Aktenzeichen M 8 K 18.1841
VwGO § 114 S. 2
Leitsatz
1. Ist ein Denkmal nicht mehr existent, das heißt, seine Denkmaleigenschaft ist bereits untergegangen, ist eine „Erhaltung“ iSv Pflege, Instandhaltung und Instandsetzung begrifflich nicht mehr möglich. (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rekonstruktion zerstörter Denkmäler gehört grundsätzlich nicht zur Denkmalpflege, da die Identität des Denkmals unter Erhaltung eines Mindestmaßes an Originalsubstanz der wesentlichen Teile erhalten geblieben sein muss und nur teilweise zerstörte Denkmäler unter Beibehaltung ihrer Denkmaleigenschaft in Stand gesetzt werden können. (Rn. 60) (redaktioneller Leitsatz)
3. Grundsätzlich ist bei Baudenkmälern davon auszugehen, dass stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe iSd Art. 15 Abs. 4 S. 1, 6 Abs. 2 S. 2 BayDenkmDSchG für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes bestehen, was im Umkehrschluss bedeutet, dass – soweit kein Regelfall, sondern ein spezielle Besonderheiten aufweisender Einzelfall vorliegt – die „gewichtigen Gründe“ nicht ohne Weiteres indiziert sind, sondern der fachlichen Bewertung durch die hierzu berufenen Stellen bedürfen. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ stellen einen unbestimmten Rechtsbegriff wertenden Inhalts auf der Tatbestandsseite der Norm dar, der gerichtlich voll überprüfbar ist. (Rn. 69) (redaktioneller Leitsatz)
5. Welche Adressaten für den Erlass einer denkmalschutzrechtlichen Verfügung in Frage kommen, ist mangels spezieller Regelung in Art. 15 Abs. 4 BayDenkmSchG nach den Grundsätzen des Polizei- und Sicherheitsrechts zu ermitteln. (Rn. 72) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2018, Plan-Nr. 17- …2, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Streitgegenstand ist die Wiederaufbauverfügung im Bescheid vom 5. April 2018, die die Beklagte auf Art. 15 Abs. 4 BayDSchG gestützt hat. Art. 15 Abs. 4 BayDSchG bestimmt, dass – soweit Handlungen nach Art. 6, 7, 8 Abs. 2 oder Art. 10 Abs. 1 BayDSchG ohne die erforderliche Erlaubnis, Baugenehmigung oder abgrabungsaufsichtliche Genehmigung durchgeführt werden – die Untere Denkmalschutzbehörde verlangen kann, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird, soweit dies noch möglich ist, oder dass Bau- oder Bodendenkmäler und eingetragene bewegliche Denkmäler auf andere Weise wieder in Stand gesetzt werden.
Der Abbruch des Gebäudes „… …“ stellt, da es sich bei dem Gebäude neben seiner Eigenschaft als Einzelbaudenkmal um einen Bestandteil des Ensembles „…siedlung“ handelte, einen Verstoß gegen beide Alternativen des Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG dar. Hiernach bedarf, wer ein Ensemble verändern will, der Erlaubnis nur, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann.
Die Beklagte fordert auf der Rechtsgrundlage von Art. 15 Abs. 4 BayDSchG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG den Wiederaufbau des Gebäudes „… …“ in seiner ursprünglichen Form unter Erhaltung der noch bestehenden Giebelwände und mit den gesicherten Baumaterialien zur Wiederherstellung des geschützten Ensembles.
2. Der streitgegenständliche Bescheid weist zum einen Defizite im Bereich der Darlegung der gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes (II. 2) auf. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Forderung, das Gebäude … … als Bestandteil des Ensembles „…siedlung“ in den genauen Maßen des abgebrochenen Gebäudes wieder zu errichten als auch hinsichtlich der Verpflichtung der Wiederverwendung der gesicherten Baumaterialien.
Weiterhin bestehen nicht heilbare Mängel des streitgegenständlichen Bescheides aufgrund der fehlenden Auswahlentscheidung zwischen dem Kläger als Zustandsstörer einerseits und dem nicht von vorneherein ausschließbaren, den Abbruch ausführenden Geschäftsführer der Baufirma als Handlungsstörer andererseits (III.).
II.
Im Hinblick darauf, dass die Wiederaufbauanordnung auf die Wiederherstellung des Ensembles und nicht des Einzelbaudenkmals „… …“ gerichtet ist, lässt sich nach Auffassung des Gerichts auch die hier geforderte Rekonstruktion auf Art. 15 Abs. 4 BayDSchG stützen.
1. Grundsätzlich kann die Wiederherstellungspflicht des „ursprünglichen“ Zustandes nach der Beseitigung eines Bau- oder Bodendenkmals oder auch nach dem Untergehen der Denkmaleigenschaft infolge unsachgemäßer Behandlung nur bedeuten, dass nur teilweise zerstörte Denkmäler rekonstruiert werden müssen. Ist ein Denkmal nicht mehr existent, das heißt, seine Denkmaleigenschaft ist bereits untergegangen, ist eine „Erhaltung“ im Sinne von Pflege, Instandhaltung und Instandsetzung begrifflich nicht mehr möglich (OVG Thüringen, U.v. 1.9.2010 – 1 KO 832/06 – juris; Martin, Komm. zum BayDSchG, Verlag C.H. Beck 2019, Art. 15 Abs. 4 Rn. 42/43). Die Rekonstruktion zerstörter Denkmäler gehört grundsätzlich nicht zur Denkmalpflege (a.A. die Gesetzgeber der anderen Bundesländer u.a. Oebbeke, Denkmalrekonstruktion aus rechtlicher Sicht, DÖV 1989, 605; s. ferner Martin, Wiederherstellung von Denkmälern, online in DRD 5.2.5). Das bedeutet, dass die Identität des Denkmals unter Erhaltung eines Mindestmaßes an Originalsubstanz der wesentlichen Teile erhalten geblieben muss und nur teilweise zerstörte Denkmäler unter Beibehaltung ihrer Denkmaleigenschaft in Stand gesetzt werden können. Soweit zum Teil die Gesetzgeber der anderen Bundesländer und auch deren Obergerichte (vgl. OVG Sachsen, U.v. 27.9.2018 – 1 A 187/18 – juris, Rn. 82 – 89) anderer Auffassung sind, kann dem jedenfalls für Bayern aufgrund des Gesetzeswortlautes des Art. 15 Abs. 4 BayDSchG auch im Vergleich und in Gegenüberstellung zu Art. 15 Abs. 5 BayDSchG nicht gefolgt werden (vgl. Martin/Krautzberger, Handbuch des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege, 3.Aufl., C.H.Beck 2010, Teil E III. 2 RdNrn 102 bis 104). Im Gegensatz zu Art. 15 Abs. 4 BayDSchG, der ausdrücklich bestimmt, dass „… der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird, soweit dies noch möglich ist …“, kann auf der Basis von Art. 15 Abs. 5 BayDSchG unter den dort genannten Voraussetzungen die Wiedergutmachung des Schadens bis zu dessen vollem Umfang – und damit auch eine vollständige Rekonstruktion – verlangt werden.
1.2. Anders als Einzelbaudenkmäler, die durch eine vollständige Rekonstruktion nicht wiederhergestellt werden können, können beeinträchtigte Ensembles durch (Teil-)Rekonstruktion des Fehlenden wiederhergestellt werden. Art. 15 Abs. 4 BayDSchG meint alle Arten von Denkmälern, unabhängig davon, ob sie in die Denkmalliste eingetragen sind. Da das Ensemble als Mehrheit von baulichen Anlagen (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG) ein Baudenkmal darstellt, sind hier vollständige Rekonstruktionen zur Wiederherstellung des Erscheinungsbildes des Ensembles möglich und gegebenenfalls notwendig. Die oben genannten Grundsätze der Denkmalpflege werden hierdurch nicht berührt, da in Ensembles häufig Gebäude, die keine Einzelbaudenkmäler sind, zu deren Bestand gehören und das Erscheinungsbild des Ensembles unabhängig vom etwaigen Vorhandensein einer Originalsubstanz (mit-)prägen. Gerade dadurch, dass das Denkmalschutzgesetz – nunmehr – den Ensembleschutz auf eine Mehrheit von baulichen Anlagen auch ohne jedwedes Einzelbaudenkmal ausdehnt (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG i.d.F. vom 4. April 2017, GVBl Nr. 6/2017), wird das äußere Erscheinungsbild hier gleichsam zum Alleinstellungsmerkmal erhoben.
2. Das wirft vorliegend allerdings die Frage auf, inwieweit der Wiederaufbau des Gebäudes „… …“ mit exakt den bisherigen Maßen und den in den Planunterlagen dargestellten Fassaden (Ziff. 1 des Bescheides) unter Erhaltung der beiden noch vorhanden Giebelwände (Ziff. 2 des Bescheides) und Verwendung der gesicherten Baumaterialien (Ziff. 3 des Bescheides) im Rahmen der Wiederherstellung des Ensembles verlangt werden kann. Hierfür müssen gewichtige Gründe des Denkmalschutzes bestehen (Art. 15 Abs. 4 Satz 1, Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG). Denn auch im Rahmen des Art. 15 Abs. 4 BayDSchG wäre es unverhältnismäßig, wenn der Wiederaufbau – gegebenfalls auch in einer bestimmten Form – verlangt werden könnte, ohne dass hierfür die gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes nach Art. 6 BayDSchG, auf den Art. 15 Abs. 4 BayDSchG verweist, und die für eine entsprechende Erlaubnisversagung vorliegen müssen, gegeben sind.
2.1. Die „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ stellen einen uneingeschränkt gerichtlicher Überprüfung unterliegenden unbestimmten Rechtsbegriff dar (BayVGH, B.v. 8.5.1989 – 14 B 88.02426, BayVBl 1990, 208). Sie sind nach der neueren Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht dahingehend zu verstehen, dass einem Baudenkmal im Vergleich mit der allgemein für die Bedeutung der Denkmaleigenschaft maßgebenden Bewertung eine gesteigerte Bedeutung zukommen müsste; vielmehr ergeben sie sich regelmäßig bereits aus der Bedeutung, auf der die Denkmaleigenschaft beruht (BayVGH, U.v. 27.9.2007 – 1 B 00.2474 – juris Rn. 70). Grundsätzlich ist daher bei Baudenkmälern davon auszugehen, dass stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustandes bestehen (BayVGH, B. v. 31.10.2012 – 2 ZB 11.1575 – juris Rn. 4). Dies bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass, soweit kein Regelfall, sondern ein spezielle Besonderheiten aufweisender Einzelfall vorliegt, die „gewichtigen Gründe“ nicht ohne weiteres indiziert sind, sondern der fachlichen Bewertung durch die hierzu berufenen Stellen bedürfen. Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 31. Oktober 2012 (a.a.O.) davon ausgeht, dass im Hinblick auf die Gleichstellung von Ensembles mit Baudenkmälern für die Veränderung eines Ensembles durch die Hinzufügung einer neuen baulichen Anlage, die selbst kein Baudenkmal darstellt, jedoch im Ensemble gelegen ist, nichts anderes gelten kann, ist zu berücksichtigen, dass inzwischen insoweit eine Gesetzesänderung stattgefunden hat. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt im Beschluss vom 31. Oktober 2012 aus: „Auch im Hinblick auf das Ensemble gilt, dass es Ziel des Denkmalschutzes ist, die Baukultur der Vergangenheit im Original zu erhalten. Denkmalpflege und Denkmalschutz zielen darauf ab, historische Zusammenhänge in Gestalt einer baulichen Anlage oder einer Mehrheit baulicher Anlagen in der Gegenwart zu veranschaulichen; das Denkmalschutzgesetz ist kein Gesetz zur ausschließlichen Ortsbildpflege, sondern zur Erhaltung der historischen Bausubstanz.“ Deshalb gelte nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass Ensembles den gleichen Schutz wie Einzelbaudenkmäler genießen würden. Allerdings hat der Gesetzgeber zwischenzeitlich Art. 1 Abs. 3 BayDSchG dahingehend geändert (GVBl Nr. 6/2017 § 1, Nr. 3), dass zu den Ensembles auch eine Mehrheit von baulichen Anlagen gehört, „und zwar auch dann, wenn keine oder nur einzelne dazugehörige bauliche Anlagen die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen, das Orts-, Platz- oder Straßenbild aber insgesamt erhaltungswürdig ist“. Insoweit sind die oben genannten Feststellungen im Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 31. Oktober 2012 zumindest nicht mehr uneingeschränkt geeignet, die „gewichtigen Gründe“ für den Erhalt historischer Bausubstanz im Ensemble allein durch dessen Existenz zu belegen. Vielmehr stellt der Gesetzgeber nunmehr in Art. 1 Abs. 3 BayDSchG schwerpunktmäßig auf das Erscheinungsbild des Ensembles ab.
Weder die gesicherten Baumaterialien noch die restlich vorhandenen Giebelwände können allerdings Auswirkungen auf das Erscheinungsbild des Ensembles nach einem Wiederaufbau des zerstörten Gebäudes haben, da sie aufgrund der geschlossenen Bauweise dann von außen nicht mehr sichtbar sind.
Der Bescheid setzt sich auch nicht mit der Besonderheit auseinander, dass bereits in der Entstehungszeit des Ensembles „…siedlung“ in den 1850er Jahren nicht nur eingeschossige Gebäude mit ausgebautem Dachgeschoss (wie das zerstörte Gebäude … …) errichtet wurden, sondern auch zweigeschossige Gebäude, die nach wie vor das Ensemble auch deutlich prägen. Solche zweigeschossigen Bauten bzw. die Aufstockung eingeschossiger Gebäude in der „…siedlung“ sind somit ebenfalls für die Anfänge der „…siedlung“ typisch. Dementsprechend liegen auf der Westseite der … …straße dem zerstörten Gebäude auch zwei zweigeschossige Gebäude gegenüber. Es erschließt sich daher nicht, weshalb das Gebäude … …, das am Rand des Ensembles wie ein Fremdkörper wirkender Solitär in einem völlig anders strukturierten Quartier im Hinblick auf Höhenentwicklung und Bauweise liegt, eine erkennbare Anschaulichkeit für die Gebäude aus den Anfängen der Entstehungszeit der „…siedlung“ aufweisen soll. Auch insoweit stellt sich die Frage, inwieweit „gewichtige Gründe des Denkmalschutzes“ für den Wiederaufbau des Gebäudes … … exakt in seinen früheren Maßen im Hinblick auf das Erscheinungsbild des Ensembles gegeben sein sollen.
Eine „ensembleschützende und identätsstiftende Bedeutung“ des geforderten Wiederaufbaus wird insoweit lediglich behauptet, aber weder mit denkmalfachlichen Feststellungen belegt, noch erfolgt die hier notwendige Auseinandersetzung mit den oben genannten Besonderheiten.
Soweit der Bescheid ausführt, dass „Mit seiner, anhand der beiden erhaltenen, unterschiedlich ausgeformten Giebelwände, äußerlich noch ablesbaren Zusammensetzung aus ehemals zwei getrennten Handwerkshäusern handelte es sich bei dem Bauwerk um ein besonderes anschauliches Beispiel aus der Entstehungszeit der „…siedlung“, ist dem entgegenzuhalten, dass die Gebäudestruktur durch die Zusammenlegung eine Veränderung erhalten hat, die gerade nicht aus der Entstehungszeit der …siedlung stammt und die Giebelwände nach Wiederaufbau nicht zu erkennen sind.
Ähnliches gilt für die Behauptung unten auf S. 5 des Bescheides, dass die völlige Wiederherstellung des Gebäudes in seiner Kubatur, den prägenden Bauhöhen und seiner Zusammensetzung aus zwei Bauteilen als Zeugniswert der Stadtentwicklung und Stadtgeschichte zwingend sei. Die … … ragte als der einzig erhaltene Bau der „…siedlung“ keilförmig in das Quartier … …straße/ …straße/ …straße/ … …straße hinein und wirkte dort als Fremdkörper, weshalb sich die Notwendigkeit seines Erhalts in der ursprünglichen Form für das im Übrigen in einem klaren Kontext stehende Ensemble keineswegs aus sich selbst heraus rechtfertigt. Dazu kommt, dass die benachbarten Gebäude …str. … – ein dreigeschossiges Einzelbaudenkmal mit ausgebautem Dachgeschoss und einer Traufhöhe von ca. 9 bis 10 m und einer Firsthöhe, die den 5-geschossigen Gebäuden entlang der … …straße entspricht, im Stil der Neorenaissance ohne Bezug zur „…siedlung“ – und das sehr schlichte moderne Gebäude … …str. … – mit einer ähnlichen Höhenentwicklung wie die …str. … – die … … klar dominierten und dadurch zusätzlich die Herstellung eines Zusammenhangs mit dem Ensemble „…siedlung“ erschwerten.
2.3. Die „gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes“ stellen einen unbestimmten Rechtsbegriff wertenden Inhalts auf der Tatbestandsseite der Norm dar, der gerichtlich voll überprüfbar ist. Dieser unbestimmte Rechtsbegriff bedarf, weil er wertenden Inhalts ist, der Ausfüllung durch die fachlich geeigneten Stellen, wobei diesen auch ein gewisser Beurteilungsrahmen zukommt. Das bedeutet, dass hier Bewertungen zu treffen sind, die diesen Begriff ausfüllen können. Die volle gerichtliche Überprüfbarkeit kann jedoch nicht bedeuten, dass das Gericht diese Bewertung selbst vornehmen kann oder muss, wenn die im Einzelfall notwendigen Bewertungen der Fachbehörde fehlen oder einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand halten.
Da vorliegend die Feststellungen der Beklagten bzw. des Landesamtes für Denkmalschutz zu den gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes für den Wiederaufbau in der verlangten Form erhebliche Defizite aufweisen bzw. nicht aussagekräftig sind, genügt der streitgegenständliche Bescheid insoweit nicht den Anforderungen des Art. 15 Abs. 4 BayDschG i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz BayDSchG.
III.
Letztlich entscheidend für die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides war, unabhängig von den oben dargestellten Defiziten auf der Tatbestandsseite der angezogenen Rechtsgrundlage, dass die Beklagte die Tatsache, dass der Abriss des Gebäudes … … durch den Geschäftsführer der beauftragten Baufirma vorgenommen wurde, bei der Adressatenauswahl völlig ausgeblendet hat.
1. Die Auswahl der heranzuziehenden Adressaten bei mehreren rechtlich möglichen Pflichtigen steht im pflichtgemäßen Ermessen der Denkmalschutzbehörde. Als Ergebnis des Auswahlermessens ist eine bewusste Entscheidung der Behörde erforderlich, welche Personen aus welchen Gründen zur Gefahrenabwehr herangezogen werden. Welche Adressaten für den Erlass einer denkmalschutzrechtlichen Verfügung in Frage kommen, ist mangels spezieller Regelung in Art. 15 Abs. 4 BayDSchG („… kann verlangt werden, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird …“) nach den Grundsätzen des Polizei- und Sicherheitsrechts zu ermitteln (Eberl/Martin/Spennemann, Komm. zum BayDSchG, 7. Aufl. 2015, Art. 15 Rn. 47; Martin, Komm. zum BayDSchG, Verlag C.H. Beck 2019, Art. 15 Rn. 49). Kommen mehrere Adressaten in Betracht, so hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wem gegenüber sie ihre Maßnahmen treffen will. Rechtswidrig ist eine Maßnahme, wenn die Behörde überhaupt kein Auswahlermessen betätigt oder die Inanspruchnahme eines von mehreren Störern gar nicht in Erwägung zieht. Ein abstrakter Vorrang hinsichtlich der Inanspruchnahme des Handlungsstörers gegenüber dem Zustandsstörer besteht nicht, da das öffentliche Interesse an einer effektiven Gefahrenbeseitigung im Vordergrund steht. In Konkurrenz und in einem Interessenskonflikt oder im Gleichklang mit diesem Kriterium der effektiven Gefahrenabwehr stehen aber andere öffentlich-rechtliche Grundprinzipien wie das Verursacherprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. BayVGH, U.v. 30.1.2018 – 22 B 16.2099 – juris Rn. 16). Im Hinblick auf diese rechtsstaatlichen Grundprinzipien darf die Behörde sich bei der Störerauswahl nicht von vornherein auf einen Pflichtigen beschränken.
Es ist auch offensichtlich, dass die Beklagte im Bescheid vom 5. April 2018 eine Auswahl der heranzuziehenden Adressaten zwischen dem Eigentümer als Zustandsstörer einerseits und dem nachweislichen Handlungsstörer in der Person des Geschäftsführers der beauftragten Baufirma andererseits nicht in Erwägung gezogen hat. Bei ihren unter Ziff. 5 der Begründung des Bescheides dargestellten Ermessenserwägungen führt die Beklagte lediglich aus, dass der Wiederaufbau auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen des Grundstückseigentümers gefordert werden könne. Dem Eigentümer sei die Situation auch bei Erwerb des Grundstücks bekannt gewesen; der widerrechtlich durchgeführte Abbruch des denkmalgeschützten Hauses habe jeglichem ordnungsgemäßen Vorgehen widersprochen. Der Kläger sei als Grundstückseigentümer mit Verfügungsgewalt über das Anwesen auch der richtige Adressat. Die widerrechtlich erfolgte Handlung sei auf seinem Grundstück erfolgt, weshalb die Wiederherstellung auch nur auf diesem Grundstück erfolgen könne. Weitere Ausführungen zur Störerauswahl finden sich in dem angefochtenen Bescheid nicht. Insoweit verhält sich der Bescheid auch nicht eindeutig dazu, ob der Kläger tatsächlich „nur“ als Zustandsstörer oder nicht auch als Handlungsstörer in Anspruch genommen werden soll. Der Passus „Der widerrechtlich durchgeführte Abbruch des denkmalgeschützten Hauses widersprach jeglichem ordnungsgemäßen Vorgehen. Sollte ein solches Handeln zum Erfolg führen, würde ein Bezugsfall geschaffen, der letztendlich zur Beseitigung sämtlicher Denkmäler in München führen könnte.“, deutet – wenn auch sehr verhalten – an, dass der Kläger auch ursächlich für die Handlungsweise des Geschäftsführers der ausführenden Baufirma gewesen sein könnte. Als bloßer Zustandsstörer könnte der Kläger keinen Bezugsfall hinsichtlich des widerrechtlichen Abbruches geschaffen haben.
Die ohnehin wenig ausführlichen und vagen Ermessenserwägungen zur Störereigenschaft des Klägers zeigen deutlich, dass sich die Beklagte mit den Vorgängen um den Abbruch des Gebäudes … … und dem Verhalten des Geschäftsführers der Baufirma in keiner Weise auseinandergesetzt hat bzw. auseinandersetzen wollte, weshalb der Bescheid mangels Prüfung der Inanspruchnahme der den Abriss ausführenden Person ermessensfehlerhaft ist.
Es finden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte im Vorfeld des Bescheides vom 5. April 2018 mit dem ihr zustehenden Auswahlermessen auseinander gesetzt hat, wobei an einen derartigen „Nachvollzug“ strenge Anforderungen zu stellen sind (vgl. BayVGH U. v. 22.01.2018, a.a.O. RdNr. 36). Den Akten lassen sich nach dem Anhörungsschreiben vom 27. Oktober 2017 an die … … GmbH, dessen Text identisch ist mit dem des an den Kläger gerichteten Anhörungsschreibens vom gleichen Tage, keine Hinweise entnehmen, dass eine Inanspruchnahme der … … GmbH bzw. deren Geschäftsführer angedacht worden sein könnte. Vielmehr zeigt die Vielzahl der seit Februar 2017 getätigten Entwürfe im Vorfeld des streitgegenständlichen Bescheids (7), dass die Beklagte sich ausschließlich mit der Inanspruchnahme des Klägers beschäftigt hat.
Das Ermessen war auch nicht dahingehend „auf Null reduziert“, dass die Verpflichtung des Klägers auch ohne die Defizite der Entscheidungsfindung zwingend gewesen wäre bzw. offensichtlich ist, dass der Fehler die Entscheidung in der Sache – zu Recht – nicht beeinflusst hat. Vielmehr hätte sich die Beklagte im Hinblick auf die Störerauswahl mit den Vorgängen um den Abriss des Gebäudes und die Verantwortlichkeit des insoweit handelnden Geschäftsführers der Baufirma auseinandersetzen und im Rahmen einer Auswahlentscheidung berücksichtigen müssen. Dies gilt umso mehr, als dem den Abriss ausführenden Geschäftsführer der Baufirma bei der Inanspruchnahme als Störer insoweit schon der Vorzug zu geben sein dürfte, als dieser auf der Rechtsgrundlage des Art. 15 Abs. 5 BayDSchG herangezogen werden kann. Die vorsätzliche Zerstörung des Gebäudes … … durch den Geschäftsführer der Baufirma steht zweifellos fest; dieser hat sie auch unumwunden zugegeben und sogar eine dementsprechende eidesstattliche Erklärung abgegeben. Da auf der Basis des Art. 15 Abs. 5 BayDSchG eine Wiedergutmachung des Schadens in voller Höhe verlangt werden kann, ist mit der Literatur (Eberl/Martin/Spennemann, Komm. zum BayDSchG, 7.Aufl. 2015, Art. 15 RdNr. 40/41; Martin, Komm. zum BayDSchG 2019, C.H.Beck, Art. 15 RdNr. 51/52) davon auszugehen, dass insoweit auch eine Rekonstruktion verlangt werden kann. Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass unabhängig von der unter II. dargestellten Problematik, inwieweit im Rahmen des Art. 15 Abs. 4 BayDSchG die detailgetreue Rekonstruktion des abgerissenen Gebäudes im Hinblick auf das Erscheinungsbild des Ensembles verlangt werden kann, bei der Inanspruchnahme des Geschäftsführers der Baufirma diese Problematik entfällt, da nach Art. 15 Abs. 5 BayDSchG auch die Rekonstruktion des Einzelbaudenkmals … … – und zwar dementsprechend auch in der von der Beklagten geforderten Art und Weise – gefordert werden könnte.
4. Dieser Ermessensfehler konnte auch nicht mit den im Schriftsatz der Beklagten vom 24. Juni 2019 nachgeschobenen Ermessenserwägungen ausgeräumt werden. Entgegen der Ansicht der Beklagten stellen diese Überlegungen keine Ergänzung der Ermessenserwägungen des streitgegenständlichen Bescheides dar. Vielmehr wurden die Überlegungen hinsichtlich der Inanspruchnahme des weiteren Pflichtigen erstmals im Schreiben vom 24. Juni 2019 angestellt, weshalb diese Darlegungen über ein nach § 114 Satz 2 VwGO zulässiges Nachschieben weiterer Ermessensgründe hinausgeht (BayVGH, U.v. 30.1.2018 – 22 B 16.2099 – juris Rn. 46). Es handelt sich nämlich nicht lediglich um eine Anreicherung der bisher schon gegebenen Begründung für die Inanspruchnahme eines Pflichtigen, sondern um eine selbständige Auswahlentscheidung unter Einbeziehung eines weiteren Pflichtigen. Eine solche nunmehr getroffene oder zu treffende Auswahlentscheidung erfordert eine neue (zusätzliche) Ermessensentschließung darüber, ob die bisherige Wahl des Adressaten auch bei Berücksichtigung eines anderen potentiell in Anspruch zu Nehmenden Bestand haben kann. In Bezug auf einen bisher nicht in die Auswahl einbezogenen „Störer“ handelt es sich vorliegend um den – nach § 114 Satz 2 VwGO nicht gedeckten – Austausch der Begründung für die Störerauswahl (vgl. BayVGH U.v. 30.1.2018 – a.a.O.).
4.1 Ergänzend und im Hinblick auf einen möglicherweise in Betracht kommenden Neuerlass einer Wiederaufbauanordnung gegenüber dem Kläger weist das Gericht auf Folgendes hin:
Die im Schreiben vom 24. Juni 2019 getroffenen Erwägungen sind nicht sachgerecht. Zwar ist es grundsätzlich möglich, die Störerauswahl auch im Hinblick auf die tatsächliche und finanzielle Leistungsfähigkeit bezüglich des Wiederaufbaus zu treffen. Die Beklagte hat aber diese mangelnde Leistungsfähigkeit und mangelnde Greifbarkeit des Geschäftsführers der Baufirma lediglich behauptet und offensichtlich auch keinerlei Nachforschungen in dieser Richtung angestellt, geschweige denn Belege erbracht. Die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit ist vor allem insoweit in Zweifel zu ziehen, als der Geschäftsführer der Baufirma eine Betriebshaftpflichtversicherung haben dürfte, die zwar diesen im Hinblick auf sein vorsätzliches Handeln in Regress nehmen kann, zunächst allerdings gegenüber dem etwaig Geschädigten leistungspflichtig ist. Im Hinblick auf die behauptete mangelnde Leistungsfähigkeit ist der Vortrag im Schreiben vom 24. Juni 2019 auch widersprüchlich, da die Beklagte an anderer Stelle vorträgt, dass die beauftragte Baufirma am 29. März 2017 eine hohe Versicherung mit dem Wagnis „Baggerbetrieb“ abgeschlossen habe. Somit ist davon auszugehen, dass der Schaden, der durch den Abbruch des Gebäudes … … entstanden ist, mindestens durch eine Versicherung der den Schaden verursachenden Baufirma abgedeckt sein dürfte. Auch schließt die Verfügungsgewalt des Klägers als Eigentümer entgegen den Ausführungen im Schreiben vom 24. Juni 2019 eine erfolgversprechende Inanspruchnahme des Geschäftsführers der Baufirma nicht aus. Der Eigentümer kann ohne weiteres durch eine entsprechende Duldungsanordnung dazu verpflichtet werden, den Wiederaufbau auf seinem Grundstück hinzunehmen (vgl. BayVGH, B. v. 2.04.2004, 26 CS 04.375 – juris RdNr. 22, 23; VG Karlsruhe, U. v. 11.05.2006 – 6 K 1363/04 – juris RdNr.33). Auch die Feststellungen, dass der Kläger als aktiver Handlungsstörer angesehen werden muss, da er durch die Sanierung und Beauftragung der Baufirma die Ursachenkette zur Zerstörung des Gebäudes in Gang gesetzt hat, ist insoweit nicht sachgerecht. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, dass das Gebäude erheblich sanierungsbedürftig war (vgl. Aktenvermerk des Sozialreferats v. 29.7.2017). Die Notwendigkeit der Sanierung kann dem Kläger, der das Gebäude 2016 in diesem Zustand erworben hat, nicht als ursächlich für die Zerstörung angelastet werden. Zwar ist die Saneriung ursächlich in dem Sinne, dass ohne sie auch der darauffolgende Abriss nicht in Gang gesetzt worden wäre. Das Gleiche lässt sich allerdings auch in Hinblick auf die von der Beklagten erteilte, denkmalschutzrechtliche Erlaubnis für die Sanierung des Gebäudes feststellen. Beide Ursachen stehen aber in keinem direkten Zusammenhang mit dem schädigenden Ereignis, weshalb sie weder dem Kläger noch der Beklagten angelastet werden können.
Soweit die Beklagte im Schreiben vom 24. Juni 2019 anführt, dass viel dafür spreche, dass die Zerstörung des Gebäudes im Auftrag des Eigentümers erfolgt bzw. mit ihm vorher abgesprochen worden sei, fehlen auch hierfür entsprechende Nachweise. Zwar mögen die übereinstimmenden Erklärungen des Klägers und des Geschäftsführers der Baufirma, letzterer habe den Abriss allein und vor dem Hintergrund eines psychischen Ausnahmezustands zu verantworten, auch im Hinblick auf den Ablauf der Ereignisse lebensfremd anmuten und daher ein Glaubwürdigkeitsproblem aufwerfen. Andererseits ist vor allem auch der Geschäftsführer der Baufirma im Laufe des doch seit geraumer Zeit andauernden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nicht von dieser Darstellung abgewichen und hat sogar im vorliegenden Prozess eine eidesstattliche Erklärung bezüglich seiner Alleinverantwortung abgegeben. Diese Erklärung war der Beklagten auch bekannt. Insoweit erscheint es auch zumindest vor Beendigung des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungs- bzw. eines etwaigen Strafverfahrens problematisch und hinsichtlich der Störerauswahl rein spekulativ auf ein kollusives Zusammenwirken des Klägers mit dem Geschäftsführer der Baufirma abzustellen.
IV.
Nach alledem erweist sich der streitgegenständliche Bescheid gegenüber dem Kläger als rechtswidrig und war daher nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.