Aktenzeichen AN 9 K 15.01509
GG GG Art. 12 Abs. 1 S. 2, Art. 14 Abs. 1 S. 1
WSG-VO 1984 § 2 Abs. 1. § 3 Abs. 1 Nr. 2.1, § 4 Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz
Auch bestandsgeschützte, bestehende Bebauungen und Nutzungen von Grundstücken im Wasserschutzgebiet schließen es nicht aus, Gefährdungspotenziale für die Trinkwasserversorgung im Wasserschutzgebiet durch zusätzliche Verbote oder Beschränkungen zu vermindern (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.9.1996, – 4 NB 31 und 32/96, NVwZ 1997, 887). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Das Gericht konnte in der mündlichen Verhandlung am 7. Dezember 2016 verhandeln und aufgrund dieser Verhandlung entscheiden, da der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten, der ordnungsgemäß und fristgerecht geladen war, vertreten war. Ein erheblicher Grund für die vom Kläger mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 7. Dezember 2016 erbetene Terminsverlegung im Sinne von § 173 VwGO i. V. m. § 227 ZPO war vorliegend nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Wenngleich selbst einem anwaltlich vertretenen Beteiligten ein Recht auf persönliche Teilnahme am Termin zukommt, stellt die bloße und nicht substantiiert dargelegte Verhinderung des Klägers, insbesondere unter Berücksichtigung der Einhaltung der Ladungsfrist, keinen erheblichen Grund dar, entgegen der Grundsätze der Prozessökonomie und der Verfahrenskonzentration und -beschleunigung hier eine Terminsverlegung vorzunehmen. Im Übrigen erscheint fraglich, ob der Kläger mit seinem Verlegungsgesuch am Tage der mündlichen Verhandlung seiner Mitwirkungspflicht, einen Verlegungsantrag unverzüglich nach Bekanntwerden eines Hinderungsgrundes zu stellen, hinreichend nachgekommen ist.
Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Anordnung zum Rückbau des Brunnens auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … mit Bescheid des Landratsamtes … vom 29. Juli 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die streitgegenständliche Anordnung zum Rückbau des privaten Brunnens des Klägers im Wasserschutzgebiet dient der Konkretisierung der in der Wasserschutzgebietsverordnung festgesetzten Verbote.
Rechtsgrundlage für die Anordnung zum Rückbau des Brunnens mit Bescheid vom 29. Juli 2015 ist § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2a WHG, der als spezielle Ermächtigung für Einzelanordnungen im Wasserschutzgebiet der wasserrechtlichen Generalklausel nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG insoweit vorgeht. Dass die Behörde die streitgegenständliche Anordnung auf die wasserrechtliche Generalklausel nach § 100 Abs. 1 Satz 2 WHG i. V. m. der Wasserschutzgebietsverordnung gestützt hat, ist insoweit unschädlich, als sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen als auch Ermessenserwägungen weitgehend identisch sind und der Verwaltungsakt durch einen Austausch der Rechtsgrundlage keine Wesensveränderung erfährt (vgl. zum Austausch einer Rechtsgrundlage BayVGH, B. v. 8.11.2016 – 20 CS 16.1193 – juris, Rn. 25). Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2a WHG können entweder in der nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG erlassenen Wasserschutzgebietsverordnung oder durch behördliche Entscheidung bestimmte Handlungen in Wasserschutzgebieten verboten oder für nur eingeschränkt zulässig erklärt werden oder die Eigentümer und Nutzungsberechtigten von Grundstücken verpflichtet werden, bestimmte auf das Grundstück bezogene Handlungen vorzunehmen, insbesondere die Grundstücke nur in bestimmter Weise zu nutzen, soweit der Schutzzweck dies erfordert. § 52 Abs. 1 Satz 1 WHG ermächtigt die Wasserbehörde zur behördlichen Anordnungen im Einzelfall, um den zuständigen Behörden ein flexibles und schnelles Handeln zu ermöglichen und verbotswidrige Zustände im Wasserschutzgebiet zu beseitigen. § 52 WHG findet nach § 106 Abs. 1 WHG auch auf vor Inkrafttreten des WHG festgesetzte Wasserschutzgebiete Anwendung. Voraussetzung für eine solche Anordnung ist das Vorliegen einer wirksamen Schutzgebietsverordnung, d. h. die Vollzugsbehörde ist berechtigt, in Umsetzung der Handlungspflichten und Verbote der Wasserschutzgebietsverordnung Anordnungen im Einzelfall selbst zu treffen (vgl. Czychowski/Rein-hardt, WHG-Komm., 10. Aufl. 2010, § 52 Rn. 41).
Den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt für die Frage der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids stellt vorliegend der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung dar. Die Rechtmäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides beurteilt sich somit nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides geltenden Verordnung des Landratsamtes … über das Wasserschutzgebiet im Markt … (Landkreis …) für die öffentliche Wasserversorgung des Zweckverbandes zur Wasserversorgung der … vom 2. November 1984 (WSG-VO 1984). Der angefochtene Bescheid stützt sich insoweit auf §§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 2.1 WSG-VO 1984. Danach sind im Fassungsbereich, in der engeren Schutzzone und in der weiteren Schutzzone Veränderungen und Aufschlüsse der Erdoberfläche, selbst wenn Grundwasser nicht aufgedeckt wird, verboten. Bei dem Brunnen des Klägers handelt es sich um einen solchen verbotenen Aufschluss von Erdoberfläche und Grundwasser.
Anhaltspunkte für formelle oder materielle Mängel der Wasserschutzgebietsverordnung, die einer gerichtlichen Inzidentprüfung unterliegt, sind weder vorgetragen, noch ersichtlich.
Eigentumsbeschränkungen durch Schutzanordnungen im Wasserschutzgebiet sind unabhängig von der Intensität der den Eigentümer treffenden Belastung nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts stets Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerwG, B. v. 30.9.1996 – 4 NB 31 und 32/96 – NVwZ 1997, 887). Die Einschränkung „soweit der Schutzzweck dies erfordert“ in § 52 Abs. 1 WHG ist Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips bzw. Übermaßverbots, das sich insbesondere an den Kriterien der Schutzwürdigkeit, Schutzbedürftigkeit und Schutzfähigkeit im Rahmen einer grundstücksbezogenen Betrachtung zu orientieren hat.
Die besondere Schutzwürdigkeit, -bedürftigkeit und -fähigkeit ergibt sich vorliegend aus der Lage des streitgegenständlichen Grundstücks in der engeren Schutzzone des Wasserschutzgebietes sowie der besonderen Nähe zu den Trinkwasserbrunnen, insbesondere dem nächstgelegenen Brunnen IIIa des Wasserverbandes der …
Behördliche Schutzanordnungen müssen sich wie die Festsetzungen des Wasserschutzgebietes im Umfang nach dem Schutzbedürfnis für den zu erreichenden Zweck richten. Dabei ist der Grad der Dringlichkeit sowie das Gefahrenpotenzial bestehender Einrichtungen und Verhaltensweisen zu berücksichtigen. Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dürfen behördliche Schutzanordnungen nicht weitergehen, als es zur Erreichung des Schutzzweckes erforderlich ist (vgl. Sieder/Zeitler, WHG-Komm., § 52 Rn. 37 bis 43, Beck Online). Auch bestandsgeschützte, bestehende Bebauung und Nutzungen von Grundstücken schließen es nicht aus, Gefährdungspotenziale für die Trinkwasserversorgung im Wasserschutzgebiet durch zusätzliche Verbote oder Beschränkungen zu vermindern (vgl. BVerwG, B. v. 30.9.1996, a. a. O.). Über die Handlungspflichten nach § 52 Abs. 1 Nr. 2a WHG kann einem Grundstückseigentümer oder Nutzungsberechtigten eines Grundstücks aufgegeben werden, auf das Grundstück bezogene Handlungen vorzunehmen, insbesondere etwa Bodenverfüllungen vorzunehmen, damit das Grundwasser nicht offen zutage tritt (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG-Komm., 10. Aufl. 2010, § 52 Rn. 34).
Wenngleich vorliegend die Anordnung zum Rückbau des Brunnens die Nutzbarkeit des Grundstücks beschränkt, steht weder die bestandskräftige Baugenehmigung vom 4. Januar 1963 noch die Plangenehmigung zur Errichtung einer Fischteichanlage mit Bescheid vom 4. August 1982 nachträglichen Beschränkungen in Umsetzung der Wasserschutzgebietsverordnung entgegen. Denn die bestandskräftige Baugenehmigung vom 4. Januar 1963 zur Errichtung eines Aufenthalts- und Geräteraumes beinhaltet ausweislich des Hinweises unter IV. Nr. 2, wonach etwa erforderliche wasserrechtliche Genehmigungen durch die Baugenehmigung nicht berührt werden, kein Recht zur Entnahme von Grundwasser. Der restriktiv auszulegende Tatbestand der erlaubnisfreien Benutzungen nach § 46 WHG beruht auf dem Grundsatz, dass das Grundeigentum allein nicht zu einer Grundwasserbenutzung berechtigt (vgl. § 4 Abs. 2 WHG), vielmehr das Grundwasser einer gesonderten öffentlich-rechtlichen Benutzungsordnung unterstellt ist. Gestattungsfreie Benutzungen im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 1 WHG stehen darüber hinaus jeweils unter dem Vorbehalt, dass „keine signifikanten nachteiligen Auswirkungen auf den Wasserhaushalt zu besorgen“ sind. Nach der zum Zeitpunkt des Brunnenbaus geltenden Rechtslage war nach § 33 Abs. 1 Nr. 1 WHG a. F. das Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten oder Ableiten von Grundwasser für den Haushalt, für den landwirtschaftlichen Hofbetrieb, für das Tränken von Vieh außerhalb des Hofbetriebs oder in geringen Mengen zu einem vorübergehenden Zweck erlaubnisfrei gestellt, soweit von den Benutzungen nicht signifikante nachteilige Auswirkungen auf den Zustand der Gewässer zu erwarten sind. Bei der vorliegenden Grundwasserentnahme durch den klägerischen Brunnen zum Zwecke der Fischereiwirtschaft hat es sich weder zum Zeitpunkt der Aufnahme der Gewässerbenutzung noch heute um eine solche erlaubnisfreie Benutzung des Grundwassers gehandelt. Auch die wasserrechtliche Genehmigung zur Errichtung einer Fischteichanlage vom 4. August 1982 beinhaltete lediglich die Gewässerbenutzungen im Aufstau der …, Ableitung von Wasser aus der …, Einleiten von Überlauf und Entleerungswasser aus der Fischteichanlage bzw. den Fischhälterungen in die …, nicht jedoch die Entnahme von Grundwasser.
Somit kann sich der Kläger nicht auf eine bestandsgeschützte Grundwasserentnahme berufen. Allein der faktische Anschluss eines Grundstücks an ein privates Wasserversorgungssystem genießt keinen Bestandsschutz im Sinne dauerhafter Nutzbarkeit (vgl. VG Ansbach, U. v. 14.7.2015 – AN 1 K 13.00604 – juris, Rn. 42).
Die behördlichen Anordnungen sind vorliegend mit dem verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsschutz (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Nach den fachlichen Stellungnahmen des Wasserwirtschaftsamtes …, dessen amtlichen Auskünften und Gutachten eine besondere Bedeutung sowie ein Beurteilungsvorrang zukommt (vgl. BayVGH, B. v. 7.8.2014 – 8 ZB 13.2583 – juris, Rn. 9 m. w. N.) wird ein qualifizierter Rückbau des Brunnens für erforderlich und unausweichlich erachtet, um einen ungehinderten Zugang zum Grundwasser und einen direkten Eintrag in das Grundwasser, der in der engeren Schutzzone durch die Filterwirkung des Gesteins bis zu den Trinkwasserbrunnen nicht eliminiert werden könnte, zu vermeiden. Der Rückbau des Brunnens ist daher geeignet und erforderlich, um eine konkrete Gefahr für das Trinkwasser maßgeblich zu verringern. Angesichts des öffentlichen Interesses am Schutz des Wasservorkommens stellt die behördliche Anordnung zum Rückbau des ohne wasserrechtliche Erlaubnis errichteten Brunnens keine unverhältnismäßige Beschränkung der Rechte des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 und Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG dar. Wegen der besonderen Schutzbedürftigkeit und des Gefahrenpotenzials eines offenen Zugangs zum Grundwasser innerhalb der engeren Schutzzone ist es somit rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Behörde der Sicherung des Grundwasservorkommens wegen des überragenden Rangs des öffentlichen Interesses an einer gesicherten Trinkwasserversorgung gegenüber den Eigentümerinteressen des Klägers und seinem Recht auf eine möglichst unbeschränkte Ausübung der Fischereiwirtschaft den Vorrang eingeräumt hat (vgl. zum überragenden Rang des öffentlichen Interesses an einer gesicherten Trinkwasserversorgung: BayVGH, U. v. 15.3.2016 – 8 BV 14.1102 – juris, Rn. 51; BVerfG, B. v. 15.7.1981 – 1 BvR 77/78 – BVerfGE 58, 300/342). Ermessensfehler der Behörde gemäß § 114 VwGO sind insoweit weder vorgetragen noch ersichtlich.
Ein Anspruch auf Gewährung einer Befreiung bzw. Ausnahme nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WSG-VO 1984, wonach die Behörde von den Verboten des § 3 Ausnahmen zulassen kann, wenn das Verbot im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde und das Gemeinwohl der Ausnahme nicht entgegensteht, ist vorliegend mangels atypischer Umstände, aus denen sich eine solche unbillige Härte ergeben könnte, nicht gegeben. Bei Befreiungen handelt es sich grundsätzlich um restriktiv auszulegende Ausnahmen, keinesfalls um allgemeine Billigkeitsklauseln zur Berücksichtigung persönlicher Umstände des Grundstücksbesitzers. Das Rechtsinstitut der Befreiung von dem Verbot einer Norm rechtfertigt sich verfassungsrechtlich daraus, dass die mit einer Normierung regelmäßig verbundene Abstraktion und Verallgemeinerung notwendig zu Differenzen zwischen dem Regelungsinhalt und dem hinter der Regelung stehenden Schutzgut führen können, weil und soweit sie besonders gelagerten Sachverhalten, die aus den tatsächlichen Gründen atypisch „aus der Regel fallen“ nicht gerecht werden. Für die zur Vermeidung vom Verordnungsgeber nicht beabsichtigter Härten vorgesehene Befreiung oder Ausnahme ist insofern das Vorliegen einer grundstücksbezogenen Atypik Voraussetzung.
Besondere grundstücksbezogene atypische Umstände sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, die für einen Erhalt eines privaten Brunnens innerhalb der engeren Schutzzone im Wasserschutzgebiet streiten könnten. Unter Berücksichtigung des Besorgnisgrundsatzes und der restriktiven Handhabung von Befreiungen und Ausnahmen ist es mithin nicht zu beanstanden, dass vorliegend der Sicherheit der Trinkwasserversorgung, insbesondere unter Berücksichtigung des bedeutsamen Risikos eines schädlichen Grundwassereintrages Vorrang vor der Erteilung einer Befreiung eingeräumt wurde.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.