Baurecht

Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung

Aktenzeichen  M 8 K 17.3627

Datum:
28.1.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 61493
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1, Art. 68 Abs. 1 S. 1
BayBO Art. 64 Abs. 2 S. 1
BauGB § 30 Abs. 3, § 31 Abs. 2
BauNVO § 4a Abs. 4 Nr. 2, § 7 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, § 16 Abs. 2

 

Leitsatz

Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO bestimmt, dass mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen sind. Art, Umfang und Inhalt der vorzulegenden Bauvorlagen ergeben sich dabei aus der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV), Art. 80 Abs. 4 BayBO. Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen dabei vollständig, richtig und eindeutig sein (vgl. Gaßner in Simon/Busse, BayBO, Stand: 128. EL Dezember 2017, Art. 64 Rn. 75). Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen sein (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 9 ZB 12.205) (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist ohne Erfolg.
Die Ablehnung der Erteilung der Baugenehmigung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung zu, da die Bauvorlagen hinsichtlich der Ladennutzung zu unbestimmt sind.
1. Eine Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlichrechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 Bayerische Bauordnung (BayBO). Dies setzt voraus, dass das Bauvorhaben anhand von Bauantrag und Bauvorlagen geprüft werden kann.
Denn Art. 64 Abs. 2 Satz 1 BayBO bestimmt insofern, dass mit dem Bauantrag alle für die Beurteilung des Bauvorhabens und die Bearbeitung des Bauantrags erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) einzureichen sind. Art, Umfang und Inhalt der vorzulegenden Bauvorlagen ergeben sich dabei aus der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV), Art. 80 Abs. 4 BayBO. Die vorgelegten Bauvorlagen und die in ihnen enthaltenen Angaben müssen dabei vollständig, richtig und eindeutig sein (vgl. Gaßner in Simon/Busse, BayBO, Stand: 128. EL Dezember 2017, Art. 64 Rn. 75). Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Baugenehmigung inhaltlich hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss für die Beteiligten – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen sein (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2015 – 9 ZB 12.205 – juris Rn. 7). Stellt sich daher bei der Prüfung durch die Behörde heraus, dass die Bauvorlagen inhaltlich unrichtige Angaben enthalten bzw. widersprüchlich oder sonst als Entscheidungsgrundlage für die Baugenehmigung ungeeignet sind, darf die Baugenehmigung nicht erteilt werden (vgl. Gaßner, a.a.O. Rn. 80; VG München, B.v. 28.11.2017 – M 8 SN 17.4766 – juris Rn. 57).
2. Dies zugrunde gelegt, sind die vom Kläger vorgelegten Bauvorlagen unvollständig und unklar. Die Beklagte durfte schon allein deshalb keine Baugenehmigung erteilen, so dass auch das Gericht keine Verpflichtung zur Erteilung einer Baugenehmigung aussprechen kann.
Der Kläger begehrt vorliegend neben der Nutzung der baulichen Anlage als Gaststätte, eine gewerbliche Nutzung als Laden. Hierbei sind sowohl die Öffnungszeiten als auch der konkrete Umfang jener Ladennutzung nicht hinreichend bestimmt in den Bauvorlagen, insbesondere in der Betriebsbeschreibung dargestellt. Dies gilt im vorliegenden Fall insbesondere wegen der bauplanungsrechtlichen Historie der streitgegenständlichen Räumlichkeiten, die bereits in der Vergangenheit vom Kläger als Wettbüro genutzt wurden und deren Nutzung als Wettbüro von der Beklagten untersagt wurde. Das streitgegenständliche Baugenehmigungsverfahren hat den Zweck das Vorhaben einer genehmigungsfähigen Nutzung zuzuführen.
2.1 In der Betriebsbeschreibung für die Ladeneinheit ist lediglich angegeben „Laden: zur Untervermietung“. Es wurde weder angegeben, welche Art von Laden noch welche Öffnungszeiten bei der Ladennutzung beabsichtigt sind. Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, welcher Personenkreis in welchem Umfang die streitgegenständlichen Räume nutzen soll. Die Variationsbreite der beantragten Ladennutzung ist daher sehr breit angelegt, so dass die Vereinbarkeit der beantragten Ladennutzung mit dem Gebot der Rücksichtnahme nicht abschließend beurteilt werden kann. Ohne solche Angaben kann eine abschließende bauplanungsrechtliche Beurteilung nicht erfolgen. Nach Aufgabe der Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten als Fahrschule wurden diese Räume als Wettbüro genutzt. Diese Nutzung wurde zwischenzeitlich bauaufsichtlich aufgegriffen und gegenüber dem Kläger untersagt (Bescheid vom 25. Oktober 2016). Das streitgegenständliche Baugenehmigungsverfahren wird nunmehr durchgeführt, um die Räumlichkeiten einer genehmigungsfähigen Nutzung zuzuführen. Es drängt sich daher förmlich auf, dass neben der beantragten Gaststättennutzung die streitgegenständliche Ladeneinheit als Wettannahmestelle genutzt werden soll. Eine Wettannahmestelle wäre als Ladennutzung grundsätzlich von der Variationsbreite einer Baugenehmigung für eine Ladeneinheit umfasst. In Zusammenschau mit der unmittelbar daran anschließenden Gaststättennutzung, die auch den Ausschank von alkoholischen Getränken umfasst, wäre die Ladennutzung als Wettannahmestelle jedoch wegen der funktionalen Einheit in Gesamtschau möglicherweise als Vergnügungsstätte zu qualifizieren. An eine Vergnügungsstätte sind jedoch völlig andere bauplanungsrechtliche Anforderungen zu stellen, als an eine Gaststätte und einen Laden.
An die Erteilung einer Baugenehmigung für eine Wettbüro (Gaststätte in funktionaler Einheit mit einer Wettannahmestelle) schließt sich eine andere Zulässigkeitsprüfung an, als an eine bloße (Klein-)Gaststätte. Würde man unter Zugrundelegung der am 2. Februar 2017 vorgelegten unbestimmten Betriebsbeschreibung eine Baugenehmigung erteilen, wären in der Folge Streitigkeiten zwischen den Beteiligten nicht auszuschließen (vgl. OVG NRW, B.v. 27.7.1992 – 7 B 2686/92 – juris Rn. 12; BayVGH, U.v. 7.12.2010 – 14 B 09.2292 – juris Rn. 23).
2.2 Auch unter Berücksichtigung der weiteren vom Kläger eingereichten, von der Beklagten aber nicht mit einem Ablehnungsstempel versehenen, Unterlagen wird die geplante Nutzung nicht konkretisiert. Aufgrund der Vorgeschichte drängt sich im vorliegenden Verfahren allerdings eine Nutzung als Wettannahmestelle, die zusammen mit der Gaststättennutzung zu einer Nutzung als Wettbüro führen könnte, geradezu auf. Die bisherige Nutzung als Wettbüro, die mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 gegenüber dem Kläger untersagt wurde, könnte dann formal als genehmigte Gaststätte einerseits und genehmigte Ladeneinheit wieder aufgenommen werden, ohne zu berücksichtigen, dass diese zwei Nutzungseinheiten je nach Betriebsbeschreibung unter Umständen als funktionale Einheit zu betrachten sind und in ihrer Gesamtschau eine Wettbüronutzung darstellen. Wenn die streitgegenständlich beantragte Baugenehmigung mit einer derart unbestimmten Betriebsbeschreibung erteilt wird, dann ist ein nochmaliges bauaufsichtliches Einschreiten erschwert, da die Nutzung als Laden und die Nutzung als Gaststätte formal genehmigt wären. In der Folge wäre ein Streit über die formelle Illegalität „Wettbüro“ vorprogrammiert.
Präzisere Angaben sind daher zur abschließenden Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens erforderlich, da nur so eine Abgrenzung zwischen den hier in Betracht kommenden typisierten Nutzungsarten nach der Baunutzungsverordnung (BauNVO) – Laden – Wettannahmestelle – Wettbüro – möglich ist. In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird zwischen sog. „Wettannahmestellen“ und „Wettbüros“ unterschieden. Während bloße Wettannahmestellen für Sportwetten mit den Annahmestellen für Lotto und Toto gleichgestellt werden, sind Wettbüros als Vergnügungsstätten zu behandeln, wenn sie auch der kommerziellen Unterhaltung dienen. Unter Wettbüros in diesem Sinn fallen Räumlichkeiten, in denen zwischen dem Kunden (Spieler), dem Wettbüro (Vermittler) und dem – meist im europäischen Ausland ansässigen – Wettunternehmen Transaktionen abgeschlossen werden, wobei es sich um Sportwetten bzw. um Wetten auf diverse sonstige Ereignisse handelt (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2016 – 9 ZB 13.1991 – juris Rn. 5 m.w.N.; BayVGH, B.v. 25.8.2016 – 9 ZB 13.1993 – juris Rn. 5).
Eine Gesamtschau ergibt, dass nach der streitgegenständlichen unbestimmten Betriebsbeschreibung vom 2. Februar 2017 die Nutzung der verfahrensgegenständlichen Räumlichkeiten als eine organisatorische Einheit mit funktionalen und räumlichen Zusammenhang zwischen Gaststätte und der Nutzung des Ladens als Wettannahmestelle nicht ausgeschlossen werden kann, so dass im Ergebnis ein Wettbüro in Gestalt einer Vergnügungsstätte entstehen könnte. Die Kunden der Gaststätte können unkompliziert die in geselligem Beisammensein ausgefüllten Wettscheine in der unmittelbar daran anschließenden Wettannahmestelle abgeben. Die in den Bauvorlagen dargestellte bloße räumliche Trennung einer Erdgeschosseinheit ohne zusätzliche funktionale Trennung ist nicht geeignet die mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 bereits untersagte Nutzung der streitgegenständlichen Räumlichkeiten als Wettbüro auszuschließen.
Nach übereinstimmenden wissenschaftlichen Forschungsergebnissen ist die Verfügbarkeit bzw. „Griffnähe“ der Glücksspiele ein wesentlicher Faktor der Entwicklung und des Auslebens der Spielsucht (vgl. OVG Lüneburg, B.v. 11.12.2014 – 11 ME 211/14 – juris Rn. 9). Die in einem Wettbüro bzw. in einer Gaststätte mit unmittelbar anschließender Wettannahmestelle gegebene Kombination von angenehmer Atmosphäre und geselligem Beisammensein animiert in weit größerem Maß zum Wetten, und dabei auch zu übermäßigem Wetten, als eine einfache Wettannahmestelle. Die räumliche Verknüpfung bietet daher für suchtgefährdete Personen einen nach der Zielsetzung der Glücksspielprävention unerwünschten Anreiz, sich auch dem Wetten zuzuwenden (vgl. OVG Lüneburg a.a.O; BayVGH, B.v. 27.05.2014 – 10 CS 14.503 – juris Rn. 23). Es widerspricht daher der Absicht der Spielsuchtprävention, dass die Unzulässigkeit eines Wettbüros durch eine Kombination zweier im Erdgeschoss des selben Gebäudes nebeneinander liegender, zwar baulich getrennter, aber auch für die Kunden in einem erkennbaren Zusammenhang stehender Räumlichkeiten unterlaufen wird.
Die sog. „Kleingaststätte“ enthält alle Bestandteile, die zusammen mit einer Wettannahme ein Wettbüro ausmachen. Es handelt sich vorliegend nicht um eine gewöhnliche (Klein-)Gaststätte im Sinne eines kleinen Lokals, einer Kneipe oder eines Cafés. Vielmehr spricht die gesamte Ausstattung dafür, dass hier gezielt ein spielinteressiertes Publikum angezogen und gefördert werden soll. Nach der Betriebsbeschreibung soll nach Erhalt der Baugenehmigung eine Vollkonzession und eine Konzession für drei Automaten beim KVR (Kreisverwaltungsreferat) beantragt werden.
Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die streitgegenständlichen Räumlichkeiten zuvor als Wettbüro genutzt wurden und die Gaststätte selber nur eine Größe von 24,51 m² haben soll, drängt sich eine reine Spielautomatennutzung auf. Das Angebot der Klagepartei, auf die drei Spielautomaten zu verzichten, ist hier nicht verfahrensgegenständlich, da nach wie vor die Betriebsbeschreibung vom 2. Februar 2017 unverändert dem streitgegenständlichen Bauantrag zu Grunde liegt.
Unter Berücksichtigung der räumlichen Enge, der räumlichen Nähe der zwei Betriebseinheiten im Erdgeschoss des Gebäudes und der Betriebshistorie, ist durch entsprechend bestimmte Bauvorlagen, insbesondere durch eine hinreichend bestimmte Betriebsbeschreibung sicherzustellen, dass durch die beantragte Baugenehmigung keine Umgehung der gesetzlichen Schutzvorschriften und der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen geschaffen werden sollen. Durch die streitgegenständliche unbestimmte Betriebsbeschreibung ist nicht eindeutig festgelegt, dass ein „zufälliges“ Zusammentreffen eines kleinen Gastronomiebetriebes und einer Wettannahmestelle ausgeschlossen wird, es kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine gewollte und gezielte Kombination in der Absicht, das Verbot eines Wettbüros an dieser Stelle zu umgehen, versucht wird.
Für eine abschließende Beurteilung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit der beantragten Nutzung sowie zur Vermeidung von jahrelangen Folgestreitigkeiten und der Schaffung von Grauzonen, die geeignet sind über Jahre hinweg die gesetzgeberische Intention zur Vermeidung von Spielsucht zu unterlaufen, ist es erforderlich die Betriebsbeschreibung in Bezug auf die Ladennutzung und ihrer Öffnungszeiten zu konkretisieren, um sicherzustellen, dass keine Vergnügungsstätte in Form der funktionellen Einheit von „Wettannahmestelle“ und „Kleingaststätte“ geschaffen wird.
Im vorliegenden Fall, in dem die streitgegenständlichen Räumlichkeiten vom Kläger bereits als Wettbüro genutzt wurden und in dem die Nutzung ihm gegenüber als Wettbüro untersagt wurde, hätte es sich dem Kläger aufdrängen müssen, dass er durch eine hinreichend bestimmte Betriebsbeschreibung klarstellen muss, dass er nicht durch die Hintertür die Genehmigung eines Ladens und einer Gaststätte beantragt, die in einer Gesamtschau bei einer funktionalen Betrachtung eine Wettbüronutzung darstellen. Durch eine hinreichend klare und präzise Betriebsbeschreibung hätte der Kläger dies klarstellen können.
Die Betriebsbeschreibung enthält daher keine ausreichenden Angaben, die eine eindeutige Differenzierung der genehmigten Art der Nutzung zulässt, so dass im Ergebnis eine eindeutige Zuordnung in eine der in der BauNVO enthaltenen Nutzungsarten nicht möglich ist und folglich auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nicht abschließend beurteilt werden kann und darüber hinaus auch eine Nachbarrechtsverletzung nicht ausgeschlossen werden kann.
3. Im Übrigen ist das beantragte Vorhaben hinsichtlich der Gaststättennutzung auch bauplanungsrechtlich unzulässig.
3.1 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit richtet sich hier nach dem Bebauungsplan Nr. 1707 vom 14. Juni 1996.
Für das streitgegenständliche Anwesen ist im Bebauungsplan ein Mischgebiet gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 Baugesetzbuch (BauGB), § 9a BauGB, § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 Baunutzungsverordnung 1990 (BauNVO 1990), § 6 BauNVO 1996 festgesetzt (MI2; vgl. planerische Darstellung sowie § 4 der textlichen Darstellung). § 4 des Bebauungsplans legt fest, dass in den Mischgebieten MI 1 – MI 2 Schank- und Speisewirtschaften sowie Vergnügungsstätten nicht zulässig sind.
3.1.1 Ohne Rechtsfehler ist die Beklagte davon ausgegangen, dass der Ausschluss der Gaststättennutzung und der Vergnügungsstätten auf § 1 Abs. 5, Abs. 6 Nr. 1 und Abs. 9 BauNVO als Rechtsgrundlage gestützt werden kann. Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – juris Rn. 4) hat bereits entschieden, dass es unter städtebaulichen Gesichtspunkten gerechtfertigt sein kann, das Mittel des Nutzungsausschlusses gezielt zu dem Zweck einzusetzen, andere Nutzungsarten zu stärken. Das gilt umso mehr, als Bauleitplanung ein Mittel ist, auch aktiv auf eine Änderung des städtebaulichen Status quo hinzuwirken (BVerwG, Urteil vom 26. März 2009 – 4 C 21.07 – BVerwGE 133, 310 Rn. 19). Stellt sich die Gemeinde deshalb für die Zukunft ein hochwertiges Mischgebiet ohne strukturelle Lärmstörungen vor, das Dienstleistungsbetrieben und der Wohnnutzung vorbehalten sein soll, ist diese Zielsetzung grundsätzlich von der gesetzlichen Ermächtigung in § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB gedeckt. Einer inhaltlichen Bewertung der Ziele, die sich die Gemeinde in Ausübung ihrer kommunalen Planungshoheit städtebaupolitisch setzt, haben sich die Gerichte zu enthalte (vgl. BVerwG, U.v. 10.9. 2015 – 4 CN 8/14 – juris Rn. 16).
Für das vorliegende Verfahren steht eindeutig fest, dass durch die fragliche Festsetzung des Bebauungsplans Gaststätten und Vergnügungsstätten in den festgesetzten Mischgebieten generell ausgeschlossen werden sollten, und zwar unabhängig von den im streitgegenständlichen Bebauungsplan enthaltenen Regelungen für die anderen im Bebauungsplan Nr. 1707 festgesetzten allgemeinen und besonderen Wohngebieten. Daher handelt es sich auch um keine unzulässige Kontingentierung. Da gerade bei der Auslegung von Bebauungsplänen der Planbegründung starkes Gewicht zukommt (vgl. z.B. Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 57.84 – BVerwGE 77, 300 ), steht somit eindeutig fest, welchen Regelungsgehalt die Festsetzung des Bebauungsplans nach dem Willen des Normgebers haben soll. Dieser Regelungsgehalt findet im Wortlaut der Festsetzung auch einen Niederschlag, so gibt es keinen Zweifel, dass die Festsetzung so auszulegen ist, dass damit in den festgesetzten Mischgebieten MI 1 – MI 2 – seien sie ansonsten grundsätzlich oder nur ausnahmsweise zulässig – jedenfalls ausgeschlossen sind (vgl. BVerwG, B.v. 14.12.1995 – 4 N 2/95 – juris Rn.15). Es handelt sich daher um keine Kontingentierung, sondern um einen Ausschluss.
3.1.2 Vor diesem Hintergrund kann es vorliegend auch dahin stehen, ob die Regelungen in § 1 – 3 Bebauungsplan Nr. 1707 wie vom Klägerbevollmächtigten geltend gemacht, unwirksam sind, da selbst wenn man ihre Unwirksamkeit unterstellt, sich dies nicht auf die Wirksamkeit der Regelungen in § 4 Bebauungsplan Nr. 1707 durchschlagen würde (VG München, M 8 K 10.2392; BayVGH B.v. 28.11.2012).
Die Ungültigkeit eines Teiles eines Bebauungsplans führt grundsätzlich nicht notwendig zu dessen Gesamtnichtigkeit. Vielmehr kann eine bloße Teilnichtigkeit angenommen werden, wenn die übrigen Festsetzungen auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleiben und nach dem mutmaßlichen Willen des Normgebers mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wären (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.1989 – 4 NB 2.89 – juris Rn. 16; BVerwG, B.v. 20.8.1991 – 4 NB 3/91 – juris Rn. 16; vgl. auch BVerwG, B.v. 18.7.1989 – 4 N 3/87, BVerwGE 82, 225 – juris Rn. 20).
Für die Beantwortung der Frage, wann der Fortbestand einzelner Regelungen eines Bebauungsplans noch sinnvoll sein kann, ist es unerheblich, ob die Festsetzungen, gegen die bei isolierter Betrachtung keine Bedenken bestehen, für einzelne Grundstücke noch einen Sinn ergeben. Zu würdigen sind vielmehr die Festsetzungen in ihrer Bedeutung, die sie für den Plan in seiner Gesamtheit haben. Insoweit kommt es darauf an, ob die beanstandeten Festsetzungen mit den übrigen Festsetzungen in einem untrennbaren Regelungszusammenhang stehen.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist ein untrennbarer Regelungszusammenhang vorliegend zu verneinen. Nach der Begründung des streitgegenständlichen Bebauungsplans wurde die Gaststättennutzung von der zulässigen Nutzung ausgeschlossen, um Lärmbelästigungen für die umliegende Wohnbebauung zu vermeiden (vgl. S. 10 und S. 15ff; S. 20 der Begründung des Bebauungsplans und der Begründung des Bebauungsplanentwurfs vom 13. Februar 1995). Dabei wurden zur Erreichung dieses Ziels in den unterschiedlichen Gebietsarten (allgemeines, besonderes Wohngebiet und Mischgebiet) unterschiedliche Regelungen getroffen, die jeweils unabhängig voneinander gelten und in keinem untrennbaren Zusammenhang stehen.
Demzufolge ist die beantragte Nutzung als Gaststätte wirksam nach den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 1707 ausgeschlossen.
3.2 Eine Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans kommt ebenfalls nicht in Betracht. Gemäß § 31 Abs. 2 BauGB kann von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes befreit werden, wenn die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und
1. Gründe des Wohls der Allgemeinheit die Befreiung erfordern oder
2. die Abweichung städtebaulich vertretbar ist oder
3. die Durchführung des Bebauungsplanes zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und wenn die Abweichung – auch unter Würdigung nachbarrechtlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
3.2.1 Ein Anspruch auf die Erteilung einer Befreiung gemäß § 31 Abs. 2 BauGB von der Festsetzung der Baugrenzen steht dem Kläger nicht zu, da durch die Befreiung bereits die Grundzüge der Planung berührt werden würden und sich darüber hinaus die Unbestimmtheit der Betriebsbeschreibung auch auf den Antrag des Klägers auf Befreiung von den Festsetzungen vom Bebauungsplan für die Gaststätte als sog. Kleingaststätte im Rahmen des § 31 Abs. 1 und Abs. 2 Baugesetzbuch auswirkt.
Ob die Grundzüge der Planung berührt werden, hängt von der jeweiligen Planungssituation ab. Was zum planerischen Grundkonzept zählt, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden Planungswillen der Gemeinde. Entscheidend ist, ob die Abweichung dem planerischen Grundkonzept zuwiderläuft. Je tiefer die Befreiung in den mit der Planung gefundenen Interessenausgleich eingreift, desto eher liegt es nahe, dass das Planungskonzept in einem Maße berührt wird, das eine (Um-)Planung erforderlich macht (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 B 5.99, NVwZ 1999, 1110 – juris; B.v. 19.5.2004 – 4 B 35.04 – juris; U.v. 18.11.2010 – 4 C 10/09 – juris Rn. 37; U.v. 2.2.2012 – 4 C 14/10 – juris Rn. 22). Was den Bebauungsplan in seinen „Grundzügen“, was seine „Planungskonzeption“ verändert, lässt sich nur durch (Um-)Planung ermöglichen und darf nicht durch einen einzelfallbezogenen Verwaltungsakt der Baugenehmigungsbehörde zugelassen werden. Denn die Änderung eines Bebauungsplans obliegt nach § 2 BauGB der Gemeinde und nicht der Bauaufsichtsbehörde; hierfür ist ein bestimmtes Verfahren unter Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange vorgeschrieben, von dem nur unter engen Voraussetzungen abgesehen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.6.1978 – 4 C 54.75 – juris Rn. 27; U.v. 2.2.2012 – 4 C 14/10 – juris Rn. 22). Von Bedeutung für die Beurteilung, ob die Zulassung eines Vorhabens im Wege der Befreiung die Grundzüge der Planung berührt, können auch Auswirkungen des Vorhabens im Hinblick auf mögliche Vorbild- und Folgewirkungen für die Umgebung sein. Eine Befreiung von einer Festsetzung, die für die Planung tragend ist, darf nicht aus Gründen erteilt werden, die sich in einer Vielzahl gleichgelagerter Fälle oder gar für alle von einer bestimmten Festsetzung betroffenen Grundstücke anführen ließen (vgl. BVerwG, B.v. 5.3.1999 – 4 B 5.99 – juris Rn. 6; B.v. 29.7.2008 – 4 B 11/08 – juris Rn. 4; Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2015, § 31 Rn. 36).
3.2.2 Im vorliegenden Fall soll von den Festsetzungen der Art der Nutzung befreit werden.
Nach der Begründung des streitgegenständlichen Bebauungsplans wurden die Gaststättennutzung von der zulässigen Nutzung ausgeschlossen, um Lärmbelästigungen für die umliegende Wohnbebauung zu vermeiden (vgl. S. 5 Vortrag der Referentin im Rahmen des Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 28. Juni 1989 und S. 10 der Begründung des Bebauungsplanentwurfs vom 13. Februar 1995). Würde man nunmehr die beantragte Gaststättennutzung über eine Befreiung genehmigen, wären die Grundzüge der Planung berührt und es bestünde die Gefahr, dass die Festsetzung in § 4 Bebauungsplan Nr. 1707 funktionslos würde. Eine Befreiung hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung kommt somit vorliegend nicht in Betracht, da dies im Widerspruch zu den Grundzügen der Planung des streitgegenständlichen Bebauungsplans steht.
Aber selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, dass die Grundzüge der Planung durch die beantragte Befreiung nicht berührt würden, dann wäre die Ablehnung der Erteilung einer Befreiung jedenfalls ermessensgerecht. Schon im Hinblick auf die unbestimmte Betriebsbeschreibung vom 2. Februar 2017 ist es ermessensgerecht, die beantragte Befreiung abzulehnen.
4. Die Frage des Stellplatznachweises kann vor dem Hintergrund der unbestimmten Bauvorlagen und der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit des streitgegenständlichen Vorhabens vorliegend insoweit dahinstehen, da der Kläger bereits aus den zwei vorstehenden Gründen unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen Anspruch auf die begehrte Baugenehmigung hat.
5. Die Klage war daher – soweit noch rechtshängig – mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

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