Baurecht

Vorbescheid für Windkraftanlage und sog. 10-H-Regelung

Aktenzeichen  22 BV 15.2169

Datum:
15.7.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NuR – 2017, 138
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BImSchG BImSchG § 6 Abs. 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1, Abs. 3, § 67 Abs. 4
BauGB BauGB § 35 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Nr. 5
BayBO BayBO Art. 82 Abs. 1, Art. 83 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Die Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 1 BayBO betreffend die Anwendbarkeit der sog. 10-H-Regelung bei der Entscheidung über einen Antrag auf Genehmigung einer Windkraftanlage gilt nicht bei der Beurteilung eines Vorbescheidsantrags. (amtlicher Leitsatz)
2. Ob eine Windkraftanlage die natürliche Eigenart der Landschaft im Sinne von § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigen kann, hängt davon ab, ob der für das Vorhaben vorgesehene Standort seine Prägung durch die naturgegebene Bodennutzung erhält. Eine Beeinträchtigung liegt nur dann nicht vor, wenn das Baugrundstück sich wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung noch für Erholungszwecke eignet oder seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt hat. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 1 K 14.4850 2015-08-11 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung (I.) ist zurückzuweisen, da dem Kläger der geltend gemachte Anspruch auf Erteilung des beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids nicht zusteht (II.) und er auch keine Neubescheidung seines Vorbescheidsantrags verlangen kann (III).
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Insbesondere fehlt es nicht an der Zulässigkeitsvoraussetzung (vgl. § 124a Abs. 3 Satz 5 VwGO) der Einreichung einer Berufungsbegründung innerhalb der Frist des § 124a Abs. 3 Satz 1 VwGO, die neben den Berufungsgründen einen bestimmten Antrag enthalten muss (§ 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO). Zwar enthält der entsprechende Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 15. Dezember 2015 keinen ausdrücklich als solchen bezeichneten Antrag. Dem Antragserfordernis wird jedoch nach einhelliger höchstrichterlicher Rechtsprechung bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass aus den Berufungsgründen eindeutig hervorgeht, dass der Kläger mit seiner Berufung den von ihm geltend gemachten Anspruch auf Erteilung eines Vorbescheids gemäß seines Antrags vom 20. August 2012 in vollem Umfang weiter verfolgt, verbunden mit dem Ziel einer Aufhebung des angefochtenen Urteils vom 11. August 2015 (vgl. z. B. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 25 m. w. N.).
II.
Der Kläger kann die Erteilung des beantragten immissionsschutzrechtlichen Vorbescheids betreffend die Errichtung und den Betrieb der strittigen Windkraftanlage nicht beanspruchen. Die Vorbescheidserteilung ist wegen der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens an dem geplanten Standort zu versagen (§ 9 Abs. 3, § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG). Maßgeblich für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. U.v. 23.7.2015 – 7 C 10/13 – GewArch 2016, 43, 46 Rn. 34) die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
1. Bei der strittigen Windkraftanlage handelt es sich um ein nichtprivilegiertes „sonstiges“ Vorhaben, dessen bauplanungsrechtliche Zulässigkeit sich nach § 35 Abs. 2, 3 BauGB beurteilt.
a) Eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ist gemäß Art. 82 Abs. 1 BayBO ausgeschlossen, da das Vorhaben den dort vorgegebenen Mindestabstand vom 10-fachen seiner Höhe (d. h. hier von 1.859 m) zu Wohngebäuden innerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile (§ 34 BauGB) nicht einhält; die Entfernung der Anlage zum im Zusammenhang bebauten Ortsteil W. beträgt nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil des Verwaltungsgerichts (UA S. 8) nur rund 850 m. Über das Fehlen der in Art. 82 Abs. 1 BayBO genannten Voraussetzungen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit; auch der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich keine Bedenken.
b) Die Übergangsregelung des Art. 83 Abs. 1 BayBO ist auf Vorbescheidsanträge nicht anwendbar. Danach finden Art. 82 Abs. 1 und 2 BayBO keine Anwendung, soweit vor Ablauf des 4. Februar 2014 bei der zuständigen Behörde ein vollständiger Antrag auf Genehmigung von Windkraftanlagen eingegangen ist. Diese Voraussetzung liegt bei einem Vorbescheidsantrag – wie er hier zu beurteilen ist – nicht vor.
Zunächst spricht der eindeutige Wortlaut des Art. 83 Abs. 1 BayBO („vollständiger Antrag auf Genehmigung von Anlagen“) für eine Beschränkung der Übergangsregelung auf – je nach den gesetzlichen Bestimmungen über die Genehmigungsbedürftigkeit – baurechtliche und immissionsschutzrechtliche Genehmigungsanträge. Zu einem vollständigen Antrag auf hier immissionsschutzrechtliche Genehmigung gehören diejenigen Unterlagen, die zur Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen erforderlich sind (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG; vgl. dazu im Einzelnen §§ 4 bis 4e der 9. BImSchV; ob ggf. darüber hinaus noch mehr Unterlagen erforderlich sind, kann hier offen bleiben).
Der Vorbescheidsantrag ist begrifflich kein Genehmigungsantrag, der auf die Beseitigung der Schranke eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt abzielt. Er muss nach § 23 Abs. 4, § 22 Abs. 1 der 9. BImSchV vollständige Unterlagen nur enthalten, soweit der Antrag auf eine abschließende Prüfung von Genehmigungsvoraussetzungen gerichtet ist; ansonsten genügen auch vorläufige bzw. partielle Unterlagen. Durch geeignete Vorbehalte im Vorbescheid kann die Behörde dessen Regelungsgehalt begrenzen und damit auch den Umfang der notwendigen Unterlagen beeinflussen (Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015 § 9 Rn. 12);
Auch nach Sinn und Zweck dieser Übergangsregelung sollen lediglich vollständige Anträge „auf bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung“ erfasst sein. Sinn und Zweck der Regelung ist die Gewährung von Vertrauensschutz wegen der im Hinblick auf die bisher gültige Rechtslage getätigten Investitionen (LT-Drs. 17/2137 S. 8). Der Gesetzgeber hat unter Ausübung seines weiten Einschätzungsspielraums in generalisierender Betrachtungsweise angenommen, dass die Stellung eines vollständigen Genehmigungsantrags mit umfangreichen schutzwürdigen Investitionen einhergeht, die Einholung eines Vorbescheids dagegen typischerweise nicht. Dieser sachliche Differenzierungsgrund ist nachvollziehbar. Der Vorbescheidsantrag ist insoweit mit dem Genehmigungsantrag von seinem gesetzlichen Grundmodell her nicht vergleichbar. Durch die Stellung eines vollständigen Genehmigungsantrags hat der Antragsteller alles seinerseits Erforderliche getan, um für sein Vorhaben eine Genehmigung zu erlangen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 BImSchG). Auch hat er mit entsprechendem Investitionsaufwand Unterlagen erstellt, die eine umfassende Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen zulassen. Regelmäßig erfolgt dagegen die Stellung eines Vorbescheidsantrags zur vorgezogenen Klärung einzelner Genehmigungsvoraussetzungen (§ 9 Abs. 1 BImSchG), bevor der Vorhabenträger über die Stellung eines Genehmigungsantrags und die damit verbundenen Aufwände entscheidet. Der Vorbescheid dient dazu, wichtige Vorfragen vorab verbindlich zu klären, um unnötige Detailplanungen zu vermeiden (BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 u. a. – NVwZ 2016, 999/1006 Rn. 154). Daher genügt als berechtigtes Interesse des Anlagenbetreibers nach § 9 Abs. 1 BImSchG eine Verringerung des Investitionsrisikos (Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, Rn. 1 und 6 zu § 9). Dass im Einzelfall nach dem Umfang der zur Entscheidung gestellten Vorbescheidsfragen differenziert werden müsste oder auch nur könnte, ist zu verneinen. Die gesetzliche Regelung bietet hierfür keinerlei Maßstäbe.
Die Sichtweise des Klägers, schutzwürdig sei sowohl bei der Stellung eines Genehmigungsantrags als auch bei Stellung eines Vorbescheidsantrags das Vertrauen auf die bisherige, hinsichtlich der gestellten Fragen einschlägige Rechtslage, geht an dem Rechtfertigungsgrund, welcher der Übergangsregelung zugrunde liegt, vorbei. Sie ist auch rechtlich nicht zutreffend. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts kommt es generell auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung der Genehmigungsbehörde über den Antrag an. Änderungen der Rechtslage nach Einleitung des Verfahrens gehen mithin zulasten oder wirken zugunsten des Antragstellers. Dies gilt, wie § 67 Abs. 4 BImSchG zeigt, auch für die bundesrechtlich geregelten immissionsschutzrechtlichen Verfahren (BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 u. a. – NVwZ 2016, 999/1003 Rn. 140 m. w. N.).
Es kann auch nicht systematisch aus der Bindungswirkung, die ein bereits erteilter Vorbescheid vermittelt, auf eine schutzwürdige Rechtsposition bereits durch Stellung eines Vorbescheidsantrags geschlossen werden. Ein vor Inkrafttreten des Art. 82 Abs. 1 BayBO (in der Fassung vom 17.11.2014) am 21. November 2014 erteilter Vorbescheid erging noch aufgrund der vorherigen Rechtslage, d. h. ohne Einschränkung der Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Grundsatz, dass es für die Entscheidung der Genehmigungsbehörde auf die in diesem Zeitpunkt geltende Sach- und Rechtslage ankommt (BayVGH, B.v. 18.04.2016 – 22 ZB 15.2625 – Rn. 19; B.v. 26.1.2016 – 22 ZB 15.2358 – Rn. 11). Für einen bereits beantragten, aber erst in der Zukunft zu erteilenden Vorbescheid gilt aus dem gleichen Rechtsgrund die neue Rechtslage.
Der Einwand des Klägers, es sei dem jeweiligen Antragsteller nicht zumutbar, dass es von der Schnelligkeit der Antragsbearbeitung im Einzelfall abhängt, ob sein Vorhaben noch nach der ihm günstigen Rechtslage beurteilt wird, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen. Die Genehmigungsbehörde ist von Gesetzes wegen (§ 10 Abs. 6a, Abs. 9 BImSchG) zu einer beschleunigten Bearbeitung von Genehmigungs- und Vorbescheidsanträgen angehalten (BayVGH, B.v. 26.1.2016 – 22 ZB 15.2358 – Rn. 11).
Schließlich ist aus kompetenzrechtlichen Gründen keine erweiternde Auslegung dahingehend erforderlich, dass ein Vorbescheidsantrag betreffend die bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens unter die Übergangsregelung fällt, wie der Kläger meint. Es handelt sich hierbei nämlich nicht um Bauordnungsrecht, sondern um eine materiellrechtliche Regelung zum Bauplanungsrecht aufgrund der bundesrechtlichen Öffnungsklausel in § 249 Abs. 3 BauGB (BayVerfGH, E.v. 9.5.2016 – Vf. 14-VII-14 u. a. – NVwZ 2016, 999/1000 Rn. 120 m. w. N.). Sie hat gerade den Sinn, bauplanungsrechtliche Privilegierungstatbestände zu verändern, ohne dass es verfahrensrechtliche Vorgaben gäbe. Die Vorschrift ist dagegen nicht lediglich deshalb, weil an die Stellung eines baurechtlichen bzw. immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsantrags und damit auf einen nach dem jeweiligen Verfahrensrecht zu beurteilenden Sachverhalt angeknüpft wird, dem Bauordnungs- bzw. Immissionsschutzrecht zuzurechnen.
c) Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankäme, sei angemerkt, dass die zum maßgeblichen Stichtag des 4. Februar 2014 vom Kläger zum Vorbescheidsantrag vorgelegten Unterlagen auch nicht als vollständig im Sinne des Art. 83 Abs. 1 BayBO angesehen werden könnten. Diese Unterlagen müssten insoweit ausreichen, um die vom Kläger abgefragten Genehmigungsvoraussetzungen (§ 23 Abs. 4, § 22 Abs. 1 der 9. BImSchV) abschließend zu prüfen.
Der Kläger hat in seinem Vorbescheidsantrag die bauplanungsrechtlichen Genehmigungsvoraussetzungen zum Gegenstand dieses Antrags gemacht (vgl. § 23 Abs. 1 der 9. BImSchV). Eine abschließende Prüfung hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens hätte jedoch u. a. erfordert, Unterlagen vorzulegen, welche die Beurteilung zulassen, ob das Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB) und inwieweit Belange des Naturschutzes entgegenstehen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Der Kläger hat jedoch zum einen kein Prognosegutachten zu Schall- und Schattenwurfimmissionen vorgelegt, sondern lediglich von ihm als „vorläufige Berechnungen“ bezeichnete Dokumente. Es mag hier zwar nicht entscheidend auf bloße Bezeichnungen ankommen; fest steht jedoch, dass – wie ausdrücklich vom Gutachter vermerkt wurde – eventuelle Vorbelastungen nicht berücksichtigt worden sind. Wegen des akzeptorbezogenen Ansatzes des § 3 Abs. 1 BImSchG kann aber die Schädlichkeit von Immissionen unter Ausklammerung der Vorbelastungen grundsätzlich nicht beurteilt werden (vgl. Nr. 3.2.1 Abs. 1 und Nr. 2.4 der TA Lärm). Das später vorgelegte Gutachten vom 21. April 2015 bezog sich nicht auf den antragsgegenständlichen Anlagentypus. Zum anderen hat der Kläger kein naturschutzfachliches Gutachten eingereicht, welches gleichfalls in den Antragsunterlagen in Aussicht gestellt wurde (Bl. 176 der Antragsunterlagen). Diese Unterlagen wären zur Prüfung erforderlich gewesen, ob dem Vorhaben artenschutzrechtliche Verbotstatbestände (§ 44 Abs. 1 BNatSchG) entgegenstehen, die einen nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beachtlichen Belang des Naturschutzes darstellen (BVerwG, U.v. 27.6.2013 – 4 C 1/12 – BVerwGE 147, 118); sie wären damit gemäß § 4 Abs. 2 der 9. BImSchV vorzulegen gewesen.
d) Aufgrund der genannten Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 9.5.2016 (Vf. 14-VII-14 u. a. – NVwZ 2016, 999) steht mit Bindungswirkung für den Verwaltungsgerichtshof fest (Art. 29 Abs. 1 VfGHG), dass zwar Art. 82 Abs. 5 BayBO, nicht dagegen die sonstigen Regelungen in Art. 82 und 83 Abs. 1 BayBO gegen die dort geprüften Vorgaben der Bayerischen Verfassung verstoßen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Vorschriften aus sonstigen Gründen mit der Bayerischen Verfassung oder mit dem Grundgesetz unvereinbar sein könnten, hat der Kläger nicht konkret vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
2. Das nicht privilegierte „sonstige“ Vorhaben des Klägers beeinträchtigt öffentliche Belange und ist daher bauplanungsrechtlich unzulässig (§ 35 Abs. 2, 3 BauGB).
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 26.6.2014 – 4 B 47/13 – BayVBl 2014, 703; U.v. 19.7.2001 – 4 C 4/00 – BVerwGE 115, 17) bedarf es bei der Prüfung der Zulässigkeit auch eines sonstigen Vorhabens im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB stets einer die gesetzlichen Vorgaben und Wertungen konkretisierenden nachvollziehenden Abwägung, ob die in § 35 Abs. 3 Satz 1 BauGB beispielhaft genannten öffentlichen Belange durch das Vorhaben beeinträchtigt werden. Bei dieser nachvollziehenden Abwägung handelt es sich um eine auf den Einzelfall ausgerichtete Gewichtsbestimmung in Bezug auf das betroffene Vorhaben einerseits und die berührten öffentlichen Belange andererseits.
b) Das klägerische Vorhaben widerspricht – unter Berücksichtigung der vorstehenden Anforderungen – Darstellungen des Flächennutzungsplans der Beigeladenen (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB). Legt man den neuen Teilflächennutzungsplan Windkraft zugrunde, ist dies offensichtlich. Aber auch, wenn dieser unwirksam wäre und der bisherige Flächennutzungsplan in der Fassung vom 15. Juli 2004 gelten würde, ergäbe sich nichts anderes. In der mündlichen Verhandlung wurde im Einvernehmen mit allen Beteiligten festgestellt, dass der für das strittige Vorhaben vorgesehene Standort innerhalb der durch eine gezackte Linie umschlossenen „Flächen für den Abbau von Bodenschätzen, Steinbruch“ liegt. Damit besteht hier eine Darstellung, die den vorgesehenen Standort des Vorhabens konkret, d. h. sachlich und räumlich eindeutig, einer anderen Nutzung vorbehält (BVerwG, B.v. 3.6.1998 – 4 B 6/98 – NVwZ 1998, 960). Die tatsächliche städtebauliche Entwicklung hat hier auch noch nicht dazu geführt, dass sich das Gewicht der Aussage bis zum Verlust der Aussagekraft abgeschwächt hat (BVerwG, U.v. 18.8.2005 – 4 C 13/04 – NVwZ 2006, 87/90).
Zwar hat der Kläger darauf hingewiesen, dass der Gesteinsabbau in diesem Bereich bereits abgeschlossen und dort lediglich noch Abraum vorhanden ist. Hieraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass durch die Errichtung und den Betrieb der strittigen Windkraftanlage diese Darstellung des Flächennutzungsplans nicht mehr beeinträchtigt würde. Zum einen hat der Beklagte unwidersprochen vorgetragen, dass auch der Abraum nach dem Gesteinsabbau verschottert, anschließend als Baumaterial verwendet und damit noch einer weiteren sinnvollen wirtschaftlichen Verwertung „als Bodenschatz“ zugeführt werden könnte. Zum anderen ist dem Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan zu entnehmen, dass die betreffende Darstellung auch nach Durchführung des Abbaus nicht gegenstandslos geworden ist. Zu den Plattenbrüchen auf der Albhochfläche bei W., in deren Bereich sich der strittige Windkraftanlagen-Standort befindet, wird dort u. a. ausgeführt (S. 28, Nr. 2.5.4), es hätten sich zum Teil sehr wertvolle Vegetationsgesellschaften entwickelt. Die gezielte Schüttung des Abraummaterials stelle eine wesentliche Naturschutzmaßnahme dar, die unbedingt von der unteren Naturschutzbehörde zu kontrollieren sei. Insofern kann nach den Intentionen des Flächennutzungsplans die Nutzung als Steinbruch über den Gesteinsabbau hinaus teilweise aus Naturschutzgründen Bedeutung haben.
Die Errichtung der strittigen Windkraftanlage würde sowohl die Gewinnung von Schottermaterial behindern, wie auch die Verfolgung naturschutzfachlicher Ziele mit dem Fortbestand des Steinbruchs erschweren. Demgegenüber müssen die mit der strittigen Windkraftanlage verfolgten Ziele, denen hier lediglich die geringere Bedeutung eines nichtprivilegierten „sonstigen“ Vorhabens zukommt, zurücktreten. Es ist vom Kläger nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich, inwieweit es das öffentliche Interesse an der Förderung der Windenergie wie auch das private Investitionsinteresse des Klägers aus besonderen, mit diesem Standort verknüpften Gründen erfordern würden, diese Anlage gerade dort zu errichten.
c) Durch die Errichtung und den Betrieb der strittigen Windkraftanlage würde zudem die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB).
Schutzgut des öffentlichen Belangs der natürlichen Eigenart der Landschaft im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB ist die Erhaltung der „naturgegebenen Bodennutzung“ (BVerwG, U.v. 15.5.1997 – 4 C 23/95 – NVwZ 1998, 58/60). Die Landschaft soll in ihrer natürlichen Funktion und Eigenart bewahrt bleiben. Aus diesem Grund sollen bauliche Anlagen abgewehrt werden, die der Landschaft wesensfremd sind oder die der Allgemeinheit Möglichkeiten der Erholung entziehen (BVerwG, U v. 25.1.1985 – 4 C 29.81 – NVwZ 1985, 747). Die natürliche Eigenart der Landschaft wird geprägt von der naturgegebenen Art der Bodennutzung, einschließlich von Eigentümlichkeiten der Bodenformation und ihrer Bewachsung (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand Mai 2016, § 35 Rn. 96). Der Charakter als natürliche Eigenart der Landschaft in diesem Sinne wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass es sich um eine durch die Bodennutzung mitgeprägte Kulturlandschaft handelt (vgl. z. B. BayVGH, U.v. 23.6.2003 – 14 B 01.2423 – Rn. 18). Ob eine Windkraftanlage die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigen kann, hängt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (B.v. 8.7.1996 – 4 B 120/96 – Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 323) davon ab, ob der für das Vorhaben vorgesehene Standort seine Prägung durch die naturgegebene Bodennutzung erhält. Eine Beeinträchtigung im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB liegt nur dann nicht vor, wenn das Baugrundstück sich wegen seiner natürlichen Beschaffenheit weder für die Bodennutzung noch für Erholungszwecke eignet oder seine Schutzwürdigkeit durch bereits erfolgte anderweitige Eingriffe eingebüßt hat.
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist festzustellen, dass das Vorhaben des Klägers die hier gegebene natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt. Im Erläuterungsbericht zum Flächennutzungsplan der Beigeladenen wird hinsichtlich der auf der Albhochfläche liegenden Plattenbrüche nördlich und nordwestlich des bebauten Stadtgebiets ausgeführt (S. 15, Nr. 2.3.4), dass hier schon seit der Römerzeit die sogenannten Solnhofer Platten abgebaut würden. Diese Plattenbrüche würden das Landschaftsbild wesentlich prägen. Weiter wird im Erläuterungsbericht, wie oben bereits ausgeführt (2. b), die naturschutzfachliche Bedeutung der Abraumhalden dieser Kalksteinbrüche als wertvolle Trockenbiotope hervorgehoben, die erhalten und gesichert werden sollen (Erläuterungsbericht S. 66 und 67, Maßnahme K1). Es handelt sich hier nicht um lediglich vorübergehende Abgrabungen, welche die natürliche Eigenart der Landschaft bis zu einer Rekultivierung beeinträchtigen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 18.3.1983 – 4 C 17/81 – NVwZ 1984, 303/305). Die vorhandenen Abraumhalden selbst müssen vielmehr aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls als naturgegebene, wenngleich durch den seit Jahrhunderten andauernden Plattenabbau mitgeprägte Art der Bodennutzung angesehen werden. Die großräumigen Abraumhalden prägen auch den vorgesehenen Standort der strittigen Windkraftanlage. Die Errichtung dieser baulichen Anlage würde insbesondere auch die naturschutzfachliche Funktion der Abraumhalden beeinträchtigen. Dieser Beeinträchtigung stehen keine gleichgewichtigen, für das klägerische Vorhaben streitenden öffentlichen Belange und privaten Interessen (vgl. zu deren Bewertung unter 2. b) gegenüber.
3. Aufgrund der fehlenden bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des klägerischen Vorhabens ist kein positives Gesamturteil möglich, da diesem Vorhaben damit ein unüberwindliches Hindernis entgegensteht (vgl. Jarass, BImSchG, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 8 und 8a m. w. N.). Damit kommt die Erteilung eines Vorbescheids auch betreffend sonstiger, mit dem Vorbescheidsantrag abgefragter Genehmigungsvoraussetzungen nicht in Betracht.
III. Der Kläger kann auch nicht beanspruchen, dass der Beklagte erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs über den Vorbescheidsantrag entscheidet (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Wie unter II. ausgeführt, stehen einer Vorbescheidserteilung zwingende Rechtsgründe entgegen; deren Ablehnung ist daher nicht rechtswidrig. Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 5 VwGO sind somit nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
Rechtsmittelbelehrung
Nach § 133 VwGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig angefochten werden. Die Beschwerde ist beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung schriftlich einzulegen und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Beschwerde muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. In der Beschwerdebegründung muss die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von der die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.
Beschluss:
In Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 11. August 2015 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 120.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nrn. 19.1.2, 19.1.4 des Streitwertkatalogs 2013).

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