Erbrecht

Bewertungsstichtag

Aktenzeichen  15 K 2779/18

Datum:
26.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2020, 329
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
ErbStG § 11, § 13b Abs. 2a S. 1
UmwStG § 2 Abs. 1, § 20 Abs. 5
BewG § 151 Abs. 1 Nr. 2
FGO § 90 a, § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Eine ertragsteuerliche Rückwirkung, wie sie durch § 2 UmwStG zugelassen ist, lässt die Anwendung des § 11 ErbStG unberührt. Denn die Frage, welches Vermögen zum Nachlass eines Erblassers gehörte bzw. was Gegenstand einer unentgeltlichen Zuwendung war, beurteilt sich ausschließlich nach zivil- bzw. erbschaftsteuerrechtlich maßgeblichen Verhältnissen zum Bewertungsstichtag (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG ist auf Einbringungen gemäß § 24 UmwStG nicht anwendbar. (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass für die Wertermittlung der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer – im Streitfall gemäß § 9 I Nr. 1 ErbStG der Todestag des Vaters des Klägers – maßgebend ist, ist nur möglich, soweit dies im ErbStG geregelt ist, nicht hingegen im Hinblick auf Rückwirkungsfiktionen aufgrund ertragsteuerrechtlicher Vorschriften wie zB § 2 UmwStG bzw. § 20 V UmwStG. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der angefochtene Feststellungsbescheid vom 7. Februar 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Zu Recht hat das FA dem Feststellungsbescheid die am Todestag des Vaters des Klägers (5. Juni 2013) wirksamen Verhältnisse zugrunde gelegt und nachträgliche Änderungen unberücksichtigt gelassen. Am 5. Juni 2013 war die Firma A GmbH & Co. KG noch nicht auf die Firma B GmbH & Co. KG verschmolzen. Die hierfür erforderliche Eintragung ins Handelsregister (vgl. § 16 Abs. 1 UmwG) erfolgte erst am 30. Juli 2013. Damit war Gegenstand des Erwerbs des Klägers von Todes wegen der Anteil seines Vaters an der Firma B GmbH & Co. KG vor der Verschmelzung.
a) Gem. § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG ist der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am Betriebsvermögen (§§ 95, 96, 97) gesondert festzustellen (§ 179 AO) wenn die Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind.
Nach § 13b Abs. 2a Satz 1 ErbStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung stellt das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Finanzamt im Sinne des § 152 Nummer 1 bis 3 BewG die Summen der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens im Sinne des Absatzes 2 Satz 2 Nummer 1 bis 5 und des jungen Verwaltungsvermögens im Sinne des Absatzes 2 Satz 3 gesondert fest, wenn diese Werte für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies entsprechend, wenn nur ein Anteil am Betriebsvermögen im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 übertragen wird.
Gem. § 13a Abs. 1a Satz 1 ErbStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung stellt das für die Bewertung der wirtschaftlichen Einheit örtlich zuständige Finanzamt im Sinne des § 152 Nummer 1 bis 3 BewG die Ausgangslohnsumme, die Anzahl der Beschäftigten und die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen gesondert fest, wenn diese Angaben für die Erbschaftsteuer oder eine andere Feststellung im Sinne dieser Vorschrift von Bedeutung sind.
Nach § 11 ErbStG ist für die Wertermittlung der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend, soweit in diesem Gesetz (ErbStG) nichts anderes bestimmt ist. Gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG entsteht die Steuer bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers.
b) Dies zugrunde gelegt, waren im Streitfall die Verhältnisse am Todestag des Vaters des Klägers, am 5. Juni 2013, maßgebend. Zu diesem Zeitpunkt war zwar der notarielle Verschmelzungsvertrag vom 4. Juni 2013 bereits unterzeichnet, mit dem die Firma A GmbH & Co. KG ihr Vermögen als Ganzes unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege der Aufnahme auf die übernehmende Gesellschaft, die Firma B GmbH & Co. KG, übertrug. Zudem wurde als Verschmelzungsstichtag der 1. Januar 2013 vereinbart. Die Verschmelzung mit ihren Folgen wurde allerdings erst nach Anmeldung gem. § 16 Abs. 1 UmwG mit Eintragung in das Handelsregister am 30. Juli 2013 wirksam. Gem. § 9 ErbStG entsteht die Erbschaftsteuer hingegen mit dem Tode des Erblassers, also am 5. Juni 2013. Und § 9 ErbStG ist zwingend anzuwenden, nachträgliche (Wert-)änderungen bleiben grundsätzlich außer Betracht (vgl. Jochum in: ErbStG – eKommentar, § 11 Rz. 8).
aa) Nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit des bürgerlichen Rechts für das Erbschaftsteuerrecht ist die ertragsteuerliche Beurteilung für die erbschaftsteuerliche Beurteilung ohne Bedeutung. Es kommt für die Erbschaftsteuer allein auf die zivilrechtliche Rechtslage an (vgl. Geck in Kapp/Ebeling, § 11 ErbStG Rz. 27). Auch eine ertragsteuerliche Rückwirkung, wie sie durch § 2 UmwStG (bzw. § 20 Abs. 5 UmwStG) zugelassen ist, lässt die Anwendung des § 11 ErbStG unberührt. Denn die Frage, welches Vermögen zum Nachlass eines Erblassers gehörte bzw. was Gegenstand einer unentgeltlichen Zuwendung war, beurteilt sich ausschließlich nach zivil- bzw. erbschaftsteuerrechtlich maßgeblichen Verhältnissen zum Bewertungsstichtag (Pahlke, in F/P/W, ErbStG, 6. Auflage § 11 Rz. 37; R E 11 ErbStH 2013; Weinmann, in Moench/Weinmann, ErbStG, § 11 Rz. 2; Jochum, in Wilms, ErbStG, § 11  Rz. 12).
Dementsprechend regelt auch das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen in der Fassung vom 11. November 2011 Az.: IV C 2-S. 1978-b/08/10001//2011/0903665, BStBl I 2011, 1314 unter Rz. 01.01, dass die Vorschriften des UmwStG ausschließlich die steuerlichen Folgen von Umwandlungen und Einbringungen für die Körperschaft-, Einkommen- und Gewerbesteuer regeln und nicht für andere Steuerarten (z.B. die Umsatz-, die Grunderwerb- oder die Erbschaftsteuer).
bb) Entgegen der Ansicht des Klägers wäre jedoch auch die Rückwirkungsfiktion des § 2 UmwStG schon nicht auf Einbringungen gem. § 24 UmwStG anwendbar. Denn die Regelungen des § 2 UmwStG zur Rückwirkung einer Umwandlung gelten nur für die im zweiten bis fünften Teil des UmwStG behandelten Umwandlungen, nicht für die Einbringungen (vgl. z.B. Widmann/Wiedmann in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, 1. Aufl. 2002, 181. Lieferung, § 2 Rz. R 1, Schrameyer in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, 117. Lieferung 01.2020, § 2 UmwStG Rz. 2).
Die Ansicht des Klägers wird auch nicht durch § 24 Abs. 4 UmwStG i.V.m. § 20 Abs. 5  UmwStG gestützt, wonach das Einkommen und das Vermögen des Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft auf Antrag so zu ermitteln sind, als ob das eingebrachte Betriebsvermögen mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags (Abs. 6) auf die Übernehmerin übergegangen wäre.
Denn nach § 11 ErbStG ist eine Ausnahme vom Grundsatz, dass für die Wertermittlung der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer maßgebend ist – im Streitfall gem. § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Todestag des Vaters des Klägers – nur möglich, soweit dies im ErbStG geregelt ist („…soweit in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist…“). Keine Bestimmungen „dieses Gesetzes“ sind Rückwirkungsfiktionen aufgrund ertragsteuerrechtlicher Vorschriften, z.B. § 2 UmwStG bzw. § 20 Abs. 5 UmwStG (vgl. Gottschalk in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 11 Tz. 56 m.w.N.; vgl. oben unter 1. b) aa).
cc) Die dem streitigen Feststellungsbescheid vom FA zugrunde gelegte Rechtsauffassung entspricht auch der Rechtsprechung des BFH. Ausweislich des Urteils des BFH vom 4. Juli 1984 II R 73/81, BStBl II 1984, 772 zu § 3 Abs. 1 UmwStG 1969, einer Vorgängervorschrift mit Rückwirkungsfiktion, wird die Vorfrage, was Gegenstand der unentgeltlichen Zuwendung war, nicht durch § 3 Abs. 1 UmwStG 1969 berührt. Es gehe – so der BFH – insoweit nicht mehr um die „Vermögensermittlung“, sondern um die bürgerlich-rechtliche Vorfrage, was Gegenstand der unentgeltlichen Zuwendung war. Diese Vorfrage wird durch § 3 Abs. 1 UmwStG 1969 nicht berührt. Der im Zeitpunkt der Entstehung der Steuer vorhandene Gegenstand einer unentgeltlichen Zuwendung/Erbschaft kann – entgegen der Ansicht des Klägers – auch nicht geändert werden, unabhängig davon, ob – wie der Kläger vorbringt – alle zur Durchführung der Verschmelzung erforderlichen Rechtshandlungen zum Zeitpunkt des Todes des Vaters des Klägers bereits erfolgt gewesen wären. Ob dies im Streitfall geschehen ist, kann daher dahingestellt bleiben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
3. Es erscheint als sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90 a FGO).
4. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 FGO zugelassen.

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