Baurecht

Zuwendungen i.R.d. Hochwasserhilfe

Aktenzeichen  6 ZB 18.2102

Datum:
9.3.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 6710
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 5 S. 2

 

Leitsatz

1. Das Bayerische Zuschussprogramm zur Behebung von Hochwasserschäden fördert ausschließlich überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Gebäude; auf die Förderung besteht kein Rechtsanspruch, maßgeblich ist die Selbstbindung der Verwaltung in der Verwaltungspraxis. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Abzustellen ist auf die tatsächliche Nutzung im Zeitpunkt des Hochwasserereignisses. Hypothetische Nutzungsmöglichkeiten bleiben außer Betracht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Aufklärungspflicht verlangt nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil deren Ergebnis nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich ist. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

RN 5 K 17.892 2018-08-09 Urt VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. August 2018 – RN 5 K 17.892 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 44.959,80 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Klägers‚ die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen‚ bleibt ohne Erfolg. Die innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 5 VwGO liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
1. Der Kläger begehrt Zuwendungen im Rahmen der Hochwasserhilfe.
Er ist Eigentümer des mit einem alten Lagerkeller bebauten Grundstücks FlNr. 218, das bei dem Hochwasser 2016 – nach den Feststellungen des Landratsamts bei einer Ortseinsicht auf einer Fläche von ca. 20 m² maximal 40 cm hoch – überflutet worden ist. Nach Angaben des Klägers wurde dieses Grundstück im Zeitpunkt des Hochwasserereignisses als „privater Lagerraum“ genutzt. Außerdem ist er Eigentümer der Grundstücke FlNr. 214 und 215, die u.a. mit einem bei einem Brand im Jahr 2012 schwer beschädigten ehemaligen Gaststättengebäude bebaut sind. Diese Grundstücke waren von dem Hochwasser nicht betroffen.
Am 15. Januar 2017 beantragte der Kläger, ihm Zuwendungen nach dem Bayerischen Zuschussprogramm zur Behebung der vom Hochwasser im Mai/Juni 2016 verursachten Schäden an überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden und an Hausrat zu gewähren, und gab Gesamtkosten in Höhe von 56.199,75 € an. Mit Bescheid vom 28. April 2017 lehnte das Landratsamt Rottal-Inn den Antrag ab, weil vom geltend gemachten Schaden lediglich Kosten in Höhe von 3.028,31 € durch das Hochwasser entstanden seien. Da der vom Hochwasser beschädigte Gebäudeteil gewerblich genutzt werde, lägen die Fördervoraussetzungen nicht vor. Des Weiteren seien die Schäden bereits mit dem erhaltenen Sofortgeld für Gewerbe in Höhe von 3.500 € abgegolten.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 9. August 2018 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Zuwendung nach dem Zuschussprogramm, bei dem es sich um eine ermessenslenkende Verwaltungsvorschrift handele. Förderfähig seien alle Maßnahmen zur Beseitigung von Schäden an durch das Hochwasser beschädigten, überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden. Die vom Kläger geltend gemachten Schäden beträfen hingegen kein überwiegend zu Wohnzwecken genutztes Gebäude. Die Lagerung von privaten Einrichtungsgegenständen in dem vom Hochwasser betroffenen Keller führe nicht zu einer überwiegenden Wohnnutzung. In dem betreffenden Gebäude befänden sich keine Wohnungen und es könne auch nicht zu Wohnzwecken genutzt werden, weil es sich um einen alten Lagerkeller einer früheren Brauerei handele. Selbst wenn man auf den gesamten Gebäudekomplex auf allen drei Grundstücken abstellen würde, ergäbe sich nichts anderes. Die zum Zeitpunkt des Hochwassers einzig bewohnte Wohnung auf dem 1.581,14 m² großen Gesamtareal sei lediglich 78 m² groß.
2. Die vom Kläger gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), rechtfertigen nicht die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO.
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würden (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 m.w.N.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 4). Das ist hier nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf die beantragte Zuwendung hat. Das Bayerische Zuschussprogramm zur Behebung der vom Hochwasser im Mai/Juni 2016 verursachten Schäden an überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden und an Hausrat im Landkreis Rottal-Inn (Zuschussprogramm Wohngebäude Hochwasser 2016, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 29.6.2016 – IICI-4740.4-2-2 – AllMBl. 2016, 1636) fördert ausschließlich überwiegend zu Wohnzwecken genutzte Gebäude; auf die Förderung besteht kein Rechtsanspruch. Diese Förderrichtlinien unterliegen, wie bereits das Verwaltungsgericht hervorgehoben hat, als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Maßgeblich für die Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 Abs. 1 GG) ist die tatsächliche Handhabung der Verwaltungsvorschriften in der Verwaltungspraxis zur maßgeblichen Zeit (BVerwG, B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.). Gemessen an diesem Maßstab sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass das Landratsamt die Fördervoraussetzung „überwiegend zu Wohnzwecken genutztes Gebäude“ unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz verneint und der Kläger einen Anspruch auf die begehrte Zuwendung haben könnte.
Das 2016 vom Hochwasser betroffene Gebäude auf dem Grundstück FlNr. 218 wird nicht überwiegend zu Wohnzwecken genutzt, sondern als Lagerkeller. Auch wenn dieser Keller im Zeitpunkt des Hochwasserereignisses als „privater Lagerraum“ genutzt worden ist, führt dies nicht zu einem „überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäude“. Der Kläger gibt selbst an, dass in dem Anwesen auf dem Grundstück FlNr. 218 keine Wohnungen vorhanden sind (Schriftsatz vom 30.4.2018, Nr. 3). Rechtlich nicht zu beanstanden ist es, dass das Landratsamt ausschließlich auf das Buchgrundstück FlNr. 218 abgestellt hat, weil ausschließlich dieses vom Hochwasser 2016 betroffen war. Die weiteren dem Kläger gehörenden angrenzenden Grundstücke FlNr. 214 und 215 blieben vom Hochwasser unberührt. Abgesehen davon ist nach ständiger Rechtsprechung (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 20.6.1973 – IV C 62.71 – juris) im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit grundsätzlich vom bürgerlich-rechtlichen Begriff des Grundstücks im Sinn des Grundbuchrechts auszugehen (sog. formeller Grundstücksbegriff).
Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt, dass sich am Ergebnis nichts ändern würde, falls nicht auf das einzelne vom Hochwasser betroffene Buchgrundstück, sondern auf den gesamten Gebäudekomplex auf allen drei dem Kläger gehörenden Buchgrundstücken abgestellt würde. Unstreitig war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Hochwassers lediglich eine Wohnung im Bereich des ehemaligen Gaststättengebäudes auf den Grundstücken FlNr. 214/215 bewohnt. Es liegt auf der Hand, dass das Bewohnen einer ca. 78 m² großen Wohnung auf dem Gesamtareal mit 1.581,14 m² Nutzfläche nicht zu einem „überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäude“ führen kann, selbst wenn man Teile des vom Hochwasser betroffenen Kellers auf dem Grundstück FlNr. 218 einer Wohnnutzung zurechnen würde. Nicht entscheidungserheblich ist dabei, aus welchem Grund (Brand und Löschwasser im Jahr 2012) die früher darüber hinaus vorhandenen Wohnungen auf den Grundstücken FlNr. 214/215 nicht mehr zu Wohnzwecken nutzbar sind. Entgegen der Ansicht des Klägers ist nicht auf die „hypothetische Nutzungsmöglichkeit bei Außerachtlassung des Gebäudebrandes“ abzustellen, sondern auf die tatsächliche Nutzung zum Zeitpunkt des Hochwasserereignisses.
Aus der gewährten Soforthilfe für „Haushalt/Hausrat“ in Höhe von 2.400 € durch den Beklagten kann der Kläger keinerlei Rechtsansprüche für weitere Leistungen nach dem Zuschussprogramm Wohngebäude Hochwasser 2016 für sich herleiten.
b) Die Rechtssache weist aus den oben genannten Gründen keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die vom Kläger thematisierte Frage, ob auf „einen Gebäudekomplex und dessen Nutzung oder lediglich auf die (vom Hochwasser betroffene) Teileinheit dieses Komplexes“ abzustellen ist, ist im vorliegenden Fall aus den unter a) angegebenen Gründen nicht entscheidungserheblich.
c) Der geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) liegt nicht vor. Ohne Erfolg bleibt die Rüge des Klägers, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht die von ihm benannten Zeugen D. D. und H. D. nicht einvernommen habe.
Nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Der Untersuchungsgrundsatz gebietet, den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und die hierzu erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Das Tatsachengericht verstößt gegen diesen Grundsatz aber nur dann, wenn sich ihm auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Sicht eine weitere Aufklärung aufdrängen musste (BVerwG, B.v. 5.12.2013 – 3 B 39.13 – juris Rn. 4). Die Aufklärungspflicht verlangt hingegen nicht, dass ein Tatsachengericht Ermittlungen anstellt, die aus seiner Sicht unnötig sind, weil deren Ergebnis nach seinem Rechtsstandpunkt für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich ist (ständige Rechtsprechung, u.a. BVerwG, B.v. 15.10.2019 – 2 B 16.19 – juris Rn. 5). Außerdem stellt die Aufklärungsrüge kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Prozessbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen von förmlichen Beweisanträgen, zu kompensieren (u.a. BVerwG, B.v. 6.3.1995 – 6 B 81.94 – juris Rn. 9).
Im vorliegenden Fall war nach der – zutreffenden – Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts die Frage, ab wann Herr D. D. auf dem vom Hochwasser betroffenen Grundstück FlNr. 218 Autoteile gelagert und die Reifenwerkstatt eröffnet hat, nicht entscheidungserheblich (S. 7 des Urteils), so dass sich die Einvernahme der vom Kläger benannten Zeugen erübrigte. Die Tatsache, dass – nach dem Brand 2012 -zum maßgeblichen Zeitpunkt des Hochwassers im gesamten Anwesen lediglich eine Wohnung (auf den Grundstücken FlNr. 214/215) nutzbar blieb und genutzt worden ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig und deshalb ebenfalls nicht durch Einvernahme von Zeugen beweisbedürftig. Der Schluss des Klägers, dass eine nur untergeordnete gewerbliche Nutzung durch Herrn D. D. gleichzeitig zu einem überwiegend zu Wohnzwecken genutzten Gebäude führen würde, geht schon deshalb fehl, weil es in dem vom Brand beschädigten Gebäudebestand – mit Ausnahme einer Mietwohnung – an jeglicher Nutzung fehlt.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47‚ § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

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