Erbrecht

Aufhebung der Kostenentscheidung des Nachlassgerichts wegen nicht angefallener Kosten im Erbscheinerteilungsverfahren

Aktenzeichen  31 Wx 409/16 Kost

Datum:
6.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2017, 1961
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
GNotKG § 22 Abs. 1, § 81 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 3, Abs. 6 S. 2
KostO § 2 Nr. 1

 

Leitsatz

1. Zur Kostentragungspflicht im Erbscheinserteilungsverfahren, wenn nach einem erfolglosen Erbscheinsantrag ein anderer Beteiligter einen erfolgreichen Antrag stellt und sich dabei Ergebnisse des ursprünglichen Verfahrens zunutze macht.
2 Grundsätzlich ist das “gerichtliche Verfahren” im Sinne des § 22 Abs. 1 GNotKG das konkrete Erbscheinverfahren, nicht jedoch das gesamte Nachlassverfahren nach dem Tode einer Person. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3 Daher kann der tatsächliche Erbe nicht aus § 22 Abs. 1 GNotKG für Kosten aus einem anderen Erbscheinverfahren herangezogen werden, an dem er nicht beteiligt war, selbst wenn sich aus diesem positive Erkenntnisse für das weitere Erbscheinverfahren des tatsächlichen Erben ergeben. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Nachlassgericht – vom 14.10.2016 aufgehoben.

Gründe

Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen den Kostenansatz durch das Nachlassgericht, mit dem ihr die Kosten für die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Klärung der Testierfähigkeit des Erblassers in Rechnung gestellt wurden.
Das vom Nachlassgericht betriebene Nachlassverfahren hat im Hinblick auf den erteilten Erbschein folgenden Verlauf genommen:
1. Mit Antrag vom 27.09.2012 beantragten die am ursprünglichen Verfahren beteiligten Brüder T.S., A.S. und W.S. einen gemeinschaftlichen Erbschein auf die Grundlage des Testaments des Erblassers vom 12.03.2009. Das Nachlassgericht hatte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers und erholte daraufhin von Amts wegen augrund Beschlusses vom 4.10.2013 ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Klärung der Frage, ob der Erblasser bei Errichtung der Testamente vom 31.3.2006 und 12.3.2009 testierfähig war. Nachdem der Sachverständige sein Gutachten erstattet hatte und zu dem Ergebnis kam, der Erblasser sei zwar im Jahre 2009, nicht aber im Jahre 2006 testierunfähig gewesen, wies das Nachlassgericht mit Beschluss vom 26.11.2015 den vorgenannten Erbscheinsantrag der Gebrüder S. mit der Begründung zurück, der Erblasser sei bei Errichtung des fraglichen Testaments testierunfähig gewesen. Die Beschwerdeführerin war an diesem Erbscheinserteilungsverfahren beteiligt worden.
Hinsichtlich der Kosten des Verfahrens entschied das Nachlassgericht:
„Die Kostenentscheidung nach § 81 FamFG ist nicht veranlasst, so dass sich die Kostentragungspflicht nach der Kostenordnung bzw. dem GNotKG richtet.“
2. Die Beschwerdeführerin beantragte ihrerseits am 08.04.2016 einen Erbschein aufgrund des weiteren, vom Erblasser früher errichteten Testaments vom 31.03.2006; diesem Antrag entsprach das Nachlassgericht mit Erteilung des Erbscheins vom 08.07.2016.
Nachfolgend stellte das Nachlassgericht der Beschwerdeführerin die Verfahrenskosten in Rechnung, es setzte dabei insbesondere Kosten in Höhe von 4.971,29 € für die Einholung des genannten psychiatrischen Sachverständigengutachtens vom 30.6.2014 zur Klärung der Testierfähigkeit des Erblassers an.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beschwerdeführerin gegen diesen Kostenansatz. Sie ist der Ansicht, diese Kosten könnten ihr nicht auferlegt werden, da sie nicht in ihrem Erbscheinsverfahren angefallen seien.
Der Vertreter der Staatskasse hatte Gelegenheit zur Stellungnahme. Er ist der Ansicht, dass die Beschwerdeführerin die Kosten tragen müsse, weil ihr das Ergebnis des psychiatrischen Sachverständigengutachtens letztlich zugute komme.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere übersteigt der Beschwerdewert mit 4.971,29 € die Wertgrenze des § 81 Abs. 2 Satz 1 GNotKG (200,- €).
Zur Entscheidung über die Beschwerde ist der Senat in seiner vom Gerichtsverfassungsgesetz vorgesehenen Besetzung berufen, nachdem der Einzelrichter das Verfahren auf den Senat gemäß § 81 Abs. 6 Satz 2 GNotKG übertragen hat.
2. Die Beschwerde ist auch in der Sache erfolgreich. Die angefochtene Entscheidung des Nachlassgerichts war aufzuheben, da ein Kostenansatz für die Kosten des gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Klärung der Frage der Testierfähigkeit im Hinblick auf die Beschwerdeführerin nicht in Betracht kommt.
In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob der Kostenansatz in dem Erbscheinsantrag der ursprünglich am Verfahren Beteiligten T.S., A.S. und W.S. wurzelt oder ob der Kostenansatz im Erbscheinsantrag der Beschwerdeführerin vom 08.04.2016 resultiert.
a) Bezogen auf den Beschluss des Nachlassgerichts vom 26.11.2015, in dem der Erbscheinsantrag von T.S., A.S. und W.S. zurückgewiesen wurde, kommt eine Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht in Betracht, weil das Nachlassgericht in diesem Beschluss ausdrücklich entschieden hat, dass keine Kostenentscheidung nach § 81 GNotKG ergeht, sich die Kostentragungspflicht vielmehr nach dem Gesetz richte.
Damit liegt eine abschließende und ausdrückliche Entscheidung über die Kosten dieses Verfahrens mit der Folge vor, dass sich die Kostentragungspflicht ausschließlich nach § 2 Nr. 1 KostO bzw. § 26 GNotKG richtet. Danach tragen aber allein die Antragsteller die Kosten des Verfahrens. Antragsteller im vorgenannten Erbscheinsverfahren waren jedoch ausschließlich die Gebrüder S.
b) Eine Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin folgt auch nicht aus dem Umstand, dass sie ihrerseits am 08.04.2016 (erfolgreich) einen eigenen Erbscheinsantrag gestellt hat und ihr dabei das Ergebnis des Sachverständigengutachtens zugute kam. Eine Kostentragungspflicht könnte sich dabei nur aus dem Gesetz (§ 22 ff GNotKG) ergeben, da eine gerichtliche Entscheidung (§ 81 GNotKG) nicht vorliegt.
Die Beschwerdeführerin haftet nicht als Antragstellerin des Erbscheins gemäß § 22 GNotKG für die Kosten des psychiatrischen Sachverständigengutachtens.
aa) Maßgeblich ist insoweit, dass diese Kosten nicht in dem von ihr durch Antragstellung eingeleiteten Erbscheinsverfahren, sondern vielmehr im Erbscheinsverfahren der Brüder S. angefallen sind. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass unter dem Begriff des Verfahrens im Sinne des FamFG und damit auch im Sinne des GNotKG nämlich stets das konkrete Nachlassverfahren (Erbscheinserteilung, Erbscheinseinziehung, Ernennung eines Testamentsvollstreckers etc.) und nicht das gesamte Nachlassverfahren nach dem Tode einer Person als Ganzes gemeint ist, denn jedes dieser Verfahren ist selbständig und hat grundsätzlich ein eigenes Schicksal (Rojahn in: Burandt/Rojahn, 2. Aufl. , § 58 FamFG, Rn. 5; Palandt/Weidlich, BGB, 76. Aufl. , § 2353 Rn. 7).
bb) Unter Berücksichtigung und Übertragung dieser Grundsätze auf § 22 GNotKG meint „gerichtliches Verfahren“ damit stets das konkrete Erbscheinserteilungsverfahren und mithin das Verfahren, das durch den Erbscheinsantrag der Beteiligten vom 8.4.2016 eingeleitet wurde. Nur bezogen auf diesen Antrag können der Beschwerdeführerin Kosten nach dem Grundsatz auferlegt werden, dass derjenige, der ein Verfahren beantragt hat, insoweit als Kostenschuldner herangezogen werden kann. Das gilt jedenfalls dann, wenn, wie vorliegend, der spätere Erbscheinsantrag zu einem Zeitpunkt gestellt wird, in dem über den früheren Erbscheinsantrag bereits abschließend entschieden worden ist (vgl. OLG Stuttgart FGPrax 2011, 50).
Da das psychiatrische Sachverständigengutachten jedoch nicht in diesem Verfahren der Beschwerdeführerin eingeholt wurde, sondern bereits im Erbscheinserteilungsverfahren der Gebrüder S., können die Kosten dafür auch nicht im Verfahren der Beschwerdeführerin angesetzt werden. Hätte die Beschwerdeführerin nicht ihrerseits einen Erbscheinsantrag gestellt, hätte diese Konsequenz von vornherein auf der Hand gelegen.
cc) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Bezirksrevisor angeführten Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts (FGPrax 2004, 138). In dieser Entscheidung war es vielmehr so, dass der Kostenschuldner einen verfahrensrechtlichen Antrag in Aussicht gestellt hatte, woraufhin ein Sachverständigengutachten erholt worden ist und der Antrag dann später ausblieb. Im Gegensatz dazu wurde hier mit Schriftsatz der Verfahrensbevollmächtigten der Beschwerdeführerin vom 22.5.2012 lediglich angefragt, ob bereits ein Erbscheinsantrag gestellt worden sei. Später erklärte die Beschwerdeführerin im Rahmen der gerichtlichen Anhörung am 27.9.2012, sich dem Antrag der Gebrüder S. vom selben Tag nicht anschließen zu wollen und äuerte Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers bei Errichtung des späteren Testaments. Das reicht aber nicht aus, um darin mit der Rechtsprechung des BayObLG insgesamt einen Antrag auf Einleitung eines (eigenen) Nachlassverfahrens zu erblicken.
dd) Die Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin ergibt sich schließlich auch nicht aus § 24 Ziff. 9 GNotKG, da die Erbenermittlung nach dieser Vorschrift nur eine solche nach § 1960 BGB meint. Das ist ersichtlich nicht der Fall.
Aus den vorgenannten Gründen scheidet eine Kostentragungspflicht der Beschwerdeführerin für die Kosten des gerichtlichen Sachverständigengutachtens vom 30.6.2014 unter allen rechtlichen Gesichtspunkten aus, so dass die Entscheidung des Nachlassgerichts aufzuheben war. Ob das Nachlassgericht im Beschluss vom 26.11.2015 der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens insoweit (§ 81 FamFG) hätte auferlegen können mit der Begründung, diese kämen ihr letztlich zugute, muss der Senat, da eine solche Entscheidung nicht vorliegt, nicht beurteilen.
Eine Kostenentscheidung ist bei der erfolgreichen Beschwerde nicht veranlasst.
iv. Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 81 Abs. 3 Satz 3 GNotKG.

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