Aktenzeichen AN 9 K 15.02594
Leitsatz
1 Vergnügungsstätten sind besondere Gewerbebetriebe, die in unterschiedlicher Weise unter Ansprache des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs der kommerziellen Freizeitgestaltung und der Zerstreuung dienen. Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle liegt demnach dann vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung, insbesondere durch das unmittelbare Nebeneinander von Wettannahmestelle und Liveübertragung von Sportereignissen mit gastronomischen Angebot dazu animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen. (redaktioneller Leitsatz)
2 In einem (faktischen) Mischgebiet sind nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO Vergnügungsstätten nur im Sinne des § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Dies bedeutet, dass kerngebietstypische Vergnügungsstätten (wie hier ein knapp 130 qm großes Wettbüro mit Café/Bistro) weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig sind. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v. H. des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Erteilung der bauaufsichtlichen Genehmigung für das Vorhaben „Nutzungsänderung von Kfz-Ausstellungshalle in Café/Bistro und Laden mit Wettannahmestelle“ für das Vorhabengrundstück FlNr. … der Gemarkung …. Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 BayBO).
Das Vorhaben der Klägerin ist eine Nutzungsänderung, die gemäß Art. 55 Abs. 1, Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO einer Baugenehmigung bedarf. Eine Nutzungsänderung liegt vor, wenn durch die Verwirklichung eines Vorhabens die einer genehmigten Nutzung eigene Variationsbreite verlassen wird und durch die Aufnahme dieser veränderten Nutzung andere bauordnungs- oder bauplanungsrechtliche Anforderungen in Betracht kommen als für die bisherige Nutzung, so dass sich die Frage der Genehmigungsfähigkeit neu stellt (vgl. BVerwG, U.v. 18.11.2010 – 4 C 10/09 – NVwZ 2011, 748/749; BayVGH, B.v. 10.6.2010 – 1 ZB 09.1971 – juris). Die streitgegenständlich beabsichtigte Nutzung des Erdgeschosses des Anwesens …, …, als Café/Bistro und Laden mit Wettannahmestelle bewegt sich ihrer Art nach ersichtlich nicht mehr im Rahmen der zuletzt mit Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 1984 genehmigten Nutzung als Ausstellungshalle. Für die geplante Nutzungsänderung kommen andere bauplanungsrechtliche Anforderungen in Betracht, auch weist die beabsichtigte Nutzungsänderung die für ein Vorhaben im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB erforderliche bodenrechtliche Relevanz auf.
Dem von der Klägerin zur Genehmigung gestellten Bauvorhaben stehen bauplanungsrechtliche Vorschriften entgegen. Offen bleiben kann dabei, ob dem Vorhaben bereits die zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt gültige Veränderungssperre mit Satzung vom 11. Oktober 2016 entgegensteht (vgl. nachfolgend 1.). Denn das von der Klägerin zur Genehmigung gestellte Vorhaben stellt sich bei Würdigung aller Umstände und nach Maßgabe der Bauvorlagen als eine für ein Kerngebiet typische Vergnügungsstätte dar, das sich in der als faktisches Mischgebiet zu beurteilenden Umgebungsbebauung nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2 Nr. 8, § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als unzulässig erweist (vgl. nachfolgend 2.).
1. Unentschieden bleiben kann, ob dem streitgegenständlichen Vorhaben die im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt der mündlichen Verhandlung anzuwendende Veränderungssperre durch Satzung der Beklagten vom 11. Oktober 2016 entgegensteht. Nach Auffassung der erkennenden Kammer bestehen schon im Hinblick auf den räumlichen Geltungsbereich der Veränderungssperre, die sich gemäß § 2 der Satzung auf das gesamte Stadtgebiet der Beklagten erstreckt, erhebliche Zweifel an deren Rechtswirksamkeit.
Nach § 14 Abs. 1 BauGB kann die Gemeinde zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich eine Veränderungssperre mit dem Inhalt beschließen, dass Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB nicht durchgeführt oder bauliche Anlagen nicht beseitigt werden dürfen. Sinn und Zweck einer Veränderungssperre nach § 14 BauGB ist die Sicherung der gemeindlichen Planungshoheit. Unter Berücksichtigung dieses Charakters als Sicherungsinstrument muss eine Veränderungssperre mit ihrem räumlichen Umfang und ihrem sachlichen Inhalt der Bauleitplanung entsprechen und erforderlich sein. Die gesetzliche Voraussetzung des § 14 Abs. 1 BauGB, dass eine Veränderungssperre „zur Sicherung der Planung für den künftigen Planbereich“ erforderlich sein muss, ist nur gegeben, wenn die mit dem Aufstellungsbeschluss eingeleitete Planung im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Veränderungssperre ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll und eine hinreichend räumliche Bestimmtheit des künftigen Planbereichs erkennbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2016 – 15 ZB 15.1632 – juris, Rn. 9; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 9.6.2016 – OVG 2 S 3.16 – juris, Rn. 15). Der räumliche Geltungsbereich einer Veränderungssperre ist nach dem Erforderlichkeitsgrundsatz zu bestimmen (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB-Komm., § 14, Rn. 67). Wenngleich die Intention, bestimmte Gewerbebetriebe wie Vergnügungsstätten bauplanungsrechtlich zu steuern, um einem Trading-Down-Effekt bzw. einer Verdrängung städtebaulich primär gewollter Nutzungen entgegenzuwirken, grundsätzlich ein sicherungsfähiges Planungsziel in einem größeren städtebaulichen Rahmen darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 7.9.2016, a. a. O., juris, Rn. 11), und mithin bei einem Bebauungsplan nach § 9 Abs. 2b BauGB, dessen Inhalt alleine der vollständige oder teilweise Ausschluss einer bestimmten Nutzung im Plangebiet sein soll, ohne dass weitere Festsetzungen zu erfolgen hätten, an das Mindestmaß der zu sichernden Planung andere Maßstäbe anzulegen sind als bei sonstigen Bebauungsplänen (vgl. VG Ansbach, U.v. 1.7.2015 – AN 9 K 14.01140, AN 9 K 14. 00355 – juris, Rn. 62; VG Gelsenkirchen, B.v. 2.8.2007 – 6 L 272/07 – juris, Rn. 31), ist der zu sichernde Planbereich nach der intendierten Bauleitplanung zu bestimmen. Bei einem Aufstellungsbeschluss sowie einer Veränderungssperre, die das gesamte Stadtgebiet, mithin beplante wie unbeplante Innenbereichslagen als auch Außenbereiche umfassen, lässt sich nicht erkennen, welche konkreten Gebiete unter Berücksichtigung der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 9 Abs. 2b BauGB aus welchen Gründen schutzwürdig sein sollen. Der Anwendungsbereich eines Bebauungsplans nach § 9 Abs. 2b BauGB ist räumlich auf im Zusammenhang bebaute Ortsteile nach § 34 BauGB beschränkt. Ein Bebauungsplan zur Steuerung von Vergnügungsstätten nach § 9 Abs. 2b BauGB kann nicht für Gebiete mit Bebauungsplänen im Sinne von § 30 Abs. 1 und 2 BauGB und nicht für den Außenbereich im Sinne von § 35 BauGB aufgestellt werden (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB Komm., § 9, Rn. 243). Auch setzt eine hinreichend konkretisierte Planung voraus, dass anhand der planerischen Gestaltungsvorschriften nach § 14 Abs. 2 BauGB beurteilt werden kann, ob ein konkretes Vorhaben die gemeindliche Planung erschweren oder stören würde (vgl. Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB-Komm., § 14, Rn. 45). Wenngleich der Erlass einer Veränderungssperre nicht voraussetzt, dass das der zu sichernden Bauleitplanung zugrunde liegende, tragende Gesamtkonzept bereits beschlossen ist und damit vorliegt, so bedarf es jedoch eines Mindestmaßes an konzeptionellen Grundvorstellungen, um im Hinblick auf die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG die negativen Auswirkungen der Veränderungssperre zu rechtfertigen. Die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG gebietet zu verhindern, dass die Entwicklung eines Grundstücks für einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum gestoppt werden darf, obwohl für den jeweiligen Betroffenen nichts darüber zu erkennen ist, was mit der Sperre erreicht werden soll. Beabsichtigt eine Gemeinde für weite Teile ihres Gemeindegebietes einen Bebauungsplan aufzustellen, so kann diese Planung nicht durch eine Veränderungssperre gesichert werden, wenn die Bereiche, in denen unterschiedliche Nutzungen verwirklicht werden sollen, nicht einmal grob bezeichnet sind (vgl. BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 CN 13/03 – juris; BayVGH, U.v. 9.10.2012 – 15 N 11.1857 – juris, Rn. 27).
Nach diesen Maßstäben hat die erkennende Kammer Zweifel, ob der räumliche Geltungsbereich der Veränderungssperre, der das gesamte Stadtgebiet mithin auch beplante Gebiete und den Außenbereich mit umfasst, sich unter Berücksichtigung des Sicherungsbedürfnisses in diesem Umfang als erforderlich erweist. Wenngleich das zu fordernde Mindestmaß an Konkretisierung der Planung nicht notwendigerweise aus dem Aufstellungsbeschluss erkennbar sein muss, es vielmehr genügt, wenn sich diese aus Niederschriften der Gemeinderatssitzungen oder sonstigen Unterlagen, wie vorliegend dem vorläufigen Vergnügungsstättenkonzept für die Stadt …, ergeben, entspricht eine Erstreckung der Veränderungssperre auf das gesamte Stadtgebiet nicht mehr dem Erforderlichkeitsgrundsatz bzw. dem Übermaßverbot, da die Steuerung von Vergnügungsstätten durch Bebauungsplan gemäß § 9 Abs. 2b BauGB die Gemeinde ausdrücklich nur zu einer Regelung für den nicht beplanten Innenbereich zum Schutz von Wohnnutzung und städtebaulichen Funktionen eines Gebietes ermächtigt (vgl. BayVGH, U.v. 29.1.2015 – 9 N 15.213 – juris, Rn. 42).
Darüber hinaus erscheint fraglich, ob die für den Neuerlass der Veränderungssperre zur Sicherung der bereits mit Veränderungssperre vom 24. September 2013 gesicherten Planungskonzeption erforderlichen „besonderen Umstände“ im Sinne von § 17 Abs. 2 BauGB vorliegen. Zwar kann eine Gemeinde nach § 17 Abs. 3 BauGB eine außer Kraft getretene Veränderungssperre ganz oder teilweise erneut beschließen, wenn die Voraussetzungen für einen Erlass fortbestehen. Zur Vermeidung der Umgehung der besonderen Anforderungen nach § 17 Abs. 2 BauGB ist unter Berücksichtigung der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG jedoch zu fordern, dass – sofern sich die Gemeinde statt einer weiteren Verlängerung für die Erneuerung der Veränderungssperre auf der Grundlage des § 17 Abs. 3 BauGB entschließt – materiell-rechtlich keine anderen Voraussetzungen gelten dürfen, als sie bei einer entsprechenden Verlängerung einer Veränderungssperre bei weitgehend identischer Planungskonzeption gelten würden. Eine die zweite Verlängerung ersetzende Erneuerung einer Veränderungssperre bei gleich bleibender, zu sichernder Planungskonzeption ist somit nur bei Vorliegen „besonderer Umstände“ statthaft (vgl. VG Augsburg, U.v. 16.6.2016 – AU 5 K 16.271 – juris, Rn. 44). Auch wenn die Umsetzung eines Vergnügungsstättenkonzepts im Wege der Bauleitplanung aufgrund der Größe des Plangebietes und der komplexen städtebaulichen Probleme solche besonderen Umstände begründen kann, ist grundsätzlich die Gemeinde verpflichtet, ein durch Veränderungssperre gesichertes Planungsverfahren unter Einsatz ihrer Verwaltungskraft, mit der notwendigen Umsicht, vorausschauend und in intensiver Bearbeitung zu betreiben.
Vorliegend wurde die Bauleitplanung zur Steuerung von Vergnügungsstätten erstmalig durch Veränderungssperre vom 24. September 2013 gesichert. Der Auftrag zur Erstellung eines Vergnügungsstättenkonzepts, was als Rahmenplan der zu sichernden Bauleitplanung zugrunde liegen sollte, wurde seitens der Beklagten jedoch erst zwei Jahre später am 22. September 2015 in Auftrag gegeben. Das Vorliegen „besonderer Umstände“ im Sinne von § 17 Abs. 2 BauGB, die eine nochmalige Verlängerung der Veränderungssperre bzw. den Neuerlass einer Veränderungssperre zur Sicherung der weitgehend identischen Planungskonzeption rechtfertigen würden, erscheint angesichts dessen zumindest fraglich.
2. In Absehung der Frage, ob die Veränderungssperre dem streitgegenständlichen Vorhaben entgegensteht, erweist sich das Vorhaben jedenfalls als kerngebietstypische Vergnügungsstätte (vgl. nachfolgend 2.1) in der als faktisches Mischgebiet zu beurteilenden maßgeblichen Umgebungsbebauung nach § 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 2 Nr. 8, § 4a Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als bauplanungsrechtlich unzulässig (vgl. nachfolgend 2.2).
2.1 Das Vorhaben der Klägerin ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung im Hinblick auf seine städtebaulichen Auswirkungen in seinen beiden Bestandteilen Café/Bistro und Wettannahmestelle als einheitliches Vorhaben anzusehen, das sich in einer Gesamtbewertung bauplanungsrechtlich als Vergnügungsstätte darstellt.
Vergnügungsstätten sind besondere Gewerbebetriebe, die in unterschiedlicher Weise unter Ansprache des Geselligkeitsbedürfnisses, des Spiel- oder Sexualtriebs der kommerziellen Freizeitgestaltung und der Zerstreuung dienen (vgl. Röser in König/Röser/Stock, BauNVO, 3. Aufl. 2014, § 7 Rn. 16). Eine Vergnügungsstätte und nicht lediglich eine Wettannahmestelle, die darauf angelegt ist, Wetten entgegenzunehmen und weiterzuleiten sowie Gewinne auszuzahlen, liegt demnach dann vor, wenn die Kunden durch die konkrete Ausgestaltung, insbesondere durch das unmittelbare Nebeneinander von Wettannahmestelle und Liveübertragung von Sportereignissen mit gastronomischen Angebot dazu animiert werden, sich dort länger aufzuhalten, die Sportereignisse, auf die sie gewettet haben, in Liveübertragungen auf Fernsehmonitoren zu verfolgen und weiter an den angebotenen Wettspielen teilzunehmen (vgl. BayVGH, B.v. 15.1.2016 – 9 ZB 14.1146 – juris; B.v. 21.5.2015 – 15 CS 15.9 – juris, Rn. 14; B.v. 25.4.2013 – 15 ZB 13.274 – juris; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 6.10.2015 – 10 B 1.14 – juris, Rn. 42; OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 14.4.2011 – 8 B 10278/11 – juris). Für ein Kerngebiet typisch ist eine solche Vergnügungsstätte dann, wenn sie als zentraler Dienstleistungsbetrieb auf dem Unterhaltungssektor einen größeren Einzugsbereich hat und für ein größeres allgemeineres Publikum erreichbar sein soll, wobei die Größe des Betriebes eine maßgebende Rolle spielt (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2016 – 9 ZB 14.1419 – juris; vorgehend VG Ansbach, U.v. 9.4.2014 – AN 9 K 13.01321 – juris, Rn. 33).
Ob ein Vorhaben, das sich zum einen durch eine gastronomische Nutzung mit Übertragung von Sportereignissen und zum anderen aus einer Wettannahmestelle mit weiteren Angeboten wie Tabakwaren und einer Theke, die zugleich Kaffeeausschank und Annahme von Wettscheinen dient, zusammensetzt, in seinen städtebaulichen Auswirkungen als räumlich funktionale Einheit zu bewerten ist, ist in einer Gesamtschau anhand objektiver Umstände zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann das unmittelbare Nebeneinanderliegen zweier Zugänge und eine Toilettenmitbenutzung als Anzeichen für einen räumlich und funktional einheitlichen Betrieb dienen. Im Rahmen einer Gesamtschau ist neben der räumlichen Situation jedoch vor allem auch zu berücksichtigen, ob sich die Nutzungen beider Vorhabensbestandteile „in geradezu idealer Weise ergänzen“ und die Nutzung nach außen hin einheitlich in Erscheinung tritt (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2016, a. a. O.). Dass beide Einheiten durch eine räumlich bzw. funktionale Verbindung durch eine jeweils größere Attraktivität voneinander profitieren, kann für die Annahme einer Betriebseinheit in städtebaulicher Hinsicht von Bedeutung sein (vgl. BVerwG, B.v. 29.10.1992 – 4 B 103/92 – juris).
Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Verfahren von einer räumlich funktionalen Einheit von Café/Bistro einerseits und Wettannahmestelle andererseits auszugehen. Für eine räumlich funktionale Einheit spricht im vorliegenden Verfahren neben der Beantragung als einheitliches Vorhaben das unmittelbare Nebeneinander der Räumlichkeiten, auch wenn diese unterschiedliche Eingänge aufweisen mögen. Beide Einheiten sollen einem einheitlichen Betreiber unterstehen, nach den Bauvorlagen zugrundeliegenden Betriebsbeschreibungen sollen beide Einheiten weitgehend identische Öffnungszeiten aufweisen. Darüber hinaus verfügt die Wettannahmestelle nicht über eigene Toiletten, so dass davon auszugehen ist, dass zumindest Beschäftigte der Wettannahmestelle dieselben Toiletten benutzen wie diejenige in dem Café/Bistro. Maßgeblich erscheint der Kammer vor allem die ideale Ergänzung der Angebote beider Einheiten, die sich durch die Verbindung der Wettabgabe und des Verfolgens von Live-Sportereignissen in geselliger Atmosphäre im Sinne einer jeweils gesteigerten Attraktivität verbinden. Darüber hinaus treten durch die einheitliche Glasfassade und das unmittelbare räumliche Nebeneinander der beiden Einheiten die Wettannahmestelle und das Café/Bistro nach außen hin als betriebliche Einheit in Erscheinung. Nach den objektiven Umständen bilden die beiden Betriebsteile, insbesondere unter Berücksichtigung der idealen Ergänzung der jeweiligen Angebote, des Erscheinungsbildes nach außen und der abgestimmten Öffnungszeiten eine Einheit, die in ihrer Gesamtbewertung der kommerziellen Unterhaltung dient und als Vergnügungsstätte zu qualifizieren ist.
Dieser Betrieb stellt sich mit einer Gesamtfläche von 127,89 m2 als eine Vergnügungsstätte dar, die gemäß § 4a Abs. 3 Nr. 2 wegen ihres Umfangs nur in Kerngebieten zulässig ist, da sie mit einer Grundfläche von mehr als 100 m2 darauf angelegt ist, ein größeres und allgemeines Publikum aus einem weiteren Einzugsbereich anzusprechen (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2016, a. a. O.).
2.2 Das Vorhaben ist als kerngebietstypische Vergnügungsstätte in der als faktisches Mischgebiet (§ 34 Abs. 2 BauGB i. V. m. § 6 Abs. 1 BauNVO) zu qualifizierenden näheren Umgebung des Vorhabens seiner Art nach bauplanungsrechtlich weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig.
Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach der Art der baulichen Nutzung in die nähere Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der aufgrund des § 9a BauGB erlassenen Verordnung (Baunutzungsverordnung – BauNVO) bezeichnet sind, so beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre (§ 34 Abs. 2 BauGB).
Die nähere Umgebung des Vorhabens entspricht einem Mischgebiet im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO, dies entspricht auch der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Parteien.
Als für das Vorhaben der Klägerin maßgebliche „nähere Umgebung“ im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist der den Vorhabenstandort umgebende Bereich anzusehen, soweit sich die Ausführung des Vorhabens auf ihn auswirken kann und soweit er seinerseits den bodenrechtlichen Charakter des Vorhabengrundstücks prägt oder doch beeinflusst. Die Grenzen sind dabei nicht schematisch, sondern nach der jeweiligen städtebaulichen Situation zu bestimmen (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2010 – 9 B 10.363 – juris).
Die maßgebende nähere Umgebung ist vorliegend im Westen und Norden durch die …, im Osten und Süden durch die beiderseitige Bebauung der … begrenzt. Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten Lageplänen finden sich in dieser – dem Gericht bekannten – Umgebung im Wesentlichen Wohnnutzungen neben verschiedenen Gewerbebetrieben und Läden sowie Handwerksbetrieben. Eine Vergnügungsstätte ist im maßgeblichen Bereich nicht vorhanden.
Mischgebiete dienen gleichermaßen dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören (§ 6 Abs. 1 BauNVO). Kennzeichnend für diesen Baugebietstyp ist somit eine qualitative und quantitative gleichmäßige Durchmischung der Hauptnutzungsarten.
Nach diesem Maßstab entspricht die nähere Umgebungsbebauung des Vorhabens einem faktischen Mischgebiet, da es neben Wohnnutzungen, insbesondere auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … sowie FlNr. … der Gemarkung … sowie im südlichen Bereich der … durch das Wohnen nicht wesentlich störende gewerbliche Nutzungen wie Weinhandlung, Metzgerei sowie eine kleine Kfz-Werkstatt geprägt ist. Für eine Einordnung der näheren Umgebung als faktisches Kerngebiet, das gemäß § 7 Abs. 1 BauNVO vorwiegend der Unterbringung von Handelsbetrieben sowie von zentralen Einrichtungen der Wirtschaft, der Verwaltung und der Kultur geprägt ist, finden sich in der maßgeblichen Umgebungsbebauung keine entsprechenden Nutzungen. Im maßgeblichen Bereich sind jedenfalls keine zentralen Einrichtungen im Sinne von § 7 Abs. 1 BauNVO gegeben. In einem Mischgebiet sind nach § 6 Abs. 2 Nr. 8 BauNVO Vergnügungsstätten nur im Sinne des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zulässig. Dies bedeutet, dass kerngebietstypische Vergnügungsstätten weder allgemein noch ausnahmsweise zulässig sind.
Dem streitgegenständlichen Vorhaben stehen damit öffentlichrechtlichen Vorschriften des Bauplanungsrechts entgegen. Die Klage war daher abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 76.000,00 EUR festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Die Kammer hat sich insoweit an Nr. 9.1.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 18. Juli 2013 angelehnt und im Hinblick auf die Vergleichbarkeit von Spielhalle und Wettbüro (vgl. BayVGH, B.v. 23.4.2015 – 15 ZB 13.2377 – juris, Rn. 27 mit Verweis auf OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 11.9.2014 – 10 S 8.13 – NVwZRR 2015, 90) einen Wert von 600,00 EUR/m2 Nutzfläche angesetzt. Daraus errechnet sich unter Berücksichtigung der betrieblichen Einheit von Wettannahmestelle und Café/Bistro der festgesetzte Streitwert.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.