Aktenzeichen M 10 K 15.5014
KAG Art. 13 Abs. 1 S. 5, Abs. 3
BGB BGB § 1922 Abs. 1
VwGO VwGO § 43 Abs. 1
Leitsatz
Die Stundung einer Beitragsforderung begründet kein höchstpersönliches Recht, welches mit dem Tod des Begünstigten erlischt. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Es wird festgestellt, dass der Beklagten keine fälligen Forderungen aus dem Kanalherstellungsbeitragsbescheid vom 7. August 1987 zustehen.
II.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Entscheidungsgründe:
1. Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Danach kann durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
Die Klägerin hat ein berechtigtes Feststellungsinteresse geltend gemacht. Die Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, dass der Stundungsbescheid vom 17. November 1988 über Kanalherstellungsbeiträge durch den Tod des Vaters der Klägerin erloschen sei und deshalb nunmehr die Klägerin Schuldnerin des mit Bescheid vom 7. August 1987 festgesetzten Kanalherstellungsbeitrags sei bzw. als Grundstückseigentümerin für diesen Beitrag hafte. Demzufolge hat sie den noch offenen Kanalherstellungsbeitrag fällig gestellt, angemahnt und wegen Nichtzahlung Säumniszuschläge festgesetzt; sie beabsichtigt eine weitere Vollstreckung.
Insoweit liegt eine Streitigkeit über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagten vor, da die Beklagte entsprechend ihrer Rechtsauffassung nunmehr die offenen Kanalherstellungsbeiträge beitreiben will. Die Klägerin bestreitet dem gegenüber nicht das Bestehen der Kanalherstellungsbeitragsforderung, ist aber der Auffassung, dass aufgrund der weiterwirkenden Stundung keine Fälligkeit der Beitragsforderung eingetreten sei. Insoweit liegt ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten vor.
Die Klägerin kann ihre Rechte auch nicht durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen, weshalb keine Sperrwirkung für die Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 VwGO eintritt. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Mahnung gegenüber einem angeblich Zahlungspflichtigen kein Verwaltungsakt, sondern der Beginn der Beitreibung. Die Mahnung ergeht, weil nach Auffassung der Beklagten als Gläubigerin die Forderung aufgrund des Kanalherstellungsbeitragsbescheids fällig geworden ist. Mit Eintritt der Fälligkeit entstehen kraft Gesetzes nach § 240 AO Säumniszuschläge auf den offenen Betrag.
Letztlich könnte die Klägerin zwar auch gegen die Zwangsvollstreckung des nach Auffassung der Beklagten fälligen Beitrags sowie der Säumniszuschläge vorgehen. Es erscheint aber angezeigt, im Rahmen des berechtigten Interesses der Klägerin eine Feststellungsklage zuzulassen, um nicht eine zu erwartende Zwangsvollstreckung eskalieren zu lassen. Hierfür sprechen auch prozessökonomische Gründe.
2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Beklagten stehen keine fälligen Forderungen aus dem Kanalherstellungsbeitragsbescheid vom 7. August 1987 zu. Die Stundung des Kanalherstellungsbeitrags durch Stundungsbescheid vom 17. November 1988 gegenüber dem Vater und Rechtsvorgänger der Klägerin wirkt weiter.
2.1 Der Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von 28.080,– DM (14.357,08 Euro), festgesetzt mit Bescheid vom 7. August 1987, wurde von der Beklagten mit dem Stundungsbescheid vom 17. November 1988 wirksam gestundet. Dabei kann dahinstehen, ob zum damaligen Zeitpunkt die rechtlichen Voraussetzungen für eine Stundung vorlagen. In Art. 13 Abs. 3 KAG in der vom 1. März 1985 bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Fassung war geregelt, dass eine erhebliche Härte im Sinn des – nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 a) KAG anwendbaren – § 222 AO (Stundung) bei Beitragsforderungen insbesondere für unbebaute beitragspflichtige Grundstücke vorliegen kann, deren landwirtschaftliche Nutzung weiterhin notwendig ist oder deren Nichtbebauung im Interesse der Erhaltung der charakteristischen Siedlungsstruktur oder des Ortsbilds liegt; in diesen Fällen soll auf die Erhebung von Zinsen verzichtet werden. Sollten die genannten tatbestandlichen Voraussetzungen zum damaligen Zeitpunkt nicht vorgelegen haben, ist der Stundungsbescheid dennoch bestandskräftig geworden. Gründe für eine Nichtigkeit des Stundungsbescheids nach Art. 44 BayVwVfG sind nicht ersichtlich.
2.2 Die Stundung wurde in Höhe von 7.804,– DM (3.990,12 Euro) mit Bescheid der Beklagten vom 30. November 1990 wegen einer veräußerten Teilfläche aus dem Grundstück FlNr. … von 1951 qm (neue FlNr. …) widerrufen und fällig gestellt. Es ist davon auszugehen, dass der fällig gestellte Betrag vom Vater der Klägerin bezahlt wurde und die Kanalherstellungsbeitragsforderung deshalb in dieser Höhe erloschen ist. Damit war weiterhin ein Kanalherstellungsbeitrag in Höhe von noch 20.276,– DM (10.366,95 Euro) offen, aber gestundet.
2.3 Mit dem Versterben des Vaters der Klägerin ist sowohl die noch offene Kanalherstellungsbeitragsforderung wie auch deren Stundung auf die Klägerin als Erbin im Wege der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) nach § 1922 Abs. 1 BGB übergegangen.
Bei der Gesamtrechtsnachfolge geht das Vermögen in Folge des Erbfalls im Ganzen mit allen Aktiva und Passiva auf den Erben über, d. h. der Erbe übernimmt mehr oder weniger die Rechtsposition des Erblassers. Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ging in Folge des Erbfalls auch die von der Beklagten dem Vater der Klägerin als Erblasser gewährte Stundung der Herstellungsbeitragsforderung unverändert auf die Klägerin als Erbin über; das Gericht teilt nicht die Auffassung der Beklagten, dass die gegenüber dem Vater der Klägerin ausgesprochene Stundung infolge dessen Versterbens erlosch oder gegenstandslos wurde, also gegenüber der Klägerin keine Rechtswirkungen mehr entfaltet.
Die Stundung ist im vorliegenden Fall kein „höchstpersönlicher Verwaltungsakt“. Der Begriff eines „höchstpersönlichen Verwaltungsaktes“ ist soweit ersichtlich im Verwaltungsrecht und in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung kein geläufiger Fachterminus. Gemeint ist von der Beklagten jedoch damit, dass durch die Stundung ein höchstpersönliches Recht des Erblassers als Adressat des Bescheids begründet wurde, welches gerade nicht auf einen Erben übergehen konnte und sollte. Derartige, durch Verwaltungsakt begründete Rechtspositionen, die durch den Tod des begünstigten Adressaten wegfallen oder erlöschen, gibt es im öffentlichen Recht in vielen Bereichen. Überall dort, wo es für die Erteilung einer Erlaubnis, Berechtigung o.ä. auf persönliche Voraussetzungen, Fähigkeiten, Ausbildung oder auf eine besondere Eignung und ähnliches ankommt und diese Voraussetzungen gerade auch in der Person des Begünstigten geprüft und bejaht wurden, werden derartige höchstpersönliche Rechte begründet. Beispiele sind die Erteilung eines Führerscheins, eines Vertriebenenausweises, die Eintragung in die Handwerksrolle, die ärztliche Approbation, eine Erlaubnis zur Kindertagespflege, die Bestellung als Sachverständiger oder die Gewährung von Sozialhilfeleistungen. Die genannten Begünstigungen sind unmittelbar an die jeweilige Person adressiert und gebunden und gehen unzweifelhaft nicht auf einen Erben über. Auch belastende Verwaltungsakte können höchstpersönlicher Art sein, so z. B. die Gewerbeuntersagung, die nicht auf einen Erben übergehen.
Die dem Vater der Klägerin gewährte Stundung hat jedoch nach Auffassung der Kammer kein höchstpersönliches Recht des Klägers begründet. Die Stundung hatte vielmehr einen objektiven Anknüpfungspunkt im Grundstück des Erblassers bzw. jetzt der Klägerin, für welches ein Kanalherstellungsbeitrag entstanden war. Zwar entsteht die Beitragsschuld als solche beim Grundstückseigentümer als natürliche oder juristische Person. Das Entstehen der Forderung hängt jedoch immer von objektiven Umständen ab: Das Grundstück muss bebaut oder bebaubar oder gewerblich genutzt oder gewerblich nutzbar sein und es muss (rechtlich und) tatsächlich eine Anschlussmöglichkeit zur tatsächlich vorhandenen und gewidmeten Entwässerungseinrichtung bestehen; das Grundstück muss durch die Einrichtung erschlossen sein, d. h. der öffentliche Kanal muss in zumutbarer Nähe am Grundstück vorbeiführen. Nur wenn diese tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen, kann eine Beitragsforderung entstehen. Hinzu kommt, dass die Beitragsforderung zwar gegen den Eigentümer im Zeitpunkt des Entstehens der Forderung gerichtet ist, daneben aber auch als öffentliche Last auf dem Grundstück ruht (vgl. Art. 5 Abs. 7, Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 c) KAG i. V. m. § 77 Abs. 2 AO). Da der Herstellungsbeitrag als öffentliche Last auf dem betreffenden Grundstück ruht, hat ein – späterer – Eigentümer die Zwangsvollstreckung in das Grundstück zu dulden, auch wenn er nicht schon persönlicher Schuldner der Beitragsforderung ist.
Diese Grundstücksbezogenheit der Herstellungsbeitragsforderung ist nach Auffassung der Kammer auch auf die Stundung der Beitragsforderung zu erstrecken. Dafür spricht im vorliegenden Fall insbesondere auch, dass der Stundungsbescheid der Beklagten vom 17. November 1988 selbst auf objektive und grundstücksbezogene Merkmale abstellt. Nach dem Bescheid erfolgt die Stundung bis zur Bebauung bzw. Veräußerung des Grundstücks; in einem solchen Fall ist für die jeweilige Fläche (Parzelle) der Betrag zu entrichten. Zudem wird die Stundung von der Bedingung abhängig gemacht, dass bis spätestens 1. Dezember 1988 vor einem Notariat die Eintragung einer dinglichen Sicherung zugunsten der Beklagten für die gemeindliche Abwasserleitung beantragt werde. Auch dies, die Forderung nach einer dinglichen Belastung des beitragspflichtigen Grundstückes, hat ein objektives Moment losgelöst von lediglich subjektiven Stundungsvoraussetzungen beim damaligen Beitragsschuldner, dem Vater der Klägerin. Auch Art. 13 Abs. 3 KAG nach der im Jahr 1988 geltenden Fassung stellt ergänzend neben den Voraussetzungen des § 222 AO nicht nur auf höchstpersönliche, sondern auf betriebliche Gründe (Notwendigkeit des Grundstücks zur weiteren landwirtschaftlichen Nutzung) bzw. auf Gemeinwohlgründe ab (Nichtbebauung im Interesse der Erhaltung der charakteristischen Siedlungsstruktur oder des Ortsbildes). Diese Voraussetzungen werden auch im Wesentlichen im Art. 13 Abs. 3 KAG in der aktuellen Fassung noch differenzierter aufgeführt; in Art. 13 Abs. 3 Satz 5 KAG derzeitiger Fassung wird die Regelung explizit auch für die Fälle der Nutzungsüberlassung und Betriebsübergabe an Familienangehörige festgeschrieben.
In der Gesamtsicht steht damit für das Gericht fest, dass die von der Beklagten 1988 ausgesprochene Stundung gerade nicht höchstpersönlicher Natur war. Die Stundung ist damit durch den Erbfall nicht erloschen oder weggefallen, sondern als Teil der Vermögensgesamtheit des Erblassers auf die Klägerin als Rechtsposition mit übergegangen.
Da die Stundung somit weiterwirkt, war wie beantragt festzustellen, dass der Beklagten keinen fälligen Forderungen aus dem Kanalherstellungsbeitragsbescheid vom 7. August 1987 zustehen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollsteckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
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einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.