Baurecht

Vorauszahlung auf Verbesserungsbeitrag

Aktenzeichen  W 2 K 16.790

Datum:
19.7.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 5 Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5 S. 1

 

Leitsatz

1 Die Verbesserungsbeitragspflicht setzt voraus, dass zuvor für die betreffende Einrichtung Herstellungsbeiträge entstanden sind. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2 Verbesserungsbeitragsfähig (vgl. Art. 5 Abs. 1 BayKAG) sind solche Maßnahmen, die dazu führen, dass die bereits erstmalig hergestellte Einrichtung dergestalt ergänzt wird, dass sie auch sog. Altanschließern neue oder zusätzliche Vorteile bietet. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Gründe

Die Klage gegen die Festsetzung des vorläufigen Verbesserungsbeitrags für das Grundstück des Klägers Flurstück Nr. …2, Gemarkung Himmelstadt, ist zulässig, jedoch unbegründet.
Der mit Beitragsbescheid vom 26. Juni 2014 erhobene vorläufige Verbesserungsbeitrag ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Kommunalabgabengesetzes (KAG) i.d.F. d. Bek. vom 4. April 1993 (GVBl S. 264, BayRS 2024-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 2016 (GVBl S. 351), können Gemeinden für die Verbesserung oder Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtung einen besonderen Vorteil bietet. Auf dieser Rechtsgrundlage hat die Beklagte, die ihre Entwässerungsanlage als öffentliche Einrichtung betreibt, die Beitragssatzung für die Verbesserung und Erneuerung der Entwässerungseinrichtung der Gemeinde Himmelstadt vom 16. Mai 2014 erlassen. Diese wurde ordnungsgemäß gemäß Art. 26 Abs. 2 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (Gemeindeordnung – GO) i.d.F. d. Bek. vom 22. August 1998 (GVBl S. 796; BayRS 2020-1-1-I), zuletzt geändert durch Gesetz vom 13. Dezember 2016 (GVBl S. 335), im Mitteilungsblatt der zuständigen Verwaltungsgemeinschaft (Jahrgang 35/Nr. 21) bekannt gemacht.
Das Beitragsrecht beruht auf dem Prinzip der Einmaligkeit der Erhebung (vgl. statt vieler: BayVGH, U.v. 11.3.2010 – 20 B 09.1890 – BeckRS 2010, 55166). An bereits abgeschlossene Tatbestände dürfen nicht durch Rechtsvorschrift rückwirkend ungünstigere Folgen geknüpft werden als die vorausgegangenen Bestimmungen vorsehen (vgl. BayVerfGH vom 6.11.1991 – Vf.9-VII-90 – BayVBl 1992, 80). Ein Verbesserungsbeitrag bezieht sich deshalb nicht auf den abgeschlossenen Tatbestand der erstmaligen Herstellung und Anschaffung, für den ein Herstellungsbeitrag entrichtet wurde, sondern auf neue Investitionen zur Verbesserung einer Anlage, wodurch mit Wirkung für die Zukunft auf der Grundlage eines neuen Sachverhalts ein neuer Beitragstatbestand geschaffen wurde (BayVerfGH a.a.O.). Die Entstehung des Verbesserungsbeitrags ist deshalb nur möglich, wenn zuvor für die betreffende Einrichtung Herstellungsbeiträge entstanden sind. Dies erfordert insbesondere das Vorliegen von gültigem Herstellungsbeitragsrecht (BayVGH, B.v. 11.5.2005 – 23 ZB 04.3348 – BeckRS 2005, 39605; U.v. 16.3.2005 – 23 BV 04.2295 – GK 2005, Rn. 188). Dies gilt auch für die Erhebung einer Vorauszahlung auf einen Verbesserungsbeitrag (BayVGH, B.v. 11.5.2005 – 23 ZB 04.3348 – BeckRS 2005, 39605). Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verbesserungsbeitragssatzung am 24. Mai 2014 lag mit der Beitrags- und Gebührensatzung zur Entwässerungssatzung der Gemeinde Himmelstadt (BGS-EWS-Hi) vom 27. März 2014 Herstellungsbeitragsrecht vor, an dessen Wirksamkeit kein Anlass zu Zweifel besteht. Gleiches gilt für die Satzung für die öffentliche Entwässerungsanlage der Gemeinde Himmelstadt (Entwässerungssatzung – EWS) vom 19. Februar 2014 zu. Da die der erhobenen Vorauszahlung zugrunde liegende Verbesserungsmaßnahme zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch nicht abgeschlossen ist, kann offen bleiben, ob die aktuell gültige Herstellungsbeitragssatzung bereits neu kalkulierte Beitragssätze beinhaltet (vgl. dazu: Bay. VGH, B.v.9.12.2003 – 23 CS 03.2903 – GK 2004, Rn. 118).
In § 6 VES EWS Hi hat die Beklagte zulässigerweise von der Möglichkeit des Art. 5 Abs. 4 KAG Gebrauch gemacht, zunächst einen vorläufigen Verbesserungsbeitrag zu erheben, und in § 3 Abs. 2 VES EWS Hi die gemäß Art. 5 Abs. 5 KAG vorgesehene Möglichkeit zur Erhebung von Vorauszahlungen bis zu 100 Prozent genutzt.
Jenseits der Frage, ob die dem erhobenen Verbesserungsbeitrag zugrundeliegende Baumaßnahme verbesserungsbeitragsfähig ist, sind Anhaltspunkte für die Nichtigkeit der Verbesserungsbeitragssatzung und der darin enthaltenen Regelungen zur Erhebung von Vorauszahlungen auf den Verbesserungsbeitrag weder vorgetragen noch ersichtlich.
Im Streit steht mithin alleine die rechtliche Einordnung der in § 1 VES EWS Hi wie folgt beschriebenen Baumaßnahme als Verbesserungsbzw. Erneuerungsmaßnahme:
1. Aufdimensionierung des Mischwasserkanals Obere Ring Straße:
Der Mischwasserkanal in der Oberen Ring Straße wird im westlichen Abschnitt auf einer Länge von ca. 200 m und im östlichen Teil auf einer Länge von ca. 230 maufdimensioniert.
Westlicher Teil:
Haltung Länge (m) DN Material
556-555 47,20 400 SB
555-554 48,95 500 SB
554-553 52,94 500 SB
553-543 49,78 500 SB
Östlicher Teil:
Haltung Länge (m) DN Material
551-550 40,97 400 SB
550-549 35,67 400 SB
549-548 51,10 400 SB
548-547 48,06 400 SB
547-546 49,91 400 SB
546-563 6,90 400 SB
Neu hergestellt werden dabei auch die Hausanschlüsse im öffentlichen Grund nebst Wiederherstellung (anteilig) des Straßenaufbaus.
2. Aufdimensionierung des Mischwasserkanals Untere Ring Straße.
Der Mischwasserkanal in der Unteren Ring Straße wird im östlichen Abschnitt auf einer Länge von ca. 340 maufdimensioniert.
Haltung Länge (m) DN Material
528-527 42,00 400 SB
527-526 41,02 400 SB
526-525 49,02 400 SB
525-524 49,13 400 SB
524-520 35,48 400 SB
520-519 55,47 500 SB
519-518 13,10 500 SB
518-517 47,71 500 SB
Neu hergestellt werden dabei auch die Hausanschlüsse im öffentlichen Grund nebst Wiederherstellung (anteilig) des Straßenaufbaus.
Mit dieser Beschreibung wird die zu finanzierende Maßnahme nach Halterung, Länge, Rohrdurchmesser und Material räumlich wie inhaltlich in der Satzung so konkret bezeichnet, dass sowohl im Hinblick auf die Kostenkalkulation als auch bezüglich der Abgrenzung zwischen beitragsfähiger Maßnahme und bloßer Reparatur eine genau Bestimmung möglich ist. Damit genügt § 1 VES EWS Hi den auch auf die Abgabengrundlagen bezogenen Bestimmtheitsanforderungen des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. dazu: BayVGH, U.v. 11.3.2010 – 20 B 09.1890 – BeckRS 2010, 55166 unter Bezug auf: BayVGH, U.v. 15.7.1999 – 23 B 98.1048 – juris).
Als beitragsfähig i.S.v. Art. 5 Abs. 1 KAG ist eine Maßnahme dann zu erachten, wenn es sich um eine „Verbesserung“ oder „Erneuerung“ der Entwässerungseinrichtung der Beklagten i.S.v. Art. 5 Abs. 1 KAG handelt. Als Verbesserung einer vorhandenen Einrichtung und damit als verbesserungsbeitragsfähig werden vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Maßnahmen angesehen, die dazu führen, dass die bereits erstmalig hergestellte Einrichtung dergestalt ergänzt wird, dass sie auch den sogenannten Altanschließern neue oder zusätzliche Vorteile bietet (exemplarisch dazu: BayVGH, U.v. 11.3.2010 – 20 B 09.1890 – BeckRS 2010, 55166). Solche zusätzlichen Vorteile beinhalten regelmäßig vor allem Maßnahmen, die sich auf die Funktionsfähigkeit der Einrichtung insgesamt auswirken. Eine Verbesserung einer schon vorhandenen Einrichtung kann insbesondere durch Maßnahmen zur Hebung ihrer Qualität und Leistungsfähigkeit, vor allem zur Erhöhung ihrer Wirkungskraft erfolgen (vgl. BayVGH, U.v. 28.10.1999 – 23 N 99.1354 – BeckRS 19475). Der Begriff der „Erneuerung“ wurde durch das Gesetz zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes vom 28. Dezember 1992 (GVBl S. 775; BayRS 2014-1-I) in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG eingeführt. Nach der amtlichen Gesetzesbegründung soll die Ergänzung klarstellend der rechtlichen Absicherung der Beitragsfähigkeit von Investitionen dienen, die wenigstens in wesentlichen Teilen der Einrichtung zu einem im Vergleich zum zuletzt vorhandenen Zustand höherwertigen Zustand der Einrichtung geführt haben (BayLT-Drs. 12/8082 Begr. S. 6). Andererseits – so die Gesetzesbegründung weiter (a.a.O.) – soll das nicht dazu führen, dass bloße Unterhaltungsmaßnahmen, wie etwa der Austausch von Teilen des Leitungsnetzes einer leitungsgebundenen Einrichtung ohne positive Auswirkung auf das Gesamtsystem oder wenigstens wesentliche Teile der Einrichtung dadurch zu einer beitragsfähigen Erneuerung aufgewertet werden (vgl. BayVGH, B.v. 15.5.1986 – GK 1987, Rn. 2 und 3). In seinem Beschluss vom 26. Februar 2007 führt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (23 ZB 06.3286 – GK 2009, Rn. 26) dazu aus: „Bloße Reparatur-, Ausbesserungs- oder geringfügige Auswechslungsarbeiten am Leitungsnetz sind in der Regel nicht beitragsfähig. Etwas anderes gilt dann, wenn Leitungsnetz oder sonstige Anlageteile in nicht unerheblichem Umfang erneuert werden. Dabei kann einerseits zum Tragen kommen, dass solche Maßnahmen gleichzeitig eine Verbesserung der Gesamtanlage darstellen, insbesondere wenn sie gleichzeitig mit einer Aufdimensionierung der Leitungen verbunden sind, was die Versorgungsqualität verbessert. Andererseits ist bei einer umfangreichen Erneuerungsarbeit auch zu bedenken, dass bei der Verneinung einer Erneuerungsmaßnahme die Aufwendungen innerhalb des Gebührenkalkulationszeitraums von ein bis vier Jahren (vgl. Art. 8 Abs. 6 Satz 1 KAG) vollständig abgeschrieben werden müssten. Dies würde zu unerwünschten Gebührenschwankungen führen.“
Ausgehend von diesen Maßstäben handelt es sich bei der der in § 1 VES EWS festgelegten Maßnahme schon aufgrund der mit dem Austausch der Leitungen verbundenen Aufdimensionierung um eine beitragsfähige Maßnahme i.S.v. Art. 5 Abs. 1 KAG. Denn die Auswechselung der nicht mehr ausreichend dimensionierten Kanalabschnitte (DN 300 bis DN 450) durch Rohrleitungen mit einem größeren Querschnitt (einheitlich DN 500) über zusammenhängende Streckenabschnitte von 200 m, 230 m und 340 mheben die Qualität und Leistungsfähigkeit der vorhandenen Gesamtanlage im Vergleich zu dem vorherigen, durch Kamerabefahrung aus dem Jahr 2013 dokumentierten Zustand. Die Aufdimensionierung der Leitungsrohre über einer Strecke von insgesamt 770 mdient der hydraulischen Ertüchtigung des gesamten Kanalnetzes, dessen Aufnahmekapazität damit insgesamt erweitert wird. Insbesondere bei Starkregenereignissen dient dies der Vermeidung von Über- und Rückstauflutungen im gesamten Versorgungsgebiet. Dem steht der klägerische Vortrag, es sei in diesem Bereich bislang noch nie zu Rückstauereignissen gekommen, nicht entgegen. So wird die hydraulische Erforderlichkeit der Aufdimensionierung der betroffenen Kanalabschnitte in der Stellungnahme des mit der Maßnahmenplanung befassten Ingenieurbüros vom 14. Oktober 2015 ausführlich dargelegt und empfohlen, die Bevölkerung/Anschlussnehmer auf die Problematik des fehlenden Rückstauschutzes hinzuweisen sowie davor zu warnen, dass sich aus dem bisherigen Ausbleiben von Rückstauereignissen keine Gewähr für die Zukunft ableiten ließe. Aus der Stellungnahme geht ferner hervor, dass die Aufdimensionierung nicht lediglich in Bezug auf die bei der Kamerabefahrung im April/Mai 2013 als schadhaft identifizierten Stellen erfolgte, sondern unter planerischer Berücksichtigung des gesamten Leitungsnetzes – einschließlich vorangegangener Gebietsabklemmungen und Teilgebietsumklemmungen – erfolgte. Schon aus diesem planerischen Gesamtzusammenhang und den zugrunde liegenden hydraulischen Berechnungen ergibt sich, dass die verfahrensgegenständliche Maßnahme auf die Ertüchtigung der gesamten Entwässerungsanlage, mithin deren Verbesserung abzielt. Auch wenn der durch die Kamerabefahrung offenkundig gewordene Reparaturbedarf Anlass der Maßnahme war, geht sie damit über eine bloße Instandhaltung hinaus. Sie ist auf die Ertüchtigung der Gesamtanlage angelegt und hebt mit der Aufdimensionierung über 770 mdie Aufnahmekapazität und damit die Leistungsfähigkeit der Gesamtanlage, bei der es sich schon aufgrund der den Main überquerenden Druckleitung und der einheitliche Ableitung zur Kläranlage um eine technische Einheit handelt, so dass die positiven Auswirkungen der streckenweisen Aufdimensionierung die Anlagenteile zu beiden Mainseiten betreffen. Auf die ebenfalls vorliegenden Voraussetzungen des Art. 21 Abs. 2 GO kommt es dabei nicht an.
Die verfahrensgegenständliche Maßnahme ist somit gemäß Art. 5 Abs. 1 KAG jedenfalls als Verbesserung beitragsfähig, ohne dass es im Hinblick auf den damit verbundenen Austausch der Rohrleitungen einer trennscharfen Abgrenzung zwischen Verbesserungs- und Erneuerungsmaßnahme bedarf.
Da weitere Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit der mit Bescheid vom 26. Juni 2014 festgesetzten Vorauszahlung auf den Verbesserungsbeitrag weder ersichtlich noch vorgetragen sind, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

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