Baurecht

Zum Anspruch auf Rückschnitt von Ästen und Zweigen

Aktenzeichen  1 O 2379/12 (2)

Datum:
28.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 154317
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 199 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Für die Anspruchsentstehung im Sinne des § 199 ABS. 1 BGB ist bei § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich auf den Beginn der Eigentumsbeeinträchtigung abzustellen, auch wenn diese fortdauert. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei Überwuchs durch Zweige bzw. Äste ist nicht auf den ersten Zentimenter Überwuchs, sondern auf den Beginn der durch den Überwuchs ausgehenden, nicht ganz unerheblich beeinträchtigenden Auswirkungen auf das Grundstück abzustellen. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, die auf das Grundstück der Kläger Flur-Nr. XXX/12, Gemarkung Kempfenhausen, von dem Grundstück des Beklagten Flur-Nr. XXX/4, Gemarkung Kempfenhausen, herüberragenden Äste und Zweige der Bäume (Aufzählung von Westen nach Osten): Ahorn zweistämmig, weiterer Ahorn zweistämmig, Ahorn dreistämmig, Buche einstämmig, weitere Buche einstämmig zu beseitigen. Die vom Grundstück des Beklagten herüberragenden Äste und Zweige der Eiche sind jeweils um 0,75 m zu kürzen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
4. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,00 € vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I.
Vorliegend war über die Klage gemäß § 301 Abs. 1 S. 1 3. Alt. ZPO durch Teilurteil zu entscheiden.
Die Streitgegenstände der Klage und Widerklage sind vorliegend teilbar, da Klagegegenstand der Überhang von Thujen und Bäumen des Beklagten sowie die Beeinträchtigung eines Geh- und Fahrtrechts durch eine Thujenhecke auf der gemeinsam genutzten Zufahrt sind, während Gegenstand der Widerklage der Überhang einer Esche der Kläger ist.
Lediglich die Klage ist vorliegend entscheidungsreif. Zwar hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger nach dem überraschenden Widerklageantrag des Beklagten am 09.08.2017 neben der Rüge der Verspätung noch die Abweisung der Widerklage beantragt, so dass über sie mündlich verhandelt wurde. Im Hinblick auf die Widerklage ist jedoch eine Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 Abs. 2 Nr. 1 ZPO veranlasst, da das Gericht sonst seine Hinweis- und Aufklärungspflicht gemäß § 139 ZPO verletzen würde (s. entsprechenden Hinweisbeschluss vom 28.09.2017).
Die Entscheidung über die Klage ist unabhängig davon, wie im Schlussurteil über die Widerklage entschieden wird. Zwar hat der Beklagte den Überhang der Esche der Kläger auch im Rahmen der Klage als Einwand gemäß § 242 BGB gegen etwaige Beseitigungsansprüche der Kläger vorgebracht. Der Einwand des treuwidrigen Verhaltens ist jedoch aus Rechtsgründen abzulehnen (s. u. Ziffer II. 1. lit.e. bb.). Auf das Bestehen und die Durchsetzbarkeit eines Beseitigungsanspruchs bezüglich der Esche kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
II.
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.
1. Die Kläger haben gegen den Beklagten gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB einen Anspruch auf Rückschnitt der Äste und Zweige bis zu ihrer nördlichen Grundstücksgrenze von folgenden Laubbäumen (s. Skizze zur Lageübersicht auf Seite 7 des Gutachtens des Sachverständigen B4. vom 11.07.1014): lit. a), c), e), f), bei lit. g) (Eiche) lediglich auf eine Kürzung der Äste und Zweige um jeweils 0,75 Meter.
a. Der Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB wird durch das Selbsthilferecht aus § 910 Abs. 1 BGB nicht ausgeschlossen (s. BGH NJW 1986, 2640).
b. Der von den Klägern behauptete und durch den Sachverständigen B4. in seinem Gutachten vom 11.07.2014 festgestellte Überwuchs der auf seiner Skizze zur Lageübersicht eingezeichneten Laubbäume des Beklagten (s. S. 98 u. 103 ff d. A.) stellt eine dem Beklagten zurechenbare Eigentumsbeeinträchtigung dar.
Im Einzelnen hat der Sachverständige B4. in seinem Gutachten aufgrund eines Ortstermins am 19.05.2014 folgende Überhänge festgestellt (von West nach Ost; s. Bl. 103/108 d. A.):
– Ahorn (lit. a.): 4,1 m, wovon 1,8 m über das Dach des Hauses der Kläger ragen,
– Buche (lit. b): 1,5 m,
– Ahorn (lit. c): 2,3 m, der gerade ans Gebäude heranreicht,
– Linde (lit. d): bis zu 0,1 m,
– Ahorn (lit. e): 3,8 m, wovon 1,6 m über das Dach des Hauses der Kläger ragen,
– Buche (lit. f): 3,1 m, wovon 1 m über das Dach des Hauses der Kläger ragen,
– Buche (lit. g): 3,4 m, deren Äste bis auf 0,2 m Abstand an den Dachüberstand der Kläger heranreichen
– Eiche (lit h.) 6,45 m, die überwiegend auf die Garagendächer der Kläger ragen.
Bei der am 09.08.2017 durchgeführten Inaugenscheinnahme wurden folgende, teils abweichende Überhänge festgestellt:
– Ahorn (lit. a.): ca. 1 – 1,30 m über das Dach des Hauses der Kläger ragend,
– Buche (lit. b): 0,50 m,
– Ahorn (lit. c): bis 0,5 m an das Dach des Hauses der Kläger heranreichend,
– Linde (lit. d): unverändert,
– Ahorn (lit. e): mittlerweile 2 m über das Dach des Hauses der Kläger ragend,
– Buche (lit. f): äußerste Zweige bis zur Dachrinne ragend,
– Buche (lit. g): unverändert,
– Eiche (lit h.): unverändert.
c. Die Kläger sind nicht verpflichtet, die herrüberragenden Zweige und Äste gemäß § 910 Abs. 2 BGB entsprechend zu dulden (s. zur Anwendbarkeit: BGH NJW 1973, 412).
Lediglich im Hinblick auf die Linde (lit. d im Gutachten des Sachverständigen B4.; im Klageantrag unzutreffenderweise als „Ahorn einstämmig“ bezeichnet) und im Hinblick auf die Buche (lit. b. im Gutachten des Sachverständigen B4.) liegt eine nur unerhebliche Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstücks gemäß § 910 Abs. 2 BGB entsprechend vor (s. u.).
In welchen Fällen keine bzw. eine nur ganz unerhebliche Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung im Vergleich zum Zustand ohne Überhang vorliegt, ist nach objektivem Maßstab zu beurteilen. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Nachbar, hier der Beklagte (vgl. Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., 2017, § 910 Rn. 3).
Zu den Einwänden des Beklagten im Hinblick auf die Unerheblichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung führt der Sachverständige in seinem Gutachten Folgendes aus (s. Bl. 117/121 d. A.):
Aufgrund der Nähe der oben genannten Gehölze zum Hausdach der Kläger sei ein Stoffeintrag unvermeidbar. Dieser führe in vergleichbaren Fällen regelmäßig zu einer Behinderung des Abflusses in Dachrinnen und gegebenenfalls auch in Fallrohren.
Die Behauptung des Beklagten, dass der Laubbefall des Daches auch von Bäumen der Kläger verursacht werde, sei nicht zutreffend. Die allein in Frage kommende Esche der Kläger reiche nur knapp an die Terrasse heran und sei im Vergleich zu den streitgegenständlichen Bäumen des Beklagten weit vom Dach entfernt. Jedenfalls sei der von der Esche ausgehende Stoffeintrag als gering einzustufen.
Nach einem Rückschnitt werde es nicht in gleichem Maße zu einem Stoffeintrag durch den nicht überhängenden Teil der Bäume kommen. Zwar sei es sehr wahrscheinlich, dass es weiterhin zu Verstopfungen der Dachrinne kommen werde. Es würden jedoch die Pflanzenteile wegfallen, die sich auch bei Windstille vom Baum lösten und der Schwerkraft folgend zu Boden bzw. auf die Dachflächen der Kläger fielen.
Auf der Grundlage der überzeugenden und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen sieht das Gericht bereits in dem Stoffeintrag/Laubbefall auf das klägerische Grundstück, insbesondere auf das Hausdach und das Garagendach der Kläger, eine nicht völlig unerhebliche Beeinträchtigung in der Grundstücksnutzung (s. auch OLG Brandenburg, NJW-RR 2015, 1427). Lediglich von der nur 0,1 m über die Grundstücksgrenze reichenden Linde und der mittlerweile nur noch 0,5 m über die Grundstücksgrenze reichenden Buche (lit. b) geht zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung, auf den vorliegend abzustellen ist, eine nur ganz unerhebliche Beeinträchtigung aus, die daher von den Klägern zu dulden ist.
Auf die weiteren von den Klägern aufgeführten Beeinträchtigungen wie Tierbefall und geringer Lichteinfall sowie den Einwänden des Beklagten hierzu kommt es nicht mehr an.
d. Die Kläger sind lediglich im Hinblick auf die Eiche gemäß § 1004 Abs. 2 BGB zur Duldung des sie beeinträchtigenden Überwuchses in gewissem Umfang verpflichtet.
aa. Hinsichtlich der Eiche führt der Sachverständige B4. in seinem Gutachten vom 10.03.2015 aus, dass der Kronenmantel nicht geöffnet werden darf, um keine Astbrüche zu provozieren. Etwaige seitliche Rückschnitte sollten nur soweit geführt werden, dass noch ein Teil des Kronenmantels erhalten bleibt. Aus baumsachverständiger Sicht sei daher ein Rückschnitt an allen die Grenze überragenden Zweigen und Ästen um 0,75 m als unschädlich für die weitere Entwicklung des Baumes einzustufen.
Den darüber hinaus bestehenden Überhang müssen die Kläger unter Abwägung der sonst verursachten erhöhten Bruchgefahr für die verbleibende Krone dulden.
bb. Eine allgemeine Duldungspflicht des Überhangs wegen Örtsüblichkeit gemäß § 906 Abs. 2 BGB besteht nicht.
Teils wird bereits die Anwendbarkeit von § 906 Abs. 2 BGB für Beseitigungsansprüche wegen Überhangs abgelehnt, da dieses Kriterium gerade nicht in § 910 Abs. 2 BGB seinen Niederschlag gefunden habe (s. OLG Schleswig, NJOZ 2011, 344). Doch auch bei Anwendbarkeit greift die Einwendung vorliegend mangels Vorliegens ihrer Voraussetzungen nicht. Zwar besteht – wie das Gericht bei seiner Inaugenscheinnahme feststellen konnte – ein Parkcharakter in der näheren Umgebung der Parteien mit Pflanzen und Bäumen, die nicht exakt an den jeweiligen Grundstücksgrenzen enden. Eine Ortsüblichkeit von Überhang in der unmittelbaren Nähe von Haus- und Garagendächern ist jedoch nicht anzunehmen. Jedenfalls ist ein entsprechender Rückschnitt dem Beklagten ohne weiteres wirtschaftlich zumutbar.
e. Auch die Einwände des Beklagten im Hinblick auf § 242 BGB (Verwirkung und venire contra factum proprium) greifen nicht.
aa. Zum einen stützt sich der Beklagte dabei auf die Ablehnung der Kläger, den von ihm beauftragten Gärtner 2011 und 2013 nicht auf ihr Grundstück gelassen zu haben.
In der Verweigerung der vom Beklagten beschriebenen Zutrittsversuche seitens der Kläger ist jedoch weder ein widersprüchliches Verhalten zu sehen. Noch haben sie damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrunddessen der Beklagte auf ein Nichteinfordern des Rückschnitts vertrauen durfte. Der Beklagte erklärte in seinem Schreiben vom 29.08.2011 (Anlage B 12) lediglich seine Bereitschaft, einige schief stehende Thujen ausrichten zu lassen. Daraufhin waren die Kläger weder verpflichtet, den nicht angekündigten Zutritt des Gärtners zu dulden, noch diesen auf sein späteres Läuten hin das Grundstück betreten zu lassen. Insofern durften die Kläger zuvor eine vorherige Besprechung der beabsichtigten Maßnahmen einschließlich Terminsvereinbarung vom Beklagten erwarten. Die oben wieder gegebene Erklärung des Beklagten im Schreiben vom 29.08.2011 reichte hierfür nicht.
Auch die vom Beklagten vorgetragenen erfolglosen Versuche des von ihm beauftragten Gärtners im Mai und Juni 2013, das Grundstück der Kläger betreten zu dürfen, stehen einer Durchsetzbarkeit des Anspruchs nicht entgegen. Eine vorherige Ankündigung und Besprechung der beabsichtigten Arbeiten seitens des Beklagten, sei es schriftlich oder telefonisch, können die Kläger fordern.
bb. Zum anderen bezieht sich der Beklagte bei seinem Einwand widersprüchlichen Verhaltens auf den Überwuchs der nahe der gemeinsamen Grundstücksgrenze stehende Esche der Kläger auf sein Grundstück.
Der Beklagte trägt insoweit nicht vor, dass er die Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt aufgefordert hätte, den durch die Esche verursachten Überwuchs zu beseitigen. Dies erfolgte erst mit Widerklageantrag am 09.08.2017, über den gesondert zu entscheiden ist. Es ist daher nicht ersichtlich, inwieweit hier für den Beklagten ein Vertrauenstatbestand entstanden sein soll bzw. sich die Kläger treuwidrig verhalten hätten.
f. Der Geltendmachung des Anspruchs steht nicht die von dem Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen.
Der Beseitigungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB unterliegt nach herrschender Meinung, der sich das Gericht anschließt, der Regelverjährung des § 195 BGB (BGH NJW 1973, 412). Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit der Anspruchsentstehung und der Kenntnis des Gläubigers vom Vorliegen der einzelnen Tatbestandsvoraussetzungen. Für die Anspruchsentstehung ist bei § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB grundsätzlich auf den Beginn der Eigentumsbeeinträchtigung abzustellen, auch wenn diese fortdauert (s. Palandt/Herrler, aaO, § 1004 Rn. 45 m. w. N.). Bei Überwuchs durch Zweige bzw. Äste kann jedoch aus Sicht des Gerichts nicht auf den ersten Zentimenter Überwuchs (entgegen: LG Itzehoe, ZMR 2016, 503), sondern auf den Beginn der durch den Überwuchs ausgehenden, nicht ganz unerheblich beeinträchtigenden Auswirkungen auf das Grundstück abgestellt werden (so BGH NJW 1973, 703 a. E. ohne nähere Begründung), da im Hinblick auf § 910 Abs. 2 BGB entsprechend dem Eigentümer nicht zugemutet werden kann, eine wegen der Gefahr der Verjährung frühzeitig erhobene Klage wegen Unerheblichkeit der Nutzungsbeeinträchtigung zu verlieren.
Darlegungs- und beweisbelastet ist insoweit der Beklagte. Nachdem sich der Beklagte zunächst auf die fünfjährige Verjährung gemäß Art. 52 Abs. 1 S. 2 des AGBGB Bay berief (s. Bl. 19/20 d. A.), die für den Beseitigungsanspruch bzgl. Überhang gemäß § 1004 BGB nicht einschlägig ist (s. BGH NJW 2004, 1035), erfolgte in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2017 ein entsprechender gerichtlicher Hinweis unter Aufforderung zu substantiiertem Vortrag zur Verjährung gemäß § 195 ff BGB (s. Bl. 248/249 d. A.). Der insoweit mit Schriftsatz vom 15.03.2017 unter Ziffer II. erfolgte ergänzende Vortrag bezieht sich jedoch allein auf die Thujenhecke. Im Übrigen beschränkt er sich auf den Verweis, dass sich die Verjährung bereits aus dem Klägervortrag ergebe (s. Bl. 262 d. A.).
Betreffend die Nutzungsbeeinträchtigung durch die über die Grenze wachsenden Laubbäume fehlt es aus Sicht des Gerichts an einem ausreichenden Vortrag des Beklagten zum Verjährungsbeginn. Es ist in einem Parteienprozess nicht Aufgabe des Gerichts zu Gunsten einer Partei eigene (Rück-)Rechnungen hinsichtlich des Pflanzenwachstums, der Mengen des Laubbefalls und deren Auswirkungen insbesondere auf das Dach und die Dachrinnen der Kläger vorzunehmen.
Insoweit kann dahinstehen, ob bereits das jährlich erneut auftretende Herabfallen von Laub infolge des Überwuchses einer Anspruchsverjährung entgegensteht (so weitgehend: OLG Brandenburg NJW-RR 2015, 1427).
g. Schließlich lässt auch das naturschutzrechtliche Verbot gemäß § 39 Abs. 5 Nr. 2 BNatSchG den Beseitigungsanspruch der Kläger nicht – wie der Beklagte meint – gemäß §§ 134, 138, 242 BGB entfallen. Insoweit bestünde für den Beklagten die Möglichkeit, sich im Rahmen der Zwangsvollstreckung hiergegen zu wehren.
2. Bezüglich der Klageanträge 1. und 3. sowie der oben unter 1. genannten Einschränkungen bei Klageantrag 2. war die Klage als unbegründet abzuweisen.
a. Einem etwaigen Anspruch auf Beseitigung des Überhangs der entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze verlaufenden Thujenhecke gemäß § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB steht die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen, § 214 BGB.
Auf die Ausführungen unter Ziff. 1 lit. f. wird zunächst Bezug genommen.
Betreffend den Überhang der Thujenhecke sieht das Gericht den unbestrittenen Vortrag des Beklagten zu den Voraussetzungen der dreijährigen Verjährung als ausreichend an. So war die Thujenhecke bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs des Grundstücks durch den Beklagten 1990 vorhanden. Ein Rückschnitt der Thujenhecke ist seitdem – auch laut Vortrag der Kläger – von Seiten des Beklagten nicht erfolgt. Der vom Sachverständigen B4. anlässlich seines Ortstermins am 19.05.2014 festgestellte Überhang der Thujen betrug zwischen 1,90 und 2,90 m.
Die Kläger rügen als Beeinträchtigung durch den Überhang der Thujenhecke vor allem das Absterben des Rasenstreifens bis zur Grundstücksgrenze sowie das Verletzungsrisiko durch die Hecke bzw. dort wildwachsende Brombeerpflanzen.
Diese Beeinträchtigungen bzw. Auswirkungen des Überhangs sind nach Vortrag des Beklagten und auch zur Überzeugung des Gerichts bereits vor dem Jahr 2008 aufgetreten.
Die Kläger haben erst 2011 ein Schlichtungsverfahren als verjährungshemmende Maßnahme eingeleitet, § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Eine Verjährungshemmung wegen früherer Verhandlungen gemäß § 203 BGB wurde nicht von Seiten der Kläger vorgetragen. Damit ist im Gegensatz zum Selbsthilferecht gemäß § 910 Abs. 1 BGB, das nicht den Verjährungsvorschriften unterliegt, ein Beseitigungsanspruch der Kläger verjährt.
b. Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Beseitigung der die Zufahrt des Beklagten östlich säumenden Thujenhecke für das Teilstück ab ihrer nördlicher Toreinfahrt bis zum südlichen Ende der Thujenhecke gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 1, 1027 BGB.
Es kann dahinstehen, ob vorliegend die Einrede der Verjährung greift, da ein Beseitigungsanspruch nicht besteht.
aa. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Benutzbarkeit der vollen Grundstücksbreite für ihr Geh- und Fahrtrecht.
Der gegenwärtige Rechtsinhalt des zu Gunsten der jeweiligen Eigentümer des Flst. 111/12 im Grundbuch eingetragenen Geh- und Fahrtrechts ist durch Festlegung des ursprünglichen Rechtsinhalts und etwaiger Inhaltsänderungen mittels Auslegung zu ermitteln (vgl. Palandt/Herrler, BGB, 76. Aufl., § 1018 Rn. 8, 16).
Vorliegend nimmt der Grundbucheintrag auf die Bewilligung vom 05.05.1972, die in Ziff. XII des notariellen Kaufvertrags über das Grundstück Flur-Nr. 111/4 (Anlage K 13) wiedergegeben ist, Bezug. Dort findet sich die Formulierung „Geh- und Fahrtrecht auf der bestehenden Zufahrt zu FlNr. 111/4“.
Auch wenn – wie von den Klägern vorgetragen – zum Zeitpunkt der Bewilligung der Grunddienstbarkeit noch kein Beet an der östlichen Grundstücksgrenze der Flur-Nr. 111/4 angelegt war, so ist zeitnah nach Beendigung des Gastronomiebetriebs „Seecafe Gmeiner“ auf dem Grundstück Flur-Nr. 111/4 vom damaligen Eigentümer Schulz die Zufahrt verkleinert, mit einer Teerdecke neu gepflastert und eine Thujenhecke angelegt worden. Die Teerdecke reichte laut Vortrag der Kläger bis ein Meter an die mit Thujen bepflanzte Reihe heran. 2005 erfolgte von Seiten des Beklagten das Ersetzen der Teerdecke durch Pflastersteine. Die Kläger tragen insoweit nicht vor, dass der gepflasterte Bereich auf Höhe ihrer Zufahrt in seiner Breite schmäler als vorher sei, sondern sehen die Ursache der Beeinträchtigung in den unterbliebenen Rückschnitten der Hecke durch den Beklagten seit seinem Grundstückserwerb in den 90er Jahren.
Weder dem Wortlaut der bewilligten Grunddienstbarkeit noch die jahrelange tatsächliche Ausübung geben hinreichend Anhaltspunkte, dass das Geh- und Fahrrecht auf der vollen Grundstücksbreite zu gewähren ist.
bb. Auch eine Beeinträchtigung des Geh- und Fahrtrechts durch die Breite der Thujenhecke liegt nicht vor.
Die Kläger beklagen eine konkrete Beeinträchtigung durch die am östlichen Rand der Zufahrt des Beklagten wachsende Thujenhecke beim Befahren ihres Grundstücks mittels größerer Fahrzeuge wie Rettungs- oder Feuerwehrfahrzeuge.
Unabhängig von der Frage, ob das den Klägern als Eigentümer des Flurst. 111/12 eingeräumte Fahrtrecht auch das Recht umfasst, auf ihr Grundstück mit Fahrzeugen in LKW-Größe zu fahren, konnten die Kläger eine zum Schluss der mündlichen Verhandlung bestehende Beeinträchtigung nicht beweisen.
Wie von den Klageparteien selbst mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 17.03.2017 (Bl. 266/267 d. A.) mitgeteilt und wie auch von Seiten des Gerichts im Rahmen des Augenscheins am 09.08.2017 festgestellt, wurde vom Beklagten der streitgegenständliche Bereich der Thujenhecke mittlerweile auf eine maximale Breite von 90 cm ab der östlichen Grundstücksgrenze bis zu einer Höhe von 2,50 m zurückgeschnitten.
Im Rahmen der zuvor durchgeführten Beweisaufnahme zur Befahrbarkeit des Grundstücks der Kläger mit Fahrzeugen in LKW-Größe wurde von Seiten des gerichtlich beauftragten Sachverständigen R. festgestellt, dass ein Lastwagen normal üblicher Art ohne Anhänger bei einer Schleppkurve von 6,15 m gerade so in die Einfahrt der Kläger einfahren kann, wenn er hierzu den äußeren rechten Rand der Pflasterung befahren kann (vgl. S. 2 des Protokolls vom 09.02.2017). Dies war aufgrund des Heckenüberstands über den gepflasterten Bereich zunächst ohne Gefahr von Beschädigungen nicht möglich (s. Bild 12 des Gutachtens vom 04.04.2016). Durch den Rückschnitt des Beklagten im Frühjahr 2017, der nicht nur bis zum Beginn der Pflasterung, sondern bis auf das Stammholz erfolgte (vgl. Lichtbilder der Kläger als Anlage zu Bl. 266/267 d. A.), kann die Fahrzeugseite auch über den gepflasterten Bereich ragen, ohne dass damit ein Besschädigungsrisiko für das Fahrzeug besteht.
Das von den Klägern vorgetragene erhöhte Verletzungs- und Beschädigungsrisiko durch das Annähern von Personen und Fahrzeugen an die scharfkantigen Holzstämme und Astreste mag bei zu starker Annäherung zwar bestehen. Es ist jedoch vermeidbar, da die Ausübung des Gehrechts und – wie vom Sachverständigen R. festgestellt – auch des Fahrtrechts durch Nutzung des bestehenden gepflasterten Bereichs möglich ist.
Auf die Pflicht zur schonenden Ausübung der Grunddienstbarkeit gemäß § 1020 BGB wird ergänzend hingewiesen.
c. Die Kläger haben gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Rückschnitt der restlichen, die Zufahrt des Beklagten östlich säumenden Thujenhecke (ab nördlichem Beginn der Toreinfahrt der Kläger in Richtung Norden verlaufend) auf eine Maximalbreite von 1,0 Meter gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 1, 1027 BGB.
aa. Eine Beeinträchtigung beim Befahren der südlicher gelegenen Garage wurde vom Kläger im Rahmen der Inaugenscheinnahme am 09.08.2017 ausdrücklich verneint.
bb. Auch eine Beeinträchtigung beim Befahren der nördlich gelegenen Garage konnten die Kläger nicht beweisen.
Zwar wächst in diesem Bereich die Thujenhecke deutlich über den gepflasterten Bereich.
Den Klägern steht jedoch nicht das Recht zu, ihr Geh- und Fahrtrecht auf der vollen Grundstücksbreite abzüglich eines Meters (so ihr Antrag) zu nutzen.
Dem Wortlaut der bewilligten Grunddienstbarkeit, der gerade keine genaue Angabe zur Nutzungsbreite enthält, kann ein solches Recht nicht entnommen werden. Auch eine Auslegung anhand der Bedürfnisse des herrschenden Grundstücks führt nicht zu einem so umfassenden Nutzungsrecht.
Das Bedürfnis der Kläger, ihre nördlich gelegene Garage zu nutzen, wird durch den zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung festgestellten Zustand der Thujenhecke nicht beeinträchtigt.
Der Sachverständige R. stellte in seinem Gutachten vom 04.04.2016 eine Durchfahrtsbreite auf Höhe der Garagen von 6,40 m fest. Dieser Zustand bestätigte sich bei der Inaugenscheinnahme am 09.08.2017, bei dem ebenfalls die nicht überwachsene Zufahrtsbreite mit 6,50 m am nördlichen Ende der Garagen gemessen wurde.
Bei einer solchen Breite ist das Einfahren in die Garage bzw. das Ausfahren aus der Garage ohne größere Schwierigkeiten möglich. Ein ggf. erforderliches Rangieren ist unter dem Gesichtspunkt der schonenen Ausübung der Dienstbarkeit gemäß § 1020 BGB den Klägern zuzumuten.
Auch konnte die Richterin bei der Inaugenscheinnahme feststellen, dass der Bewuchs auf der rechten Seite der nördlichen Garage nicht in den Tor-/Zufahrtsbereich, sondern erst ab einer Höhe von 2,50 m in die Zufahrtsfläche hineinragt. Ein paar Zweige ragten zudem in den Bereich vor der rechten Garagenmauer. Eine Beeinträchtigung durch diesen Bereich der Thujenhecke ist ebenfalls nicht erkennbar. Die Kläger konnten nicht zur Überzeugung des Gerichts darlegen, dass sie hierdurch bei der Zufahrt beeinträchtigt sind.
III.
1. Eine Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten (s. Zöller a.a.O. § 301 Rn. 11).
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Bonkamp Richterin am Landgericht
Verkündet am 28.09.2017
Weinbuch, JAng Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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