Baurecht

vorläufige Besitzeinweisung bzgl. Maßnahmen des Hochwasserschutzes

Aktenzeichen  8 AS 19.40016

Datum:
18.10.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 27585
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
WHG § 71a
WaStrG § 20
BayEG Art. 31 Abs. 2 S. 1, Art. 24 Abs. 2 S. 2, Art. 39 Abs. 7
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1, Art. 46
VwGO § 80a Abs. 3, § 80 Abs. 5

 

Leitsatz

1. Ein Besitzeinweisungsbeschluss ist hinreichend bestimmt, wenn er zum einen den Adressaten in die Lage versetzt, zu erkennen, was von ihm gefordert wird, und zum anderen wenn er eine geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein kann. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der sofortige Beginn der Bauarbeiten ist aus Gründen eines wirksamen Hochwasserschutzes nach § 71a Abs. 1 Nr. 2 WHG geboten, wenn notwendige Vorarbeiten und Bauarbeiten auf dem betroffenen Grundstück nach dem Bauablaufplan des Vorhabenträgers unmittelbar bevorstehen und keine erheblichen Hindernisse – wie eine fehlende Bereitstellung von Haushaltsmitteln – für deren Realisierung vorliegen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei Maßnahmen eines wirksamen Hochwasserschutzes überwiegt wegen der gesetzgeberischen Entscheidung zur Schaffung des § 71a WHG und des darin enthaltenen Beschleunigungsgebots in der Regel das Interesse der Allgemeinheit an einem sofortigen Baubeginn das Aufschubinteresse des Antragstellers. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 30.000 Euro festgesetzt. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I.
Die Antragstellerin, eine Gemeinde, wendet sich im vorliegenden Rechtsstreit gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Besitzeinweisungsbeschlusses des Landratsamts Rosenheim vom 4. Februar 2019, mit dem der Antragsgegner für die Errichtung der Hochwasserschutzmaßnahme „Hochwasserrückhaltebecken Feldolling“ mit Wirkung zum 25. Februar 2019 in den Besitz einer Teilfläche von ca. 1212 m² des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung V* … eingewiesen und ihm gestattet wurde, auf dieser Fläche die im Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 vorgesehenen Maßnahmen durchzuführen.
Die Planung sieht die Errichtung eines gesteuerten Hochwasserrückhaltebeckens im Nebenschluss mit den zugehörigen Bauwerken, Nutzungen und Nebeneinrichtungen südlich der Mangfall vor. Auf dem Grundstück FlNr. … ist die Errichtung eines Mastes für eine infolge dieses Vorhabens neu zu verlegende 110 kV-Leitung auf der entsprechenden Teilfläche geplant. Das Grundstück steht im Eigentum des Beigeladenen zu 1. Die Antragstellerin hat darin in Ausübung einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit eine gemeindliche Abwasserleitung verlegt.
Die Planfeststellungsbehörde hat die sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 19. Dezember 2014 und des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 angeordnet. Die Antragstellerin hat gegen die Planfeststellung sowie gegen die vorzeitige Besitzeinweisung Klagen erhoben, über die noch nicht entschieden worden ist.
Im vorliegenden Rechtsstreit macht die Antragstellerin geltend, der Besitzeinweisungsbeschluss leide an formellen und materiellen Mängeln. Insbesondere bestehe die Besorgnis, dass beim geplanten Bau des Fundaments für den Mast 8A auf dem Grundstück FlNr. … der gemeindliche Abwasserkanal der Antragstellerin sowie die unmittelbar darunter verlaufende Gashochdruckleitung beschädigt würden, so dass nicht nur konkrete Gefahren für gemeindliche Einrichtungen, sondern auch für Leib und Leben entstehen könnten. Die Antragstellerin gibt dazu an, dass der genaue Verlauf der Gasleitung erst im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens durch eine Suchgrabung ermittelt worden sei und mit den Planunterlagen nicht übereinstimme.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Besitzeinweisungsbeschluss vom 4. Februar 2019 anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Ablehnung des Antrags
und tritt den von der Antragstellerin erhobenen Einwänden entgegen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens sowie des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet.
Entfällt wie hier die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs kraft Gesetzes (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 7 Satz 1 WaStrG), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO ganz oder teilweise anordnen. Dabei trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein, wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben, ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 85 ff. m.w.N.). Zu beachten ist hierbei auch, dass durch den gesetzlich angeordneten Wegfall des Suspensiveffekts gemäß § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 7 Satz 1 WaStrG dem Vollzugsinteresse ein besonderes Gewicht verliehen wird. Dadurch erübrigt sich allerdings nicht die Abwägung der widerstreitenden Interessen. Trotz des gesetzlichen Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung muss bei der Interessenabwägung der Einzelfallbezug gewahrt bleiben. Je schwerer die dem Einzelnen auferlegte Belastung wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken, umso mehr verbietet sich ein regelhafter Vorrang des Vollzugsinteresses gegenüber dem Aufschubinteresse (BVerwG, B.v. 14.42005 – 4 VR 1005.04 – BVerwGE 123, 241 = juris Rn. 12 m.w.N.; BayVGH, B.v. 13.8.2013 – 22 AS 10.40045 u.a. – juris Rn. 23).
Danach ist der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von der Antragstellerin gegen den Besitzeinweisungsbeschluss erhobenen Klage abzulehnen, weil bei summarischer Prüfung die von der Antragstellerin erhobene Anfechtungsklage gegen den Besitzeinweisungsbeschluss des Landratsamts vom 4. Februar 2019 unbegründet sein dürfte. Die vorzeitige Besitzeinweisung ist voraussichtlich rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Im Verfahren auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage steht ihr deshalb kein Suspensivinteresse von Gewicht zur Seite.
1. Es stellt keinen Verfahrensfehler dar, dass die Enteignungsbehörde den Antrag der Antragstellerin abgelehnt hat, den Zustand des betroffenen Grundstücks im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens vorab feststellen zu lassen (vgl. § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 3 Satz 1 WaStrG).
Dabei kann dahinstehen, ob die Enteignungsbehörde den Antrag zu Recht als grundlos mit Verzögerungsabsicht gestellt und daher als rechtsmissbräuchlich gewertet hat, weil sie den Zustand der Grundstücke bereits in einem Sachverständigengutachten vom 2. Juni 2016 mit einer Wertfortschreibung vom 27. August 2018 hatte feststellen lassen. Denn sie hat dessen ungeachtet in der mündlichen Verhandlung über den Besitzeinweisungsantrag zugesagt, dass sie in Bezug auf den gemeindlichen Kanal im Baubereich sowie bezüglich der betroffenen gemeindlichen Straßen eine Zustandsfeststellung durch einen von der Antragstellerin zu benennenden Sachverständigen durchführen lassen werde (vgl. S. 4 der Niederschrift über die mündlichen Verhandlung am 25.1.2019, Bl. 55 der Behördenakte zum Besitzeinweisungsverfahren Gemeinde F* …*). Aus dem Vorbringen der Beteiligten im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (vgl. Stellungnahme des WWA vom 31.7.2019 [S. 8 und 12]) sowie dem vorgelegten Gutachten des Dipl.Ing. L* … vom 9. Mai 2019 ergibt sich, dass dies auch umgesetzt wurde.
Ein möglicher Verfahrensfehler wäre jedenfalls unbeachtlich (Art. 46 BayVwVfG). Die Zustandsermittlung betrifft lediglich das nachfolgende Verfahren der Bemessung der Besitzeinweisungsentschädigung; die Rechtmäßigkeit des Besitzeinweisungsbeschlusses wird hierdurch nicht berührt (vgl. BayVGH, B.v. 21.9.2015 – 8 CS 15.1776 u.a. – juris Rn. 9 m.w.N. zu Art. 24 Abs. 2 Satz 2, Art. 39 Abs. 7 BayEG; OVG NW, B.v. 16.9.2010 – 11 B 1179/10 – juris Rn. 28 zu § 18f Abs. 3 FStrG).
2. Der sinngemäß vorgetragene Einwand, der Besitzeinweisungsbeschluss beruhe auf veralteten und unvollständigen Plänen und Antragsunterlagen, greift nicht durch.
Die Antragstellerin bezieht sich insoweit auf den von ihr mit dem Ehepaar N* … abgeschlossenen Grundstückstauschvertrag vom 16. August 2018, wodurch sie „grundbuchrechtlich noch nicht vollzogenes Eigentum“ an zwei aus den Grundstücken FlNr. … und … herausgemessenen und als FlNr. …3 und …3 neugebildeten Teilflächen von insgesamt ca. 230 m2 erworben habe. Eine entsprechende Auflassungsvormerkung wurde am 21. November 2018 in das Grundbuch eingetragen. In den mit dem Besitzeinweisungsantrag vom 29. November 2018 vorgelegten Plänen, auf die sich der Besitzeinweisungsbeschluss bezieht, sind die neugebildeten Grundstücke nicht ausgewiesen; da die mit dem Antrag vorgelegten Grundbuchauszüge vom 8. bzw. 25. Oktober 2018 stammen und die Vertragsparteien hinsichtlich des Grundstückstauschs Stillschweigen vereinbart hatten, wurde dieser Sachverhalt erst durch die im Rahmen des Besitzeinweisungsverfahrens erfolgte Stellungnahme der Antragstellerin vom 21. Januar 2019 bekannt.
Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg auf die Fehlerhaftigkeit der im Besitzeinweisungsverfahren verwandten Unterlagen berufen. Weder die Grundstücke FlNr. …3 und …3 noch die Grundstücke FlNr. … und … sind Gegenstand des vorliegenden Besitzeinweisungsverfahrens; dieses betrifft vielmehr ausschließlich das Grundstück FlNr. … Es ist daher offensichtlich, dass die hier gerügte Unrichtigkeit der Pläne die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben kann, sollte der Einwand auf einen Verfahrensfehler abziehen (Art. 46 BayVwVfG). Aus denselben Gründen liegt auch kein inhaltlicher Fehler vor.
Hinzu kommt, dass das Wasserwirtschaftsamt das Besitzeinweisungsverfahren hinsichtlich der FlNr. …3 und …3 für erledigt erklärt hat, weil diese Teilflächen nicht zur Realisierung des Vorhabens benötigt werden (vgl. Besitzeinweisungsbeschlüsse vom 5. Februar 2019 im Verfahren N* … und Gemeinde F* …*).
3. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit des angefochtenen Besitzeinweisungsbeschlusses.
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG – der von der Antragstellerin herangezogene Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayEG findet keine Anwendung, auch wenn die hier einschlägige Bestimmung des § 71a WHG in ihrem Absatz 3 ergänzend auf landesrechtliche Bestimmungen verweist (vgl. Art. 39 Abs. 7 BayEG) – muss der Besitzeinweisungsbeschluss hinreichend bestimmt sein. Dies erfordert, dass er zum einen den Adressaten in die Lage versetzt zu erkennen, was von ihm gefordert wird, zum anderen muss er eine geeignete Grundlage für Maßnahmen zu seiner zwangsweisen Durchsetzung sein können (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 9.7.2019 – 9 B 29.18 – juris Rn. 9 m.w.N.).
Die Antragstellerin rügt, dass der Besitzeinweisungsbeschluss die konkret betroffenen Grundstücksteilflächen nicht hinreichend bestimmt festlege. Dem kann nicht gefolgt werden. Der Besitzeinweisungsbeschluss benennt nicht nur die Größe der betroffenen Teilfläche des Grundstücks FlNr. …, sondern bezieht sich zudem auf die farblichen Markierungen in den Lageplänen (Maßstab 1:1000 und 1:500), die dem Besitzeinweisungsantrag vom 29. November 2018 als Anlagen Nr. 3c und 3d beigefügt und der Antragstellerin mit der Bekanntmachung und Ladung vom 17. Dezember 2018 (vgl. Bl. 10 der Behördenakte) übersandt worden waren; den Erhalt hat die Antragstellerin mit Empfangsbekenntnis bestätigt (vgl. Bl. 22 der Behördenakte). Aus diesen ist ohne weiteres zu erkennen, welche Bereiche des Grundstücks des Beigeladenen zu 1 von der Besitzeinweisung betroffen sind. Soweit die Antragstellerin in ihrer Klageschrift (auf die sie in ihrer Antragsschrift verweist) auf einen Plan mit handschriftlichen Vermerken Bezug nimmt, betrifft dies nicht das vorliegende, sondern ein anderes Verfahren, das die oben (vgl. unter II.2) genannten Grundstücke zum Gegenstand hat (vgl. Bl. 91 und 99 der Behördenakte zum Besitzeinweisungsverfahren N* …*).
4. Auch die weiteren in materiell-rechtlicher Hinsicht vorgebrachten Einwendungen gegen den Besitzeinweisungsbeschluss greifen nach summarischer Prüfung nicht durch.
Gemäß § 71a Abs. 1 WHG hat das Landratsamt als nach Art. 71a Abs. 3 WHG i.V.m. Art. 19 Abs. 1, Art. 39 Abs. 7 BayEG zuständige Enteignungsbehörde den Träger eines Vorhabens u.a. des Hochwasserschutzes auf Antrag nach Feststellung des Plans in den Besitz einzuweisen, wenn der Eigentümer oder Besitzer eines für das Vorhaben benötigten Grundstücks sich weigert, den Besitz durch Vereinbarung unter Vorbehalt aller Entschädigungsansprüche dem Vorhabensträger zu überlassen (§ 71a Abs. 1 Nr. 1 WHG), der sofortige Beginn von Bauarbeiten aus Gründen eines wirksamen Hochwasserschutzes geboten ist (§ 71a Abs. 1 Nr. 2 WHG) und der Planfeststellungsbeschluss vollziehbar ist (§ 71a Abs. 1 Nr. 3 WHG).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
4.1 Die Besitzeinweisung betrifft Flächen, die vom Antragsgegner zur Verwirklichung eines Vorhabens zum Hochwasserschutz benötigt, ihm vom Eigentümer und Besitzer jedoch nicht freiwillig überlassen werden (§ 71a Abs. 1 Nr. 1 WHG).
Der Planfeststellungsbeschluss (PFB) der Regierung von Oberbayern vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses (PEG) vom 22. Dezember 2017 sieht die Errichtung eines Hochwasserrückhaltebeckens vor. Der Plan umfasst gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 BayVwVfG auch die Bauarbeiten zur Errichtung des Mastfundaments 8A auf dem von der Besitzeinweisung betroffenen Grundstück für die zur Umsetzung des Vorhabens notwendigen Verlegung der 110 kV-Leitung (vgl. S. 15 des PFB vom 19.12.2014 unter III.3 sowie Planunterlage Nr. 6.2.4).
Nach den Ausführungen im Planfeststellungsbeschluss vom 19. Dezember 2014 ist das Vorhaben Teil des Gesamtprojekts „Hochwasserschutz im unterem Mangfalltal“, das aus dem Ausbau der Deichstrecke zwischen F* … und Rosenheim auf das Bemessungshochwasser HQ 100 zuzüglich eines Freibords von 1 m (sog. „Linienausbau“) und dem Bau des streitgegenständlichen Hochwasserrückhaltebeckens als einem von insgesamt 16 Seitenpoldern besteht. Das planfestgestellte Vorhaben dient dazu, den Hochwasserschutz für die im unteren Mangfalltal liegenden Städte und Gemeinden bei sehr großen Hochwasserabflüssen zu verbessern. Durch die Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens samt Einbindung der Unterwasserbecken der Leitzachwerke kann der Klimazuschlag von 15% zum HQ 100 in diesem Bereich eingehalten und gleichzeitig die durch den Linienausbau bewirkte Abflussverschärfung, die sich nachteilig auf die Unterlieger der Mangfall auswirken würde, wirksam aufgefangen werden.
Die Beigeladenen zu 1 und 2 sowie die Antragstellerin haben eine freiwillige Besitzüberlassung des Grundstücks FlNr. … zur Durchführung der Arbeiten für die geplante Leitungsverlegung abgelehnt. Ausweislich der vorliegenden Behördenakten hat sich der Vorhabenträger hierum ernsthaft bemüht (vgl. hierzu Drost in Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand März 2019, § 71a WHG Rn. 6), indem er dem Beigeladenen zu 1 als Eigentümer des Grundstücks FlNr. …, dem Beigeladenen zu 2 als dessen Pächter und der Antragstellerin vergeblich Entschädigungsangebote unterbreitet hat. Dies wird von der Antragstellerin auch nicht infrage gestellt.
4.2 Der Planfeststellungsbeschluss vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 ist vollziehbar (§ 71a Abs. 1 Nr. 3 WHG). Die Planfeststellungsbehörde hat die sofortige Vollziehung beider Bescheide angeordnet (vgl. S. 412 ff. des PFB vom 19.12.2014 unter E; S. 119 ff. des PEB vom 22.12.2017 unter D); die von dritter Seite gestellten Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klagen gegen die Planfeststellung sind mit Beschluss des Senats vom 23. Februar 2019 (8 AS 19.40002 u.a. – juris) abgelehnt worden.
4.3 Der sofortige Beginn der Bauarbeiten ist aus Gründen eines wirksamen Hochwasserschutzes geboten (§ 71a Abs. 1 Nr. 2 WHG). Entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin hat der Antragsgegner dies im angefochtenen Besitzeinweisungsbeschluss nicht lediglich pauschal behauptet, sondern ausführlich und zutreffend begründet (vgl. S. 5 bis 7 des Besitzeinweisungsbeschlusses vom 4.2.2019).
4.3.1 Das Gebotensein des sofortigen Beginns der Bauarbeiten setzt unter anderem voraus, dass notwendige Vorarbeiten und Bauarbeiten auf dem betroffenen Grundstück nach dem Bauablaufplan des Vorhabenträgers unmittelbar bevorstehen und keine erheblichen Hindernisse – wie eine fehlende Bereitstellung von Haushaltsmitteln – für deren Realisierung vorliegen (vgl. OVG NW, B.v. 16.9.2010 – 11 B 1179/10 – juris Rn. 17 zu § 18f Abs. 1 S. 1 FStrG). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
Dem steht nicht entgegen, dass im grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Besitzeinweisungsbeschlusses (vgl. OVG LSA, B.v. 11.12.2014 – 2 M 139/14 – juris Rn. 7 zum insoweit wortgleichen § 40 Abs. 1 Satz 1 StrG LSA; vgl. auch BayVGH, B.v. 13.2.2003 – 22 A 97.40029 – VGH n.F. 56, 70 = juris Rn. 39 ff. zum Enteignungsbeschluss nach § 11 Abs. 1 und 2 EnWG a.F.) die unmittelbare Ausführung des Vorhabens noch nicht anstand und die tatsächliche Inanspruchnahme des streitbefangenen Grundstücks erst für September geplant war. Wie die Enteignungsbehörde im angefochtenen Besitzeinweisungsbeschluss zutreffend ausführt, zählen zu den erforderlichen Vorarbeiten auch die notwendigen Entscheidungen über die Vergabe der Baumaßnahme, weil die Ausschreibung und Vergabe von Aufträgen anderenfalls ein unkalkulierbares Risiko für den Vorhabenträger wären (vgl. BayVGH, U.v. 11.9.2002 – 8 A 02.40028 – VGH n.F. 56, 4 = juris Rn. 16; B.v. 14.12.2012 – 8 AS 12.40066 – juris Rn. 14; GB v. 19.9.2013 – 8 A 12.40065 – juris Rn. 14, jeweils zu § 18f Abs. 1 Satz 1 FStrG; a.A. Schenk in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG und AbwAG, Stand Juni 2018, § 71a WHG Rn. 13). Der Vorhabenträger hat anhand des von ihm vorgelegten Bauzeitenplans nachvollziehbar ausgeführt, dass die Ausschreibung und Vergabe der Arbeiten zur planfestgestellten Verlegung der 110-kV-Leitung zum Zeitpunkt der Behördenentscheidung über den Antrag auf Besitzeinweisung unmittelbar bevorstanden (vgl. auch Stellungnahme der Vertreterin der Beigeladenen zu 3 vom 7.5.2018); dies wurde von der Antragstellerin auch nicht infrage gestellt.
Der Träger des Vorhabens hat auch plausibel dargestellt, dass die umgehende Durchführung dieser Maßnahmen zur Einhaltung des Bauzeitenplans notwendig ist. Danach soll das Gesamtprojekt mit einer Gesamtbauzeit von ca. drei Jahren durchgeführt und bis zum 31. Dezember 2021 fertiggestellt werden. Nach den nachvollziehbaren und von der Antragstellerin auch nicht infrage gestellten Erläuterungen des Vorhabenträgers ist die Gesamtdauer des Projekts abhängig von der Dauer zweier voneinander unabhängiger Teilabschnitte, für die beide jeweils eine Bauzeit von mindestens drei Jahren zu veranschlagen ist. Eine Verzögerung eines Teilabschnitts hätte die Verzögerung der Fertigstellung des gesamten Projekts zur Folge und würde zu erheblichen Mehrkosten führen. Die Verlegung der 110 kV-Leitung ist für den Teilabschnitt „Verlegung der 110 kV-Leitung und Absperrdamm samt Überleitungsbauwerk, Ausleitungsbauwerk Hauptbecken und Straßenanhebung“ maßgeblich, da mit den Schlitzwandarbeiten im Absperrdamm aus arbeitssicherheitstechnischen Gründen erst nach Verlegung der Leitung begonnen werden kann (vgl. Stellungnahme des WWA vom 12.10.2018).
Anhaltspunkte dafür, dass finanzielle Hindernisse für die Realisierung des Vorhabens bestehen, werden von der Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.
4.3.2 Die Enteignungsbehörde ist vorliegend zu Recht davon ausgegangen, dass das Interesse der Allgemeinheit an der Umsetzung der genannten (Vor-)Arbeiten das Interesse der Antragstellerin an der Nichtinanspruchnahme des Grundstücks überwiegt.
Auch soweit man voraussetzt, dass das Gebotensein des sofortigen Baubeginns im Sinne des § 71a Abs. 1 Nr. 2 WHG ein gesteigertes öffentliches Interesse am umgehenden Beginn der Ausführung des Vorhabens aus Gründen eines wirksamen Hochwasserschutzes voraussetzt, das gegenüber dem Interesse des Betroffenen überwiegt (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2014 – 22 AS 14.40020 – juris Rn. 30 zu § 21 Abs. 1 Satz 1 AEG, dort offen gelassen; OVG NW, U.v. 16.9.2010 – 11 B 1179.10 – juris Rn. 19 f. zu § 18f Abs. 1 Satz 1 FStrG; Schenk in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG und AbwAG, § 71a WHG Rn. 17, jeweils m.w.N). Der Gesetzgeber geht bei planfestgestellten Vorhaben des Hochwasserschutzes davon aus, dass das Vorhaben dem Wohl der Allgemeinheit dient (vgl. § 71 Abs. 2 WHG; BT-Drs. 18/10879 S. 26). Das Gebotensein des sofortigen Beginns der Bauarbeiten muss jedoch auch im Hinblick auf das konkret betroffene Grundstück gegeben sein (Schenk in Sieder-Zeitler-Dahme, WHG und AbwAG, § 71a WHG Rn. 12). Dies ist bei großräumigen Vorhaben nicht kleinräumig zu bewerten, sondern darf praktikable Arbeitseinheiten erfassen; es ist daher nicht erforderlich, dass das in Anspruch genommene Grundstück als allerletztes Grundstück der Verwirklichung des Projekts entgegensteht (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2010 – 22 ZB 10.43 – BayVBl 2011, 569 = juris Rn. 10 zu Art. 39 Abs. 1 Satz 1 BayEG).
Danach überwiegt bei der hier vorzunehmenden Abwägung das Interesse der Allgemeinheit an einem sofortigen Baubeginn das Aufschubinteresse der Antragstellerin. Hierfür spricht bereits die gesetzgeberische Entscheidung zur Schaffung des § 71a WHG und des darin enthaltenen Beschleunigungsgebots (vgl. § 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 2, 4 und 7 WaStrG; BT-Drs. 18/10879 S. 16 f.). Die Gegenüberstellung der betroffenen Belange im hier vorliegenden Fall führt zu keinem anderen Ergebnis. Selbst wenn man der Ansicht folgen wollte, dass die sofortige Ausführung der geplanten Maßnahmen nur dann im Sinn von § 71a Abs. 1 Nr. 2 WHG geboten ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit ohne die vorzeitige Besitzeinweisung in erheblicher, nicht wieder gutzumachender Weise beeinträchtigt würde (vgl. OLG Naumburg, U.v. 9.12.2010 – 2 U 60/10 (Baul) – juris Rn. 38; ablehnend BayVGH, B.v. 4.7.2014 – 22 AS 14.40020 – juris Rn. 32, jeweils zu § 21 Abs. 1 Satz 1 AEG), wäre das Gebotensein des sofortigen Baubeginns aus Gründen eines wirksamen Hochwasserschutzes hier zu bejahen.
Denn nach dem plausiblen Vorbringen des Antragsgegners wären bei einer aufschiebenden Wirkung der Klage die im Bauzeitenplan vorgesehenen Termine nicht einhaltbar. Dies würde nicht nur zu einer Verzögerung der Arbeiten für den Bauabschnitt „Verlegung der 110 kV-Leitung und Absperrdamm samt Überleitungsbauwerk, Ausleitungsbauwerk Hauptbecken und Straßenanhebung“ führen, da diese erst fortgesetzt werden können, wenn die Leitungsverlegung erfolgt ist. Vielmehr würde sich damit auch die Gesamtbauzeit des Vorhabens verlängern (vgl. oben unter II.4.3.1). Nach den nicht bestrittenen Ausführungen der Enteignungsbehörde wäre in diesem Fall zu befürchten, dass sich die Fertigstellung des Gesamtprojekts „Hochwasserrückhaltebecken Feldolling“, das einen wirksamen Hochwasserschutz im unteren Mangfalltal sicherstellt (vgl. oben unter II.4.1), um mindestens ein Jahr verzögern würde.
Der Schutz vor Hochwasser und Überschwemmungen stellt ein maßgebliches Ziel des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und des bayerischen Wassergesetzes (BayWG) dar und ist wesentlicher Bestandteil des wasserrechtlichen Bewirtschaftungssystems. Er wird in verschiedenen Vorschriften explizit angesprochen und als übergeordnete Zielsetzung vorausgesetzt (vgl. etwa § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, §§ 67 ff. WHG, Art. 43 ff. BayWG). Auch im europäischen Recht ist die wirksame Hochwasservorsorge und Begrenzung von Hochwasserschäden von überragender Bedeutung (vgl. die Richtlinie 2007/60/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2007 über die Bewertung und das Management von Hochwasserrisiken, ABl. L 288 vom 6.11.2007 S. 27). Im Falle eines großen Hochwasserereignisses besteht die konkrete Gefahr, dass Menschen zu Tode kommen oder verletzt werden und dass erhebliche Sach- und Umweltschäden entstehen. Damit sind höchstrangige Rechtsgüter betroffen (Art. 2 Abs. 2, Art. 20a GG) und es stehen Ereignisse in Form von Naturkatastrophen im Raum. Auch wenn solch große Hochwasserereignisse statistisch gesehen (noch) relativ selten sind – wenn auch mit steigender Tendenz -, ist es nicht auszuschließen, dass ein solches gerade in dem Zeitraum eintritt, um den sich die Errichtung des Hochwasserrückhaltebeckens verzögert, wenn eine Klage aufschiebende Wirkung hätte.
Demgegenüber müssen die Interessen der Antragstellerin zurücktreten. Der Einwand, der Vorhabenträger habe die lange Verfahrensdauer zu vertreten und damit zu erkennen gegeben, dass das dem Planfeststellungsbeschluss zugrundeliegende Hochwasserschutzkonzept nicht eilbedürftig sei, vermag die Dringlichkeit der Baumaßnahme nicht infrage zu stellen. Die Dauer des Verfahrens ist Folge der Komplexität der Planung. Erst mit Erlass des Planergänzungsbeschlusses wurden die rechtlichen Voraussetzungen für eine Umsetzung der Maßnahme geschaffen. Nachdem nicht abschätzbar ist, wann und mit welcher Mächtigkeit das nächste Hochwasser eintritt, müssen angesichts der Gefahren eines nicht vollendeten Hochwasserschutzes die im Bauzeitenplan vorgesehenen Maßnahmen umgehend durchgeführt werden.
Das gilt umso mehr, als die Antragstellerin durch die vorgesehenen Maßnahmen nur unerheblich beeinträchtigt wird. Die vorzeitige Besitzeinweisung ist nur vorläufig. Wird im anhängigen Hauptsacheverfahren der Planfeststellungsbeschluss aufgehoben, ist auch der Besitzeinweisungsbeschluss aufzuheben und der vorherige Besitzer wieder in den Besitz einzuweisen. Der Eingewiesene hat für alle durch die vorzeitige Besitzeinweisung entstandenen besonderen Nachteile angemessene Entschädigung zu leisten (§ 71a Abs. 2 WHG, § 20 Abs. 6 WaStrG). Es gibt keinen Grund zu bezweifeln, dass dies erforderlichenfalls technisch und wirtschaftlich umsetzbar wäre.
Es gibt insbesondere auch keine Anhaltspunkte dafür, dass durch die Inanspruchnahme des Grundstücks unumkehrbare vollendete Tatsachen zulasten der Antragstellerin geschaffen werden. Vielmehr wird das zu ihren Gunsten eingetragene Schmutzwasserableitungsrecht durch die geplanten Maßnahmen nicht tangiert. Der von der Antragstellerin erstmals im hier anhängigen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erhobene Einwand, durch die Errichtung des Mastfundaments 8A sei eine Beschädigung der im streitbefangenen Grundstück verlegten gemeindlichen Abwasserleitung zu befürchten, so dass ihr Selbstverwaltungsrecht im Hinblick auf diese von ihr vorgehaltene Einrichtung der kommunalen Daseinsvorsorge sowie ihre hierauf bezogene zivilrechtliche Position verletzt seien, greift nicht durch. Denn die Antragstellerin wendet sich mit diesem Vortrag in der Sache gegen die zugrundeliegende Planfeststellung (vgl. auch unten unter II.5.). Im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung kommt es hierauf jedoch nicht an, da § 71a WHG lediglich die Vollziehbarkeit der Planfeststellungsbeschlusses, nicht aber dessen Rechtmäßigkeit voraussetzt (§ 71a Abs. 1 Nr. 3 WHG). Für die Enteignungsbehörde ist die sofort vollziehbar erklärte Entscheidung bindend (§ 71a Abs. 3 WHG, Art. 28 Satz 1, Art. 39 Abs. 7 BayEG). Im Verfahren der vorzeitigen Besitzeinweisung können daher gemäß § 71a Abs. 3 WHG, Art. 28 Satz 2, Art. 39 Abs. 7 BayEG keine Einwendungen gegen die Planfeststellung erhoben werden (vgl. auch OVG LSA, B.v. 22.3.2019 – 2 R 9/19 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 25.3.2014 – 8 CS 14.331 – juris Rn. 6; B.v. 23.4.2002 – 8 AS 02.40027 – juris Rn. 8, jeweils zu § 18f Abs. 1 FStrG; B.v. 13.5.2013 – 22 AS 13.40009 – DVBl 2013, 993 = juris Rn. 13 zu § 44b Abs. 1 EnWG; B.v. 9.8.2004 – 22 AS 04.40028 – juris Rn. 18 zu § 21 Abs. 1 AEG).
Da sich danach der in der Hauptsache angefochtene Besitzeinweisungsbeschluss als voraussichtlich rechtmäßig erweist, überwiegt das Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage.
5. Zur Vermeidung weiterer Rechtsstreitigkeiten weist der Senat darauf hin, dass auch keine Veranlassung bestand, aufgrund des Vorbringens des Antragstellerin zur angeblichen Gefahr der Beschädigung ihres auf dem Grundstück FlNr. … verlegten Abwasserkanals sowie der ebenfalls dort verlaufenden Gashochdruckleitung den ausdrücklich gegen den Besitzeinweisungsbeschluss vom 4. Februar 2019 gerichteten Antrag nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO in einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Planfeststellungsbeschluss der Regierung von Oberbayern vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 umzudeuten.
5.1 Der Vortrag ist zum einen bereits verspätet.
Die Antragstellerin hat erstmals im Rahmen ihrer Stellungnahme vom 21. Januar 2019 zum Antrag auf vorzeitige Besitzeinweisung eine Beeinträchtigung des gemeindlichen Abwasserkanals, allerdings zunächst ausschließlich im Hinblick auf dessen Funktionsfähigkeit während der Bauzeit, geltend gemacht. Die Gefahr seiner Beschädigung durch die geplante Errichtung des Mastfundaments 8A auf dem Grundstück FlNr. … hat sie – zunächst auch nur pauschal – erstmalig in der Begründung ihrer gegen den Besitzeinweisungsbeschluss erhobenen Klage und ihres Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz vom 8. März 2019 behauptet. Erst im weiteren gerichtlichen Verfahren hat sie diesen Einwand näher konkretisiert und unter Vorlage eines Gutachtens ausgeführt, das geplante Fundament für den Mast 8A liege direkt über ihrem gemeindlichen Abwasserkanal und der unmittelbar unter diesem verlaufenden Gashochdruckleitung; daher bestehe die konkrete Besorgnis, dass sowohl der Kanal als auch die Leitung durch die geplante Errichtung des Mastfundaments beschädigt würden, wodurch nicht nur konkrete Gefahren für gemeindliche Einrichtungen, sondern auch für Leib und Leben entstehen könnten. Dieses Vorbringen erfolgte damit weit nach Ablauf der zehnwöchigen Begründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG für die am 1. Februar 2018 erhobene Klage der Antragstellerin gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017.
Entschuldigungsgründe für diese Verspätung (§ 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO) wurden nicht vorgetragen. Solche sind im Übrigen auch nicht ersichtlich, da die Antragstellerin die Belegenheit der gemeindlichen Abwasserleitung kennen musste und ihr der Inhalt der Planfeststellung bekannt war. Zwar findet die Vorschrift des § 6 UmwRG nach ihrem Wortlaut nur auf Hauptsacheverfahren Anwendung. Sie entfaltet jedoch mittelbare Auswirkung auf die im Rahmen eines (umgedeuteten) Antrags nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO zu treffende Interessenabwägung, da sich diese an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert und eine dortige Präklusion nach § 6 UmwRG entsprechend zu berücksichtigen ist (vgl. Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Juni 2019, § 6 UmwRG Rn. 26).
5.2 Dessen ungeachtet treffen die Ausführungen zum angeblichen Konflikt zwischen dem Mastfundament und der Gashochdruckleitung bzw. der gemeindlichen Abwasserleitung nach summarischer Prüfung auch in der Sache nicht zu.
Die Antragstellerin gibt dazu an, dass der genaue Verlauf der Gasleitung erst im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens durch eine Suchgrabung ermittelt worden sei und mit den Planunterlagen nicht übereinstimme. Wie sich jedoch aus den vorliegenden Planunterlagen und den Ausführungen des Antragsgegners und der von ihm eingeschalteten Fachstellen ergibt, beruht dieser Vortrag auf der irrigen Annahme des von der Antragstellerin beauftragten Sachverständigen, dass die vorhandenen Leitungen mit dem Mastfundament überbaut werden.
Dies ist jedoch ausweislich der vom Sachverständigen der Antragstellerin selbst vorgelegten Pläne (vgl. Anlage 17 zum Gutachten Dr. D* … vom 17.7.2019) sowie aufgrund der Erläuterungen und Pläne des Antragsgegners (vgl. v.a. Stellungnahme des WWA vom 31.7.2019 [insbes. S. 3 und 11] und vom 17.9.2019 [S. 3]; Anl. 4 zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 6.8.2019; Gutachten Dipl.Ing. L* … vom 9. Mai 2019 [S. 3]) nicht der Fall. Vielmehr geht hieraus eindeutig hervor, dass das Mastfundament neben der bestehenden Abwasser- und Gasleitung errichtet wird; hierzu ist vorgesehen, dass das quadratische (5,2 x 5,2 m) Fundament auf einer Seite parallel zu den Leitungen abgeschrägt wird.
Entgegen der vom Sachverständigen der Antragstellerin erhobenen Einwände stellt dies keine Abweichung vom planfestgestellten Vorhaben dar. Die Verlegung der 110 kV-Leitung mit Gründung war ebenso wie die Gashochdruckleitung in den Planfeststellungsunterlagen dargestellt und wurde so planfestgestellt (vgl. Planunterlage Nr. 6.2.4). Die konkreten notwendigen Abmessungen und Gründungssysteme für jeden einzelnen Mast ergeben sich erst aufgrund der statischen Nachweise in Abhängigkeit von den jeweiligen Bodenverhältnissen. Es entspricht der gängigen Praxis, diese technischen Lösungen erst in der Ausführungsplanung konkret festzulegen. Hiergegen bestehen keine rechtlichen Bedenken, soweit der Stand der Technik für die zu bewältigenden Probleme geeignete Lösungen zur Verfügung stellt (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 3.3.2011 – 9 A 8.10 – BVerwGE 139, 150 = juris Rn. 50 m.w.N.; B.v. 16.2.2017 – 9 VR 2.16 – juris Rn. 17). Hiervon ist die Planfeststellungsbehörde auch zutreffend ausgegangen (vgl. PFB vom 19.12.2014 S. 34 unter A.V.7.2). Die detailliert ausgeplanten Masten liegen innerhalb des in der Planunterlage Nr. 6.2.4 dargestellten Bereichs.
Die Zugänglichkeit der Gasleitung ist damit entgegen den Ausführungen der Antragstellerin gegeben und der vorgeschriebene Sicherheitsabstand eingehalten (vgl. Stellungnahme des WWA vom 31.7.2019 [S.7] und Anlage 1 zur Stellungnahme des Antragsgegners vom 6.8.2019). Damit ist auch die Zugänglichkeit des gemeindlichen Kanals sichergestellt, dessen Belegenheit die Antragstellerin weder der Planfeststellungsbehörde noch dem Vorhabenträger mitgeteilt hatte und der, wie erst im Besitzeinweisungsverfahren bekannt wurde, unter Verletzung des Schutzbereichs der zu diesem Zeitpunkt bereits errichteten und im Grundbuch eingetragenen Gashochdruckleitung verlegt worden ist.
Auch die Einwendungen des von der Antragstellerin als Sachverständigen beauftragten Geologen zur Statik greifen nicht durch. Der Antragsgegner hat unter Bezugnahme auf die Baugrunderkundung (vgl. Anlage 2 zur Stellungnahme des Antragsgegners vom 6.8.2019) und durch Vorlage der statischen Berechnungen (vgl. Anlage 3 zur Stellungnahme des Antragsgegners vom 6.8.2017) überzeugend dargestellt, dass keine Bedenken hinsichtlich der Richtigkeit des statischen Nachweises des Fundaments bestehen (vgl. auch Stellungnahme des WWA vom 31.7.2019 [S.8]). Dies wurde nach den Ausführungen des Wasserwirtschaftsamts (vgl. Stellungnahme des WWA vom 17.9.2019 [S. 3 unten]) von ausgewiesenen Statikern durch ergänzende Vergleichsberechnungen, deren Richtigkeit durch weitere Prüfberechnungen nachgewiesen wurde, bestätigt. Hiergegen hat die Antragstellerin keine substanziierten Einwendungen erhoben.
Die Fachbehörde hat außerdem die Vorbehalte der Antragstellerin gegen das Erdungskonzept ausgeräumt (vgl. Stellungnahme des WWA vom 31.7.2019 [S. 6] und vom 17.9.2019 [S. 4]). Die Beigeladene zu 3 legt in ihrer Stellungnahme vom 1. August 2019 (Anlage 9 zur Stellungnahme des Antragsgegners vom 6.8.2019 [S. 2 f.]) ausführlich und nachvollziehbar dar, dass dieses DINkonform umgesetzt wird und alle Vorgaben, auch die Aufenthaltswahrscheinlichkeit von Personen, berücksichtigt werden. Die vom insoweit fachlich nicht ausgewiesenen Gutachter der Antragstellerin erhobenen Einwendungen seien auf eine Fehlinterpretation zurückzuführen. Das Konzept entspreche den allgemein anerkannten Regeln der Technik; unzulässige Berührungsspannungen lägen nicht vor. Im Übrigen könnten etwaige durch den veränderten Maststandort verursachte Berührungsspannungen mit Hilfe von technischen Maßnahmen im Rahmen der zulässigen Werte eingehalten werden, auch die Möglichkeit eines Kurzschlusses könnte mit einfachen technischen Maßnahmen unterbunden werden. Dem ist die Antragstellerin nicht substanziiert entgegengetreten.
Die Bedenken des Sachverständigen der Antragstellerin hinsichtlich des sicheren Betriebs der Gasleitung verfangen nicht. Hierzu hat der Antragsgegner eine Stellungnahme der Beigeladenen zu 3 als Spartenträger der Gashochdruckleitung vorgelegt (vgl. Anlage 9 zur Stellungnahme des Antragsgegners vom 6.8.2019), in der plausibel dargestellt wird, dass die Ausführungen des von der Antragstellerin beauftragten Sachverständigen nicht zutreffen. Danach ist der regelmäßig geprüfte Korrosionsschutz der Gasleitung sicher. Die ordnungsgemäß geplante, errichtete und betriebene gastechnische Anlage stellt demzufolge kein Sicherheitsrisiko dar; die Errichtung des Mastfundaments hat hierauf keine Auswirkungen. Dies wird durch einen ausgewiesenen Sachverständigen für Gashochdruckleitungen ausdrücklich bestätigt. Der von der Antragstellerin beauftragte Gutachter hat dem nichts von Substanz entgegengesetzt.
Den Aussagen des von der Antragstellerin beauftragten Sachverständigen zur angeblichen Trinkwassergefährdung und zur Gefahr der Beschädigung des gemeindlichen Abwasserkanals durch das Mastfundament bei Flutung des Polders ist das Wasserwirtschaftsamt substanziiert entgegengetreten (Stellungnahme des WWA vom 31.7.2019 [S.9 f.]). Die Fachbehörde, deren Beurteilung aufgrund ihrer jahrzehntelangen Erfahrung bei der Bearbeitung eines bestimmten Gebiets besondere Bedeutung hat (stRspr, vgl. BayVGH, U.v. 28.8.2019 – 8 N 17.523 – juris Rn. 43 und 67 m.w.N.), legt überzeugend dar, dass sich aus den hydrogeologischen Gegebenheiten im Bereich des Masts 8A keinerlei Berührungspunkte zum Brunnen V* … hinsichtlich des von diesem erschlossenen oberflächennahen quartären Grundwasserleiters ergeben und dass die behauptete Beschädigungsgefahr der Kanalleitung im Falle der Flutung des Polders auf eine Fehlinterpretation des Sachverständigen der Antragstellerin zurückzuführen ist. Diese ist dem nicht entgegengetreten.
Das Vorbringen der Antragstellerin zum angeblichen Konflikt zwischen dem Mastfundament und der gemeindlichen Abwasserleitung ist danach auch im Hinblick auf den Planfeststellungsbeschluss vom 19. Dezember 2014 in der Gestalt des Planergänzungsbeschlusses vom 22. Dezember 2017 ungeachtet der Präklusion (vgl. oben unter II.5.1) nicht geeignet, eine Verletzung des Abwägungsgebots zulasten der Antragstellerin zu begründen. Ein hierauf gestützter Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hätte daher aller Voraussicht nach keine Aussicht auf Erfolg.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO.
Der Streitwert bemisst sich nach §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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