Aktenzeichen 57 VI 1885/18
Leitsatz
Tenor
1. Die zur Begründung des Antrags der Beteiligten K. vom 02.04.2019 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Tatsachen werden für festgestellt erachtet.
2. Der Erbscheinsantrag vom 12.04.2019 des Beteiligten Ha. R. L. wird zurückgewiesen.
3. Die sofortige Wirksamkeit von Ziffer 1 dieses Beschlusses wird ausgesetzt.
Die Erteilung des Erbscheins wird bis zur Rechtskraft dieses Beschlusses zurückgestellt.
4. Die Beteiligten R. L. und G. K. tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Die außergerichtlichen Aufwendungen tragen die Beteiligten jeweils selbst.
5. Der Nachlasswert wird auf 222.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Am …2018 verstarb L. Ro. J., geboren am …, letzte Anschrift: …, B.
Der Verstorbene war deutscher Staatsangehöriger und hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt am Wohnort.
Er hatte keine außerhalb einer Ehe geborenen Kinder und niemanden für ehelich erklärt oder als Kind angenommen.
Der Verstorbene war verheiratet in einziger Ehe mit L. Ch., geb. …, geboren am … verstorben am …2013, letzte Anschrift …, Gu., Az.: … AG Bamberg.
Aus der Ehe ging hervor:
L. Ro., geboren am …, H.
An Testamenten liegen vor:
•aus …13 bezüglich des 2. Sterbefalls entnommenes eigenhändiges gemeinschaftliches Testament der Eheleute L. Ro. J. und L. Ch. vom 18.08.1999. In diesem Testament setzten die beiden Ehegatten den gemeinsamen Sohn R. L. zum Alleinerben nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten ein. Es enthält die Klausel: „Auch im Falle, dass es mit unserem Sohn zu familiären Zuwiderhandlungen kommen sollte, sind wir berechtigt das Testament zu annulieren.
•notarielles Testament vom 07.01.2014 beurkundet durch Notar Dr. R. G. Bamberg, URNr. R …/2014
•In diesem Testament wurden die Beteiligten K. und L. je zur Hälfte als Erben eingesetzt.
Mit Antrag vom 02.04.2019 beantragte die Beteiligte K. die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von
L. Ha. R.,
geboren am … H.
allein.
Am 12.04.2019 beantragte der Beteiligte L. Ha. R. … die Erteilung eines Erbscheins dahingehend, dass der Erblasser beerbt wird von
L. Ha. R.,
geboren am … H.
allein.
Die Beteiligte K. Ge. A. begründet dieses Erbrecht wie folgt: Die Erbfolge richte sich nach dem notariellen Testament vom 07.01.2014. Der Erblasser habe das gemeinschaftliche Testament vom 18.08.1999 abändern dürfen, weil es von Seiten des Beteiligten Ha. R. L. zu familiären Verfehlungen gekommen sei. Der Sohn habe den Vater in den letzten zwei Jahren vor Errichtung des Testaments von 2014 nur viermal besucht und sich ansonsten nicht um ihn gekümmert. Der Erblasser habe im Jahr 2008 einen Schlaganfall erlitten, habe unter Betreuung gestanden und sei zuletzt im … Heim in B. untergebracht gewesen. Der Sohn habe den Vater weder zum 90. Geburtstag besucht, noch zu Weihnachten oder anderen Feiertagen. Dies sei auch nach dem Tod der Mutter im Jahr 2013 so gewesen.
Der Beteiligte L. Ha. R. bestreitet dieses Erbrecht mit der Begründung, dass das gemeinschaftliche Testament vom 18.08.1999 für den Erblasser bindend gewesen sei und seine. Ehefrau nicht einverstanden gewesen wäre, dass nach Ihrem Tod die Beteiligte K. Miterbin werde, weil diese die Ehe zwischen den Eheleuten L. gestört habe. Der Sohn habe aufgrund der Differenzen zwischen den Eheleuten Partei für die Mutter ergriffen und sei täglich mit der Mutter in Kontakt gewesen.
Der Erblasser sei bei der Errichtung des Testaments testierunfähig gewesen, weil er einen schweren Schlaganfall verbunden mit einer Himschädigung erlitten hatte.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die Schriftsätze von Rechtsanwalt K. vom 09.01.2019 und 18.02.2016 und von Rechtsanwalt K. vom 22.01.2019 verwiesen.
Das Gericht hat die Betreuungsakte für den Erblasser … und die Nachlassakte der Ehefrau des Erblassers … beigezogen. Hier wird insbesonder auf das Anhörungsprotokoll vom 04.12.2013 verwiesen.
Es hat die Zeugen P., P., O., Mü. Mo. und D., S., K. H. vernommen. Wegen des Beweisergebnisses wird auf das Protokoll vom 25.06.2019 verwiesen.
II.
Die Erbfolge richtet sich nach dem Testament vom 07.01.2014. Die Bindungswirkung das gemeinschaftlichen Testaments vom 18.08.1999 gemäß § 2271 Abs. 2 BGB bestand zum Zeitpunkt der Errichtung des Testaments nicht mehr.
1. Das Testament vom 18.08.1999 wurde formwirksam gemäß § 2267 BGB errichtet. Es wurde vom Erblasser eigenhändig geschrieben und von seiner Ehefrau unterschrieben.
Die Klausel, dass das Testament bei „familiären Zuwiderhandlungen“ des Sohnes annuliert werden dürfe, ist auslegungsbedürftig. Sie ist so zu verstehen, dass bei einem ernsthaften Verstoß gegen den familiären Zusammenhalt das Testament geändert werden dürfe.
2. Das Gericht sieht zumindest in dem Verhalten des Beteiligten R. L. nach dem Tod der Mutter am 19.05.20113 diese Klausel als erfüllt an.
Dies konnte das Gericht zwar nicht aus der Aussage der zahlreich vernommenen Zeugen, mit Ausnahme der Zeugin H. K. entnehmen. Die Zeugen außer Frau K. wussten wenig aus eigener Anschauung darüber, wie sich der Beteiligte R. L. gegenüber dem Erblasser verhalten hat.
Die frühere Betreuerin des Erblassers P. sagte aus, das Verhältnis zwischen Vater und Sohn sei nicht zerrüttet gewesen. Sie wisse nicht, ob der Sohn den Vater im Heim besucht habe. Der Sohn sei auf den Vater „sauer“ gewesen, weil er wegen Frau K. die Mutter verlassen habe. Der Sohn habe seine Mutter täglich besucht. Der Erblasser habe sich gewünscht den Sohn zu sehen. Sie habe aber keinen Kontakt zu dem Sohn aufgenommen.
Die Zeugen Mü., früherer Heimleiter des Altenheims und O., Pflegedienstleiter im Altenheim und die Zeugen W. und D. Mo., Bekannte des Erblassers wussten nichts über das Vater-Sohn-Verhältnis auszusagen.
Der Zeugen P. ein weiter Verwandter des Erblassers gab an, dass dem Erblasser bei Fragen nach dem Sohn die Tränen in die Augen stiegen. Deswegen habe er das Thema nicht mehr angesprochen. Bei seinen Besuchen beim Erblasser, auch am 90. Geburtstag, sei der Sohn nicht anwesend gewesen.
Die Zeugin S. die den Erblasser über die Beteiligte K. und deren Tochter kennengelernt hatte, gab an, sie kenne den Sohn nicht. Der Erblasser habe zu ihr gesagt, das Verhältnis zum Sohn sei schlecht, er habe ihn noch nicht besucht.
Die Zeugin H. K. Tochter der Beteiligten K. sagte aus, dass sich der Erblasser den Besuch seines Sohnes sehr gewünscht habe. Zwar sei ihre Mutter täglich bei dem Erblasser im Pflegeheim gewesen, man hätte es aber so machen können, dass ihre Mutter nicht da ist, wenn der Sohn kommt. Sie habe keinen Kontakt zum Sohn aufgenommen, weil der Sohn keinen Kontakt aufgenommen habe.
Zur Beziehung des Erblassers mit ihrer Mutter sagte die Zeugin aus, der Erblasser habe zu Hause noch gewohnt und ein Zimmer gehabt, habe seiner Frau das Haushaltsgeld gegeben, geputzt und dafür gesorgt, „dass alles läuft“. Er sei aber mit ihrer Mutter in Urlaub gefahren. Erst nach dem Schlaganfall habe sich das geändert. Der Erblasser lebte danach im Altenheim.
Zudem klangen im Verfahren noch Gesichtspunkte an, dass der Beteiligte R. L. einfach strukturiert ist. Deshalb hielt die Rechtspflegerin nach der Aufnahme des Erbscheinsantrags in einem Vermerk fest, dass er diverse Angaben zu Verwandtschaftsverhältnissen machen konnte und auch die Bedeutung der eidesstattlichen Versicherung zu verstehen schien. Dazu erklärte Rechtsanwalt K., der mit dem Beteiligten verwandt ist, er stehe nicht unter Betreuung und komme im Alltag zurecht. Die Zeugin K. gab an, dass der Beteiligte R. L. den Führerschein habe und Auto fahre.
Das Gericht ist der Ansicht, dass die Reaktion des Sohnes auf die Liebesbeziehung, die der Erblasser zur Beteiligten K. aufgenommen hatte, für sich genommen, noch keine familiäre Verfehlung darstellt. Es ist bei der geschilderten Sachlage wie die Beziehung zwischen dem Erblasser und der Ehefrau gelebt wurde, gut nachvollziehbar, dass sich der Sohn auf die Seite seiner Mutter stellte, die, wie auch Rechtsanwalt K. angab, unter der Beziehung des Erblassers zur Beteiligten K. sehr stark litt.
Allerdings nahm der Beteiligte R. L. auch nach dem Tod der Mutter im Mai 2013 keinen Kontakt mehr zum Erblaser auf. Dies hätte bei Würdigung der Gesamtsituation von dem Beteiligten R. L. erwartet werden können. Zwar ist hier zu berücksichtigen, dass keine der Personen, die sich um den Erblasser kümmerten, auf die Idee gekommen ist, dem Erblasser seinen Herzenswunsch zu erfüllen und Kontakt mit dem Sohn R. aufzunehmen. Dennoch wäre der Kontaktaufnahme nach dem Tod der Mutter nichts im Wege gestanden.
Der Beteiligte R. L. wusste seit der Anhörung im Nachlassverfahren nach seiner Mutter am 04.12.2013, dass sein Vater davon ausging, dass das Verhältnis zerrüttet ist. Bei der damaligen Anhörung schilderte der Erblaser, der Sohn habe ihn in den letzten 2 Jahren nur viermal besucht. Das Verhältnis sei 1999 noch gut gewesen, jetzt nicht mehr. Auch die Formulierung der „familiären Zuwiderhandlung“ wurde im Beisein des Sohnes erörtert. Es lag in seiner Hand, das Verhältnis zu verbessern, das Gespräch mit dem Erblasser zu suchen, eine Änderung der Einstellung des Erblassers zu bewirken. Trotzdem entschied sich der Sohn dafür, den Kontakt zum Erblasser nicht mehr aufzunehmen und auch den 90 Geburtstag des Erblassers am 27.12.2014 ohne ein Zeichen der Verbundenheit verstreichen zu lassen. Für das Gericht ist des zwar aufgrund der Vorgeschichte eine verständliche Reaktion. Der Beteiligte R. L. muss dann aber auch die Konsequenzen seines Verhaltens tragen. Dass er hierzu intellektuell in der Lage war, entnimmt das Gericht den Angaben, dass der Beteiligte R. L. nicht unter Betreuung steht und seinen Alltag normal regeln kann.
3. Das Testament vom 07.01.2014 wurde wirksam errichtet. Der Erblasser war zum Errichtungszeitpunkt testierfähig. Das Gericht sieht es nicht für erforderlich an, insoweit noch weitere Ermittlungen anzustellen. Die erkennende Richterin hat noch gute Erinnerung an die Anhörung des Erblassers im Nachlassverfahren nach der Ehefrau am 04.12.2013. Der Erblasser litt zwar unter Sprachstörungen und war schwer zu verstehen. Es war aber, wie sich auch aus dem Protokoll über die Anhörung ergibt, nicht etwa so, dass ihm alle Antworten vorgesagt wurden und er nur mit ja oder nein antwortete. Er sprach vielmehr von sich aus und nur um Missverständnisse auszuschließen, wurde von mir die Antwort wiederholt. In einem Fall wurde das, was ich verstanden hatte auch berichtigt (ich hatte verstanden, der Sohn sei im letzten Jahr nur vier Mal da gewesen, ich wurde verbessert auch die letzten zwei Jahre). Auch der Notar hatte bei der Errichtung des Testaments keine Zweifel an der Testierfähigkeit des Erblassers.
4. Keine Rolle bei der Entscheidung spielt, dass es nicht im Sinne der Ehefrau gewesen ist, das Testament so zu ändern, wie geschehen. Die Ehegatten hatten bei der Errichtung des Testaments vom 18.08.2019 eindeutig formuliert, dass das Testament im Falle familiärer Zuwiderhandlungen annulliert werden könne. Damit gaben sie dem überlebenden Ehegatten das Recht völlig neu zu testieren.
Nach allem stehen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Erbscheins nach dem Antrag der Beteiligten K. fest.
II.
Der Erbscheinsantrag des Beteiligten R. L., ihn als Alleinerben festzustellen, ist daher zurückzuweisen.
III.
Da Ziffer 1 des Beschlusses dem erklärten Willen des Beteiligten R. L. widerspricht, wurde die Wirksamkeit ausgesetzt und die Erteilung des Erbscheins bis nach der Rechtskraft zurückgestellt (§ 352 Abs. 2 FamFG).
IV.
Es entspricht der Billigkeit, dass die Beteiligte die Gerichtskosten des Verfahrens als Gesamtschuldner tragen. Die außergerichtlichen Aufwendungen tragen dagegen die Beteiligten jeweils selbst (§ 81 Abs. 1 FamFG).
V.
Die Festsetzung des Nachlasswertes beruht auf der Abrechnung der Betreuerin, die im Betreuungsverfahren das Endvermögen mit 222.011,46 € mitgeteilt hat.