Aktenzeichen 34 Wx 29/17
ZPO ZPO § 775 Nr. 2, § 867
Leitsatz
1. Auch mit der Beschwerde kann ein Amtswiderspruch gegen die Eintragung einer Zwangshypothek nicht verlangt werden, wenn das Grundbuchamt bei der Eintragungstätigkeit gesetzliche Vorschriften nicht verletzt, sondern das Gesetz auf den ihm unterbreiteten – wenn auch unerkannt und bei gehöriger Prüfung nicht erkennbar unrichtigen oder unvollständigen – Sachverhalt richtig angewandt hat (Anschluss an OLG Frankfurt FGPrax 2003, 197; OLG Hamm FGPrax 2005, 192; OLG Schleswig FGPrax 2007, 210; KG ZIP 2010, 2467; OLG Nürnberg ZfIR 2012, 289; entgegen OLG Celle Rpfleger 1990, 112). (amtlicher Leitsatz)
Tenor
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die je zugunsten der … vorgenommene Eintragung
– einer Zwangssicherungshypothek in Höhe von 50.000 € zuzüglich Zinsen im Grundbuch des Amtsgerichts Freising von … Blatt … (Dritte Abteilung, lfd. Nr. X) am 27. Dezember 2016 sowie
– zweier Zwangssicherungshypotheken in Höhe von jeweils 25.000 € zuzüglich Zinsen im Grundbuch des Amtsgerichts Freising von … Blatt … (Dritte Abteilung, lfd. Nrn. X und X) je am 30. Dezember 2016
wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beteiligte zu 1 ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 28.2.2015 verstorbenen D. K., der im Grundbuch als Eigentümer von Grundbesitz (Bl. … und Bl. …) eingetragen war. Seit 7.11.2016 sind auf der Grundlage eines Erbscheins des Amtsgerichts F. in Abteilung I eine Erbengemeinschaft und gemäß nachlassgerichtlicher Bestellung in Abteilung II ein Testamentsvollstreckervermerk eingetragen.
Am 23.12.2016/29.12.2016 beantragte die Beteiligte zu 2 beim Grundbuchamt unter Vorlage einer vollstreckbar ausgefertigten Notarurkunde über die „Bestellung einer Grundschuld mit Übernahme der persönlichen Haftung und mit Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung“ vom 14.10.2013, in der sich der Erblasser zur Zahlung eines Betrages in Höhe der Grundschuld von 1.050.000 € zuzüglich Zinsen verpflichtet hatte, zu ihren Gunsten eine Zwangshypothek zu 50.000 € (Blatt …) sowie zwei Zwangshypotheken zu je 25.000 € (Blatt …) einzutragen. Nach der am 18.8.2016 notariell erteilten Vollstreckungsklausel wurde die Titelausfertigung der Beteiligten zu 2 zum Zwecke der Zwangsvollstreckung gegen den Beteiligten zu 1 in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker erteilt. Die Zustellung einer beglaubigten Abschrift der Urkunde erfolgte laut Gerichtsvollzieherurkunde am 7.9.2016.
Das Grundbuchamt nahm die Eintragungen am 27.12.2016 (Blatt …) und 30.12.2016 (Blatt …) vor und teilte dies einem Mitglied der Erbengemeinschaft mit.
Hiergegen wendet sich der anwaltlich vertretene Beteiligte zu 1 mit Beschwerde vom 12.1.2017, mit der er die Eintragung von Amtswidersprüchen begehrt. Er macht unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift der gerichtlichen Entscheidung geltend, das zuständige Landgericht habe mit einstweiliger Anordnung vom 27.12.2016, dem Beteiligten zu 1 über seine Prozessbevollmächtigten bekannt gegeben am 30.12.2016, die Zwangsvollstreckung aus dem gegenständlichen Titel ohne Sicherheitsleistung bis zum Erlass eines Urteils über die gegen die Beteiligte zu 2 erhobene Vollstreckungsabwehrklage einstweilen eingestellt. Weil mit dem Existentwerden dieser Entscheidung die Zwangsvollstreckung unzulässig geworden sei, verstoße die Fortsetzung der Vollstreckung durch die gegenständlichen Maßnahmen gegen das Gesetz. Das Grundbuch sei durch die Eintragungen unrichtig geworden.
Außerdem regt der Beteiligte zu 1 den Erlass einer einstweiligen Anordnung an.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
Auf den Hinweis, dass die Eintragung eines Amtswiderspruchs nach herrschender Meinung dann nicht in Betracht kommt, wenn das Grundbuchamt – wie hier – von dem Einstellungsbeschluss keine Kenntnis hatte, hat der Beteiligte zu 1 an seinem Rechtsmittel festgehalten.
II. Das Rechtsmittel ist erfolglos.
1. Das Rechtsmittel ist als beschränkte Beschwerde statthaft. Gegen die Eintragung einer Zwangshypothek im Grundbuch kann der betroffene Eigentümer nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 2 GBO Beschwerde mit dem Ziel einlegen, gemäß § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der beanstandeten Eintragung oder – was hier aber ausscheidet und auch nicht beantragt ist – gemäß § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO deren Löschung wegen inhaltlicher Unzulässigkeit herbeizuführen.
Auch im Übrigen erweist sich die Beschwerde als zulässig. Der durch Zeugnis ausgewiesene Testamentsvollstrecker ist als Partei kraft Amtes befugt, im eigenen Namen die Eintragung eines Widerspruchs für die eingetragene Erbengemeinschaft, zu deren Gunsten der Widerspruch einzutragen wäre, im Rechtsmittelzug zu verfolgen (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 219).
2. Die Beschwerde bleibt aber erfolglos, weil das Grundbuchamt die Eintragungen ohne Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen hat (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GBO).
a) Auch im Weg der Beschwerde nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO kann die Eintragung eines Amtswiderspruchs nur dann mit Erfolg verlangt werden, wenn die beanstandete Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt ist und das Grundbuch dadurch unrichtig geworden ist; dabei müssen die Gesetzesverletzung feststehen und die Unrichtigkeit des Grundbuchs glaubhaft sein.
aa) Eine Gesetzesverletzung bei der Eintragungstätigkeit liegt nicht vor, wenn das Grundbuchamt auf den ihm unterbreiteten Sachverhalt das Gesetz zutreffend angewendet hat, dieser Sachverhalt aber – vom Grundbuchamt nicht erkannt und bei gehöriger Prüfung auch nicht erkennbar – unrichtig oder unvollständig gewesen ist (BGHZ 30, 255 mit ausführlicher Begründung; Demharter GBO 30. Aufl. § 53 Rn. 22).
bb) Dieser Maßstab ist auch dann anzulegen, wenn die Eintragung eines Amtswiderspruchs Ziel eines Beschwerdeverfahrens nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO ist (OLG Frankfurt FGPrax 2003, 197 sowie NJW-RR 2007, 1248; OLG Hamm FGPrax 2005, 192 sowie vom 23.2.2010, 15 Wx 27/10, juris; OLG Schleswig FGPrax 2007, 210; KG ZIP 2010, 2467; OLG Nürnberg ZfIR 2012, 289; Demharter § 53 Rn. 23; KEHE/Briesemeister GBO 7. Aufl. § 71 Rn. 23; Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 36 mit 45).
Dies ergibt sich aus der Verweisung des § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO auf § 53 GBO. Danach kann mit der beschränkten Beschwerde gegen eine bereits vollzogene Eintragung nur die Anweisung an das Grundbuchamt verlangt werden, „nach § 53 einen Widerspruch einzutragen oder eine Löschung vorzunehmen“. Die Voraussetzungen für die Eintragung eines Widerspruchs richten sich demgemäß nach § 53 GBO.
Zwar hat das Oberlandesgericht Celle in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung (Rpfleger 1990, 112) gemeint, zur Gewährung effektiven Grundrechtsschutzes (Art. 14, 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG) sei bei Eintragungen, die ohne vorherige Anhörung des Schuldners im Weg der Vollstreckung vorgenommen wurden, dieser Grundsatz aufzuweichen (vgl. auch Meikel/Schmidt-Räntsch GBO 11. Aufl. § 71 Rn. 83). Die Eintragung eines Amtswiderspruchs sei nach verfassungskonformem Normenverständnis bereits dann zuzulassen, wenn objektiv die vollstreckungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vorgelegen haben und der Vollstreckungsschuldner auf die Grundbuchbeschwerde zur Grundrechtswahrung angewiesen sei. Ob dem in dieser Allgemeinheit gefolgt werden kann, kann dahinstehen. Effektiver Grundrechtsschutz erfordert jedenfalls vorliegend eine den Gesetzeswortlaut ausdehnende Auslegung nicht. Ausreichender Rechts- und Eigentumsschutz ist dadurch gewährleistet, dass im Weg der einstweiligen Verfügung die Eintragung eines Widerspruchs nach §§ 894, 899 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 BGB i. V. m. § 935 ZPO verfolgt werden kann; dieser Rechtsbehelf setzt eine Gesetzesverletzung des Grundbuchamts nicht voraus (Demharter § 53 Rn. 23; Münzberg Rpfleger 1990, 253).
In seiner Effizienz steht der Rechtsbehelf der einstweiligen Verfügung hinter dem der Grundbuchbeschwerde nach § 71 Abs. 2 GBO auch unter Berücksichtigung der verfahrensbedingten Unterschiede nicht zurück (vgl. auch Dümig FGPrax 2003, 198/199, der den Weg über die einstweilige Verfügung sogar als vorzugswürdig bezeichnet; aber auch Hügel/Kramer § 71 Rn. 103).
Eine Rechtsschutzlücke besteht daher nicht. Dass dem Vollstreckungsschuldner gegen die Eintragung einer Zwangshypothek die allgemeinen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe nach §§ 537, 766, 793 ZPO nicht zur Verfügung stehen (Hügel/Kramer § 71 Rn. 71 m. w. N.; Münzberg in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 867 Rn. 36 ff), bedeutet jedenfalls vorliegend nicht, dass er rechtsschutzlos wäre.
Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz erfordert es nicht, einem Grundeigentümer für das erstrebte Ziel mehrere Rechtsbehelfe zur Verfügung zu stellen.
b) Gesetzliche Vorschriften hat das Grundbuchamt bei Eintragung der Zwangshypotheken nicht verletzt.
Die vollstreckungsrechtlichen und grundbuchrechtlichen Eintragungsvoraussetzungen (vgl. Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 2168 ff; Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 867 Rn. 5 ff) lagen nach dem dem Grundbuchamt zur Zeit der Eintragung unterbreiteten Sachverhalt vor (Demharter § 53 Rn. 22).
Die Eintragung erfolgte nach Maßgabe der §§ 866, 867 ZPO, §§ 13, 28 GBO aufgrund eines wirksamen Eintragungsantrags der anwaltlich vertretenen Gläubigerin unter Beigabe eines Titels, der aufgrund der gegen den Testamentsvollstrecker lautenden Vollstreckungsklausel die Zwangsvollstreckung in die hier betroffenen Grundstücke als Bestandteile des Nachlasses erlaubt (vgl. §§ 704, 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO i. V. m. § 748 Abs. 1, §§ 749, 727 Abs. 1 ZPO). Das beurkundete Zahlungsversprechen ist auf einen hinreichend bestimmt bezeichneten Betrag gerichtet (§ 1113 Abs. 1, § 1184 Abs. 1 BGB, § 867 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Die Zustellung der Vollstreckungsklausel an den Beteiligten zu 1 (§ 750 Abs. 2 ZPO) ist durch Urkunde gemäß § 182 ZPO nachgewiesen. Auch die gemäß § 867 Abs. 2 ZPO gebotene Verteilung ist erfolgt.
Dass die Zwangsvollstreckung aufgrund der einstweiligen Anordnung vom 27.12.2016 nach § 769 Abs. 1 ZPO ohne Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt und mit deren Erlass die Vornahme von Vollstreckungsmaßnahmen – wie die Eintragung von Zwangshypotheken nach § 867 ZPO – nach § 775 Nr. 2 ZPO unzulässig wurde, war dem Grundbuchamt weder am 27.12.2016 noch am 30.12.2016 bekannt. Die objektive Unvollständigkeit des ihm unterbreiteten Sachverhalts konnte das Grundbuchamt auch nicht erkennen. Es sind keine Umstände ersichtlich, die eine diesbezügliche Prüfung veranlasst hätten. Im Antragsverfahren ist das Grundbuchamt nicht verpflichtet, von Amts wegen Ermittlungen anzustellen.
III. Eine Kostenentscheidung (§§ 81, 84 FamFG) ist nicht veranlasst. Die Pflicht, die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, folgt schon aus dem Gesetz, § 22 Abs. 1 GNotKG. Die Vollstreckungsgläubigerin hat zwar eine Äußerung zur Beschwerde abgegeben, sich jedoch nicht mit entgegengesetztem Antrag am Verfahren beteiligt.
Einer Geschäftswertfestsetzung bedarf es nicht. Der Wert des Beschwerdeverfahrens entspricht dem Gesamtbetrag der beanstandeten Zwangshypotheken (§ 79 Abs. 1 Satz 2, § 53 Abs. 1 GNotKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor. Insbesondere bedarf es einer Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 78 Abs. 2 Nr. 1 GBO. Die Rechtsauffassung des Senats stimmt überein mit derjenigen der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main (FGPrax 2003, 197), Hamm (FGPrax 2005, 192), Schleswig (FGPrax 2007, 210) und Nürnberg (ZfIR 2012, 289) sowie des Kammergerichts (ZIP 2010, 2467). Die tragenden Gründe der vereinzelt gebliebenen und im Ergebnis abweichenden Entscheidung des Oberlandesgerichts Celle betreffen nur die Frage einer Rechtsschutzerweiterung zur Gewährung verfassungsrechtlich gebotenen effektiven Rechtsschutzes, die bezogen auf den jeweiligen Einzelfall zu beantworten ist (vgl. BGH Rpfleger 2007, 134).
Mit der Entscheidung in der Hauptsache hat sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 76 GBO erledigt.