Erbrecht

Keine nachwirkenden Befugnisse des Testamentsvollstreckers nach Beendigung des Amtes

Aktenzeichen  31 Wx 420/15

Datum:
29.3.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ErbR – 2016, 415
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 1960, § 1961, § 2365
FamFG FamFG § 59 Abs. 1

 

Leitsatz

Eine „nachwirkende” Befugnis, die Anordnungen des Erblassers gegen aus seiner Sicht unzutreffende Entscheidungen zu verteidigen oder die zur Durchsetzung des Erblasserwillens aus seiner Sicht erforderliche Anordnungen zu verlangen, verleiht das Gesetz einem Testamentsvollstrecker, der entlassen wurde oder der aus freien Stücken sein Amt beendet hat, nicht. (redaktioneller Leitsatz)

Gründe

Oberlandesgericht München
Az.: 31 Wx 420/15
VI 000493/10 AG Passau
In Sachen
Dr. Sc. W.-J., zuletzt wohnhaft: … Passau verstorben am … 2010
Erblasser
Beteiligte:
1) M. Berthold, … Passau
Beschwerdeführer
2) Sc. Christa, … Passau
3) Sc. Melanie, … Passau
Verfahrensbevollmächtigte zu 2 und 3: Rechtsanwälte … Witten, Gz. …
wegen Nachlasspflegerbestellung
erlässt das Oberlandesgericht München – 31. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Rieder, den Richter am Oberlandesgericht Krätzschel und den Richter am Oberlandesgericht Gierl
am 29.03.2016
folgenden
Beschluss
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Passau – Nachlassgericht – vom 26.11.2015 wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte zu 1) hat die den Beteiligten zu 2) und 3) im Beschwerdeverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 440.000 Euro festgesetzt.
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer war vom Erblasser mit notariellem Testament vom 21.08.2009 zum Testamentsvollstrecker bestimmt worden. Der Erblasser verstarb am … 2010. Am 13.06.2012 wurde der Beschwerdeführer vom Amtsgericht Passau, Nachlassgericht, zum Testamentsvollstrecker ernannt.
Mit Schreiben vom 28. Juli 2015 erklärte der Beschwerdeführer unter Rückleitung des Originals des Testamentsvollstreckerzeugnisses die Kündigung des Amtes des Testamentsvollstreckers mit sofortiger Wirkung gegenüber dem Amtsgericht Passau, Nachlassgericht. Von dem Recht, einen Nachfolger zu bestimmen, mache er keinen Gebrauch.
Mit Schriftsatz vom 12. November 2015 beantragte der Beschwerdeführer beim Amtsgericht Passau die Ernennung eines Nachlasspflegers.
Mit Beschluss vom 26.11.2015 lehnte das Amtsgericht Passau die Bestellung eines Nachlasspflegers ab.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 01.12.2015 Beschwerde. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet
A Allerdings folgt weder aus seiner Stellung als früherer Testamentsvollstrecker noch als alleinvertretungsberechtigter Vorstand der nicht gegründeten Dr.- W. – Sc. – Stiftung eine Beschwerdebefugnis für den Beschwerdeführer. Eine solche ergibt sich nur aus § 1961 BGB.
1. Aus seiner Funktion als früherer Testamentsvollstrecker ergibt sich für den Beschwerdeführer keine Beschwerdebefugnis nach § 59 Absatz 1 FamFG.
Der Beschwerdeführer war bis zum 28. Juli 2015 Testamentsvollstrecker betreffend den Nachlass des Erblassers Dr. Sc. Als solcher wäre er bis zur Beendigung seines Amtes am 28.07.2015 ggfs. als Beteiligter im Umfang des § 345 FamFG in Betracht gekommen.
Diese potentielle Stellung als Beteiligter hat er aber mit Beendigung seines Amtes als Testamentsvollstrecker verloren. Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Beschwerdeführer vom Nachlassgericht als Testamentsvollstrecker entlassen oder er aus eigenem Entschluss das Amt als Testamentsvollstrecker niedergelegt oder – wie hier – fristlos gekündigt hat. In beiden Fällen ist sein Amt als Testamentsvollstrecker beendet. Eine „nachwirkende” Befugnis, die Anordnungen des Erblassers gegen aus seiner Sicht unzutreffende Entscheidungen zu verteidigen oder die zur Durchsetzung des Erblasserwillens aus seiner Sicht erforderliche Anordnungen zu verlangen, verleiht das Gesetz einem Testamentsvollstrecker, der entlassen wurde oder der aus freien Stücken sein Amt beendet hat, nicht (OLG Karlsruhe MDR 2015,1188).
2. Auch aus seiner Stellung als Vorstand der Dr.- W.- Sc.- Stiftung kann der Beschwerdeführer keine Beschwerdebefugnis im Sinne von § 59 Absatz 1 FamFG ableiten.
Die Stiftung ist, wie der Beschwerdeführer selbst vorträgt .nicht gegründet. Diese bis dato noch nicht gegründete Stiftung war im notariellem Testament des Erblassers Dr. Sc. vom 21.08.2009 als Erbin vorgesehen.
Jedoch richtet sich, wie das OLG München in seinem Beschluss vom 14.03.2012 (31 Wx 488/11 und 31 Wx 514/11) bereits festgestellt hat, die Erbfolge nach Dr. W. Sc. nicht nach dem Testament vom 21.08.2009, sondern nach dem Erbvertrag vom 21.12.1984. Danach haben Christa Sc. und Melanie Sc. den Erblasser beerbt. Demzufolge hat das Amtsgericht Passau am 11.11.2013 einen Erbschein erteilt. Für den Senat richtet sich die Erbfolge somit nach dem erteilten Erbschein, der der vom Senat in vorgenannten Beschluss festgestellten Rechtslage entspricht. Gemäß § 2365 BGB hat dieser Erbschein die Vermutung der Richtigkeit für sich. Wie sich aus dem Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 15.03.2016 ergibt, liegt ein gegenteiliges, rechtskräftiges Urteil in dem zwischen den Beteiligten anhängigen Klageverfahren beim Landgericht Passau bisher nicht vor. Insofern besteht keine Veranlassung für den Senat, von seiner Rechtsauffassung abzuweichen.
Danach kann eine Dr.- Sc.- Stiftung zur Überzeugung des Senats nicht mehr Erbe werden mit der Folge, dass eine Anerkennung der Stiftung auf der Grundlage des Testaments vom 21.08.2009 nach § 80 BGB in Verbindung mit dem Bayerischen Stiftungsgesetz nicht mehr möglich ist. Ausweislich der Ausführungen der Regierung von Niederbayern vom 08.07.2014 hat der Erblasser weder zu Lebzeiten die Anerkennung einer Stiftung beantragt noch ging ein Antrag auf Anerkennung vom Nachlassgericht oder vom damaligen Testamentsvollstrecker, dem Beschwerdeführer ein. Eine vom Erblasser im seinem Testament vom 21.08.2009 angedachte Stiftung ist somit weder als Stiftung unter Lebenden noch als Stiftung von Todes wegen entstanden (§§ 80,81,83 BGB). Da somit die Stiftung nicht existiert, kann sie auch keine für sie handelnden Organe haben.
Somit ist nicht ersichtlich, wie der Beschwerdeführer insoweit in eigenen subjektiven Rechten durch die Entscheidung des Nachlassgerichts Passau, keinen Nachlasspfleger zu bestellen, beeinträchtigt worden sein soll. Auch als vermeintlicher Vorstand einer nicht existenten Dr.-W.-Sc.-Stiftung steht ihm somit keine Beschwerdebefugnis zu.
3. Der Beschwerdeführer ist jedoch insofern beschwerdebefugt im Sinne des § 59 FamFG,a!s er in seinem Schriftsatz vom 12.11.2015 behauptet, noch Aufwendungsersatzansprüche gegen den Nachlass Dr. Sc. zu haben. Insofern liegt darin ein Antrag auf Bestellung eines Nachpflegers nach § 1961 BGB.
Insoweit genügt es schon, dass sich der Beschwerdeführer eines Anspruchs berühmt. § 1961 BGB geht nicht davon aus, dass der Anspruch gegen das Erbe bereits gerichtlich geltend gemacht wird, sondern dass den Nachlassgläubigern die Möglichkeit eingeräumt wird, ihre Ansprüche schon vor Annahme der Erbschaft geltend zu machen und notfalls gerichtlich zu verfolgen (BayObLGZ 1960, 93 unter ll.3.a; OLG München Rpfleger 2014, 205). Das Bestehen eines Anspruchs muss weder bewiesen noch glaubhaft gemacht werden.
Da der vom Beschwerdeführer gestellte Antrag notwendige Verfahrensvoraussetzung für die Bestellung eines Nachlasspflegers nach § 1961 BGB ist, ist er auch beschwerdeberechtigt im Sinne des §59 FamFG.
B Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
1. Nach § 1961 BGB hat das Nachlassgericht in den Fällen des § 1960 Absatz 1 BGB einen Nachlasspfleger zu bestellen, wenn die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs, der sich gegen den Nachlass richtet, von dem Berechtigten beantragt wird.
Die Vorschrift verweist hinsichtlich der Voraussetzungen zunächst auf die Fälle des § 1960 Absatz 1 BGB. Der Erbe darf die Erbschaft noch nicht angenommen haben oder die Annahme muss ungewiss oder der Erbe unbekannt sein. Dass ein Bedürfnis der Nachlasssicherung besteht, ist, anders als bei § 1960 Absatz 1 BGB, nicht Voraussetzung; an die Stelle des Fürsorgebedürfnisses tritt ein Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers, das sich grundsätzlich bereits aus der Tatsache ergibt, dass er einen Anspruch gegen den Nachlass geltend machen will. Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt nur, wenn offenkundig keine Forderung existiert oder die Rechtsverfolgung aus sonstigen Gründen offensichtlich unbegründet oder mutwillig ist (vgl. BayObLG Fam-RZ 2003, 562 m. w. N.)
Bereits im Erbschein vom 11.11.2013 wurden Christa Sc. und Melanie Sc. als Erben je zu 1/2 des Erblassers Dr. W.-J. Sc. ausgewiesen. Beide Erben haben die Erbschaft angenommen. Bei dieser Sachlage ist der Erbe schon wegen der Vermutung des § 2365 BGB nicht unbekannt. Dabei ist nicht letzte Sicherheit erforderlich. Vielmehr reicht bereits eine hohe Wahrscheinlichkeit aus, dass eine bestimmte Person Erbe ist (BayObLG NJW-RR 2002,1518).
Somit sind dem Beschwerdeführer die zu einer sachgemäßen Rechtsverfolgung seiner behaupteten Aufwendungsersatzansprüche erforderlichen Tatsachen bekannt. Er kann seine Ansprüche gegen die im Erbschein ausgewiesenen Erben geltend machen. Der Anordnung einer Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB bedarf es daher nicht.
2. Soweit das Amtsgericht Passau in seinem Beschluss vom 26.11.2015 den Antrag des Beschwerdeführers, einen Nachlasspflegers nach § 1960 BGB zu bestellen, zurückgewiesen hat, ist es dabei zurecht davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die Annahme der Erbschaft und die Erteilung eines Erbscheins eine Sicherung des Nachlasses seitens des Gerichts nicht mehr erforderlich ist. Ein Sicherungsbedürfnis, das nach grundsätzlich nur subsidiär in Betracht zu ziehender staatlicher Fürsorge verlangt, besteht nämlich ab diesem Zeitpunkt nicht mehr.
III. Gemäß § 64 Absatz 1 GNotKG setzt der Senat den Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren unter Bezugnahme auf seine Entscheidung vom 01.09.2015 auf 440.000 € festgesetzt.
Der Beschwerdeführer hat kraft Gesetzes die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen (§ 22 Absatz 1 GNotKG). Die Anordnung der Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2 und 3 beruht auf § 84 Absatz 1 FamFG.

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