Aktenzeichen Au 5 S 18.1761
Leitsatz
1 Entsprechend der im Eilverfahren möglichen summarischen Prüfung nach Aktenlage müsste die Antragstellerin die wirksame Zustimmung zu dem Vorhaben in seiner ursprünglichen Ausgestaltung gegen sich gelten lassen, was dazu führen würde, dass eine Rechtsverletzung durch die Baugenehmigung von vornherein ausscheiden würde. (Rn. 35) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Maßgeblich für die Willensbildung der Zustimmung des Nachbarn zu einem Vorhaben sind dabei die von ihm unterschriebenen Bauvorlagen. Mit seiner Unterschrift stimmt der Nachbar dem Vorhaben so zu, wie es sich nach den unterschriebenen Bauvorlagen darstellt. Ein Irrtum über Umstände außerhalb der Bauvorlagen betrifft seine Zustimmung nicht und stellt einen unbeachtlichen Motivirrtum dar. (Rn. 36) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes (§ 31 Abs. 2 BauGB) hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn maßgeblich davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. (Rn. 43) (red. LS Alexander Tauchert)
4 Das Gebot der Rücksichtnahme findet in qualifiziert beplanten Bereichen nach § 30 Abs. 1 BauGB über § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. bei der Gewährung von Befreiungen bezüglich nicht nachbarschützender Vorschriften gemäß § 31 Abs. 2 BauGB über das Tatbestandsmerkmal der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung. (Rn. 49) (red. LS Alexander Tauchert)
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich im Wege vorläufigen Rechtschutzes gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung bzw. eine Tekturgenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstuck Fl.-Nr. … der Gemarkung … (…).
Die Beigeladenen sind Eigentümer des vorbezeichneten, in Aussicht genommenen Baugrundstücks.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des nordwestlich an das Baugrundstück angrenzenden Grundstücks mit der Fl.-Nr. … der Gemarkung … (…), welches mit einem selbstgenutzten Einfamilienhaus bebaut ist.
Die Beigeladenen beantragten mit Formblatt vom 30. August 2017, eingegangen bei der Verwaltungsgemeinschaft … am 29. September 2017, die Erteilung einer Baugenehmigung für den Neubau eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung ….
Sowohl das in Aussicht genommene Baugrundstück als auch das Grundstück der Antragstellerin befinden sich im Geltungsbereich des rechtskräftigen qualifizierten Bebauungsplanes „…“ der Gemeinde … vom 11. November 1991, zuletzt geändert am 1. Juni 1992. In seinen Textlichen Festsetzungen bestimmt der Bebauungsplan in § 2 „Art der baulichen Nutzung“, dass das Gebiet innerhalb des Geltungsbereiches als Allgemeines Wohngebiet (WA) im Sinne des § 4 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) in der Fassung vom 27. Januar 1990 festgesetzt werde. Die Ausnahmen des § 4 Abs. 3 BauNVO würden nicht zugelassen. Zum Maß der baulichen Nutzung ist in § 3 der Textlichen Festsetzungen festgelegt, dass die in der Bebauungsplanzeichnung eingetragenen Grund- und Geschossflächenzahlen als Höchstgrenzen gelten und nicht überschritten werden dürfen. § 4 bestimmt zur Zahl der Vollgeschosse, dass die in der Bebauungsplanzeichnung eingetragene Zahl der Vollgeschosse (II) als Höchstgrenze gelte und nicht überschritten werden dürfe. Das zulässige zweite Vollgeschoss müsse im Dachraum liegen. Zur Gestaltung der Gebäude setzt § 6 u.a. in Nr. 6.3 fest, dass die Höhe von Kniestöcken, gemessen von Oberkante Decke (Rohbeton) bis Schnittpunkt Außenkante Mauerwerk mit Oberkante Sparren 60 cm nicht überschreiten darf. Auf die weiteren Textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes „…“ der Gemeinde … wird ergänzend verwiesen. In der Begründung zum Bebauungsplan ist in Nr. 2 „Städtebauliche Zielvorgaben“ ausgeführt, dass der städtebauliche Grundgedanke für die Gestaltung, Straßenführung und Situierung der Gebäude u.a. eine Gestaltung der Gebäude unter Einbezug heutiger Wohnwertbedürfnisse und landschaftlich überlieferter Bauformen sei. Es solle ein Wohngebiet mit hohem Wohnwert und großen privaten Grünflächenanteilen entstehen. Auf die übrige Begründung des Baubauungsplanes „…“ der Gemeinde … wird ergänzend verwiesen.
Mit Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde … vom 23. Oktober 2017 wurde für das Bauvorhaben der Beigeladenen das gemeindliche Einvernehmen erteilt. Einer Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes bezüglich der Kniestockhöhe wurde zugestimmt.
Mit Bescheid des Landratsamtes … vom 19. Januar 2018 (Gz.: …) wurde den Beigeladenen die Baugenehmigung zur Errichtung eines Einfamilienhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … entsprechend dem mit dem Genehmigungsvermerk vom 19. Januar 2018 versehenen Bauvorlagen erteilt (Nr. 1 des Bescheides). In Nr. 2 ist bestimmt, dass von den Festsetzungen des Bebauungsplanes „…“ der Gemeinde … die Befreiung insoweit erteilt werde, dass der Kniestock mit 1,20 m anstatt maximal 0,60 m, gemessen von Oberkante Rohdecke Dachgeschoss bis Verschneidung Außenwand mit der Oberkante Dachsparren, errichtet werden darf. In den Gründen des Bescheides ist ausgeführt, dass das Bauvorhaben genehmigungspflichtig nach Art. 55 Satz 1 Bayerische Bauordnung (BayBO) sei. Es sei zulässig nach § 29 Abs. 1 i.V.m. § 30 Baugesetzbuch (BauGB). Es widerspreche auch nicht den sonstigen im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Die ausgesprochene Befreiung habe erteilt werden können. Das Vorhaben liege innerhalb des räumlichen Geltungsbereiches eines Bebauungsplanes im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB. Im Einvernehmen mit der Gemeinde habe die ausgesprochene Befreiung erteilt werden können, weil die Abweichung städtebaulich vertretbar sei, die Grundzüge der Planung nicht berührt würden und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sei (§ 31 Abs. 2 BauGB). Sonstigen Festsetzungen widerspreche das Vorhaben nicht. Die Erschließung sei gesichert.
Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Landratsamtes … vom 19. Januar 2018 wird verwiesen.
Der Antragstellerin wurde keine Ausfertigung der Baugenehmigung zugestellt, da diese im Verfahren die von den Beigeladenen vorgelegten Genehmigungsunterlagen teilweise unterzeichnet hatte.
Baubeginn erfolgte am 12. Februar 2018.
Bei einer Baukontrolle am 7. Mai 2018 wurde seitens des Antragsgegners festgestellt, dass die Errichtung des Wohnhauses einschließlich Doppelgarage in Abweichung zum Bescheid des Landratsamtes … vom 19. Januar 2018 und insbesondere den mit Genehmigungsvermerk vom 19. Januar 2018 versehenen Bauvorlagen erfolgt sei. Insbesondere sei festgestellt worden, dass die Höhe der errichteten Gebäude nicht den genehmigten Plänen entspreche. Mit Bescheid des Landratsamtes … vom 8. Mai 2018, der nachfolgend bestandskräftig geworden ist, erfolgte eine sofortige Baueinstellung der Bauarbeiten auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung …. Auf den vorbezeichneten Bescheid wird ergänzend verwiesen.
Mit am 18. Juli 2018 beim Antragsgegner eingegangenem Bauantrag beantragten die Beigeladenen aufgrund der festgestellten Abweichungen bei der Bauausführung die Tektur zu dem mit Bescheid des Landratsamtes … vom 19. Januar 2018 genehmigten Bauvorhaben. Die Beigeladenen haben im Tekturverfahren beantragt, von einer Nachbarbeteiligung u.a. der Antragstellerin abzusehen.
Die Gemeinde … hat zu den geänderten Plänen mit Beschluss vom 9. Juli 2018 ihr gemeindliches Einvernehmen erteilt.
Mit Bescheid des Landratsamtes … vom 1. Januar 2018 (Gz.: …) wurde der Nachtragsbauantrag für die Tektur zur Baugenehmigung … (Änderung Gebäudehöhen, Geländeangaben, Dachaufbauten) auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … nach Maßgabe der mit Genehmigungsvermerk vom 1. Oktober 2018 versehenen Bauvorlagen genehmigt. In Nr. 5.2 der Auflagen ist ausgeführt, dass die im Genehmigungsbescheid des Landratsamtes … vom 19. Januar 2018 festgelegten Auflagen mit Ausnahme der Nr. 6.2 fortgelten würden und weiter zu beachten seien. In Nr. 6. der Auflagen zur Tektur ist ausgeführt, dass die Firsthöhe des Wohnhauses maximal mit einer Höhe von 542,02 m NHN ausgeführt werden dürfe. Die Traufe des Wohnhauses darf maximal mit einer Höhe von 537,03 m NHN ausgeführt werden (Nr. 7.) die Traufhöhe der Dachgaube Süd darf maximal mit einer Höhe von 538, 33 m NHN ausgeführt werden (Nr. 8). Nr. 9 der Auflagen bestimmt schließlich, dass die Traufhöhe der Dachgaube Nord maximal mit einer Höhe von 538,57 m NHN ausgeführt werden darf. Nr. 9.2 der Auflagen bestimmt, dass bei der Garage die Wandhöhe an der grenznahen Außenwand im Mittel drei Meter, gemessen von der Oberkante natürliches Gelände bis Schnittpunkt Außenkannte Wand mit Oberkannte Dachhaut nicht überschreiten darf (Art. 6 Abs. 9 BayBO).
In den Gründen des Bescheids ist ausgeführt, dass durch die Baugenehmigung öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange nicht berührt würden. Private Rechte der Nachbarn würden im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft und müssten gegebenenfalls vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden.
Der Antragstellerin wurde am 5. Oktober 2018 eine Ausfertigung der Tekturgenehmigung mit Postzustellungsurkunde zugestellt.
Die Antragstellerin hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2018 bzw. 30. Oktober 2018 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt, die Baugenehmigung bzw. die Tekturgenehmigung vom 19. Januar 2018 bzw. 1. Oktober 2018 aufzuheben (Az.: Au 5 K 18.1760). Über die vorbezeichnete Klage ist noch nicht entschieden worden.
Mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2018 hat die Antragstellerin im Wege vorläufigen Rechtschutzes beantragt,
die aufschiebende Wirkung der zugleich erhobenen Klage der Antragstellerin gegen die Herrn … und Frau, … erteilte Baugenehmigung (BG …) der Antragsgegnerin (richtigerweise des Antragsgegners) vom 19. Januar 2018 sowie die hierzu verbeschiedene Tektur vom 1. Oktober 2018 zur Errichtung eines Wohnhauses mit Doppelgarage auf dem Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung,, wird angeordnet.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Antragstellerin Eigentümerin des Nachbargrundstücks mit der Fl.-Nr. … der Gemarkung … sei. Der Antrag nach §§ 80a Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), 80 Abs. 5 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei zulässig. Die angefochtene Baugenehmigung sei rechtswidrig und diese Rechtswidrigkeit beruhe zumindest auch auf der Verletzung von Normen, die zum Schutz des betreffenden Nachbarn bestimmt seien. Die in der Hauptsache erhobene Klage habe Aussicht auf Erfolg. Das Bauvorhaben der Beigeladenen sei nicht genehmigungsfähig. Die erteilte Befreiung von den Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplanes sei rechtswidrig, weil eine Ermessensentscheidung nicht stattgefunden habe bzw. rechtsfehlerhaft sei. Durch die Erhöhung des Kniestocks entstehe in der Wahrnehmung der Nachbarschaft ein drittes Vollgeschoss, welches sich nicht in die umgebende Bebauung einfüge. Dies sei nicht berücksichtigt worden. Ebenfalls sei nicht hinreichend gewürdigt worden, dass die Grenzgarage mit der genehmigten erhöhten Bodenplatte im Mittel über drei Meter aufweise und daher nicht genehmigungsfähig sei.
Auf den weiteren Vortrag im Antragsschriftsatz vom 15. Oktober 2018 wird ergänzend verwiesen.
Das Landratsamt … ist für den Antragsgegner dem Antrag mit Schriftsatz vom 29. Oktober 2018 entgegengetreten und beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung ist ausgeführt, dass mit der Erteilung der Baugenehmigung vom 19. Januar 2018 bzw. der Tekturgenehmigung vom 1. Oktober 2018 keine öffentlich-rechtlich geschützten Nachbarrechte der Antragstellerin verletzt würden. Insbesondere seien die Bauvorlagen zur Baugenehmigung vom 19. Januar 2018 von der Antragstellerin unterzeichnet worden. Eine Klage sowie ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO seien daher bereits aufgrund fehlender Klage- bzw. Antragsbefugnis unzulässig. Die Antragstellerin sei nicht in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen. Auch sei die Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplanes „…“ unter Würdigung der nachbarlichen Interessen erteilt worden. Die Festsetzung bezüglich der Höhe des Kniestocks stelle keine dem Schutz des Nachbarn dienende, sondern nur eine allgemeine städtebauliche Vorschrift dar. Das Bauvorhaben verletze auch nicht das dem erweiterten Nachbarschutz dienende Gebot der Rücksichtnahme. Die Nachbargrundstücke würden durch das Bauvorhaben nicht unzumutbar beeinträchtigt. Im Abstandsflächenplan werde dargestellt, dass die Abstandsflächen zu dem Grundstück der Antragstellerin eingehalten würden. Belange der Belichtung, der Belüftung, der Besonnung, des Brandschutzes sowie des Wohnfriedens würden nicht beeinträchtigt. Durch die erteilte Befreiung hinsichtlich der Höhe des Kniestocks werde der im Bebauungsplan festgelegten maximal zulässigen Zahl der Vollgeschosse nicht widersprochen. Damit stünden die Vollzugsinteressen an der sofortigen weiteren Ausführung der Baugenehmigung im deutlich überwiegenden Anteil zum Verschonungsinteresse der Antragstellerin.
Auf den weiteren Vortrag im Antragserwiderungsschriftsatz vom 29. Oktober 2018 wird ergänzend verwiesen.
Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 17. Oktober 2018 wurden die Bauherren zu Klage- und Antragsverfahren notwendig beigeladen.
Die Beigeladenen haben mit Schriftsatz vom 9. November 2018 im Verfahren Au 5 S 18.1761 beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Zur Begründung wurde auf die Ausführungen des Antragsgegners im Schriftsatz vom 29. Oktober 2018 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vom Antragsgegner vorgelegten Verfahrensakten verwiesen.
II.
Der Antrag der Antragstellerin gemäß § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage im Verfahren Au 5 K 18.1760 begegnet in Bezug auf den Antragsgegenstand der den Beigeladenen am 19. Januar 2018 erteilten Baugenehmigung bereits gewissen Zulässigkeitsbedenken, ist aber insoweit jedenfalls unbegründet und hat daher keinen Erfolg. In Bezug auf die ebenfalls mit der Klage angegriffene Tekturgenehmigung vom 1. Oktober 2018 erweist sich der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung unproblematisch als zulässig, aber ebenfalls als unbegründet. Die angegriffene Baugenehmigung vom 19. Januar 2018 wie auch die Tekturgenehmigung vom 1. Oktober 2018 verletzen bei summarischer Prüfung von Sach- und Rechtslage keine nachbarschützenden Vorschriften, die im Prüfumfang der Baugenehmigung enthalten sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Analog, Art. 59 Satz 1 BayBO).
1. Nach § 212a Abs. 1 BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Legt ein Dritter gegen die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Baugenehmigung eine Anfechtungsklage ein, so kann das Gericht auf Antrag gemäß § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO die bundesgesetzlich gemäß § 212a Abs. 1 BauGB ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Hierbei trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden. Dabei stehen sich das Suspensivinteresse des Nachbarn und das Interesse des Bauherrn, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches Indiz zu berücksichtigen. Fällt die Erfolgsprognose zugunsten des Nachbarn aus, erweist sich die angefochtene Baugenehmigung, also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Nachbarn als rechtswidrig, so ist die Vollziehung der Genehmigung regelmäßig auszusetzen (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.1991 – 1 CS 91.439 – juris). Hat dagegen die Anfechtungsklage des Nachbarn mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden und zu Lasten des Antragstellers ausfallenden Interessenabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse des Bauherrn an der sofortigen Vollziehung der ihm erteilten Baugenehmigung (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, so hat eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen stattzufinden (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, a.a.O.).
Ein Dritter kann eine Baugenehmigung mit dem Ziel der Aufhebung nur dann erfolgreich angreifen, wenn öffentlich-rechtliche Vorschriften verletzt sind, die auch dem nachbarlichen Schutz dienen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit (auch) auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind, weil dieser in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise in einem schutzwürdigen Recht betroffen ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris). Dabei bleibt zu beachten, dass ein Nachbar eine Baugenehmigung zudem nur dann mit Erfolg anfechten kann, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und die Rechtswidrigkeit sich aus einer Verletzung von Vorschriften ergibt, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, die mithin von der Feststellungswirkung der angegriffenen Baugenehmigung mit umfasst sind. Verstößt ein Vorhaben gegen eine drittschützende Vorschrift, die im Baugenehmigungsverfahren nicht zu prüfen war, so trifft die Baugenehmigung insoweit keine Regelung und ist der Nachbar darauf zu verweisen, Rechtschutz gegen das Vorhaben über einen Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die Ausführung des Vorhabens zu suchen (vgl. BVerwG, B.v. 16.1.1997 – 4 B 244.96 – juris Rn. 3; BayVG, B.v. 14.10.2008 – 2 CS 08.2132 – juris Rn. 3).
2. Hinsichtlich des Antrags der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 19. Januar 2018 anzuordnen, begegnet die Klage bereits in Bezug auf die Zulässigkeit gewissen Bedenken. Die Antragstellerin hat insoweit die ihr im Genehmigungsverfahren von den Beigeladenen vorgelegten Bauvorlagen, die insbesondere eine geplante Kniestockhöhe von einem Meter und eine Höhe von 1,20 Meter im Schnittpunkt von Wand und Dachsparren auswiesen, unterzeichnet. Die Zustimmung des jeweiligen Nachbarn zum Vorhaben durch seine Unterschrift beinhaltet dabei aber einen Verzicht auf alle materiell-rechtlichen subjektiv-öffentlichen Rechten. Dies hat zur Folge, dass der Nachbar, wie auch seine Rechtsnachfolger in Bezug auf dieses Bauvorhaben nicht mehr eigene öffentlich-rechtlich geschützte Rechte geltend machen können und entsprechende Rechtsbehelfe daher bereits unzulässig sind (vgl. Dirnberger in Simon/Busse, BayBO Kommentar, Stand: März 2018, Art. 66 Rn. 160; BayVGH, B.v. 22.3.2000 – 2 ZB 98.2545 – juris Rn. 3). Jedenfalls kommt insoweit eine materielle Prüfung der von der Zustimmung erfassten Nachbarrechte nicht mehr in Betracht und eine entsprechende Klage wäre damit jedenfalls offensichtlich unbegründet.
Entsprechend der im Eilverfahren möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nach Aktenlage müsste die Antragstellerin die wirksame Zustimmung zu dem Vorhaben in seiner ursprünglichen Ausgestaltung gegen sich gelten lassen, was dazu führen würde, dass eine Rechtsverletzung durch die Baugenehmigung von vornherein ausscheiden würde.
Maßgeblich für die Willensbildung der Zustimmung des Nachbarn zu einem Vorhaben sind dabei die von ihm unterschriebenen Bauvorlagen. Mit seiner Unterschrift stimmt der Nachbar dem Vorhaben so zu, wie es sich nach den unterschriebenen Bauvorlagen darstellt. Ein Irrtum über Umstände außerhalb der Bauvorlagen betrifft seine Zustimmung nicht und stellt einen unbeachtlichen Motivirrtum dar. Beruht ein Irrtum des Nachbarn über das Bauvorhaben auf einer unzureichenden Prüfung der Bauunterlagen, so liegt kein Anfechtungsgrund vor (vgl. Dirnberger in Simon/Busse a.a.O., Art. 66 Rn. 135). Insofern obliegt es dem Nachbarn, bei Zweifeln, ob seine Nachbarrechte nach Maßgabe der ihm vorgelegten Baupläne gewahrt sind, seine Unterschrift zu verweigern oder entsprechende Vorbehalte auf den Bauvorlagen zu vermerken.
Letztlich bedarf dies jedoch keiner vertiefenden Betrachtung. Selbst wenn man aufgrund des Umstandes, dass jedenfalls die mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen keine Unterschrift der Antragstellerin tragen und damit möglicherweise unzutreffend im Verfahren eine Zustellung an die Antragstellerin gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 6 BayBO unterblieben ist, von der Zulässigkeit des Antrages auch in Bezug auf die ursprüngliche Baugenehmigung vom 19. Januar 2018 ausginge, bleibt der Antrag jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil er ist unbegründet ist.
3. Die vom Gericht vorzunehmende Interessensabwägung fällt im vorliegenden Fall zu Lasten der Antragstellerin aus. Nach der im Rahmen des vorläufigen Rechtschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung von Sach- und Rechtslage dürften sowohl die streitgegenständliche Baugenehmigung vom 19. Januar 2018 und hier insbesondere die den Beigeladenen erteilte Befreiung von der im Bebauungsplan „…“ der Gemeinde … festgesetzte Kniestockhöhe als auch die Tekturgenehmigung vom 1. Oktober 2018 voraussichtlich keine nachbarschützenden Rechte verletzen, auf die sich die Antragstellerin im Rahmen des § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog allein berufen kann (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20).
3.1 Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich vorliegend nach § 30 Abs. 1 BauGB, da für das streitgegenständliche Grundstück der Beigeladenen ein qualifizierter Bebauungsplan der Gemeinde … aus dem Jahr 1991 besteht.
Eine Rechtsverletzung bezüglich der Bebauungsplan festgesetzten Art der baulichen Nutzung – nach § 2 der Textlichen Festsetzungen ein allgemeines Wohngebiet (WA) im Sinne von § 4 BauNVO – kommt nicht in Betracht. Gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO dienen Allgemeine Wohngebiete vorwiegend dem Wohnen. Allgemein zulässig sind nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO Wohngebäude. Insofern hält sich das Bauvorhaben der Beigeladenen im Rahmen der Festsetzungen des qualifizierten Bebauungsplanes „…“ der Gemeinde … aus dem Jahr 1991, zuletzt geändert am 1. Juni 1992.
3.2 Soweit sich die Antragstellerin gegen die insbesondere in der Tekturgenehmigung vom 1. Oktober 2018 festgelegte Höhe des genehmigten Bauvorhabens wendet, richtet sich ihr Einwand gegen das genehmigte Maß der baulichen Nutzung. Gemäß § 16 Abs. 2 BauNVO kann im Bebauungsplan das Maß der baulichen Nutzung insbesondere festgesetzt werden durch die Zahl der Vollgeschosse (Nr. 3) bzw. die Höhe der baulichen Anlagen (Nr. 4). Zum Maß der baulichen Nutzung bestimmt der hier einschlägige Bebauungsplan „…“ der Gemeinde … in § 3, dass die in der Bebauungsplanzeichnung eingetragenen Grund- und Geschossflächenzahlen als Höchstgrenzen gelten und nicht überschritten werden dürfen. Qualifizierte Einwände hiergegen hat die Antragstellerin nicht erhoben. § 4 bestimmt zur Zahl der Vollgeschosse, dass die in der Bebauungsplanzeichnung eingetragene Zahl der Vollgeschosse (II) als Höchstgrenze gelte und nicht überschritten werden dürfe. Das zulässige zweite Vollgeschoss müsse dabei im Dachraum liegen. Die von der Antragstellerin beanstandete Kniestockhöhe vermag nichts daran zu ändern, dass nach den im Verfahren vorgelegten Bauplänen sich das zweite Vollgeschoss im Dachraum befindet. Der Dachspitz selbst stellt kein weiteres Vollgeschoss dar. Es entspricht im Übrigen der ganz herrschenden Meinung, dass Regelungen über das Maß der baulichen Nutzung nicht nachbarschützend sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.10.1995 – 4 B 215/95 – juris Rn. 3 zu § 34 BauGB; BayVGH, B.v. 23.4.2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12 zu § 34 BauGB; B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 3 zu § 34 BauGB). Eine Überschreitung des Maßes der baulichen Nutzung zu Lasten des jeweiligen Nachbarn kann damit allenfalls über die Grundsätze des drittschützenden Gebotes der Rücksichtnahme erfolgen.
3.3 Eine Rechtsverletzung der Antragstellerin in nachbarschützenden Rechten ergibt sich auch nicht aufgrund der in der Baugenehmigung vom 19. Januar 2018 erteilten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplanes „…“ der Gemeinde … von der im Bebauungsplan festgesetzten maximalen Kniestockhöhe von 0,60 m. Der im Bebauungsplan getroffenen Festsetzung zur Kniestockhöhe im qualifizierten Bebauungsplan nach § 30 Abs. 1 BauGB kommt bereits keine nachbarschützende, sondern eine bloße städtebauliche Funktion zu.
Bei Befreiungen von den Festsetzungen eines Bebauungsplanes (§ 31 Abs. 2 BauGB) hängt der Umfang des Rechtsschutzes des Nachbarn maßgeblich davon ab, ob die Festsetzungen, von deren Einhaltung dispensiert wird, dem Nachbarschutz dienen oder nicht. Bei einer Befreiung von einer nachbarschützenden Festsetzung ist der Nachbar schon dann in seinen Rechten verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, weil eine der Voraussetzungen des § 31 Abs. 2 BauGB nicht erfüllt ist. Bei einer Befreiung von einer Festsetzung, die nicht (auch) den Zweck hat, die Rechte des Nachbarn zu schützen, sondern nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, richtet sich der Nachbarschutz hingegen ausschließlich nach den Grundsätzen des Rücksichtnahmegebots (§ 31 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Nachbarrechte werden in diesem Fall nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben in Folge einer zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird (BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 22 m.w.N.).
Die Festsetzung, von der dem Beigeladenen eine Befreiung erteilt wurde, ist bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht zu Gunsten der Antragstellerin drittschützend.
Eine nachbarschützende Wirkung von Festsetzungen des Bebauungsplanes ist regelmäßig nur bei Festsetzungen über die Art der baulichen Nutzung anzunehmen. Festsetzungen zur baulichen Gestaltung, wie beispielsweise zu einer entsprechenden Höhe von Kniestöcken, kommt keine drittschützende Funktion zu. Solche Festsetzungen vermitteln Drittschutz nur dann, wenn sie dies ausnahmsweise nach dem Willen der plangebenden Gemeinde haben sollen (BayVGH, B.v. 29.8.2014 – 15 CS 14.615 – juris Rn. 24; B.v. 28.5.2014 – 9 CS 14.84 – juris Rn. 17).
Dabei ist für die Auslegung des Schutzzwecks der jeweiligen Festsetzung im konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die Festsetzung nach dem Willen der Gemeinde ausschließlich aus städtebaulichen Gründen getroffen worden ist oder – zumindest auch – einen nachbarlichen Interessenausgleich im Sinne eines Austauschverhältnisses dienen soll. Letztlich ausschlaggebend ist dabei eine wertende Beurteilung des Festsetzungszusammenhangs (BayVGH, B.v. 28.5.2014 – 9 CS 14.84 – juris Rn. 17).
Nach diesen Maßstäben vermittelt festgesetzte Kniestockhöhe (max. 0,60 m in § 6 Nr. 6.3 der Textlichen Festsetzungen) keinen Nachbarschutz. Ein entsprechender Planungswille lässt sich weder dem Bebauungsplan selbst noch dessen Begründung oder sonstigen Umständen entnehmen. Insbesondere hat die Gemeinde bei Bestimmung der Textlichen Festsetzungen selbst ausdrücklich festgelegt, dass es sich um eine Gestaltung der Gebäude im Sinne von Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO handelt. Gemäß Art. 81 Abs. 2 BayBO, § 9 Abs. 4 BauGB können die Länder vorsehen, dass örtliche Bauvorschriften auch durch Bebauungsplan erlassen werden können. Die Begründung zum Bebauungsplan „…“ der Gemeinde … geht ebenfalls in diese Richtung. In Nr. 2 der Begründung ist ausgeführt, dass der städtebauliche Grundgedanke für die Gestaltung der Gebäude war, ein Wohngebiet mit hohem Wohnwert und großen privaten Grünflächenanteilen zu schaffen. Ziel war deshalb die Entwicklung des Baugebietes als Ganzes. Das Austauschverhältnis der einzelnen Grundstücke zueinander, wie es für die Annahme eines Nachbarschutzes erforderlich wäre, war der Festsetzung über die Gestaltung der Gebäude nicht immanent. Damit scheidet die Annahme eines Drittschutzes durch die Festsetzung der Kniestockhöhe im Bebauungsplan „…“ der Gemeinde … aus.
3.4 Da mithin im Genehmigungsbescheid vom 19. Januar 2018 von einer nichtdrittschützenden Festsetzung des qualifizierten Bebauungsplanes „…“ der Gemeinde … befreit wurde, lässt sich ein Drittschutz zugunsten der Antragstellerin allenfalls über die Grundsätze des Gebotes der Rücksichtnahme annehmen. Bei summarischer Prüfung ist jedoch auch insoweit eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin nicht gegeben.
Das Gebot der Rücksichtnahme findet in qualifiziert beplanten Bereichen nach § 30 Abs. 1 BauGB über § 15 Abs. 1 BauNVO bzw. bei der Gewährung von Befreiungen bezüglich nicht nachbarschützender Vorschriften gemäß § 31 Abs. 2 BauGB über das Tatbestandsmerkmal der „Würdigung nachbarlicher Interessen“ Eingang in die bauplanungsrechtliche Prüfung.
Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt dabei wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab. Für eine sachgerechte Bewertung des Einzelfalles kommt es wesentlich auf eine Abwägung zwischen dem, was einerseits dem Rücksichtnahmebegünstigten und andererseits dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, an (BVerwG, U.v. 18.11.2004, 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Bedeutsam ist ferner, inwieweit derjenige, der sich gegen das Vorhaben wendet, eine rechtlich geschützte wehrfähige Position inne hat (BVerwG, B.v. 6.12.1996 – 4 B 215.96 – juris Rn. 9). Das Gebot der Rücksichtnahme gibt dem Nachbarn aber nicht das Recht, von jeglicher Beeinträchtigung der Licht- und Luftverhältnisses oder der Verschlechterung der Sichtachsen von seinem Grundstück aus verschont zu bleiben. Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17).
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Verletzung des Rücksichtnahmegebotes dann in Betracht kommt, wenn durch die Verwirklichung des genehmigten Vorhabens ein in der unmittelbaren Nachbarschaft befindliches Wohngebäude „eingemauert“ oder „erdrückt“ wird. Eine solche Wirkung kommt vor allem bei nach Höhe und Volumen „übergroßen“ Baukörpern in geringem Abstand zu benachbarten Wohngebäuden in Betracht (BVerwG, U.v. 13.3.1981 – 4 C 1.78 – juris Rn. 38: 12-geschossiges Gebäude in 15 Meter Entfernung zu 2,5 geschossigem Nachbarwohnhaus; U.v. 23.5.1986 – 4 C 34.85 – juris Rn. 15: drei 11,05 Meter hohe Siloanlagen im Abstand von sechs Meter zu einem 2-geschossigem Wohnanwesen; BayVGH, B.v. 10.12.2008 – 1 CS 08.2770 – juris Rn. 23). Hauptkriterien bei der Beurteilung einer „abriegelnden“ bzw. „erdrückenden“ Wirkung sind unter anderem die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung (BayVGH, B.v. 19.3.2015 – 9 CS 14.2441 – juris Rn. 31; B.v. 23.4. 2014 – 9 CS 14.222 – juris Rn. 12).
Vorliegend spricht gegen eine Verletzung des Gebots der Rücksichtnahme, dass nach den im Verfahren vorgelegten Plänen der Abstand der jeweils betroffenen Baukörper bereits 12 Meter beträgt. Auch hält das Bauvorhaben der Beigeladenen in Gestalt der Tekturgenehmgigung vom 1. Oktober 2018 an der Nordseite zum Grundstück der Antragstellerin die nach Art. 6 BayBO erforderliche Abstandsfläche ein. Unter Inanspruchnahme des 16-Meter-Privilegs aus Art. 6 Abs. 6 Satz 1 BayBO ist an der Nordseite zum Grundstück der Antragstellerin ein gesetzlicher Abstand von 4,04 Metern erforderlich, der auf dem Grundstück der Beigeladenen vorhanden ist. Abstandsflächen des genehmigten Bauvorhabens kommen damit nicht auf dem Grundstück der Antragstellerin zu liegen.
In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass aus tatsächlichen Gründen das Rücksichtnahmegebot im Regelfall nicht verletzt ist, wenn – wie hier – die Abstandsflächenvorschriften eingehalten werden (vgl. etwa BayVGH, B.v. 8.3.2013 – 15 NE 12.2637 – juris Rn. 21; BVerwG, B.v. 11.1.1999 – 4 B 128/98 – NVwZ 1999, 879). Hält ein Bauvorhaben den bauordnungsrechtlich für eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung erforderlichen Abstand von den Nachbargrundstücken ein, ist darüber hinaus für das Gebot der Rücksichtnahme grundsätzlich kein Raum mehr. In Bezug auf eine ausreichende Belichtung, Belüftung und Besonnung ist das Gebot der nachbarlichen Rücksichtnahme vom Landesgesetzgeber in den bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften konkretisiert worden (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151 ff.). Im Übrigen gilt es zu berücksichtigen, dass im Zeitpunkt der Tekturgenehmigungserteilung (1. Oktober 2018) bereits die Neufassung der Art. 59 Satz 1 Nr. 1b BayBO in Kraft getreten ist (am 1. September 2018), wonach die Vorschriften über Abstandsflächen nach Art. 6 BayBO zum Pflichtprüfprogramm im vereinfachten Genehmigungsverfahren gehören.
3.5 Auch einen sonstigen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vermag die Kammer nicht zu erkennen. Soweit die Antragstellerin auf eine abweichende Höhe der Grenzgarage über die in Art. 6 Abs. 9 BayBO geregelten Höchstmaße für einen grenznahen Anbau verweist, bleibt der Antrag erfolglos. Insoweit ist festzuhalten, dass Nr. 9.2 der Tekturgenehmigung vom 1. Oktober 2018 bestimmt, dass bei der Garage die Höhe der grenznahen Außenwand im Mittel drei Meter nicht überschreiten darf, gemessen von der Oberkante des natürlichen Geländes bis zum Schnittpunkt der Außenkante Wand mit Oberkante Dachhaut. Insoweit stimmt die textliche Fassung des Tekturgenehmigungsbescheides vom 1. Oktober 2018 mit der Vorschrift des Art. 6 Abs. 9 BayBO vollständig überein. Sollte es bei der Bauausführung zu einer Überschreitung der gesetzlich, wie auch im Bescheid festgelegten Höchstmaße der Grenzgarage kommen, so ist insoweit lediglich Raum für ein bauaufsichtliches Einschreiten des Antragsgegners zu Lasten der Beigeladenen. Keinesfalls führt dieser Umstand jedoch zum Erfolg des hier anhängigen Verfahrens vorläufigen Rechtschutzes. In diesem ist lediglich zu prüfen, ob das Bauvorhaben, so wie es vom Antragsgegner genehmigt wurde, subjektiv-öffentliche Nachbarrechte der Antragstellerin verletzt. Dies ist nach den vorstehenden Ausführungen nicht der Fall.
4. Der Antrag war daher abzulehnen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladenen im Verfahren einen Antrag gestellt haben und sich einem Prozessrisiko aus § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt haben, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlich entstandenen Aufwendungen erstattet erhalten (§ 162 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (BayVBl Sonderbeilage Januar 2014). Da sich die Antragstellerin sowohl gegen die ursprüngliche Baugenehmigung vom 19. Januar 2018 als auch gegen die Tekturgenehmigung vom 1. Oktober 2018 wendet, hat das Gericht dem gebotenen halbierten Streitwert in Höhe von 3.750,- EUR zweifach zum Ansatz gebracht.