Baurecht

Verpflichtung zur Stellung eines Bauantrages

Aktenzeichen  AN 3 K 15.02555

Datum:
13.7.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO BayBO Art. 76 S. 3

 

Leitsatz

Für die Verpflichtung zur Einreichung eines Bauantrages genügt bereits ein „Anfangsverdacht“ eines baurechtswidrigen Zustandes. Durch den Bauantrag soll die Bauaufsichtsbehörde gerade in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob es einer Baugenehmigung überhaupt bedarf, im Bejahensfall des Weiteren, ob diese zu erteilen oder zu versagen ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand vorliegender Klage ist der Bescheid des Landratsamtes … vom 19. November 2015, mit welchem dem Kläger die Einreichung eines Bauantrages, die Nutzung des ersten Obergeschosses des sich auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … befindlichen Gebäudes betreffend, aufgegeben worden ist.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Rechtsgrundlage für die Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen, ist Art. 76 Satz 3 BayBO.
Die Voraussetzungen dieser Norm liegen vor (siehe unten 1.), Ermessensfehler sind nicht ersichtlich (siehe unten 2.).
1. Art. 76 Satz 3 BayBO knüpft an die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften i. S. d. Art. 76 Satz 1 und 2 BayBO an, setzt aber nicht voraus, dass ein Verstoß gegen formelles oder materielles Baurecht tatsächlich verwirklicht ist. Ausreichend ist es vielmehr, wenn objektive, konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass solch ein Zustand geschaffen werden kann (vgl. z. B. BayVGH vom 5.10.20016, 14 ZB 06.1133 – juris). Die Anforderung von Bauvorlagen soll gerade die Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörde ermöglichen, ob eine Baugenehmigung zu erteilen oder abzulehnen ist bzw. ob es einer Baugenehmigung überhaupt nicht bedarf.
Die Stellung eines Bauantrages darf auch verlangt werden, wenn erst mit seiner Hilfe geklärt werden kann, ob das Vorhaben der Baugenehmigungspflicht unterliegt oder nicht (vgl. z. B. BayVGH vom 26.3.2012, 9 ZB 09.942; vom 11.6.2014, 1 ZB 11.2826).
Das Verlangen nach Einreichung eines Bauantrages ist nicht erst dann gerechtfertigt, wenn die Genehmigungspflichtigkeit oder ein Verstoß gegen zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften definitiv feststehen, sondern schon dann, wenn objektive konkrete Anhaltspunkte darauf hindeuten, dass ein dem öffentlichen Recht formell oder materiell widersprechender Zustand geschaffen wird (vgl. z. B. BayVGH vom 14.10.2013, 9 CS 13.1407 – juris).
Das heißt, für die Verpflichtung zur Einreichung eines Bauantrages genügt bereits ein „Anfangsverdacht“ eines baurechtswidrigen Zustandes. Durch den Bauantrag soll die Bauaufsichtsbehörde gerade in die Lage versetzt werden zu beurteilen, ob es einer Baugenehmigung überhaupt bedarf, im Bejahensfall des Weiteren, ob diese zu erteilen oder zu versagen ist.
Nachdem im vorliegenden Fall nach Auffassung der Kammer für die Nutzung des ersten Obergeschosses des streitgegenständlichen Gebäudes als Lager keine Genehmigung (mehr) vorliegt, stellt sich die Frage, ob es sich bei der verwirklichten Lagernutzung um ein baugenehmigungspflichtiges Vorhaben handelt.
a) Ist davon auszugehen, dass eine Nutzung des Obergeschosses als Lager noch zu keiner Zeit baurechtlich genehmigt worden ist, obwohl es sich zur Zeit der Errichtung des Stallgebäudes und damit auch des ersten Obergeschosses im Jahre 1960 um einen genehmigungspflichtigen Tatbestand gehandelt hat, so stellt sich die Frage der Genehmigungspflicht durch die derzeitige Nutzung des ersten Obergeschosses als Lager zum jetzigen Zeitpunkt. Zur Klärung dieser Frage berechtigt Art. 76 Satz 3 BayBO die Baugenehmigungsbehörde, die Einreichung von Bauvorlagen/die Stellung eines Bauantrages zu verlangen.
Den klägerseits vorgelegten, ohne Genehmigungsstempel versehenen Plänen (Ansichten, Grundriss Erdgeschoss, Schnitte) ist eine Genehmigung des Obergeschosses als Lager nicht zu entnehmen.
An dieser Beurteilung ändert sich nach Auffassung der Kammer auch nichts durch den geplanten Einbau eines Kniestocks, wie er den vorgelegen Schnittzeichnungen zu entnehmen ist. Nicht zuletzt im Hinblick auf § 9 Abs. 1 BayBO 1901, welcher auf das 1960 genehmigte Vorhaben „Stallneubau“ anzuwenden ist, wonach für alle zur Genehmigung gestellten Geschosse Grundrisszeichnungen vorzulegen sind, liegt es auf der Hand, dass aus dem Umstand geplanter Kniestöcke nicht auf eine genehmigte Nutzung des Obergeschosses als Lager geschlossen werden kann.
Die nach § 9 Abs. 1 BayBO 1901 erforderlichen Bauvorlagen, welche im Zusammenhang mit der Genehmigung von 1960 den Schluss auf eine formell rechtmäßige, da von der erteilten Genehmigung umfasste Lagernutzung des Obergeschosses zuließen, sind nicht (mehr) vorhanden.
Ein Bestandsschutz durch die 1960 erteilte Baugenehmigung „Stallneubau“ scheidet insoweit aus. Bestandsschutz kann nur dann gewährt werden, wenn es um die Erhaltung (formell oder materiell) rechtmäßig Geschaffenen geht. Die Beweislast hierfür trägt als derjenige, der sich darauf beruft, nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen der Kläger. Dieser vermochte für eine genehmigte Nutzung des Obergeschosses des Stallgebäudes keine Beweise vorzulegen. Dies führt nach den allgemeinen Beweislastregeln dazu, dass nicht vom Vorliegen einer Genehmigung für die Obergeschossnutzung (als Lager) auszugehen ist.
b) Selbst wenn man der Auffassung des Klägers folgen wollte, wonach es bei der Genehmigung landwirtschaftlicher Stallgebäude üblich gewesen sei, dass dies auch eine Nutzung des Obergeschosses zu landwirtschaftlichen Zwecken umfasste, ohne dass es insoweit eines ausdrücklichen Ausspruches bedurft hätte, führt dies nicht zur Bejahung eines die Rechtmäßigkeit der Forderung nach Einreichung eines Bauantrags ausschließenden Bestandsschutzes.
Eine derartige aus der „Üblichkeit“ abgeleitete, quasi konkludent erteilte Baugenehmigung für das Obergeschoss des zur Genehmigung gestellten Stalles wäre im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz, wonach eine Baugenehmigung insbesondere Art und Umfang des genehmigten Vorhabens inhaltlich hinreichend bestimmt festlegen muss, allenfalls bezüglich einer im unmittelbaren Zusammenhang mit der Stallnutzung im Erdgeschoss stehenden Nutzung, z. B. als Futterboden, denkbar.
Auf eine im engen Zusammenhang mit der Stallnutzung des Erdgeschosses stehende (mit)genehmigte Obergeschossnutzung bliebe jedoch die Aufgabe der Stallnutzung und die im Erdgeschoss genehmigte und verwirklichte Nutzungsänderung von Stall in Werkstatt nicht ohne Auswirkungen auf einen – unterstellten – Bestandsschutz.
Mit der Aufnahme einer neuen Nutzung nach Aufgabe der bisherigen Nutzung entfiele damit infolge der darin zu Tage tretenden Nutzungsänderung auch der für die in untrennbaren Zusammenhang mit der ehemaligen Stallnutzung stehende Obergeschossnutzung der – unterstellte – Bestandsschutz durch die Baugenehmigung von 1960.
Dies gilt umso mehr, als nach den Angaben des Klägers zu den derzeit im Obergeschoss gelagerten Gegenständen auch nicht mehr von einer landwirtschaftlichen Nutzung im weiteren Sinne ausgegangen werden kann, unabhängig davon, dass zur Zeit auf dem streitgegenständlichen Grundstück überhaupt keine Landwirtschaft betrieben werde.
Ist somit nach keiner rechtlich relevanten Betrachtungsweise (weiterhin) vom Vorliegen eines Bestandsschutzes für die Nutzung des Obergeschosses als Lager auszugehen, ist der Tatbestand des Art. 76 Satz 3 BayBO zweifelsohne erfüllt.
2. Der streitgegenständliche Bescheid ist auch frei von Ermessenfehlern und genügt insbesondere den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
Gemäß Art. 76 Satz 3 BayBO steht das Verlangen zur Stellung eines Bauantrages im Ermessen der Behörde, das sie entsprechend dem Zweck der Ermächtigung unter Wahrung der gesetzlichen Grenzen auszuüben hat. Die gerichtliche Überprüfung des Ermessens ist dabei beschränkt auf die Einhaltung der in § 114 Satz 1 VwGO genannten Voraussetzungen.
Regelmäßig – so auch vorliegend – entspricht es pflichtgemäßer Ermessensausübung, den Bauherrn zur Einreichung eines Bauantrags aufzufordern (so genanntes intendiertes Ermessen; vgl. Decker in Simon/Busse, BayBO, Rn. 323 zu Art. 76).
Die Anordnung, einen Bauantrag zu stellen, erweist sich auch als geeignetes Mittel um sicherzustellen, dass eine Nutzung in Übereinstimmung mit den öffentlichen-rechtlichen Vorschriften stattfindet. Ein dafür ebenso geeignetes milderes Mittel ist nicht gegeben.
Da das Gericht auch hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung weder dem Grunde noch der Höhe nach Bedenken hat (vgl. Art. 31, 36 VwZVG), war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 1 GKG).
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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