Aktenzeichen 472 S 418/19
Leitsatz
Nur bei konkreten Zweifeln an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge ist die Bank berechtigt, ergänzende Erklärungen einzuholen oder sich weitere Unterlagen wie z.B. einen Erbschein vorlegen zu lassen. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
4 C 640/18 2018-12-19 Endurteil AGNOERDLINGEN AG Nördlingen
Tenor
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Nördlingen vom 19.12.2018, Az. 4 C 640/18, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Gründe
Das sorgfältig begründete Urteil weist weder Rechtsfehler im Sinne des § 546 ZPO auf noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Feststellungen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO). Die Kläger haben mangels Pflichtverletzung der Beklagten (Leistungstreuepflicht) keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB auf Erstattung der im Zusammenhang mit der Erteilung des Erbscheins entstandenen Kosten.
Dieses Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu der Entscheidung des BGH vom 05.04.2016, Az. XI ZR 440/15. Der BGH hat dort ausgeführt, dass – sofern ein Nachweis durch Erbschein nicht ausnahmsweise durch eine gesetzliche Sonderregelung vorgeschrieben ist – der Erbe sein Erbrecht grundsätzlich auch in anderer Form nachweisen kann. Während diese Aussage auch den Fall der gesetzlichen Erbfolge mitumfasst, setzt sich der BGH im weiteren mit den Anforderungen an den Nachweis des Erbrechts bei Vorliegen eines eigenhändigen Testaments, wie es dem zu entscheidenden Sachverhalt zu Grunde lag, auseinander. Hierzu führt der BGH aus, dass die Bank bei einem eigenhändigen Testament nicht regelmäßig auf die Vorlage eines Erbscheins bestehen kann. Bei Vorlage einer beglaubigten Ablichtung eines eigenhändigen Testaments nebst einer beglaubigten Abschrift des Eröffnungsprotokolls sei es eine Frage des Einzelfalls, ob dieses die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist. Nicht bereits bei abstrakten, sondern nur bei konkreten Zweifeln an der Richtigkeit der durch das eigenhändige Testament belegten Erbfolge sei die Bank berechtigt, ergänzende Erklärungen einzuholen oder sich weitere Unterlagen wie z.B. einen Erbschein vorlegen zu lassen. Die Beurteilung der Frage, ob die Bank bei Vorlage eines eigenhändigen Testaments die Einholung eines Erbscheins verlangen kann, obliegt laut BGH in erster Linie dem Tatrichter.
Das Erstgericht hat vorliegend nachvollziehbar dargelegt, dass und warum im vorliegenden Fall, in dem es weder ein eigenhändiges noch ein öffentliches Testament gab (der Ehe- und Erbvertrag aus dem Jahr 1966 enthielt keine Regelung für den hier streitgegenständlichen Erbfall), sondern die gesetzliche Erbfolge eingetreten ist, die Beklagte bei Abwägung der beiderseitigen Interessen die vorgelegten Unterlagen nicht als ausreichend ansehen musste, sondern zum Nachweis der Erbenstellung der Kläger die Vorlage eines Erbscheins verlangen durfte, ohne gegen ihre Leistungstreuepflicht zu verstoßen. Die Berufungskammer erachtet die Argumentation des Erstgerichts als grundsätzlich stringent und überzeugend. Das Ergebnis, dass in dem konkreten, hier zu entscheidenden Fall das Verlangen eines Erbscheins keine Pflichtverletzung der Bank darstellt, bedeutet nicht, dass generell nur bei Vorliegen einer aktiven Willenserklärung des Erblassers zur Erbeinsetzung (in einer letztwilligen Verfügung) ein Erbschein zum Nachweis der Erbenstellung entbehrlich ist. Maßgeblich ist eine Abwägung der gegenläufigen Interessen der Erben einerseits und des Kreditinstituts andererseits. Die vom BGH für den Fall des (eigenhändigen) Testaments entwickelten Anforderungen dürfen aufgrund der unterschiedlichen Ausgangssituation nicht unmittelbar auf die gesetzliche Erbfolge übertragen werden. Aus Sicht der Kammer ist es im Hinblick auf das Haftungsrisiko der Bank nicht zu beanstanden, auch die Höhe des Bankguthabens zu berücksichtigen, welche vorliegend mit 284.621,00 € nicht als unerheblich angesehen werden kann. Auch stand das Verlangen eines Erbscheins dem Interesse der Kläger an einer raschen Abwicklung des Nachlasses nicht entgegen.
Eine haftunsbegründende Pflichtverletzung der Beklagten lässt sich auch nicht damit begründen, dass sich die Beklagte aufgrund der bestehenden Vollmachten keinen Erbschein hätte verlangen dürfen. Unabhängig davon, ob die Vollmachten zur Kontoauflösung berechtigt hätten und ob der Beklagten die Generalvollmacht aus dem Jahr 2003 bekannt war, hat der Kläger die Auflösung des Kontos ersichtlich nicht als Vertreter und im Namen des Erblassers, sondern für die Erbengemeinschaft beantragt. Dass eine wirksame Kontovollmacht des Klägers zu 1) – worauf die Berufung zu Recht hinweist – in erster Instanz gar nicht in Streit stand, ist deshalb nicht entscheidungserheblich. Was die Generalvollmacht betrifft, so ist ergänzend anzumerken, dass in erster Instanz nur pauschal vorgetragen bzw. angedeutet wurde, dass sie im Zusammenhang mit der im Februar 2018 beantragten Kontoauflösung gegenüber der Bank überhaupt thematisiert wurde. Der Anlage K2 lässt sich dies ebenso wenig entnehmen wie dem (neuen) Vortrag im Berufungsverfahren, in dem auf das Jahr 2015 abgestellt wird.
Da die Berufung keinen Erfolg haben wird, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 KV GKG).
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.