Erbrecht

Unterlassung der Verwertung eines Nachlassgrundstücks durch einen Testamtentsvollstrecker

Aktenzeichen  1 O 4368/16

Datum:
19.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 151184
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 753, § 754, § 2046 Abs. 3, § 2203, § 2204, § 2208, § 2042f., § 2057a, § 2216, § 2219 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die Formulierung in einem Testament, dass eine Immoblie beide Kinder zu gleichen Teilen erhalten sollen, kann für den eingesetzten Testamentsvollstrecker bedeuten, dass er die Immobilie nicht ohne Not verwerten darf. (Rn. 101 – 102) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die beklagte Partei zu 1) wird verurteilt, es zu unterlassen, das Grundstück W., … zu verwerten, insbesondere im Wege des Verkaufs.
2. Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei zu 2) verpflichtet ist, dem Nachlass der am 03.04.2015 verstorbenen … alle Schäden zu ersetzen, die dadurch entstanden sind, dass die beklagte Partei zu 2) in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstrecker der am 03.04.2015 verstorbenen … das zum Nachlass gehörende Grundstück W., …, im Wege des Verkaufs veräußern wollte.
3. Die beklagten Parteien haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, mit Ausnahme der Kosten der Streithilfe, die vom Streithelfer zu tragen sind.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die Klage ist zulässig:
Insb. ist das Gericht infolge der Verweisung örtlich zuständig, § 281 ZPO.
Auch der Feststellungsantrag II. ist gemäß § 256 ZPO zulässig, da der spätere Eintritt von Schadensfolgen überhaupt, wenn auch gegebenenfalls nur entfernt, möglich ist (BGH-NJW 1991, 2707, 2708; 2001, 1431, 1432, Urteil vom 09.01.2007, VI ZR 113/06, NJW-RR 2007, 601), z.B. wegen der Kosten der Beauftragung eines Maklers durch die beklagte Partei zu 2).
II. Die Klage ist begründet.
Die Klagepartei ist insoweit für die Klage allein (ohne den Miterben und Streithelfer) aktivlegitimiert (=sachbefugt; Staudinger/Reimann, BGB, 2012, § 2216, Rn. 10).
Der Anspruch gegen die beklagte Partei zu 1) folgt aus § 2216 BGB (1.).
Der Anspruch gegen die beklagte Partei zu 2) folgt aus § 2219 BGB (2.).
1. Der Anspruch der Klagepartei gegen die beklagte Partei zu 1) auf Unterlassung, dass Grundstück in W. zu verwerten, beruht auf § 2216, II 1, BGB in Verbindung mit dem Testament der Erblasserin vom 24.10.2010 (K 1), wonach die „Immobilie … in W. … beide Kinder [die Klagepartei und der Streithelfer] zu gleichen Teilen“ erhalten sollen.
Der Erbe, hier die Klagepartei, hat ein Klagerecht gegen den Testamentsvollstrecker wegen der Vornahme oder des Unterlassens einer Verwaltungsmaßnahme vor dem Prozeßgericht (Palandt, BGB, 74. A., § 2216, Rn. 1), wenn die vom Testamentsvollstrecker beabsichtigte Verwaltungsmaßnahme nicht vom Testament gedeckt ist.
a) Ersichtlich hat auch die beklagte Partei zu 1) –
„Meine derzeit noch bestehende Immobilie in der … in W. erhalten beide Kinder zu gleichen Teilen.
Sollte ich mich in der kommenden Zeit davon trennen müssen, so erhalten beide Kinder zu gleichen Teilen den Wert der kleineren Immobilie“, (bzw. S. 6):
„… stelle ich klar, dass zwischen den Kindern, auch bei unterschiedlichem Wert der Vermächtnisse, kein Wertausgleich erfolgt“ –
das Testament so verstanden, da die Übertragung des Eigentums an die Miterben, die Klagepartei und den Streithelfer, im Grundbuch – außer Streit – vollzogen wurde.
b) Das beinhaltet vorliegend allerdings auch, dass es der beklagten Partei zu 1) als Testamentsvollstrecker verwehrt ist, die Immobilie zu verwerten, insb. – jedenfalls ohne Not – zu veräußern.
Die beklagte Partei zu 1) bringt keinerlei überzeugendes Argument vor, weshalb sie die Immobilie W. veräußern dürfte, müsste oder sollte.
(1) Nach Auffassung des Richters liegt (auch) eine Verwaltungsanordnung, eine konkrete ausformulierte Handlungsanweisung an den Testamentsvollstrecker, die beklagte Partei, die auch in der Testamentsurkunde selbst aufgenommen ist, nach § 2216 II BGB vor.
Denn die Erblasserin wollte, dass ihre beiden Kinder die Immobilie in W. zu gleichen Teilen erhalten, nicht etwa nur deren Wert.
Wie sie im Testament vom 24.10.2010 an unterschiedlichen Stellen ausgeführt hat, wusste sie zwischen einem Gegenstand, einem Anteil daran, und dessen Wert zu unterscheiden (im Tatbestand zitiert).
(2) Um eine Bindungswirkung für den Testamentsvollstrecker über § 2203 BGB hinaus geht es nicht.
Es geht auch nicht um eine angeordnete Verfügungsbeschränkung gem. § 2208 BGB.
Ein unbeschränkter Testamentsvollstreckervermerk im Grundbuch oder ein uneingeschränktes Testamentsvollstreckerzeugnis binden den Richter in seiner Auslegung nicht. Vorliegend unerheblich ist auch, dass eine Verwaltungsanordnung nicht zu einem dinglich wirkenden Veräußerungsverbot führen würde, was die Klagepartei auch nicht behauptet.
Dass sich ein Testamentsvollstrecker mit Zustimmung aller Erben über eine Anordnung hinwegsetzen könnte, steht ebenfalls nicht in Zweifel.
Nur: die Klagepartei stimmt nicht mehr zu, wie ihrem Schreiben vom 12.07.2016 (K 2) und der Klage zu entnehmen ist; ihr früheres Einverständnis ist ersichtlich hinfällig geworden.
(3) Selbstverständlich ist der Testamentsvollstrecker, die beklagte Partei, gem. § 2046 III BGB berechtigt (insb. aber verpflichtet), etwaige vorrangige Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen auch mag die Erbschaftsteuer noch gar nicht festgesetzt worden sein.
Dass bedeutet jedoch nicht, dass der Testamentsvollstrecker – derzeit – das Grundstück verwerten darf oder muss – gerade weil die Erbschaftsteuer noch nicht festgesetzt ist.
Es ist nicht ansatzweise schlüssig dargelegt, welche Nachlassverbindlichkeiten oder Erbschaftsteuern – durch Verwertung von Nachlassgegenstände – aktuell zu regeln wären. Auch die Auseinandersetzung der Gesamthandsgemeinschaft inklusive Grundstück nach Maßgabe der §§ 2204, 2042 bis 2057 a BGB sowie insb. nach § 2042 BGB in Verbindung mit §§ 750 ff. BGB steht ersichtlich derzeit nicht an.
(4) Ferner kann dahinstehen, ob die Erblasserin bezüglich der Immobilie ein „Vorausvermächtnis“ im juristischen Sinne anordnen wollte.
Festgestellt werden kann jedenfalls, dass sie (s. o. (1)) den Erben das Grundstück, nicht nur dessen Wert zuwenden wollte.
Inwieweit die Erblasserin den Begriff „Vorausvermächtnis“ insoweit juristisch fehlerhaft, unbeabsichtigt oder im Ergebnis sinnentleert – auch im Hinblick auf das Testament vom 19.10.2004 und die geänderten Verhältnisse (Steuerhinterziehung, Selbstanzeige) – verwendet hat, kann ebenfalls dahinstehen.
Gerade der Umstand, dass die Erblasserin den Begriff bereits 2004 „falsch“ verwendet hat („Vorausvermächtnis“ für den Nichterben …, belegt, dass nach ihrer Intention hinter dem Begriff zu forschen ist.
Durchgängig ergibt sich nach Auffassung des Richters, dass die Erblasserin in den Testamenten von 2004 und 2010 die unter „Vorausvermächtnis“ bezeichneten Gegenstände vorrangig den jeweils benannten Personen „zuordnen“, damit zuwenden bzw. „vermachen“ wollte.
Die Steuerproblematik ergibt kein anderes Bild.
Insb. kann die beklagte Partei nicht überzeugend erklären, weshalb dieser Umstand dazu führen soll, dass die Immobilie derzeit veräußert werden sollte.
Der Richter kann nicht erkennen, dass der Sinn und Zweck des Testamentes aus dem Jahr 2010 sowie die Entstehungsgeschichte beider Testamente gegen einen Willen der Erblasserin sprechen sollte, die Immobilie zu Bruchteilen zu übertragen.
Eine etwaige Auseinandersetzung insoweit müssen die Miterben gegebenenfalls untereinander führen.
(5) Schließlich macht die Anordnung eines Vorausvermächtnisses auch Sinn.
Sie verschafft nämlich dem Vermächtnisnehmer einen eigenen schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch gegen den Nachlass und damit gegen den Testamentsvollstrecker und entzieht den Vermächtnisgegenstand damit einer Verwertung durch den Testamentsvollstrecker.
Und: Wenn ein Erblasser seinen Nachlass im Wege einer Zuwendung von Einzelgegenständen verteilt, hat die Auseinandersetzung auf diesem Wege zu erfolgen – und nicht im Wege einer Verwertung und anschließenden Erlösverteilung.
c) Damit sind auch die Einwände des Streithelfers gegen den Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Verwertung der Immobilie durch die beklagte Partei zu 1) entkräftet.
2. Der Feststellungsanspruch ist gem. § 2219 I BGB begründet.
Wenn die Auslegung einer letztwilligen Verfügung durch den Testamentsvollstrecker unvertretbar ist – wie nach Auffassung des Richters vorliegend, jedenfalls nach dem Schreiben der Klagepartei vom 12.07.2016 – haftet er nach § 2219 BGB, wobei insoweit die beklagte Partei nicht in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstrecker, sondern in eigener Person passiv legitimiert (betroffen) ist.
Die angestrebte Veräußerung des Grundstücks in W. ist vorliegend – wie ausgeführt – nicht Aufgabe der beklagten Partei als Testamentsvollstrecker gewesen.
Das ist für sie auch erkennbar gewesen (s. o.).
Angesichts der Veräußerungsbemühungen der beklagten Partei ist es unschwer denkbar, dass bspw. Ansprüche von Maklern gegen den Nachlass geltend gemacht werden können.
II. Kosten: §§ 91 I, 101 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 ZPO.

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