Aktenzeichen 15 ZB 18.949
Leitsatz
1 Der angefochtene Vorbescheid beantwortet lediglich die – von der Beigeladenen gestellten und im Vorbescheid ausdrücklich genannten – Fragen, ob das in den – mit behördlichem Vermerk der Zugehörigkeit zum Vorbescheid versehenen – Plänen dargestellte Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist und ob die Abstandsflächen nach der BayBO eingehalten sind. (Rn. 8) (red. LS Alexander Tauchert)
2 Der Vorbescheid bezieht sich – wie er selbst klarstellt – nur auf die genannten Fragen und verweist im Übrigen auf die Beurteilung des „endgültigen“ – bisher noch nicht gestellten und auch nicht streitgegenständlichen – Bauantrages. (Rn. 8) (red. LS Alexander Tauchert)
3 Der Einwand des angeblich fehlenden „Sachbescheidungsinteresses“ der Beigeladenen (hier: mit dem Hinweis, dass das Vorhaben wahrscheinlich nicht realisiert werde) ist nicht geeignet, der Klage gegen den Vorbescheid zum Erfolg zu verhelfen. (Rn. 12) (red. LS Alexander Tauchert)
Verfahrensgang
Au 5 K 17.353 2018-03-01 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich als Grundstücksnachbarin gegen einen der Beigeladenen erteilten Bauvorbescheid (Bescheid vom 20.2.2017 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 11.9.2017) zu Fragen der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit des geplanten Neubaus eines Verwaltungsgebäudes, einer Parkgarage (Großgarage = Parkhaus) und der Erweiterung eines Laborgebäudes sowie der Einhaltung hierfür bauordnungsrechtlich erforderlicher Abstandsflächen.
Das Verwaltungsgericht Augsburg hat die auf Aufhebung des genannten Bauvorbescheids gerichtete Klage mit Urteil vom 1. März 2018 abgewiesen. Der Bauvorbescheid verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die beabsichtigte gewerbliche Nutzung des geplanten Neubaus halte sich „innerhalb der in der näheren Umgebung vorzufindenden Variationsbreite prägender Nutzungen“, wobei offen bleiben könne, ob es sich bei dem in der näheren Umgebung vorzufindenden „Nebeneinander von tatsächlicher Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung“ um eine „bloße Gemengelage“ handele oder „bereits der Gebietscharakter eines Mischgebiets im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO erreicht“ werde. Das streitgegenständliche Vorhaben sei jedenfalls ein das Wohnen nicht wesentlich störender Gewerbebetrieb und auch in einem (faktischen) Mischgebiet seiner Art nach bauplanungsrechtlich allgemein zulässig (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 6 BauNVO). Das Bauvorhaben der Beigeladenen verstoße ferner nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme. Die aufgrund der (Lärm-)Vorbelastung durch bestehende umliegende Gewerbenutzungen reduzierten Immissionsrichtwerte (für ein Mischgebiet) würden tagsüber als auch nachts deutlich unterschritten. In Bezug auf die Klägerin werde auch die bauordnungsrechtlich erforderliche Abstandsfläche von 1 H (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO) vollständig eingehalten. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug genommen.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens geltend, an der Richtigkeit des Urteils bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht habe den entscheidungserheblichen Sachverhalt insbesondere zu den tatsächlichen Gegebenheiten im maßgeblichen Baugebiet und zu den „tatsächlichen Nutzungseckdaten des Vorhabens“ und deren Auswirkungen auf die Grundstücksnachbarn nicht hinreichend ermittelt. Es habe bereits verkannt, dass der angefochtene Bescheid unbestimmt sei, weil er nicht hinreichend auf das tatsächlich geplante Bauvorhaben Bezug nehme und dessen nachbarrelevante Auswirkungen (insbesondere in Bezug auf Lärm und Geruch) nicht hinreichend regle. Das Verwaltungsgericht habe ebenso die planungsrechtliche Situation verkannt, insbesondere den Umstand, dass sich das Grundstück der Klägerin in einem faktischen Allgemeinen Wohngebiet befinde und es sich bei dem Bauvorhaben der Beigeladenen um einen „Fremdkörper“ handele. Damit habe es auch den planungsrechtlichen Gebietserhaltungsanspruch bzw. das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme nicht zutreffend gewürdigt und namentlich den Schutzanspruch der Klägerin in Bezug auf etwaige vom streitgegenständlichen Bauvorhaben ausgehende unzumutbare Lärmemissionen verkannt. Das Verwaltungsgericht habe ferner die „massive abriegelnde und erdrückende Wirkung“ des Bauvorhabens missachtet und die vom Bauvorhaben bauordnungsrechtlich einzuhaltende Abstandsflächensituation nicht zutreffend beurteilt. Schließlich habe das Verwaltungsgericht auch zu Unrecht ein „Sachbescheidungsinteresse“ der Beigeladenen angenommen, obwohl das Bauvorhaben voraussichtlich nicht realisiert werde. Die Rechtssache weise im Hinblick auf die vorliegend gerichtlich zu klärenden Fragen im Übrigen besondere tatsächliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Bevollmächtigten der Klägerin vom 15. Mai 2018 und 23. August 2018 verwiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene widersetzen sich dem Zulassungsantrag der Klägerin.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht stellt zu Recht fest, dass die Klägerin durch den streitgegenständlichen Bauvorbescheid nicht in ihren Rechten verletzt wird. Die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin sind nicht stichhaltig. Der Senat folgt zunächst den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen zu bemerken:
Der angefochtene Vorbescheid beantwortet lediglich die – von der Beigeladenen gestellten und im Vorbescheid ausdrücklich genannten – Fragen, ob das in den – mit behördlichem Vermerk der Zugehörigkeit zum Vorbescheid versehenen – Plänen dargestellte Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist und ob die Abstandsflächen nach der BayBO eingehalten sind. Der Vorbescheid ist weder „unbestimmt“ noch sonst unvollständig. Der Vorbescheid bezieht sich – wie er selbst klarstellt – nur auf die genannten Fragen und verweist im Übrigen auf die Beurteilung des „endgültigen“ – bisher noch nicht gestellten und auch nicht streitgegenständlichen – Bauantrages. Es ist – soweit nicht die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens schon jetzt erkennbar in Zweifel steht (vgl. hierzu z.B. BayVGH, B.v. 18.8.2016 – 15 B 14.1623 – juris Rn. 14 f. m.w.N.) – nicht die Aufgabe dieses Vorbescheids, sämtliche nachbarrelevanten Auswirkungen des in einem späteren Bauantrag tatsächlich zur Genehmigung anstehenden Bauvorhabens schon jetzt im Detail zu „regeln“ und abschließend sämtliche (hypothetischen) Nebenbestimmungen zum Schutz vor Lärm oder sonstigen von der Klägerin befürchteten Belästigungen (etwa Geruchsbelästigungen bei unsachgemäßer Lagerung von Laborabfällen etc.) zu treffen.
a) Das Verwaltungsgericht hat demgemäß auch den für die rechtliche Beurteilung des Vorbescheids entscheidungserheblichen Sachverhalt hinreichend (vollständig) ermittelt. Es hat entgegen der Ansicht der Klägerin dabei weder die „planungsrechtliche Situation verkannt“ noch den planungsrechtlichen Gebietserhaltungsanspruch bzw. das planungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme und damit den Schutzanspruch der Klägerin in Bezug auf etwaige vom streitgegenständlichen Bauvorhaben ausgehende „unzumutbare“ Lärmemissionen unzutreffend gewürdigt. Der Einwand der Klägerin, es handele sich bei dem Bauvorhaben um einen „Fremdkörper“ und das klägerische Grundstück befinde sich in einem als (faktisches) Allgemeines Wohngebiet (§ 4 BauNVO) zu beurteilenden Baugebiet, ist angesichts der großflächigen gewerblichen Nutzung auf den umliegenden Grundstücken in der vom Verwaltungsgericht definierten und zwischen den Beteiligten auch nicht umstrittenen bauplanungsrechtlich zu beurteilenden näheren Umgebung des Bauvorhabens (§ 34 BauGB), die nach Maßgabe eines zwischenzeitlich aufgehobenen Bebauungsplans jahrzehntelang als Gewerbegebiet bzw. als Mischgebiet festgesetzt und dementsprechend genutzt wird, nicht stichhaltig. Die Bewertung des Verwaltungsgerichts, dass sich die beabsichtigte gewerbliche Nutzung des Bauvorhabens „innerhalb der in der näheren Umgebung vorzufindenden Variationsbreite prägender Nutzungen“ hält, ist auch aus Sicht des Senats nicht ernstlich zweifelhaft. Das Verwaltungsgericht musste in diesem Zusammenhang auch nicht entscheiden, ob es sich bei dem in der näheren Umgebung vorzufindenden „Nebeneinander von tatsächlicher Wohnnutzung und gewerblicher Nutzung“ um eine „bloße Gemengelage“ handele oder ob „bereits der Gebietscharakter eines Mischgebiets im Sinne des § 6 Abs. 1 BauNVO erreicht“ werde, weil das Bauvorhaben das Wohnen nicht wesentlich stört und deshalb planungsrechtlich auch in einem Mischgebiet (allgemein) zulässig ist. Die rechtliche Wertung des Bauvorhabens als ein das Wohnen nicht wesentlich störendes Gewerbe, welches die aufgrund der Vorbelastung durch bestehende umliegende Gewerbenutzungen bereits zugunsten der Klägerin reduzierten Immissionsrichtwerte (für ein Mischgebiet) sowohl tagsüber als auch nachts deutlich unterschreitet, ist von der Klägerin ebenso nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden. Die von der Klägerin für das Zulassungsverfahren eingeholte Schalltechnische Stellungnahme vom 14. Mai 2018 stellt „keine offensichtlichen fachlichen Mängel“ der von der Beigeladenen im behördlichen Verfahren vorgelegten Schalltechnischen Untersuchung des Bauvorhabens vom 31. Oktober 2016 fest und weist lediglich auf mehrere Punkte hin, „die bei Abweichungen in den Prognoseansätzen zu einer spürbaren Erhöhung der Lärmimmissionen führen können“. Damit zieht sie jedoch nicht die grundsätzliche planungsrechtliche Zulässigkeit des Bauvorhabens in Zweifel, sondern weist lediglich auf etwaige ergänzende immissionsschutzfachliche Prüfungen des im Rahmen eines späteren Baugenehmigungsverfahrens zu beurteilenden tatsächlichen Bauvorhabens hin. Der Vorbescheid weist dementsprechend darauf hin, dass dann weitere „Forderungen und Auflagen aus immissionsschutzrechtlichen Gründen“ vorbehalten bleiben.
b) Zu Recht geht das Verwaltungsgericht ferner davon aus, dass das Bauvorhaben gegenüber der Klägerin auch sonst das Gebot der Rücksichtnahme beachtet. Der Einwand der Klägerin, das Bauvorhaben habe eine „massive abriegelnde und erdrückende“ und verschattende Wirkung, setzt lediglich deren eigene subjektive Wertung an die Stelle der gerichtlichen Würdigung, ohne letztere damit ernstlich in Zweifel ziehen zu können. Die Klägerin konnte nicht erwarten, dass die bisherige große Freifläche vor ihrem Grundstück weiterhin erhalten bleibt und die vorhandene gewerbliche Bebauung nicht höher und näher an ihr Gebäude heranrückt als bisher.
c) Das Bauvorhaben hält – auch in Bezug auf das (höhere) Terrassengeschoss des Verwaltungsgebäudes – gegenüber der Klägerin die bauordnungsrechtlich erforderliche Abstandsfläche von 1 H in vollem Umfang ein (Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO). Auf die Frage, ob sich das Baugrundstück – wie der Vorbescheid annimmt – in einem (faktischen) Gewerbegebiet (§ 8 BauNVO) befindet und deshalb sogar eine Verringerung der Abstandsfläche nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 5 Satz 2 BayBO zulässig wäre, kommt es deshalb vorliegend nicht an. Die Klägerin kann jedenfalls keine größere als die ihr gegenüber gewahrte Abstandsfläche von 1 H beanspruchen.
d) Das Verwaltungsgericht hat sich in seinem Urteil schließlich auch mit dem Einwand der Klägerin zum angeblich fehlenden „Sachbescheidungsinteresse“ der Beigeladenen befasst und zutreffend festgestellt, dass dieser nicht geeignet ist, der Klage gegen den Vorbescheid zum Erfolg zu verhelfen.
2. Entgegen der Ansicht der Klägerin weist die Rechtssache nach alledem auch keine besonderen tatsächlichen (oder rechtlichen) Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Klägerin trägt billigerweise auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, weil jene zum klägerischen Vorbringen im Zulassungsverfahren ausführlich Stellung genommen und das gerichtliche Verfahren damit wesentlich gefördert hat (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).