Aktenzeichen VI 522/18
Leitsatz
Die Annahme der Erbschaft ist – anders als die Ausschlagung und die Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung – an keine Form gebunden und nicht empfangsbedürftig; sie kann auch stillschweigend erklärt werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die zur Begründung des Antrags vom 12.12.2018 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.
2. Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird ausgesetzt.
Die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.
Gründe
I.
Am 25.05.2018 verstarb ….
Der Verstorbene war deutscher Staatsangehöriger und hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt am Wohnort.
Er hatte keine außerhalb einer Ehe geborenen Kinder und niemanden für ehelich erklärt oder als Kind angenommen.
Der Verstorbene war verheiratet in einziger Ehe mit ….
In der Ehe galt der Güterstand der Zugewinngemeinschaft.
Ein Ehescheidungs- oder Eheaufhebungsverfahren ist nicht anhängig.
Die Ehe war kinderlos.
Der Verstorbene entstammte der Ehe zwischen … und … .
Aus ihrer Ehe sind hervorgegangen:
– der Erblasser
– …
Eine Verfugung von Todes wegen des Verstorbenen ist nicht vorhanden.
Am 04.07.2018 unterzeichneten die Eltern des Erblassers … sowie die Ehefrau des Erblassers … ein mit „Nachlassverfügung mit Haftungserklarung“ überschriebenes Formular der Sparkasse … Hierin heißt es auszugsweise:
„… ich versichere/Wir versichern hiermit ausdrücklich, dass ich/wir der/die alleinige(n) Erbe(n) des Erblassers bin/sind und dass Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung, Nachlasspflegschaft oder Nachlasskonkurs nicht angeordnet ist.
Ich/Wir bitte(n) die Sparkasse, auf die Vorlegung eines Erbscheins zu verzichten und die Guthaben bzw. Wertpapiere nach Verrechnung mit etwaigen Forderungen der Sparkasse gegen den Erblasser wie folgt zu übertragen/auszuzahlen:
….
Derzeit ist keine Übertragung gewünscht, diese erfolgt nach Vorlage des Erbscheins. Lediglich das Girokonto Nr. … wird wieder für den Zahlungsverkehr freigeschalten. Aufträge sind beleghaft mit allen 3 Unterschriften (siehe unten) im Original einzureichen ….“
Am 23.08.2018 wurde die Ausschlagung der Erbschaft von … zu Protokoll des Nachlassgerichts Landsberg erklärt.
Mit Antrag vom 12.12.2018, aufgenommen zu Protokoll des Nachlassgerichts Landsberg am Lech, beantragte die Beteiligte … die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von
1. …
zu 3/4 – drei Viertel –
2. …
zu 1/8 – einem Achtel –
3. …
zu 1/8 – einem Achtel –
Mit Schreiben vom 12.12.2018, eingegangen beim Nachlassgericht Landsberg am Lech am 18.12.2018, erklärten die Beteiligten … die Anfechtung der Annahme der Erbschaft sowie der Versäumung der Ausschlagungsfrist.
II.
Der Erbschein ist wie beantragt zu erteilen.
1. Aufgrund Gesetzes wurde der Erblasser beerbt von
– …
zu 3/4 – drei Viertei –
– …
zu 1/8 – einem Achtel –
– …
zu 1/8 – einem Achtel –
Mangels Vorliegens einer Verfügung von Todes wegen, gilt die gesetzliche Erbfolge. Danach hat die Beteiligte … den mit ihr im Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebenden Erblasser gem. § 1931 Abs. 1, Abs. 3 i.V.m. § 1371 Abs. 1 BGB zu drei Viertel beerbt.
Daneben sind die Eltern des Erblassers … Erben zu jeweils einem Achtel geworden (§ 1925 Abs. 1, Abs. 2 BGB).
2. Die Beteiligten … haben die Erbschaft auch nicht wirksam ausgeschlagen, da die Ausschlagung der Erbschaft am 23.08.2018 gem. § 1943 BGB wegen der vorangegangenen Annahme der Erbschaft durch Unterzeichnung der „Nachlassverfügung mit Haftungserklärung“ am 04.07.2018 nicht mehr möglich war.
Die Annahme der Erbschaft ist – anders als die Ausschlagung und die Anfechtung der Annahme oder Ausschlagung – an keine Form gebunden und nicht empfangsbedürftig; sie kann auch stillschweigend erklärt werden. Da die Rechtsfolgen der Annahme auf die Nachlassbeteiligten ausgerichtet sind, die sich nunmehr auf die endgültige Erbenstellung verlassen können, entspricht es dem Zweck der Vorschrift, eine bindende Annahmeerklärung grundsätzlich nur dann zu bejahen, wenn die Erklärung gegenüber einem Nachlassbeteiligten abgegeben wurde (zum Vorstehenden: MüKoBGB/Leipold, 6. Aufl. 2013, § 1943 Rn. 3; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl. 2014, § 1943 Rn. 1 m.w.N.). Die Annahme durch schlüssiges Verhalten setzt eine nach außen erkennbare Handlung des Erben voraus, aus der unter Berücksichtigung der Umstände der Schluss zu ziehen ist, der Erbe habe sich zur endgültigen Übernahme des Nachlasses entschlossen Das Verhaften muss Dritten gegenüber objektiv eindeutig zum Ausdruck bringen, Erbe zu sein und die Erbschaft behalten zu wollen (vgl. nur BayObLGZ 1983, 153 [159] = BeckRS 2010, 08036; BayObLG, NJW-RR 2005, 232 = ZEV 2006, 455; OLG Hamm, NJOZ 2004, 3842 = FamRZ 2005, 306; MüKoBGB/Leipold, §§ 1943 Rn. 4; Palandt/Weidlich, §§ 1943 Rn. 2 m.w.N.). Ob eine schlüssige Erklärung der Annahme vorliegt, ist bei Wertung aller Umstände des Einzelfalls anhand des Verhaltens des möglichen Erben zu ermitteln Hierbei stellen zum Betspiel das Anbieten eines Nachlassgrundstücks (so OLG Oldenburg, NJW-RR 1995, 141) oder die Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände eine Annahme der Erbschaft durch schlüssiges Verhalten dar.
Danach haben die Eltern des Erblassers gegenüber der Ehefrau als Miterbin und der Sparkasse als Nachlassschuldnerin deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie am Nachlass partizipieren und hierüber verfügen wollen.
3. Die Beteiligten … haben die Annahme der Erbschaft auch nicht durch das Scnreiben vom 12.12.2018 an das Nachlassgericht Landsberg am Lech wirksam gem. §§ 1954 ff. BGB i.V.m. § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB angefochten.
Es fehlt am Vorliegen eines für die Abgabe der Willenserklärung kausalen Irrtums. In Betracht kommt nur ein Erklärungsirrtum i.S.d. § 119 Abs. 1, 1. Alt. BGB. Ein solcher liegt vor, wenn der äußere Tatbestand der Erklärung dem Willen des Erklärenden entspricht, der Erklärende aber über Bedeutung oder Tragweite der Erklärung irrt, Voraussetzung hierfür ist stets eine unbewusste Unkenntnis vom wirklichen Sachverhalt. Kein Irrtum liegt daher vor, wenn der Erklärende eine Erklärung in dem Bewusstseln abgibt, ihren Inhalt nicht zu kennen. Wer eine Urkunde ungelesen unterschreibt, hat daher kein Anfechtungsrecht (Palandt, 77. Aufl., 2018, § 119, Rn. 9 m.w.N.).
Die Beteiligten … haben in ihrem Schreiben vom 12.12.2018 angegeben, sie hätten „diesen kleingedruckten Text nicht gelesen“. Angesichts dessen, dass das Formular nur aus einer Seite besteht und außer dem kleingedruckten Text im wesentlichen nur aus der Bezeichnung des Erblassers und seiner Konten sowie der Beteiligten mit Unterschriftszeile besteht, haben die Beteiligten … den Inhalt der Erklärung bei Unterzeichnung nicht gekannt und sich damit auch nicht im Rechtssinne geirrt.
Kausal für die Abgabe der Willenserklärung war zudem nicht die (Fehl-)vorstellung über den Inhalt der Erklärung, sondern das Ziel Auskunft über die Konten des Erblassers bei der Sparkasse … zu erhalten. Diese Auskunft hat die Sparkasse von der Unterzeichnung der „Nachlassverfügung mit Haftungserklärung“ abhängig gemacht.
Damit bleibt es bei der wirksamen Annahme der Erbschaft durch die Beteiligten …..