Aktenzeichen 2 CS 19.1316
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
VwGO § 80 Abs. 5, § 113 Abs. 1, § 146 Abs. 4, § 154 Abs. 2, § 159 S. 2
Leitsatz
Ist das Anwesen, für dessen Anbau eine Baugenehmigung erteilt wurde, eine Brandruine, die nicht mehr saniert werden kann, kann aufgrund dieser nachträglich eingetretenen Tatsache die Baugenehmigung für das Erweiterungsvorhaben widerrufen werden. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
Au 4 S 19.98 2019-06-07 Bes VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsteller nach § 146 VwGO hat keinen Erfolg, weil die dargelegten Gründe keine Abänderung oder Aufhebung der angefochtenen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO rechtfertigen (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO).
Der Senat sieht nach einer einem Eilverfahren wie diesem angemessenen summarischen Prüfung (vgl. BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581) im Rahmen der von ihm eigenständig zu treffenden Ermessensentscheidung keine Notwendigkeit für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Antragsteller können den Widerruf der Baugenehmigung vom 20. Januar 2011 mit dem Ziel seiner Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn dieser gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt und sie dadurch in eigenen Rechten verletzt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klage der Antragsteller wird jedoch aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil der angefochtene Bescheid nicht an einem derartigen Mangel leidet.
Der angegriffene Bescheid des Landratsamts vom 18. Januar 2019 hat hinsichtlich des Widerrufs der Baugenehmigung vom 20. Januar 2011 voraussichtlich Bestand. Gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayVwVfG darf ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, wenn die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall voraussichtlich gegeben. Als nachträglich eingetretene Tatsache ist hier anzunehmen, dass das bestehende Anwesen, an das angebaut werden sollte, abgebrannt ist. Die Baugenehmigung vom 20. Januar 2011 wurde für einen Anbau am bestehenden Anwesen als Ersatzbau für die Tenne gemäß § 35 Abs. 4 BauGB erteilt. Vorliegend war allenfalls der Tatbestand des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB einschlägig, der die Erweiterung eines Wohngebäudes auf bis zu höchstens zwei Wohnungen unter bestimmten Voraussetzungen behandelt. Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch ein noch vorhandenes Wohngebäude (vgl. Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: 1. Februar 2019, § 35 Rn. 158). Diese Situation ist dann nicht mehr gegeben, wenn die Altsubstanz abgebrochen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 20.9.2002 – 14 ZB 02.1615 – juris). Dem dürfte die vorliegende Konstellation gleichzusetzen sein, bei der es sich um eine Brandruine handelt, die nicht mehr saniert werden kann (vgl. Aktenvermerk des Landratsamts vom 9.1.2019). Entgegen der Auffassung der Antragsteller belegen die in den Behördenakten befindlichen Fotografien vom Ortstermin am 9. Januar 2019 gerade nicht, dass an noch stehende Außenwände des Bestands angebaut werden könnte. Vielmehr erwecken diese den Eindruck, dass in eine Gefahrenlage hineingebaut würde. Soweit die Antragsteller ferner behaupten, die genehmigten Baupläne zeigten ein eigenständiges Gebäude, das lediglich mit einer Brandwand an den Bestand angrenze, einen eigenen Eingang besitze und auch ansonsten vollständig autark sei, kann dem nicht gefolgt werden. Denn das geplante Bauvorhaben weist mit dem Bestand zumindest eine durchgängige Bedachung auf. Anderenfalls wäre die Baugenehmigung von vornherein rechtswidrig gewesen. Denn § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 BauGB begünstigt nicht die Errichtung einer eigenständigen baulichen Anlage oder die Entstehung eines Doppelhauses (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1998 – 4 C 10.97 – NVwZ 1998, 842; BVerwG, U.v. 19.2.2004 – 4 C 4.03 – NVwZ 2004, 982).
Das Landratsamt geht auch zu Recht davon aus, dass ohne den Widerruf der Baugenehmigung das öffentliche Interesse gefährdet würde. Würde die Verwirklichung des strittigen Bauvorhabens zugelassen, wäre das öffentliche Interesse an der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs gefährdet. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass ein solches Vorhaben eine Vorbildfunktion besitzen würde mit der Folge, dass noch weitere Bauten hinzutreten könnten. Dies ist vorliegend angesichts der in östlicher Richtung vom Vorhaben bereits vorhandenen massiven Bebauung konkret zu befürchten. Die Annahme der Antragsteller, die Situation für den Außenbereich wäre die gleiche, wenn das Bestandsgebäude nicht durch Brand beschädigt wäre und das Bauvorhaben auf Grundlage der Baugenehmigung errichtet werden könnte, trifft nicht zu. Denn in diesem Fall läge lediglich die Erweiterung eines zulässigerweise errichteten und bestehenden Wohngebäudes vor, während vorliegend ein isoliertes Bauvorhaben im Außenbereich errichtet würde. Dessen negative Vorbildwirkung liegt nach dem vorstehend Gesagten auf der Hand.
Angesichts dieser Sachlage fällt auch die Interessenabwägung des Senats zu Lasten der Antragsteller aus. Denn es kann nicht hingenommen werden, dass ein Bauvorhaben sogleich errichtet wird, dessen Genehmigungssituation äußerst zweifelhaft ist. In einem solchen Fall hat das öffentliche Interesse an der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs den Vorrang.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.