Baurecht

Verwirkung und Fälligkeit einer Vertragsstraße aus öffentlich-rechtlichem Vertrag

Aktenzeichen  M 8 K 15.3460

Datum:
28.11.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayVwVfG BayVwVfG Art. 36 Abs. 1, Art. 44, Art. 54, Art. 56 Abs. 1 S. 2, Art. 59, Art. 62 S. 2
BayVwZVG BayVwZVG Art. 31 Abs. 2, Art. 38 Abs. 3
BauGB BauGB § 35 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 lit. c, lit. d, § 172
BGB BGB § 242, § 307, § 315, § 339
VwGO VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 43
GG GG Art. 14

 

Leitsatz

1. Aus § 172 Abs. 4 S. 1 BauGB folgt im Umkehrschluss, dass die Genehmigung versagt werden darf, wenn eine bauliche Maßnahme geeignet ist, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen, und wenn eine solche Verdrängung aus den besonderen städtebaulichen Gründen nachteilige Folgen haben würde. Nicht entscheidend ist, ob durch die konkrete Baumaßnahme die davon betroffenen Bewohner tatsächlich verdrängt werden. (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Ermittlung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung ist ein bundesweiter Vergleichsmaßstab zugrunde zu legen. Bei einem Vorhaben, das den Dachgeschossausbau unter Einbau einer Galerie und Dachterrasse vorsieht, die beide nicht auf einer Ebene mit den sonstigen Wohnräumen liegen, wird dieser Ausstattungszustand signifikant überschritten. (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im öffentlich-rechtlichen Vertrag ist grundsätzlich zulässig. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (Art. 62 S. 2 BayVwVfG), das in §§ 339 ff. BGB gerade auch die Vertragsstrafe kennt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Das Gericht kann über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten mit Schreiben vom 10. und 16. November 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
Die Klage gegen die Fälligstellung der Vertragsstrafe im Schreiben der Beklagten vom 15. Juni 2015 in Verbindung mit der Zahlungsaufforderung vom 23. Juli 2015 hat keinen Erfolg.
Die Klage gegen die Fälligkeitsmitteilung im Schreiben der Beklagten vom 15. Juni 2016 in Verbindung mit der Zahlungsaufforderung vom 23. Juli 2015 ist im Hauptantrag bereits unzulässig, im Hilfsantrag zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffnet. Streitgegenstand ist eine Zahlungsverpflichtung aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag (Art. 54 ff. BayVwVfG). Der maßgebliche Vertragsgegenstand – die Herbeiführung der Genehmigungsvoraussetzungen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1, 3 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 2 Abs. 1 der Erhaltungssatzung „…-Mitte“ in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 4. Juni 2009 geltenden Fassung vom 16. Februar 2006 (MüABl. S. 62), die am 11. März 2006 in Kraft getreten ist und derzeit in der Fassung der Satzung vom 3. März 2016 (MüABl. S. 106) (fort-)gilt, durch Vereinbarung einer mit Vertragsstrafe bewehrten Verpflichtung zur Eigennutzung – ist Teil des besonderen Städtebaurechts nach §§ 136 ff. BauGB. Ihm liegt sonach ein bodenrechtlich radiziertes Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zugrunde (Art. 54 Satz 1 BayVwVfG).
2. Die im Hauptantrag auf Aufhebung der Fälligkeitsmitteilung vom 15. Juni 2015 und Zahlungsaufforderung vom 23. Juli 2015 gerichtete Klage ist bereits unzulässig. Die von den Klägerbevollmächtigten ausdrücklich erhobene Anfechtungsklage (vgl. Schriftsatz vom 16.10.2015) nach § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist nicht statthaft, da es sich bei beiden mangels Regelungswirkung nicht um Verwaltungsakte gemäß Art. 35 Satz 1 BayVwVfG handelt. Die Regelung über die Fälligkeit der Vertragsstrafe findet sich in Nr. V Satz 2 des öffentlich-rechtlichen Vertrages vom 4. Juni 2009, so dass entgegen der Auffassung der Klägerin insoweit keine regelnde Wirkung der Fälligkeitsmitteilung und Zahlungsaufforderung inmitten steht. Auch die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe nach Nr. IV Abs. 1 des Vertrages erfolgt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht mit regelnder Wirkung durch die Beklagte. Vielmehr handelt es sich um einen Fall des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts nach § 315 BGB, der vorliegend, ebenso wie die Bestimmungen über die Vertragsstrafe in §§ 339 ff. BGB, über die Verweisung in Art. 62 Satz 2 BayVWVfG bei öffentlich-rechtlichen Verträgen entsprechend Anwendung findet (vgl. Bonk/Neumann in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 62 Rn. 35 und 37). Danach gilt vorliegend, dass die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe nach billigem Ermessen durch die Beklagte zu treffen ist (§ 315 Abs. 3 BGB), dies indes im Wege des Vollzugs des öffentlich-rechtlichen Vertrages und nicht durch Verwaltungsakt erfolgt. Durch Vertrag begründete Pflichten können zudem auch schon rechtsgrundsätzlich nicht durch den Erlass von Verwaltungsakten durchgesetzt werden, wenn nicht eine zusätzliche gesetzliche Grundlage dies erlaubt (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 3.3.2011 – 3 C 19/10 – juris Rn. 21). Eine solche gesetzliche Grundlage ist hier nicht gegeben.
3. Die Klage ist allerdings im Hilfsantrag – gerichtet auf Feststellung, dass die Vertragsstrafe in Höhe von 18.000 EUR nicht verwirkt und fällig geworden ist (vgl. Schriftsatz vom 16.10.2015) – zulässig.
Statthafter Rechtsbehelf gegen die Fälligkeitsmitteilung nebst Zahlungsaufforderung ist die Feststellungsklage nach § 43 VwGO (vgl. BayVerfGH, E. v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – juris zur Fälligstellung von Zwangsgeld nach Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG), da die Fälligkeitsmitteilung mangels Regelungswirkung keinen Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG darstellt. In der vorliegenden Sachverhaltskonstellation, in der sich die Beklagte eines Anspruchs aus der Vertragsstrafenvereinbarung in Nr. IV Abs. 1 des öffentlich-rechtlichen Vertrages vom 4. Juni 2009 gegen die Klägerin berühmt und diesen auch fällig gestellt hat (vgl. Nr. V Satz 2 des Vertrages), ergibt sich die Zulässigkeit der Feststellungsklage nach § 43 VwGO aus dem Umstand, dass durch den o.g. öffentlich-rechtlichen Vertrag ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten begründet wurde und dessen Bestehen bzw. Auslegung im Einzelnen nunmehr strittig ist.
Die Klägerin kann ihre Rechte auch nicht vorrangig durch eine Gestaltungs- oder Leistungsklage geltend machen (§ 43 Abs. 2 VwGO). Wie vorstehend bereits ausgeführt, können durch Vertrag begründete Pflichten regelfällig gerade nicht durch den Erlass von Verwaltungsakten durchgesetzt werden.
Das gemäß § 43 Abs. 1 VwGO des Weiteren notwendige Feststellungsinteresse liegt ebenfalls vor. Zwischen den Beteiligten besteht aufgrund des Vertrages ein Rechtsverhältnis (Art. 54 Satz 1 BayVwVfG), aus dem die Beklagte einen Anspruch auf Vertragsstrafe herleitet, den die Klägerin unter Anführung rechtlicher und tatsächlicher Gründe bestreitet.
4. Die Feststellungsklage ist allerdings unbegründet. Entgegen ihrer Auffassung ist die Klägerin aufgrund des zwischen ihr und der Beklagten geschlossenen Vertrages vom 4. Juni 2009 verpflichtet, die von der Beklagten fällig gestellte Vertragsstrafe in Höhe von 18.000 EUR zu zahlen.
4.1 Die Vereinbarung der Vertragsstrafe in Nr. IV Abs. 1 des Vertrages ist wirksam (4.1) und wurde von der Klägerin auch mit der Folge der sofortigen Fälligkeit verwirkt (4.2). Unabhängig davon kann sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren zudem auch nicht (mehr) mit Erfolg gegen die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit der vertraglich vereinbarten strafbewehrten Eigennutzungspflicht wenden (4.3).
4.1 Es bestehen weder Zweifel an der Wirksamkeit der zugrunde liegenden Erhaltungssatzung „…-Mitte“ (4.1.1) noch an der Durchsetzung der sich daraus ergebenden rechtlichen Anforderungen gegenüber der Klägerin im Einzelfall (4.1.2)
4.1.1 An der Wirksamkeit der Erhaltungssatzung „…-Mitte“ in den hier maßgeblich zu betrachtenden Fassungen vom 16. Februar 2006 (MüABl. S. 62), vom 3. März 2011 (MüABl. S. 84) und vom 3. März 2016 (MüABl. S. 106) bestehen zur Überzeugung des Gerichts keine Zweifel. Die Klägerin hat insoweit auch nichts Substantielles vorgetragen.
Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Satzung ist § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB. Danach kann die Gemeinde durch Satzung Gebiete bezeichnen, in denen zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung der Rückbau, die Änderung oder die Nutzungsänderung baulicher Anlagen der Genehmigung bedürfen. Ziel des dabei verfolgten Milieuschutzes ist es, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Satzungsgebiet aus besonderen städtebaulichen Gründen zu erhalten und die Bevölkerungsstruktur in einem bestimmten Ortsteil vor unerwünschten Veränderungen zu schützen. Da an die Art der Wohnbevölkerung, deren Zusammensetzung durch eine Milieuschutzsatzung gewahrt werden soll, vom Gesetz keine besonderen Anforderungen gestellt werden, ist deshalb ein Gebiet mit grundsätzlich jeder Art von Wohnbevölkerung schutzwürdig, soweit deren Zusammensetzung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll (vgl. BVerwG, U. v. 18.6.1997 – 4 C 2/97, NVwZ 1998, 503 – juris; BayVGH, U. v. 18.4.2005 – 2 N 02.2981 – juris). Diese Voraussetzung ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn wegen eines sich im Satzungsgebiet abzeichnenden Potentials zur baulichen Aufwertung und damit zur Verdrängung von einkommensschwächeren Bewohnern die Gefahr einer unerwünschten Änderung der Struktur der Wohnbevölkerung besteht (vgl. BayVGH, U. v. 5.8.1994 – 2 N 91.2476 – juris). Die Methodik zur Feststellung des einerseits vorhandenen Potentials zur baulichen Aufwertung und andererseits der Bevölkerungsstruktur, deren Verbleib im entsprechenden Gebiet gefährdet ist bzw. sein könnte, mittels Festlegung von Indikatoren, die in Bezug zu ihrem Vorhandensein im gesamten Stadtgebiet gesetzt werden, ist nicht zu beanstanden; vielmehr wurde diese von der Beklagten seit Jahrzehnten beim Erlass bzw. der Verlängerung von Erhaltungssatzungen angewandte Untersuchungspraxis mehrfach vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof als rechtens bestätigt (vgl. U. v. 2.4.1996 – 1 N 92.1636, BayVBl 1996, 594/595; U. v. 5.8.1994, a. a. O. und U. v. 18.4.2005, a. a. O.).
4.1.2 Bei dem mit Änderungsgenehmigung vom 18. Juni 2009 von der Beklagten zugelassenen Dachgeschossausbau (vgl. dazu Anträge vom 9.4.2009 nebst Erläuterungen) handelt es sich um eine Änderung einer baulichen Anlage im Sinne von § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Durch die Maßnahme wird zum einen in die bauliche Substanz des vorhandenen Gebäudes eingegriffen. Die Maßnahme ist zum anderen auch vom Umfang her geeignet, die Ziele der Erhaltungssatzung zu berühren, da sie jedenfalls prinzipiell zu einer Mieterhöhung und damit möglicherweise zu der Gefahr der Verdrängung der ansässigen Bevölkerung führen kann (vgl. BVerwG, U. v. 18.6.1997 – 4 C 2.97 – juris Rn. 17). Die Beklagte ist sonach zu Recht vom Vorliegen des Genehmigungsvorbehalts nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 BauGB i. V. m. § 2 Abs. 1 der Erhaltungssatzung ausgegangen. Die Ausbaumaßnahme ist geeignet, hinreichende Auswirkungen auf die Miethöhe und den Wohnungsstandard auszulösen und damit mit Blick auf das Schutzziel der Erhaltungssatzung (vgl. § 1 Abs. 1) von Relevanz.
Die Klägerin hat weder nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB noch nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 4 Satz 1 BauGB einen Anspruch auf Genehmigung (4.1.2.1) ohne Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom 4. Juni 2009 (4.1.2.2).
4.1.2.1 Die Beklagte ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin nach § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB nur einen Anspruch auf Genehmigung der von ihr beantragten baulichen Änderungen unter der Voraussetzung des Abschlusses des Vertrages vom 4. Juni 2009 hat. Da die genehmigte Baumaßnahme eine Änderung des Bauzustandes des Dachgeschosses des Seitengebäudes …-straße 5 mit sich bringt, die sich nicht in der Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes einer durchschnittlichen Wohnung unter Berücksichtigung der bauordnungsrechtlichen Mindestanforderungen erschöpft, konnte die Beklagte statt des Erlasses einer entsprechenden Nebenbestimmung (Auflage nach Art. 36 Abs. 1 und 2 Nr. 4 BayVwVfG) in der Baugenehmigung vom 18. Juni 2009 (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 4 BauGB i. V. m. § 173 Abs. 1 Satz 2 BauGB) vom Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags unter Einbeziehung der streitbefangenen Vertragsstrafenregelung abhängig machen. Ein uneingeschränkter Anspruch auf Erteilung der Genehmigung ergibt sich auch nicht aus § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB. Diese Vorschrift bestimmt – insoweit alternativ zum Genehmigungstatbestand des § 172 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BauGB (vgl. Stock, a.a.O Rn. 191; Lemmel in: Berliner Kommentar BauGB, § 172 Rn. 25; a.A. Neuhausen in: Brügelmann, BauGB, § 172 Rn. 64) -, dass in den Fällen des Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 die Genehmigung nur versagt werden darf, wenn die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung aus besonderen städtebaulichen Gründen erhalten werden soll.
Aus der Formulierung in § 172 Abs. 4 Satz 1 BauGB folgt im Umkehrschluss, dass die Genehmigung versagt werden darf, wenn die bauliche Maßnahme geeignet ist, die Gefahr der Verdrängung der vorhandenen Wohnbevölkerung hervorzurufen, und wenn eine solche Verdrängung aus den besonderen städtebaulichen Gründen nachteilige Folgen haben würde. Da das Ziel der Satzung die Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung im Satzungsgebiet ist, ist es für die Erteilung oder Versagung der Genehmigung nicht entscheidend, ob durch die konkrete Baumaßnahme die davon betroffenen Bewohner tatsächlich verdrängt werden. Es reicht vielmehr aus, wenn die Baumaßnahme generell geeignet ist, eine solche Verdrängungsgefahr auszulösen. Die Erhaltungssatzung dient als städtebauliches Instrument nicht – jedenfalls nicht unmittelbar – dem Schutz einzelner konkreter Bewohner, sondern dem allgemeineren und längerfristigen Ziel, die Struktur der Wohnbevölkerung zu erhalten. Dieses Planungsziel kann nur bei Anknüpfung an objektive und dauerhafte Gegebenheiten erreicht werden, die durch eine Umbaumaßnahme in der Regel verändert werden. Die Versagung der Genehmigung kommt deshalb auch dann in Betracht, wenn die Wohnung, an der bauliche Veränderungen vorgenommen werden sollen, derzeit leer steht oder wenn die davon betroffenen derzeitigen Bewohner mit der Baumaßnahme einverstanden sind. Da eine einzelne Baumaßnahme innerhalb eines größeren Satzungsgebiets kaum jemals zu einer städtebaulich ins Gewicht fallenden Änderung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung führen wird, darf eine solche Maßnahme auch nicht isoliert gesehen werden. Es kommt vielmehr darauf an, ob die einzelne Maßnahme aufgrund ihrer Vorbildwirkung geeignet ist, eine Entwicklung in Gang zu setzen, die tendenziell die Veränderung der Zusammensetzung der vorhandenen Wohnbevölkerung nach sich zieht (vgl. BVerwG, a. a. O.).
Dies zugrunde gelegt muss die einzelne konkrete Maßnahme eine entsprechende Vorbildwirkung entfalten. Vorbildwirkung bedeutet dabei, dass sich einer oder mehrere Antragsteller/Bauherren auf eine verwirklichte Maßnahme mit dem Anspruch auf Gleichbehandlung berufen können. So liegt der Fall auch hier. Eine uneingeschränkte Zulassung der genehmigungsgegenständlichen, über das durchschnittliche Ausstattungsniveau hinausgehenden Verbesserung des baulichen Ausstattungsstandards der Dachgeschosswohnung würde eine nicht überschaubare Vorbildwirkung für ähnliche Ausbaumaßnahmen hervorrufen, bei denen sich die jeweiligen Bauwerber sich auf das hier streitbefangene, konkrete Vorhaben und seine Ausgestaltung berufen könnten (vgl. aktuell z. B. VG München, U. v. 9.5.2016 – M 8 K 14.3090 – juris). Durch solche weitergehende Verbesserungen des baulichen Ausstattungsstandards wird der betroffene Wohnraum aufgewertet, so dass im Rahmen einer anschließenden Vermietung oder Veräußerung regelmäßig kurzfristig erheblich höhere Gewinne als ohne diese Maßnahme erzielt werden können. Dies führt letztendlich zu (deutlichen) Steigerungen der Mietpreise. Dadurch kann bislang vorhandener, preisgünstiger Wohnraum weiten Bevölkerungskreisen im Satzungsgebiet nachhaltig verloren gehen und damit das Satzungsziel – Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung – gefährdet werden.
Nach Art. 36 Abs. 1 VwVfG darf ein Verwaltungsakt, auf den ein Anspruch besteht, mit Nebenbestimmungen nur versehen werden, wenn dies durch Rechtsvorschriften zugelassen ist oder wenn dadurch sichergestellt werden soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen eines Verwaltungsakts erfüllt werden. § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 4 BauGB sehen bei der Erteilung entsprechender Genehmigungen Nebenbestimmungen nicht vor. Diese sind folglich nach Art. 36 Abs. 1 Alt. 2 BayVwVfG nur zulässig, wenn die baulichen Maßnahmen die Zielsetzung der Erhaltungssatzung tangieren (§ 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB i. V. m. § 1 Abs. 1 der Erhaltungssatzung) und die satzungsrechtliche Genehmigung versagt werden müsste, sofern die Verwirklichung des Gesetzeszwecks nicht noch mit Nebenbestimmungen – oder wie hier einer entsprechenden ersatzweisen vertraglichen Regelung – zum Zwecke der Abwendung oder Minderung einer Verdrängungsgefahr für die aus besonderen städtebaulichen Gründen zu erhaltende Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erreicht werden könnte. Eine entsprechende Nebenbestimmung oder vertragliche Vereinbarung übernimmt sodann die Sicherstellung der anspruchsbegründenden Voraussetzungen und gewährleistet damit die Erfüllung der Erhaltungsziele trotz Durchführung des Vorhabens (vgl. Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand 1.8.2016 § 172 Rn. 129). Ihre Einhaltung kann im Wege von Nebenbestimmungen – oder ersatzweise einer vertraglichen Regelung – mithin dann (und nur dann) gefordert werden, wenn durch die baulichen Maßnahmen mehr als nur ein zeitgemäßer Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung hergestellt werden soll, da der Gesetzgeber in diesen Fällen keinen Anspruch auf Genehmigung gewährt (§ 172 Abs. 4 Satz 1 und 3 Nr. 1 BauGB) und somit die Erhaltungsziele von Milieuschutzgebieten als tangiert ansieht (vgl. OVG Berlin, U. v. 10.6.2004 – 2 B 3.02 – juris Rn. 38, im Ergebnis bestätigt von BVerwG, B. v. 17.12.2004 – 4 B 85.04 – juris Rn. 8 und 10).
Mit dem Oberverwaltungsgericht Berlin (a.a.O) ist auch nach Auffassung der Kammer für die Ermittlung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung ein bundesweiter Vergleichsmaßstab zugrunde zu legen. Dieser wird vom Vorhaben, das den Dachgeschossausbau unter Einbau einer Galerie und Dachterrasse vorsieht, die beide nicht auf einer Ebene mit den sonstigen Wohnräumen liegen, nach Überzeugung des Gerichts signifikant überschritten. Sinn und Zweck der Regelung ist es, die Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustandes auf dem Niveau durchschnittlicher Wohnungen zu erleichtern. Damit soll der Gefahr einer dauerhaften Festschreibung unzuträglicher Baustandards begegnet werden, weil es sich gerade bei Altbaugebieten um klassische Anwendungsfälle für das Instrument der Erhaltungssatzung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB handelt (vgl. BT-Drs. 13/7589, S. 29 f.). Durch eine behutsame Anhebung der Qualität von Wohnungen mit „kleinschrittigen“ Verbesserungen des Ausstattungszustandes soll in diesen Bereichen ein durchschnittlicher Standard erreicht und der schleichenden Entstehung und Verfestigung von Gebieten mit auffällig schlechten Wohnstandards entgegengewirkt werden. Dieser durchschnittliche Standard wird vorliegend durch die Realisierung der mit Änderungsbescheid vom 18. Juni 2009 erstmals genehmigten Galerie im Zuge des Dachgeschossausbaus, über die die tektierte Dachterrasse erschlossen wird, deutlich überschritten. Der Einbau einer Galerie und Dachterrasse auf einer zusätzlichen Ebene über den Wohnräumen kann, wie der Einbau einer Loggia in eine Dachgeschosswohnung (vgl. BVerwG, U. v. 18.6.1997, a. a. O.), nachgerade als prototypisches Beispiel einer baulichen Maßnahme gelten, die den Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung erheblich überschreitet und damit ihrer Tendenz und Vorbildwirkung nach geeignet ist, dem Ziel der Erhaltungssatzung entgegenzuwirken.
Ginge man – entgegen dem Vorstehenden – mit einer vor allem in der Literatur vertretenen Auffassung (vgl. dazu Stock, a.a.O Rn. 187 m. w. N.) von den mittleren Wohnungsverhältnissen im konkreten Milieuschutzgebiet aus, würde sich im Ergebnis nichts anderes ergeben. Entscheidend wäre dann weiter auf das wertende Tatbestandsmerkmal „unter Berücksichtigung der Mindestanforderungen des Bauordnungsrechts“ abzustellen. Galerien und Dachterrassen sind allerdings, ebenso wie Balkone und Loggien, bauordnungsrechtlichen weder in Bayern noch allgemein nach der Musterbauordnung vorgeschrieben, so dass ein entsprechender Genehmigungsanspruch grundsätzlich – wie hier – auch dann zu verneinen ist.
Dies zugrunde gelegt hat die Beklagte vorliegend statt des Erlasses einer zwangsgeldbewehrten Auflage den Weg des Abschlusses eines mit Vertragsstrafe bewehrten öffentlich-rechtlichen Vertrages gewählt, der die Klägerin als Verfügungsberechtigte verpflichtet, die Wohnung innerhalb eines Zeitraums von maximal drei Monate nach Abschluss der Modernisierungsmaßnahmen selbst zu beziehen oder durch Angehörige i. S. d. Art. 20 Abs. 5 Satz 1 BayVwVfG beziehen zu lassen und diese Eigennutzung aufrechtzuerhalten, solange sich das Anwesen ohne Unterbrechung im Umgriff eine Erhaltungssatzung befindet, längstens jedoch sieben Jahre ab dem Zeitpunkt des Selbstbezugs.
4.1.2.2 Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe im öffentlich-rechtlichen Vertrag ist grundsätzlich zulässig. Dies folgt aus der entsprechenden Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (Art. 62 Satz 2 BayVwVfG), das in §§ 339 ff. BGB gerade auch die Vertragsstrafe kennt (vgl. BVerwG, U. v 6.3.1986 – 2 C 41/85 – juris; VG München, U. v. 4.8.2008 – M 8 K 06.3960 – juris). Eine städtebauliche „Lenkungsvertragsstrafe“, mit der eine Gemeinde die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer erhaltungssatzungsrechtlichen Genehmigung nach § 172 Abs. 4 BauGB sicherstellen will, begegnet sonach keinen rechtlichen Bedenken.
Die Beklagte hat nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen.
Es ist zunächst nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im Falle einer beabsichtigten Eigennutzung eine Genehmigung von baulichen Maßnahmen, die über die Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungsstandards einer durchschnittlichen Wohnung hinausgehen, mit Blick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Grundgesetz (GG) nur zulässt, wenn die künftige Eigennutzung durch entsprechende vertragliche (Selbst-)Verpflichtung sichergestellt ist. Der von der Beklagten für die Eigennutzung vorgesehene Zeitraum von längstens sieben Jahren ab dem Zeitpunkt des Selbstbezugs erscheint dabei weder willkürlich noch unverhältnismäßig. Anders als bei der Genehmigungsversagung, der eine Prognose der Auswirkungen des Vorhabens in einem kurzen, überschaubaren Zeitraum nach dessen Durchführung zugrunde zu legen ist, ist bei der Genehmigung unter (befristeter) Auflage oder – wie hier – unter (befristeter) Verpflichtung im Wege des öffentlich-rechtlichen Vertrags auf einen regelmäßig deutlich längeren Zeitraum abzustellen, zu dem die Verdrängungsgefahr spätestens entfällt. Insbesondere findet die von der Beklagten zugrunde gelegte 7-Jahres-Frist eine bauplanungsrechtliche Entsprechung in der Teilprivilegierungsvorschrift des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Buchst. c und d BauGB. Diese Vorschrift sieht für eine Teilprivilegierung u. a. vor, dass die Aufgabe der bisherigen Nutzung nicht länger als sieben Jahre zurückliegen darf und das Gebäude vor mehr als sieben Jahren zulässigerweise errichtet worden ist. Damit bringt der Baugesetzgeber normativ – wenn auch in anderem Zusammenhang so doch gleichwohl als allgemeine bodenrechtliche Wertung auch hier heranziehbar – zum Ausdruck, dass eine entsprechende Zeitdauer notwendig, aber auch ausreichend ist, um eine tatsächliche Verfestigung und Dauerhaftigkeit der Nutzung zur Grundlage daran anknüpfender (gesetzlicher) Privilegierungstatbestände zu machen. Übertragen auf die vorliegende Sachverhaltskonstellation kann somit die Zugrundelegung eines Prognosehorizonts von längstens sieben Jahren für die Eigennutzung einer überdurchschnittlich ausgestatteten Wohnung zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den Milieuschutz nicht als unsachgemäß erachtet werden.
Des Weiteren ist auch die Höhe der Vertragsstrafe weder unverhältnismäßig noch in unbestimmter Art und Weise vereinbart worden. Es liegt kein Verstoß gegen das Bestimmtheits- und Angemessenheitsgebot in Art. 56 Abs. 1 Satz 2, Art. 59 BayVwVfG und/oder § 307 BGB (vgl. zutreffend kritisch zur Anwendbarkeit neben Art. 56, 59 BayVwVfG Bonk/Neumann in: Stelkens/Bonk/Sachs, a. a. O., § 62 Rn. 60) vor, weil Anlass, Ausmaß und Grenzen der Ausübung des klägerischen Leistungsbestimmungsrechts nachvollziehbar festgelegt sind.
Zum einen ermöglicht § 315 BGB (vgl. Bonk/Neumann, a. a. O., § 62 Rn. 35) die Leistungsbestimmung durch einen Vertragsbeteiligten, so dass hieraus kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot angenommen werden kann. Eine weitere tatbestandliche Konkretisierung war entgegen der Auffassung der Klägerin entbehrlich, da es der Beklagten unter Beachtung dieser Höchstgrenze möglich ist, entsprechend der getroffenen Vereinbarung die Vertragsstrafe in angemessener Höhe für verwirkt zu erklären. Die von der Klägerin insoweit zum Beleg des Gegenteils angeführte vergaberechtliche Rechtsprechung lässt sich auf den vorliegenden öffentlich-rechtlichen Sachverhalt nicht übertragen. Anders als im Privatrecht hat die hier öffentlich-rechtlich vereinbarte Vertragsstrafe keine doppelte Zielrichtung. Sie soll vorliegend allein als Druckmittel den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung seiner versprochenen Leistung anhalten, während es an der im Privatrecht hinzukommenden weiteren Möglichkeit einer erleichterten Schadloshaltung des Gläubigers ohne Einzelnachweis gerade fehlt.
Zum anderen legt die streitgegenständliche Vereinbarung eine Höchstgrenze für die Vertragsstrafe fest. Die Höchstgrenze von 42.000 EUR für einen Verstoß gegen die Pflichten aus Nr. I der Vereinbarung erscheint dabei nicht unangemessen, da dieser Betrag nicht über die Wertabschöpfung eines solchen Verstoßes hinausgeht. Die hier zwischen der Klägerin und ihrer Mieterin, Frau R. C., vereinbarte Monatsmiete von 2.200 EUR zeigt dies deutlich. Somit dient auch insoweit die vereinbarte Vertragsstrafe, wie ein zur Durchsetzung einer entsprechenden Auflage angedrohtes Zwangsgeld, in verhältnismäßiger Weise dazu, die Klägerin als Schuldnerin zur Erbringung der geschuldeten Leistung anzuhalten. Dies entspricht der normativen Wertung in Art. 31 Abs. 2 Satz 2 und 3 VwZVG.
Auch trifft es nicht zu, dass es für die Klägerin keine Exkulpationsmöglichkeit geben würde. Zwar enthält der Vertrag vom 4. Juni 2009 hierzu keine ausdrückliche Regelung. Eine solche war indes entbehrlich, denn aus den über Art. 62 Satz 2 BayVwVfG anwendbaren § 339 Satz 1 BGB i. V. m. § 286 Abs. 4 BGB ergibt sich, dass der Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe entfällt, wenn der Schuldner beweist, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Im Übrigen wäre das Verschuldenserfordernis auch nicht zwingend, da eine Vertragsstrafe unabhängig von einem Verschulden versprochen werden kann (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 75. Aufl. 2016, § 339 Rn. 19 m. w. N.). Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. März 1986 (2 C 41.85 – juris Rn. 30).
4.2 Die Klägerin hat die Vertragsstrafe in Höhe von 18.000 EUR auch mit der Rechtswirkung der sofortigen Fälligkeit verwirkt.
Durch die unstreitig zum 1. Juli 2014 Vermietung an die Mieterin, Frau R. C., hat die Klägerin objektiv gegen ihre vertragliche Pflicht aus Nr. I.1 verstoßen und damit die Vertragsstrafe nach Nr. IV Abs. 1 mit der Folge ihrer sofortigen Fälligkeit nach Nr. V Satz 2 verwirkt. Die Beklagte durfte das ihr nach § 339 i. V. m. § 315 Abs. 3 BGB zukommende billige Ermessen in der erfolgten Weise ausüben. Es ist nicht zu beanstanden, wenn sie sich dabei maßgeblich vom zeitlichen Umfang des Verstoßes leiten lässt und dazu einerseits auf die Zeit der Eigennutzung durch die Tochter der Klägerin vom 1. September 2010 bis zum 30. Juni 2014 und andererseits auf die Fremdnutzung seit dem 1. Juli 2014 durch Frau R. C. abstellt. Damit konnte die Vertragsstrafe von der Beklagten nach billigem Ermessen in der Weise berechnet werden, dass sie von einer dreijährigen Fremdnutzung ausgeht und danach die Höchstsumme der Vertragsstrafe von 42.000 EUR zu 3/7 als verwirkt ansieht. Darauf, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Klägerin absehbar war, welches Studium die Tochter zukünftig aufnehmen würde und ob in diesem Rahmen ein Auslandsaufenthalt vorgesehen sei, kommt es nicht an. Ebenso bedurfte es für die Bestimmung der Vertragsstrafe keiner „monatsgenauen Abrechnung“ oder weitere Ermittlungen. Vielmehr ist es nach Auffassung der Kammer ausreichend, dass die Beklagte auf die bei den Akten befindlichen Auszüge aus dem Melderegister und die sich daraus ergebenden Daten des Ein- und Auszugs sowie auf den von der Klägerin selbst vorgelegten Mietvertrag abstellt und danach die entsprechenden Zeitintervalle für die Festlegung der Höhe der Vertragsstrafe bestimmt. Nachdem die Klägerin beim Abschluss des Mietvertrages mit Frau R. C. auch bewusst und gewollt gehandelt hat, ist ihr der objektive Verstoß gegen Nr. IV Abs. 1 des Vertrages auch ohne Weiteres zuzurechnen.
4.3 Unabhängig vom Vorstehenden und damit auch allein entscheidungstragend ist festzustellen, dass sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren im Übrigen auch nicht (mehr) mit Erfolg gegen die von ihr behauptete Rechtswidrigkeit der vertraglich vereinbarten strafbewehrte Eigennutzungspflicht wenden kann.
Es ist anerkannt, dass mit dem gegen Vollstreckungsmaßnahmen gerichteten Rechtsmittel nur deren Rechtswidrigkeit, nicht aber die Rechtswidrigkeit der zu vollstreckenden Grundverfügung gerügt werden kann. Ist die Grundverfügung unanfechtbar geworden, so können Einwendungen gegen diese grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. aktuell z. B. OVG Berlin-Brandenburg, B. v. 20.1.2016 – OVG 10 S 29.15 – juris Rn. 5; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 18. Aufl. 2011, S. 522). Entsprechend bestimmt Art. 38 Abs. 3 VwZVG, dass förmliche Rechtsbehelfe gegen Maßnahmen der Vollstreckungsbehörde bei der Anwendung eines Zwangsmittels nur insoweit zulässig sind, als geltend gemacht werden kann, dass die Maßnahmen eine selbstständige Rechtsverletzung darstellen. Die Fälligkeitsmitteilung gehört dabei zur Anwendung des Zwangsmittels Zwangsgeld (Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 3 Satz 3, Art. 37 Abs. 1 Satz 1 VwZVG; vgl. BayVGH, B. v. 16.10.2014 – 2 ZB 13.2466 – juris Rn. 3). Übertragen auf den vorliegenden Fall ergibt sich daraus Folgendes:
Der Bescheid vom 18. Juni 2009, mit dem die Änderungsbaugenehmigung einschließlich der Genehmigung nach der Erhaltungssatzung (§ 173 Abs. 1 Satz 2 BauGB) erteilt wurde, ist bestandskräftig geworden. Hätte die Beklagte statt der gewählten Vorgehensweise des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages als Grundlage für die Genehmigung eine entsprechende Auflage nach Art. 36 Abs. 1 Alt. 2 BayVwVfG verfügt, in der sie die Klägerin unter Zwangsgeldandrohung zu einer entsprechend befristeten Eigennutzung verpflichtet hätte, wäre es der Klägerin nach dem Vorgenannten nicht (mehr) möglich, Einwendungen gegen diese Grundverfügung zu erheben. Gleiches muss zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen auch im vorliegenden Fall einer Auflage und Zwangsgeld ersetzenden strafbewehrten vertraglichen Vereinbarung gelten. Andernfalls hätte es im Falle des Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages der Schuldner der Verpflichtung – hier also die Klägerin – in der Hand, im Vollstreckungsfalle ohne zeitliche Einschränkung die Rechtswidrigkeit der vertraglichen Grundpflicht – hier der nach Nr. I.1 des Vertrages – und der damit korrespondierenden Vertragsstrafe nach Nr. IV Abs. 1 und V – insbesondere bezüglich ihrer Höhe – geltend zu machen. Dies erweist sich aus den oben genannten Gründen als wertungswidersprüchlich und würde zudem auch dem im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB entsprechend) zuwiderlaufen (vgl. aktuell BayVGH, B. v. 12.8.2016 – 15 ZB 15.696 – juris Rn. 14 m. w. N.). Ein solches Verhalten würde mit Blick auf den Vertragsschluss vom 4. Juni 2009 ein unzulässiges „venire contra factum proprium“ (vgl. BayVGH, a. a. O.) darstellen.
Eine Ausnahme von dem vorgenannten Grundsatz, dass Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Grundverfügung bei gegen Vollstreckungsmaßnahmen gerichteten Rechtsmitteln nicht mehr berücksichtigt werden können, ist mithin auch im vorliegenden Fall nur dann anzunehmen, wenn der zu vollstreckende Grundverwaltungsakt i. S. v. Art. 44 VwVfG nichtig und damit unwirksam wäre (Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG, vgl. u. a. SächsOVG, B. v. 1.9.2009 – 1 B 228.09 – juris Rn. 7). Mit Blick auf das Vorstehende erweist sich die Eigennutzungspflicht nach Nr. I.1 des öffentlich-rechtlichen Vertrags vom 4. Juni 2009 vorliegend als rechtmäßig, so dass eine entsprechende Ausnahme qua Nichtigkeit keinesfalls inmitten steht.
Folglich kann sich die Klägerin im vorliegenden Verfahren nur mehr gegen die tatsächliche Verwirkung und Fälligkeit der Vertragsstrafe als solches wenden, nicht aber gegen die dem öffentlich-rechtlichen Vertrag zugrunde liegende, vertragsstrafenbewehrte Eigennutzungspflicht. Hierzu kann auf die vorstehenden Ausführungen unter 4.2 Bezug genommen werden.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.
Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 18.000 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,– übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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