Aktenzeichen M 9 K 17.341
BayBO BayBO Art. 54 Abs. 2 S. 1, S. 2
Leitsatz
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist bereits unzulässig.
Der trotz Hinweises in der mündlichen Verhandlung auch zuletzt als Drittanfechtungsklage geführte Rechtsbehelf ist nicht das richtige Mittel zur Verfolgung des klägerischen Begehrs; für eine Drittanfechtungsklage fehlt es bereits an der Möglichkeit einer Verletzung drittschützender Vorschriften, § 42 Abs. 2 VwGO.
Die Anfechtungsklage eines Dritten gegen eine Baugenehmigung kann nur dann Erfolg haben, wenn die Baugenehmigung Vorschriften verletzt, die dem Schutz des Dritten zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im vorliegenden Verfahren keine umfassende Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Die Prüfung beschränkt sich vielmehr darauf, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die den Nachbarn einen Abwehranspruch gegen das Vorhaben vermitteln, verletzt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris).
Die Klägerin hat nichts dargelegt, was die Möglichkeit dafür begründen könnte, dass die Baugenehmigung gegen drittschützende Vorschriften verstößt; auch unabhängig vom klägerischen Vorbringen ist nichts hierfür ersichtlich. Der klägerische Vortrag zeigt, dass die Klägerin (nur) die gegenwärtige Ausführung des Vorhabens stört, weil diese – so ihre Ansicht – von den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen, die die Baugenehmigung vom 14. Juni 2002 und – durch Bezug hierauf – die streitgegenständliche Baugenehmigung aufstellen, abweicht. Eine Baugenehmigung kann aber nicht unter der Prämisse angegriffen werden, dass eine hierin festgeschriebene bzw. in Bezug genommene – und auch aus Sicht des Bevollmächtigten der Klägerin „rechtmäßige“ – Auflage nicht vollzogen werde. Anders läge es, wenn die immissionsschutzrechtlichen Regelungen als nicht ausreichend angesehen würden (vgl. VG München, U.v. 23.11.2016 – M 9 K 15.4614 – juris), was vorliegend angesichts des umfangreichen Auflagenkatalogs offensichtlich ausscheidet. Eine (zusätzliche) Bewehrung mit Zwangsmitteln hat damit nichts zu tun. Fernziele wie die Erlangung eines Vorbescheids können bei alledem vielleicht Motiv einer (Dritt-) Anfechtungsklage sein, sind aber bei der Prüfung des erhobenen Rechtsbehelfs irrelevant.
Konsequent wäre gewesen, eine auf Art. 54 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBO i.V.m. § 30 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO i.V.m. § 3 Abs. 1 und 2 BImSchG i.V.m. 4.2.15ff. der Auflagen gestützte Verpflichtungsklage zu erheben mit dem Ziel, den Beklagten anzuhalten, die bestehenden und als ausreichend anzusehenden Auflagen durchzusetzen (vgl. OVG Lüneburg, U.v. 25.1.1993 – 6 L 195/90 – juris; Simon/Busse, BayBO, Stand: 123. EL August 2016, Art. 68 Rn. 395; allgemeiner z.B. auch VG Ansbach, U.v. 2.3.2016 – AN 9 K 14.02026 – juris). Die gewählte Anfechtungsklage ist deshalb schlicht nicht der korrekte Rechtsbehelf. Dass die bestehenden Auflagen durchgesetzt werden, ist ein reines Vollzugsproblem und macht die Baugenehmigung nicht rechtswidrig (vgl. statt aller VG München, U.v. 23.11.2016 – M 9 K 15.4561 – juris).
Eine Umdeutung oder Auslegung des klägerischen Begehrs scheidet bei einem von einem Rechtsanwalt gestellten und bis zuletzt aufrechterhaltenen Antrag aus.
Unabhängig davon, dass die Inhalte der Baugenehmigung(en) demnach ohnehin nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstoßen, wurde bei alledem bisher zugunsten der Klägerin unterstellt, dass die in der Klagebegründung apodiktisch geäußerte Rechtsauffassung zutrifft, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung als Änderung der bestehenden baulichen Anlage zur Folge habe, dass das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt geprüft werden müsse. Dafür, dass diese Ansicht die obergerichtliche und höchstrichterliche Rechtsprechung nur verkürzt wiedergibt und die Folgen aus dem Blick verliert, sei beispielsweise auf BayVGH, B.v. 29.8.2016 – 15 ZB 15.2442 – juris m.w.N. verwiesen:
„Im Übrigen ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei einer Änderung einer bestandskräftig genehmigten baulichen Anlage Gegenstand der bauplanungsrechtlichen Prüfung zwar das Gesamtvorhaben in seiner geänderten Gestalt; dies bedeutet jedoch nicht, dass eine zuvor erteilte Baugenehmigung ohne weiteres gegenstandslos geworden ist und dass eine die Änderung gestattende Baugenehmigung sich stets auf alle zu prüfenden (bauplanungsrechtlichen) Voraussetzungen der Zulässigkeit des Gesamtvorhabens erstrecken muss. Im vorliegenden Fall ist aber gerade nicht ersichtlich, dass durch die streitgegenständliche Genehmigung der baulichen Änderungen die zuvor genehmigten Nutzungen in irgendeiner Weise betroffen sein bzw. dass sich diese Änderungen im Vergleich zu den bestandskräftigen Genehmigungen vom 14. Juli 2009 und 19. Januar 2011 lärmerhöhend und damit auf die diesbezüglichen Bewertungsparameter des Rücksichtnahmegebots auswirken können. Vor diesem Hintergrund ist auch nicht verständlich, warum für eine neue Gesamtbewertung der Lärmsituation § 3 Abs. 5 BImSchG und § 1 Abs. 2 der 4. BImSchV sprechen könnten, zumal es hier nicht um eine nach BImSchG genehmigungsbedürftige Anlage geht.“
So liegt der Fall auch hier, worauf die Vertreterinnen des Landratsamtes in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen haben. Der – nicht zu den Grundstücken der Klägerin orientierte – Anbau, der Streitgegenstand der hiesigen Baugenehmigung ist, hat mit der Lackiereinheit und mit der zu ihr gehörenden Abluftanlage, die Gegenstand der Auflagen aus 2002 und Anlass der Klage sind, nichts zu tun. Eine diesbezügliche Neubewertung der bereits seit 2002 bestehenden Genehmigungslage ist nach Ansicht des Gerichts durch nichts veranlasst. Es sind auch auf Basis der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gerade nicht etwa „stets“ alle Prüfungsaspekte – wie beispielsweise die Verletzung des Rücksichtnahmegebots – zwangsläufig „neu aufzurollen“: Bereits 1993 hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine isolierte Beurteilung der Erweiterung nur dann nicht (mehr) möglich sei, wenn die Erweiterung gewissermaßen eine „qualitative“ Änderung der Anlage mit sich bringe; als ausdrückliches Beispiel wurde eine Änderung der Immissionslage aufgeführt (BVerwG, U.v. 17.6.1993 – 4 C 17/91 – juris), die hier nicht gegeben ist. Später wurde überdies klargestellt, dass selbst die Auffassung, eine Änderung einer baulichen Anlage nötige stets zur Prüfung des Gesamtvorhabens in seiner geänderten Gestalt, nicht bedeute, dass sich die der Erteilung der Änderungsgenehmigung vorausgehende Prüfung auf alle Voraussetzungen der bebauungsrechtlichen Zulässigkeit des Gebäudes erstrecken müsse; sie müsse sich stattdessen nur auf die Voraussetzungen erstrecken, die durch sie berührt werden (BVerwG, B.v. 4.2.2000 – 4 B 106/99 – juris). Welches Prüfprogramm bei der Entscheidung über eine Änderungsgenehmigung abzuarbeiten sei, werde durch den Genehmigungsgegenstand bestimmt; seien für ihn nur einzelne bebauungsrechtliche Anforderungen einschlägig, so sei die Prüfung darauf zu beschränken (BVerwG, a.a.O.). Da die östliche Erweiterung des bestehenden Werkstattgebäudes, wie bereits erwähnt, hinsichtlich der monierten Abluftproblematik keinerlei Veränderung mit sich bringt, ist eine Neubewertung der Immissionsschutzanforderungen als Determinanten der Prüfung auch des baurechtlichen Rücksichtnahmegebots nicht veranlasst.
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass nach den Erkenntnissen in der mündlichen Verhandlung mittlerweile auch ein Antrag auf Vollzug der Auflagen samt Verpflichtungsklage erfolglos bleiben müsste. Das bis dato vom Nichtvollzug der Regelung in 4.2.16 – Erhöhung des Kamins – (wegen seiner Firsthöhe) allein betroffene Gebäude auf FlNr. 1052/2 liegt durch eine bereits realisierte Versetzung des Kamins nicht mehr im 50 m-Radius, wie aus der in der mündlichen Verhandlung übergebenen und klägerseitig nicht in Zweifel gezogenen Planzeichnung hervorgeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 162 Abs. 3 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708f. ZPO.