Aktenzeichen 34 Wx 22/17
Leitsatz
1. Der Formvorschrift des § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht genügt, wenn der Gläubiger des Auflassungsanspruchs allein das rechtskräftige Urteil gegen den Schuldner auf Erteilung und Entgegennahme der Auflassungserklärung beim Grundbuchamt vorlegt, selbst wenn der Schuldner nach dem Vertrag die Vollmacht hatte, auch für den Gläubiger die Auflassung zu erklären.
2. Hat das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung erlassen, obwohl das benannte Hindernis nicht mit rückwirkender Kraft behebbar ist, und wird das Hindernis binnen der gesetzten Frist beseitigt, so gilt der Antrag als erst mit der Beseitigung des Hindernisses als neu gestellt.
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Grundbuchamts vom 27. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf … € festgesetzt.
Gründe
I.
Im Grundbuch ist die T. GmbH als Eigentümerin von Wohnungseigentum eingetragen. Über dieses schloss sie mit dem Beteiligten am 9.3.2011 einen Kaufvertrag. In Ziff. XIV. (Vollmachten) ist dort geregelt:
Der Käufer erteilt dem Verkäufer, seinen vertretungsberechtigten Organen und den von ihm Unterbevollmächtigten unter Befreiung von allen gesetzlichen Beschränkungen und über den Tod hinaus Vollmacht
1. Die Auflassung zu erklären und entgegenzunehmen und alle zweckmäßigen Erklärungen und Anträge zu deren Vollzug abzugeben und entgegenzunehmen …
Das vom Beteiligten angerufene Landgericht erließ am 23.7.2015 gegen die T. GmbH ein Endurteil mit folgendem Tenor:
I.
Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übergabe einer schriftlichen, selbstschuldnerischen, unwiderruflichen, unbefristeten und unbedingten Bankbürgschaft in Höhe von … € die Auflassung zur Kaufvertragsurkunde des Notars … zu erteilen und entgegenzunehmen und den Notar … anzuweisen, die Umschreibung des mit seiner Urkunde vom … vom Kläger erworbenen Eigentums im Grundbuch an der durch die Vormerkung gesicherten Rangstelle … zu beantragen, Zug um Zug gegen Löschung der dort eingetragenen Vormerkung.
II.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug mit der unter Ziffer I. erwähnten Übergabe einer Bürgschaft in Höhe von … € befindet.
Dieses Urteil mit Rechtskraftvermerk vom 6.7.2016 legte der Beteiligte durch seinen Anwalt am 21.7.2016 dem Grundbuchamt vor und beantragte, die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu vollziehen.
Das Grundbuchamt beanstandete mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 4.8.2016/19.8.2016 als Eintragungshindernis, dass das Urteil nur die Willenserklärung des Verkäufers ersetze und dem Erfordernis der gleichzeitigen Anwesenheit (§ 925 Abs. 1 BGB) nur dadurch genügt werde, dass der Beteiligte die Auflassungserklärung unter Vorlage des rechtskräftigen Urteils vor dem Notar abgibt.
Auf Antrag des Insolvenzgerichts vom 24.8.2016 unter Übersendung des Beschlusses nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InsO vom 9.8.2016 hat das Grundbuchamt am gleichen Tag in Abteilung II lfd. Nr. 2 des Grundbuchs den Vermerk eingetragen, dass Verfügungen der Schuldnerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wurde sodann am 12.12.2016 eingetragen.
Am 14.9.2016 gab der Beteiligte zu notarieller Urkunde unter Vorlage des Urteils vom 23.7.2015 die Erklärung ab, dem Eigentumsübergang zuzustimmen und die Auflassung zu erklären. Die Ausfertigung der notariellen Urkunde hat der Beteiligte am 28.9.2016 dem Grundbuchamt durch seinen Anwalt übersandt, woraufhin das Grundbuchamt am 29.9.2016 unter Bezugnahme auf ein Telefonat vom 15.9.2016 schriftlich mitgeteilt hat, dass noch die Zustimmung des Insolvenzverwalters in der Form des § 29 GBO vorzulegen sei. Auf Bitte des Beteiligten um einen rechtsmittelfähigen Bescheid hat das Grundbuchamt am 27.12.2016 wiederum eine fristsetzende Zwischenverfügung erlassen, in der nun als Hindernis die Zustimmung des Insolvenzverwalters samt Nachweis der Insolvenzverwaltereigenschaft gemäß §§ 19, 29 GBO, § 80 InsO gefordert wird.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 10.1.2017. Die Zustimmung des Insolvenzverwalters sei nicht erforderlich. Die Verurteilung der Firma T. GmbH zur Abgabe der Zustimmungserklärung sei schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens rechtskräftig geworden, der Antrag auf Eintragung schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt. Es habe nur an der rechtlichen Unkenntnis der Rechtspflegerin gelegen, dass die Eintragung nicht unverzüglich erfolgt sei, da sie die Bestimmung des § 894 ZPO nicht gekannt habe. Auch der Insolvenzverwalter habe bestätigt, dass es keiner weiteren zu beurkundenden Erklärung bedürfe.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde am 12.1.2017 nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Gegen die ergangene Zwischenverfügung (§ 18 GBO) ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. mit § 71 Abs. 1 GBO die unbeschränkte Beschwerde statthaft. Sie ist auch in zulässiger Form eingelegt (§ 73 GBO, § 10 FamFG).
2. In Anbetracht des begrenzten Prüfungsumfangs des Beschwerdegerichts bei angegriffenen Zwischenverfügungen (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 77 Rn. 11.1) ist nur das genannte Hindernis der fehlenden Zustimmung des Insolvenzverwalters zu überprüfen. Dieses hat das Grundbuchamt mit der Zwischenverfügung zutreffend beanstandet.
a) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt eine absolut wirkende Verfügungsentziehung zulasten der Befugnisse des Schuldners hinsichtlich der Gegenstände der Insolvenzmasse dar, § 80 Abs. 1, § 81 Abs. 1 Satz 1 InsO (Hügel/Hügel Verfb Rn. 12). Vor Verfahrenseröffnung wirkt – in gleicher Weise absolut – ein Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InsO (vgl. Kössinger in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 19 Rn. 183).
Für die Frage, ob eine solche Verfügungsbeschränkung im Grundbuchverfahren zu berücksichtigen ist, ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Vornahme der Eintragung maßgeblich (Kössinger in Bauer/von Oefele § 19 Rn. 163). Verfügungsbeschränkungen nach §§ 21 und 81 InsO entfalten dabei auch ohne die Eintragung im Grundbuch schon ihre Wirkung, der Schuldner verliert damit die Befugnis über sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verfügen (vgl. Hügel/Wilsch InsR Rn. 63; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 3138; MüKo/Gruber ZPO 5. Aufl. § 894 Rn. 15). Um zu verhindern, dass der Begünstigte durch eine während des Eintragungsverfahrens eintretende Verfügungsbeschränkung außerhalb des Grundbuchs seine Rechtsposition wieder verliert (vgl. Kössinger in Bauer/von Oefele § 1 Rn. 163; Palandt/Herrler BGB 76. Aufl. § 878 Rn. 10), regelt § 878, dass eine bindend gewordene Erklärung (vgl. Staudinger/Gursky BGB Bearb. 2007 § 878 Rn. 32 f.) nicht dadurch unwirksam wird, dass der Veräußerer in seiner Verfügung beschränkt wird, nachdem die Erklärung für ihn bindend geworden und der Antrag auf Eintragung beim Grundbuchamt gestellt ist.
b) Vorliegend war die Anordnung nach § 21 InsO am 9.8.2016 ergangen und der entsprechende Vermerk nach § 21 InsO am 24.8.2016 im Grundbuch eingetragen worden. Bei Vorlage der erforderlichen notariellen Urkunde am 28.9.2016 stand daher gemäß § 21 InsO der beantragten Eintragung des Beteiligten die fehlende Zustimmung des Insolvenzverwalters entgegen (Hügel/Wilsch Stichwort InsR Rn. 31). Gleiches gilt nunmehr in Folge des am 12.12.2016 eingetragenen Insolvenzvermerks. Dass der Insolvenzverwalter anderer Rechtsansicht sein soll, ist ohne Belang. Weder § 878 BGB noch der vom Grundbuchamt mit „Zwischenverfügung“ bezeichneten Hinweis vom 4.8.2016/19.8.2016 stehen dem Erfordernis der Zustimmung des Insolvenzverwalters entgegen.
aa) Die Formulierung des § 878 BGB, dass die Verfügungsbeeinträchtigung den Rechtserwerb nicht mehr beeinflussen kann, wenn die vom Berechtigten abgegebene Erklärung schon bindend geworden ist, ist im Falle der Einigung nach § 873 BGB insofern irreführend, als die Bindung durch die Auflassung nur für beide Teile gleichzeitig eintreten kann (Staudinger/Gursky § 878 Rn. 33). Es genügt für § 878 BGB daher nicht, wenn bei Eintritt der Verfügungsbeschränkung eine Einigungsofferte und eine formgemäße Eintragungsbewilligung vorliegen, die Annahme aber nicht erklärt war (Staudinger/Gursky a. a. O.).
Die Vorlage des Urteils des Landgerichts beim Grundbuchamt allein konnte nicht die Wirkung des § 878 BGB auslösen, denn dieses stellte nicht die von beiden Seiten erklärte Auflassung dar (BayObLG RNotZ 2005, 362; OLG Celle DNotZ 1979, 308/309; Hügel/Hügel § 20 Rn. 44; Staudinger/Pfeiffer/Diehn Bearb. 2017 § 925 Rn. 84; Grün in Bamberger/Roth § 925 Rn. 22). Die Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung nach § 894 ZPO kann nämlich nach seit jeher einhelliger Ansicht nur die Abgabe der Erklärung des Auflassungsschuldners ersetzen, nicht auch die des Gläubigers (BayObLG RNotZ 2005, 362/363, Rpfleger 1983, 390/391 mit Anm. Stolle; OLG Celle DNotZ 1979, 308/309; KG DNotZ 36, 204/205, RGZ 76,. 409/411, Rpfleger 2012, 525; Seiler in Thomas/Putzo ZPO 37. Aufl. § 894 R. 9; Zöller/Stöber ZPO 31. Aufl. § 894 Rn. 7; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann ZPO 75. Aufl. § 894 Rn. 19; Brehm in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 894 Rn. 27; MüKo/Gruber ZPO § 894 R. 17; Rensen in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 894 Rn. 23; Lackmann in Musielak/Voit ZPO 13. Aufl. § 894 Rn. 12; Olzen in Prütting/Gehrlein ZPO 7. Aufl. § 894 Rn. 11; Bruns/Peters Zwangsvollstreckungsrecht 3. Aufl. § 46, II.1.).
Ob der Beteiligte mit dem Urteil die Abgabe der Auflassungserklärung nicht nur in eigenem Namen, sondern auch in Ausübung der Vollmacht erwirken wollte, erscheint schon angesichts des Wortlauts des Urteilstenors fraglich, kann jedoch dahinstehen. Das Urteil kann nicht die Auflassungserklärung des Gläubigers in Ausübung der im Kaufvertrag erteilten Vollmacht ersetzen, § 894 ZPO enthält nämlich keine Ausnahme von der Formvorschrift des § 925 Abs. 1 BGB. Diese Vorschrift verlangt zwar nicht die gleichzeitige persönliche Anwesenheit vor dem Notar, jedoch die Abgabe der Erklärungen – auch durch einen Bevollmächtigten – vor dem Notar (BayObLG Rpfleger 1983, 390/391). Da die Willenserklärung des Schuldners erst mit der Rechtskraft des Titels, und nicht zu einem früheren Zeitpunkt, als abgegeben gilt, hat der Gläubiger dem Erfordernis des § 925 Abs. 1 Satz 1 BGB dadurch Rechnung zu tragen, dass er seinerseits unter Vorlage des Urteils die Auflassung vor dem Notar erklärt (vgl. BayObLG Rpfleger 1983, 390; Schöner/Stöber Rn. 747).
Letzteres ist – trotz entsprechendem Hinweis des Grundbuchamts mit Verfügung vom 4.8.2016 – erst am 14.9.2016 geschehen und am 28.9.2016 dem Grundbuchamt vorgelegt worden, somit zu einem Zeitpunkt, als der Vermerk nach § 21 InsO schon im Grundbuch eingetragen war.
bb) Auch die Tatsache, dass das Grundbuchamt am 4.8.2016 eine mit Zwischenverfügung bezeichnete Verfügung erließ und die Frist mit Verfügung vom 19.8.2016 verlängerte, ändert an dem Ergebnis nichts.
Das Grundbuchamt hätte am 4.8.2016 statt einer Zwischenverfügung gemäß § 18 Abs. 1 GBO zwar zutreffend nur einen rechtlichen Hinweis erteilen dürfen. Das Grundbuchamt verlangte nämlich mit der „Zwischenverfügung“ eine formgemäße Auflassungserklärung (§§ 20, 29 GBO). Bei einem solchen Hindernis ist eine Zwischenverfügung jedoch nicht zulässig, weil ihre Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Zwischenverfügung dient allein dem Zweck, einer beantragten Eintragung den nach dem Antrag sich bestimmenden Rang zu sichern, der mit sofortiger Zurückweisung nicht gewahrt wäre. Sie ist daher nicht zulässig, wenn der Mangel nicht mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann (zuletzt BGH Rpfleger 2014, 580/581; NJW 2014, 1002; Demharter § 18 Rn. 8). Hat das Grundbuchamt jedoch – in der Regel aus Gründen der Kostenersparnis für den Antragsteller – statt der sofortigen Zurückweisung des Antrags mit Gewährung rechtlichen Gehörs eine Frist zur Behebung des Hindernisses gesetzt und wird das Hindernis binnen der Frist beseitigt, so wirkt dies nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Antragstellung zurück; vielmehr gilt der Antrag als erst mit der Beseitigung des Hindernisses als neu gestellt (vgl. BGH NJW 2001, 1134; Wilke in Bauer/von Oefele § 17 Rn. 10; Demharter § 18 Rn. 8; Schöner/Stöber Rn. 118; Meikel § 18 Rn. 49). Einen Vertrauenstatbestand schafft eine zu Unrecht erlassene Zwischenverfügung nicht, da dieser zulasten nachrangiger Antragsteller ginge, die einen Anspruch auf rangrichtige Verbescheidung haben.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; vielmehr ergibt sich die Kostenfolge für die Beschwerdeinstanz aus dem Gesetz (vgl. § 22 Abs. 1 GNotKG).
Den gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG festzusetzenden Geschäftswert bestimmt der Senat nach dem Kaufpreis des Grundbesitzes, der übertragen werden soll (vgl. § 46 GNotKG).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.