Ausnahme der Südseite des Gebäudes nicht mehr feststellen da diese zwischenzeitlich behoben worden. Jedoch konnte der Sachverstänc ige auf Basis der vernommenen Zeugen sowie aufgrund eigener Erkenntnisse vor Ort angeben, dass zur Behebung von Rissen und aufgeweiteten Fugen im gesamten Gebäude sowie die Erneuerung des Fassadensockels des südlichen Anbaus unter Berücksichtigung von „neu- für alt“ ein weiterer Betrag von EUR 21.420,00 zu erwarten ist. Auch hier hatte der Gerichtssachverständige … eine Kostenschätzung von zuletzt 26.180 € für zutreffend befunden, nachdem er sich in seiner ergänzenden Stellungnahme mit den Wartungsintervallen für Innenanstriche und Rissbreiten befasst hatte (Bl. 276 d.A.) Hier hatte der Gutachter einen Innenraumanstrich in Wohnräumen bei üblicher Nutzung zur Erhaltung des optischen Gesamteindruckes in einem etwas kürzeren Zeitabstand von ca. vier bis fünf Jahren angesetzt. Bei dem Fassadenanstrich hat der Gutachter ebenfalls aufgrund der erst sechs Jahre alten Fassade geringfügige Änderungen im Hinblick auf die Kosten der Erneuerung des Fassadenanstriches vorgenommen. Zusammenfassend hat der Gutachter auch hier unter Berücksichtigung eines Abzuges von „neu-für-alt“ 26.180 € ausgeworfen.
dd) Ergebnis
Nachdem sich aufgrund der Anhörung des Sachverständigen … hierzu keine Änderungen im Ergebnis ergeben haben, verbleibt es bei den zuletzt ausgewiesenen Nachbesserungskosten von 68.351,69 € brutto. Dabei war auch der volle Betrag anzusetzen, ungeachtet des Umstandes, dass die Risse derzeit noch nicht vollständig saniert worden sind. Hier hatte das Gericht … seiner am 18.04.2018 getätigten Rechtsauffassung (Bl. 285 d.A.) Abstand gekommen. Denn zutreffenderweise hat der Klägervertreter darauf hingewiesen, dass er aus der Nachbarschaftsvereinbarung vorgeht und keinen Schadenersatz kraft Gesetzes verlangt. Lediglich in dem Fall wäre die Geltendmachung eines fiktiven Schadens für eine noch nicht erfolgte Sanierung im Hinblick auf die Risse unzulässig …. Da die Klägerin die Verletzung der Nachbarschaftsvereinbarung behauptet, war auch die Geltendmachung der tatsächlich noch nicht angefallenen Sanierungskosten für die Rissschäden zulässig. Hinsichltich der Sanierung der Dachterrasse sowie der Sanierung der Sockelverblechung stellte sich die Problematik nicht, da hier de facto Kosten angefallen waren.
Die Klägerin hat außerdem einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen hinsichtlich des ausgeurteilten Betrages aus dem Gesichtspunkt des Verzugs seit dem 11.04.2015 gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.
Schließlich schuldet die Beklagte Erstattung außergerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.456,28 €. Auch dieser Betrag war seit Klagezustellung mit 5 Prozentpunkten gemäß §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1, 291 BGB zu verzinsen.
B
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1 Satz 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.

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