Baurecht

Unzulässigkeit einer Werbeanlage außerhalb der Baugrenze

Aktenzeichen  AN 9 K 15.00292

Datum:
27.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BauGB BauGB § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1, Abs. 2
BauNVO BauNVO § 23 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 S. 1
BayBO BayBO Art. 2 Abs. 1 S. 2, Abs. 2, Abs. 4

 

Leitsatz

Die Vorschrift des § 23 Abs. 3 S. 1 BauNVO ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht nur auf Gebäude und Gebäudeteile im engeren Sinne (etwa im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO oder anderer Landesbauordnungen, nach denen Gebäude nur solche baulichen Anlagen sind, die von Menschen betreten werden können), sondern auf jede selbstständige bauliche Anlage anwendbar (vgl. BVerwG BeckRS 9998, 65896). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten kann das Gericht gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Ihr steht ein Anspruch auf Erteilung der beantragten Baugenehmigung für die Errichtung einer einseitigen unbeleuchteten Plakatwand auf dem Grundstück …, FlNr. …, der Gemarkung … in der Stadt … nicht zu.
Das beantragte Vorhaben („Errichtung einer einseitigen Großfläche mit Rückseitenverkleidung (unbeleuchtet) sowohl für Werbung an der Stätte der Leistung wie auch für allgemeine Produktinformationen“) ist eine ortsfeste Anlage der Wirtschaftswerbung und gilt gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 2 BayBO als eigenständige bauliche Anlage, deren Errichtung nach Art. 55 BayBO genehmigungspflichtig ist. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 1. Hs. BayBO muss die Bauordnungsbehörde die Baugenehmigung erteilen, wenn das Vorhaben keinen öffentlichrechtlichen Vorschriften widerspricht, die Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens sind, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BayBO gibt der Baugenehmigungsbehörde jedoch die Möglichkeit, den Bauantrag auch dann abzulehnen, wenn das Bauvorhaben gegen sonstige öffentlichrechtliche Vorschriften verstößt. Einschlägig ist vorliegend das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren gemäß Art. 59 BayBO, weil es sich bei der Werbeanlage um keinen Sonderbau im Sinne des Art. 2 Abs. 4 BayBO handelt. Prüfungsmaßstab sind daher die Vorschriften über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit (§§ 29 ff. BauGB) sowie die Regelungen örtlicher Bauvorschriften im Sinne des Art. 81 Abs. 1 BayBO. Da die Beklagte indes von ihrem Ablehnungsrecht aus Art. 68 Abs. 1 Satz 1 2. Hs. BayBO Gebrauch gemacht und die Ablehnung des Bauantrags auch auf das Verunstaltungsverbot des Art. 8 BayBO gestützt hat, ist auch diese Vorschrift Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung.
Die streitgegenständliche Werbeanlage ist bauplanungsrechtlich unzulässig, da sie den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. … der Stadt … vom 31. Januar 2012 sowohl in Bezug auf die dort festgesetzten Baugrenzen als auch in Bezug auf die dort enthaltene Bestimmung, dass im gesamten Plangebiet Werbeanlagen nur am Ort der Leistung zulässig sind, widerspricht. Die Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB hat die Beklagte zu Recht abgelehnt.
Für bauliche Anlagen im Geltungsbereich eines Bebauungsplans richtet sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 30 Abs. 1 BauGB. Enthält der Bebauungsplan Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubare Grundstücksfläche und die örtlichen Verkehrsflächen, so ist das Vorhaben zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht und seine Erschließung gesichert ist. Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Zum einen würde sich die geplante Werbeanlage außerhalb der überbaubaren Grundstücksfläche befinden. Der Bebauungsplan Nr. … regelt diese durch die Festsetzung einer Baugrenze, welche sich lediglich über den nordwestlichen hinteren Teil des Vorhabensgrundstücks erstreckt. Das hat gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 BauNVO zur Folge, dass Gebäude und Gebäudeteile diese nicht überschreiten dürfen. Der Begriff des Gebäudes ist für das Bauplanungsrecht nicht legal definiert. Die Vorschrift ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung jedoch nicht nur auf Gebäude und Gebäudeteile im engeren Sinne (etwa im Sinne des Art. 2 Abs. 2 BayBO oder anderer Landesbauordnungen, nach denen Gebäude nur solche baulichen Anlagen sind, die von Menschen betreten werden können), sondern auf jede selbstständige bauliche Anlage anwendbar (vgl. BVerwG, U. v. 7.6.2001 – 4 C 1/01, Rn. 11 – juris). Dies findet seine Begründung unter anderem im Umkehrschluss aus § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO. Der Verordnungsgeber wollte bauliche Anlagen außerhalb der Baugrenzen nur zulassen, soweit es sich um zur Hauptnutzung gehörige und dieser untergeordnete Nebenanlagen handelt. Eine solche liegt mit der beantragten Werbeanlage gerade nicht vor, vielmehr ist sie nach dem Willen der Klägerin unter anderem für allgemeine Produktinformationen – mithin für Fremdwerbung – gedacht und somit als eigenständige bauliche Anlage und als eigenständige gewerbliche Hauptnutzung zu bewerten, die außerhalb der Baugrenzen unzulässig ist. Der Einwand der Klägerin, die geplante Werbeanlage befände sich wenigstens innerhalb der faktischen Baugrenze, ist zurückzuweisen. Ist ein Gebiet dergestalt überplant, dass ein Bebauungsplan rechtsverbindlich eine Baugrenze festsetzt, bleibt daneben für die Annahme einer faktische Baugrenze nur dann Raum, wenn die rechtliche Festsetzung aus irgendeinem Grund unwirksam wäre. Hierfür gibt es im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte.
Zum anderen ist die Werbeanlage an ihrem geplanten Anbringungsort nach der Art der baulichen Nutzung unzulässig, da § 2 Ziff. 9.1 der textlichen Festsetzungen Anlagen für Fremdwerbung, die als eigenständiger Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind, ausdrücklich ausschließt.
Die Zulassung im Wege der Ausnahme gemäß § 31 Abs. 1 BauGB ist nicht möglich, da der Bebauungsplan eine solche weder von den Baugrenzen noch von der Art der baulichen Nutzung vorsieht.
Auch die beantragte Befreiung von den genannten Festsetzungen wurde in rechtlich nicht zu beanstandender Weise von der Beklagten abgelehnt, da sie die Grundzüge der Planung berühren würde. Nach § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreit werden, wenn neben weiteren Voraussetzungen die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Was ein Grundzug der Planung ist, lässt sich indes nicht pauschal sagen. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sind es regelmäßig die für einen qualifizierten Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB erforderlichen Mindestfestsetzungen. Daneben kommt es im Einzelfall darauf an, ob die fragliche Festsetzung Bestandteil eines Planungskonzepts ist, das das gesamte Plangebiet oder doch maßgebliche Teile davon gleichsam wie ein roter Faden durchzieht, so dass eine Abweichung zu weitreichenden Folgen führt, oder ob die einzelne Festsetzung entweder gewissermaßen zufällig ist und eine Abweichung von ihr keinen nachhaltigen Eingriff in das Plangefüge zur Folge hätte (vgl. Jäde/Dirnberger/Weiß, BauGB/BauNVO, 7. Aufl., 2013, § 31 BauNVO, Rn. 14). Von der Zugehörigkeit zu einem solchen Konzept ist hier auszugehen. Bei beiden Festsetzungen handelt es sich um Mindestfestsetzungen für einen qualifizierten Bebauungsplan, da sie die Art der baulichen Nutzung und die überbaubare Grundstücksfläche zum Gegenstand haben. Darüber hinaus hat die Beklagte auch nicht nur allgemein bestimmte Nutzungsarten festgesetzt. In dem lediglich die Grundstücke FlNrn. … und … umfassenden Sondergebiet ist vielmehr individuell und abschließend für jedes der beiden Grundstücke in § 2 Ziff. 1.2 und 1.3 des Bebauungsplans eine ganz bestimmte Art der baulichen Nutzung festgesetzt – für das Vorhabensgrundstück ein großflächiger Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb mit Bäckerei, Metzgerei und Gastronomie. Demgegenüber entsprach es ihrem ausdrücklichen, in § 2 Ziff. 9.1 zum Ausdruck kommenden Willen, Gewerbebetriebe der Außenwerbung gerade nicht zuzulassen. Gleiches gilt für die festgesetzte Baugrenze. Sie bewirkt die Gliederung der Grundstücke in einen hinteren, den Hauptnutzungen vorbehaltenen Teil und einen vorderen, in dem solche gerade nicht vorkommen sollen.
Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand der Klägerin ins Leere, die Ablehnung des Befreiungsantrags sei ermessensfehlerhaft. Da schon die Tatbestandsvoraussetzungen von § 31 Abs. 2 BauGB nicht vorliegen, bleibt für eine Ermessensbetätigung der Beklagten kein Raum.
Die Frage, ob die geplante Werbeanlage auch gegen das Verunstaltungsverbot in Art. 8 BayBO verstößt, kann dahinstehen.
2.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
3.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

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